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44. Familie: Leierschwänze ( Menuridae)

Die Leierschwänze ( Menuridae), zwei in Australien heimische Sperlingsvögel, bilden die letzte Familie der Ordnung. Ihre Gestalt ist eine so eigenartige, daß man sie wohl mit anderen Sperlingsvögeln vergleichen, nicht aber vereinigen kann. Sehr groß, fasanähnlich gebaut, hochläufig, kurzflügelig und langschwänzig, stellen sie eine der absonderlichsten aller Vogelgestalten dar. Der Schnabel ist gerade, an der Spitze gebogen, vor derselben etwas ausgeschweift, an der Wurzel breiter als hoch; die Nasenlöcher liegen in der Mitte, sind groß, eiförmig und durch eine Haut halb geschlossen. Der Fuß ist schlankläufig, die Mittelzehe, welche mit der äußeren bis zum ersten Gelenke durch eine schmale Spannhaut verbunden wird, wenig länger als die Seitenzehen, aber nur halb so lang wie der Lauf, jede Zehe durch einen großen, der Zehe an Länge gleichen, gekrümmten, aber stumpfen Nagel bewehrt. In dem sehr gewölbten Flügel sind die ersten fünf Schwungfedern abgestuft, die sechste bis neunte aber von gleicher Länge und die längsten. Der sehr lange Schwanz wird aus verschiedenartig gebildeten Federn zusammengesetzt. Diejenigen, welche man als die eigentlichen Steuerfedern bezeichnen möchte, zwölf an der Zahl, können kaum mehr Federn genannt werden, weil die Fahnenstrahlen nicht zusammenhängen, sondern weit von einander stehen, so daß sie den zerschlissenen Schmuckfedern mancher Reiherarten ähneln; die beiden mittleren und die beiden äußeren Steuerfedern dagegen sind mit zusammenhängenden Fahnen besetzt, erstere mit sehr schmalen, letztere, welche außerdem Sförmig gekrümmt sind, mit schmalen Außen- und sehr breiten Innenfahnen. Diese Schwanzbildung, der schönste Schmuck des Vogels, kommt übrigens bloß dem Männchen zu; denn der Schwanz des Weibchens besteht nur aus zwölf abgestuften Steuerfedern von gewöhnlicher Form. Das Gefieder ist reich und locker, auf Rumpf und Rücken fast haarartig, auf dem Kopfe hollenartig verlängert, um die Schnabelwurzel herum in Borsten verwandelt.

siehe Bildunterschrift

Leierschwanz.

Die Färbung des Leierschwanzes ( Menura superba, vulgaris, paradisea, lyra, Novae-Hollandiae und Victoriae, Megapodius menura, Parkinsonius mirabilis) ist der Hauptsache nach ein dunkles Braungrau, welches auf dem Bürzel röthlichen Anflug zeigt; die Kehle und Gurgelgegend sind roth, die Untertheile bräunlich aschgrau, blasser am Bauche, die Armschwingen und die Außenfahne der übrigen rothbraun; der Schwanz ist auf der Oberseite schwärzlichbraun, auf der Unterseite silbergrau; die Außenfahnen der beiden leierförmigen Federn sind dunkelgrau, ihre Spitzen sammetschwarz, weiß gefranzt, ihre Innenfahnen abwechselnd schwarzbraun und rostroth gebändert, die mittleren Schwanzfedern grau, die übrigen schwarz. Die Länge des Männchens beträgt einhundertunddreißig, die Fittiglänge neunundzwanzig, die Schwanzlänge siebzig Centimeter. Das Weibchen ist bedeutend kleiner, die Färbung seines Gefieders ein schmutziges Braun, welches auf dem Bauche ins Graue übergeht. Ihm ähneln die jungen Männchen bis zur ersten Mauser.

Wir verdanken Gould die ausführlichsten Beobachtungen über die Lebensweise der Leierschwänze und sind durch Becker und Ramsay auch über das Fortpflanzungsgeschäft unterrichtet worden. Das Vaterland des Vogels ist Neusüdwales, östlich bis zur Moritonbay, südwestlich bis gegen Port Philipp hin; seine Aufenthaltsorte sind dichte Buschwaldungen auf hügeligem oder felsigem Grunde. »Das Umherklettern in diesen Bergen«, schildert ein Leierschwanzjäger, »ist nicht bloß beschwerlich, sondern auch höchst gefährlich. Die Spalten und Klüfte sind mit ungeheueren Massen halbverwester Pflanzenstoffe bedeckt, in denen man wie in Schnee knietief watet. Ein falscher Tritt, und der Mann verschwindet oder bleibt wie ein Keil in den Felsspalten stecken. Ein Glück, wenn er seine Waffe noch gebrauchen, wenn er sich vermittels eines Schusses durch den Kopf vom langsamen Verschmachten befreien kann; denn Hülfe ist unmöglich.« An solchen Orten hört man den Leierschwanz überall, aber man hört ihn eben nur. Gould verweilte tagelang in den Gebüschen, war von Vögeln umgeben, hörte ihre laute, helle Stimme, vermochte aber nicht, einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen, und nur die rücksichtsloseste Ausdauer und die äußerste Vorsicht belohnten später seine Bemühungen.

