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26. Familie: Drosselmeisen ( Liotrichidae)

Der Himalaya und die nach Osten hin mit ihm zusammenhängenden Gebirgszüge beherbergen einige Gruppen sehr eigenthümlicher Vögel, welche man neuerdings in einer besonderen Familie vereinigt und Drossel- oder Hügelmeisen ( Liotrichidae) genannt hat. Ihr Schnabel ist kurz, kräftig, auf der Firste sanft gebogen, an der Wurzel verbreitert, gegen die Spitze hin seitlich zusammengedrückt, vor derselben leicht ausgekerbt, der Oberschnabel ein wenig über den unteren herabgebogen, der Fuß mäßig hochläufig, der Flügel, unter dessen Schwingen die fünfte und sechste die Spitze bilden, stumpf, der Schwanz mittellang und seicht gegabelt, das Gefieder glatt anliegend und buntfarbig.

Da wir über das Freileben der hierher zu zählenden dreißig bis vierzig Arten wenig wissen, muß ich mich auf Darstellung des bekanntesten Mitgliedes der Gruppe beschränken.

 

Die Golddrosselmeise, Sonnenvogel, Pekingnachtigall ( Leiothrix luteus oder lutea, Sylvia lutea, Tanagra sinensis, Parus furcatus, Bahila calipyga) ist oberseits olivengraubraun, auf dem Oberkopfe olivengelb überflogen, die Ohrgegend hellgrau, unterseits durch einen dunkelgrauen Mundwinkelstreifen begrenzt, der Zügel blaßgelb, die Kehle blaß-, der Kropf dunkelorange, die Brust- und Bauchmitte gelblichweiß, die Seite graubräunlich; die Schwingen sind schwarz, außen lebhaft orange, nach der Wurzel zu dunkler gesäumt, die Armschwingen an der Wurzel und die vordersten in der Endhälfte außen lebhaft orangeroth gesäumt, die hintersten Armschwingen rostbraun, außen, die braunen Schwanzfedern außen und am Ende, die beiden mittleren nur hier, aber breiter glänzend schwarz umrandet, die längsten oberen Schwanzdecken rothbraun, mit schmalem, fahlweißem, nach innen dunkler gerundetem Endsaume. Das Auge hat braune, der Schnabel lebhaft korallrothe, an der Wurzel schwärzliche, der Fuß gelbe Färbung. Die Länge beträgt einhundertundsechzig, die Fittiglänge fünfundsiebzig, die Schwanzlänge siebzig Millimeter.

Der ebenso schöne wie zierliche und anmuthende Vogel bewohnt einen zwischen funfzehnhundert bis dreitausend Meter über dem Meere gelegenen Höhengürtel des Himalaya und der mit ihm in östlicher Richtung zusammenhängenden Gebirgszüge bis zum Südwesten und Süden Chinas. Hier bilden dichte Gebüsche, mehr oder weniger undurchdringliche Dickichte und Bambusenbestände seinen Aufenthalt. Regsam und beweglich, meist aber mißtrauisch verborgen, durchstreift er familienweise sein Gebiet, um seiner Nahrung nachzugehen, welche ebensowohl in Kerbthieren aller Lebenszustände und verschiedenster Arten, wie in Früchten, Knospen und Blütentheilen besteht. Den Gesang des Männchens vergleicht Armand David, einer der wenigen, welche uns dürftige Nachrichten über das Freileben der Hügelmeisen geben, mit dem reichen Liede des Meistersängers. Ich halte dies nicht für zutreffend, muß aber sagen, daß die kurze Weise, welche man von gefangenen Vögeln dieser Art vernimmt, ein fröhliches Gepräge hat und sich recht gut anhört, obgleich ihre Strophen eigentlich nichts anderes sind als eine oftmalige Wiederholung und Verschmelzung der Silben »Die, di, didela, dideli«, denen vielleicht noch ein zartes »Wiriwi« beigefügt wird. Der beiden Geschlechtern gemeinsame Warnungsruf ist ein ziemlich lautes schwirrendes oder knarrendes Geschrei. Fesselnder als das wenn auch hübsche, so doch sehr einfache Lied ist die Munterkeit und Beweglichkeit der Vögel. Zwar stehen sie hierin hinter den Meisen merklich zurück, übertreffen jedoch die meisten Sänger und unterhalten namentlich durch ihre Gewohnheit, im Fluge wie im Sitzen sich zu überschlagen. Das Nest besteht aus Halmen, Blättern, feinen Würzelchen, Moosklümpchen, Pflanzenfasern und ähnlichen Stoffen, das Gelege aus drei bis vier auf bläulichweißem Grunde mit wenigen purpur- und hellrothen Tüpfeln und Flecken gezeichneten Eiern.

Ihrer