Diese Schwierigkeit, sich dem vorsichtigen Geschöpfe zu nähern und, sozusagen, mit ihm zu verkehren, läßt es begreiflich erscheinen, daß wir trotz aller Jagdgeschichten, welche die Reisenden uns mitgetheilt haben, ein klares Bild der Lebensweise, des Betragens, der Gewohnheiten und Sitten des Leierschwanzes noch nicht haben gewinnen können. Alle Beobachter stimmen in dem einen überein, daß der Vogel den größten Theil seines Lebens auf dem Boden zubringt und nur höchst selten zum Fliegen sich bequemt. Laufend durchmißt er die ungeheueren Waldungen, eilt er über liegende Baumstämme oder selbst durch das Gezweige derselben weg, klimmt er an den starren und rauhen Felswänden empor; springend erhebt er sich plötzlich bis zu drei Meter und mehr über den vorher eingenommenen Stand, senkt er sich von der Höhe der Felswände zur Tiefe herab, und nur wenn er den Grund einer Felsspalte besuchen will, nimmt er zu den Schwingen seine Zuflucht. Bartlett, welcher einen Leierschwanz pflegte, nennt ihn einen der unruhigsten und beweglichsten aller Vögel und die Schnelligkeit seines Laufes geradezu erstaunlich, um so mehr, als er unglaublich weite Entfernungen mit unvergleichlicher Hurtigkeit und Gewandtheit überspringt. Bei eiligem Laufe trägt er sich wie ein Fasan, den Leib sehr gestreckt, den Kopf vorn übergebeugt, den langen Schwanz wagerecht und zusammengelegt gehalten, weil dies die einzige Möglichkeit ist, das Buschdickicht zu durchmessen, ohne seinen prächtigsten Schmuck zu beschädigen. Morgens und abends ist er am thätigsten, während der Brutzeit aber treibt er sich auch in den Mittagsstunden auf besonders vorgerichteten Plätzen umher. Jedes Männchen wirft scharrend kleine Hügel auf und bewegt sich auf ihnen nach Art balzender Hühner, indem es unablässig auf jenen Hügeln umhertritt, dabei den Schwanz emporhält, ihn äußerst zierlich ausbreitet und seinen Gefühlen außerdem durch die verschiedensten Laute Ausdruck gibt. Die Stimme ist, den entwickelten Singmuskeln durchaus entsprechend, außerordentlich biegsam, der gewöhnliche Lockton laut, weitschallend und schrillend, der Gesang je nach der Oertlichkeit verschieden, weil ein Gemisch von eigenen und von erborgten oder gestohlenen Lauten. Der eigenthümliche Gesang scheint eine sonderbare Bauchrednerei zu sein, welche man nur hören kann, wenn man dem Sänger selbst bis auf einige Meter nahe ist. Die Strophen desselben sind lebhaft, aber verworren, brechen oft ab und werden dann mit einem tiefen, hohlen und knackenden Laute geschlossen. »Dieser Vogel«, sagt Becker in vollkommenster Uebereinstimmung mit anderen Beobachtern, »besitzt wohl die größte Gabe, Töne aller Art nachzuahmen. Um einen Begriff zu geben, wie weit diese Fähigkeit geht, führe ich folgendes an. In Gippsland steht nahe dem südlichen Abhange der australischen Alpen eine Holzschneidemaschine. Dort hört man an stillen Sonntagen fern im Walde das Bellen eines Hundes, menschliches Lachen, Gesang und Gekreisch von vielen Bügeln, Kindergeheul und dazwischen das ohrenzerreißende Geräusch, welches das Schärfen einer Säge hervorruft. Alle diese Laute und Töne bringt ein und derselbe Leierschwanz hervor, welcher unweit der Schneidemaschine seinen Ruhesitz hat.« Gegen die Brutzeit hin verdoppelt sich diese Redseligkeit noch bedeutend; er ersetzt dann, wie die Spottdrossel Amerikas, ein ganzes Heer von singenden Vögeln. Fremden Geschöpfen gegenüber bekundet der Leierschwanz die äußerste Vorsicht; es scheint aber, daß er den Menschen noch ängstlicher flieht als die Thiere. Mit seinesgleichen vereinigt er sich niemals: denn man trifft ihn immer paarweise an und beobachtet, daß zwei Männchen, welche sich begegnen, augenblicklich mit einander in den heftigsten Streit gerathen und sich erbittert umherjagen.

Die Nahrung besteht größtentheils in Kerbthieren und Würmern. Gould fand besonders Tausendfüße, Käfer und Schnecken in dem Magen der von ihm oder seinen Jägern erlegten Stücke. Einen beträchtlichen Theil seines Futters gewinnt der Vogel durch Scharren. Hierbei bethätigt er ebensoviel Kraft wie Geschick; denn er wälzt, obgleich er seitlich, nicht nach hinten scharrt, Erdklumpen oder Steine bis zu vier Kilogramm Gewicht zur Seite, um etwa darunter verborgene Thiere zu erlangen. Sämereien verzehrt er ebenfalls, obschon vielleicht nur zu gewissen Zeiten. Unverdauliche Reste speit er in Gewöllen aus.

Nach Beckers Erfahrungen fällt die Brutzeit in den August; nach Ramsay dagegen beginnt der Vogel bereits im Mai am Neste zu arbeiten und legt sein Ei schon im Juni, spätestens im Juli. Der zum Nisten gewählte Lieblingsplatz ist das dichte Gestrüpp an Abhängen der tiefen und schroffen Klüfte, an denen die Gebirge so reich sind, oder auf den kleinen Ebenen, welche zwischen den Flußwindungen am Fuße der Gebirge liegen. Hier sucht der Vogel junge Bäume aus, welche dicht neben einander stehen, und deren Stämmchen eine Art von Trichter bilden; zwischen diesen Stämmchen, zuweilen auch auf einem ausgehöhlten Baumstamme oder in einem nicht allzuhohen Farnstrauche, einer Felsennische, einem vom Feuer theilweise zerstörten Baumstamme, meist nicht hoch, ausnahmsweise auch in beträchtlicher Höhe über begehbarem Boden, steht das Nest, ein je nach dem Standorte und den am leichtesten zu beschaffenden Stoffen verschieden zusammengesetzter, immer aber großer, länglich eiförmiger und überdachter Bau von etwa sechzig Centimeter Länge und dreißig Centimeter Höhe. Der Unterbau besteht in der Regel aus einer Lage von groben Reisern, Holzstücken und dergleichen, das eigentliche, kugelförmige Nest aus feinen, biegsamen Wurzeln, die innere Ausfütterung aus den zartesten Federn des Weibchens. Die obere Hälfte ist nicht dicht mit der unteren verbunden, läßt sich leicht von ihr trennen, bildet also das Dach des ganzen Baues und besteht wie der untere Theil aus grobem Gehölze, Gras, Moos, Farnblättern und ähnlichen Stoffen. Von weitem sieht ein solches Nest aus, als wäre es weiter nichts als ein Bündel trockenen Reisigs. Eine seitliche Oeffnung dient als Eingang in das Innere des anscheinend so liederlichen, in Wirklichkeit aber sehr haltbaren, oft für mehrere Jahre dienenden Baues. Der Leierschwanz brütet nur einmal im Jahre und legt bloß ein einziges Ei, welches dem einer Ente an Größe etwa gleichkommt, ungefähr sechzig Millimeter lang, vierzig Millimeter dick und auf hell aschgrauem Grunde schwach mit dunkelbräunlichen Flecken gezeichnet ist. Das Weibchen brütet allein, wird währenddem vom Männchen nicht geatzt, anscheinend nicht einmal besucht, verläßt daher in den Mittagsstunden oft auf längere Zeit das Nest und zeitigt das Ei kaum vor Ablauf eines Monats. Nach einem Ausfluge zum Neste zurückkehrend, kriecht es durch den Eingang ins Innere, dreht sich dann um und nutzt dabei die Schwanzfedern in so erheblicher Weise ab, daß man an ihnen erkennen kann, ob es bereits längere oder kürzere Zeit gebrütet hat. Das Junge verläßt das Nest nicht, bevor es acht bis zehn Wochen alt geworden ist. Eines, welches Becker beobachtete, war fast unbefiedert und zeigte nur hier und da schwarze, Pferdehaaren ähnliche Federgebilde. Die Mitte des Kopfes und des Rückgrates waren die am dichtesten, die Flügel und die Beine die am spärlichsten bedeckten Theile. Die Haut zeigte gelblichgraue Färbung; der Schnabel war schwarz, der Fuß dunkel gelblichgrau. Das Junge kam mit geschlossenen Augen aus dem Eie; doch waren die Lider schon vollständig getrennt. Ein anderes Junge, welches später aus dem Neste genommen wurde, war schon ziemlich groß und auf Kopf und Rücken mit Dunen bekleidet. Als man es ergriff, stieß es einen lauten Schrei aus, welcher sofort die Mutter herbeizog. Sie näherte sich, ihre sonstige Scheu gänzlich vergessend, den Fängern bis auf wenige Meter, schlug mit den Flügeln und bewegte sich jählings nach verschiedenen Seiten hin, in der Absicht, ihr Junges zu befreien. Ein Schuß streckte sie zu Boden, und fortan schwieg das Junge. Im Verhältnisse zu seiner Größe benahm es sich ungemein hülflos; sein Gang hatte, obgleich die Beine schon sehr entwickelt waren, etwas äußerst ungeschicktes; es erhob sich schwerfällig, rannte zwar, fiel aber öfters zu Boden. Wohl durch die Wärme angelockt, strebte es beständig, sich dem Lagerfeuer zu nähern, und erforderte deshalb stete Aufsicht. Sein Schrei, ein lautes »Tsching, tsching«, wurde oft gehört; antwortete sein Pfleger mit »Bullan, bullan«, dem Locktone des Alten, so kam es herbeigelaufen und konnte mit diesen Lauten förmlich geleitet werden. Nach kurzer Zeit war es sehr zahm geworden. Ameisenpuppen fraß es mit Begierde, verschmähte aber auch Brodkrumen und Fleischstückchen nicht. Zuweilen las es sich selbst Ameisenpuppen vom Boden auf, mühte sich dann aber vergeblich, sie zu verschlingen. Wasser trank es selten. Zum Ruhen richtete man ihm ein Nest aus Moos her und kleidete es innen mit einem Phalangistenfelle aus; in diesem Neste schien es sich sehr behaglich zu fühlen. Während des Schlafes verbarg es den Kopf unter einen Flügel; rief man »Bullan, bullan«, so erwachte es zwar, sah sich auch wohl einige Augenblicke um, nahm aber die beschriebene Lage bald wieder an und bekümmerte sich dann um kein Rufen mehr. Leider starb es am achten Tage nach seiner Gefangennahme. Verschiedene Versuche, jung dem Neste entnommene Leierschwänze aufzuziehen, gelangen besser; aber erst im Jahre 1867 kam der erste lebende Vogel dieser Art im Thiergarten zu Regents Park an. Wie lange er hier gelebt hat, vermag ich nicht zu sagen.

Gould und andere Beobachter nennen den Leierschwanz den scheuesten Vogel der Erde. Das Knacken eines Zweiges, das Rollen eines kleinen Steines, das geringste Geräusch treibt ihn augenblicklich in die Flucht und vereitelt alle Anstrengung des Jägers. Dieser muß nicht nur über Felsklippen und umgestürzte Baumstämme klettern, zwischen und unter den Zweigen mit ängstlicher Vorsicht dahinkriechen, sondern darf auch nur dann vorrücken, wenn der Vogel beschäftigt ist, das heißt im Laube scharrt oder gerade singt. Er muß auf jede Bewegung desselben ein wachsames Auge haben und selbst durchaus bewegungslos bleiben, sobald er glaubt, daß der Leierschwanz ihn bemerken könne; denn die allergeringste Bewegung, welche dieser sieht, verscheucht ihn ebenso sicher wie Geräusch, welches er vernimmt. Nur ausnahmsweise trifft er einzelne an, welche nicht ganz so vorsichtig sind und sich beschleichen lassen. Sehr behülflich wird ein gut geschulter Hund, welcher den Vogel stellt und dessen Aufmerksamkeit von dem Jäger abwendet. Alte, abgefeimte Buschleute befestigen den vollständigen Schwanz eines Männchens auf dem Hute, verbergen sich im Gebüsche und bewegen nun in bestimmter Weise den Kopf und damit selbstverständlich auch den sonderbaren Kopfputz, bis es der zu jagende Leierschwanz bemerkt. Dieser vermuthet, daß ein anderes Männchen in seinem Gebiete eingedrungen sei, kommt eifersüchtig herbei und wird so erlegt. Ist er durch seine Umgebung verborgen, so veranlaßt ihn jeder ungewöhnliche Ton, ein Pfiff zum Beispiel, sich zu zeigen. Er läuft dann nach dem ersten, besten Platze hin, welcher eine Umschau gewährt, und versucht von hier aus die Ursache des Geräusches zu entdecken. Andere Jäger üben sich den Lockton des Leierschwanzes ein und rufen, wenn sie ihre Sache verstehen, jedes Männchen mit Sicherheit zu sich heran.


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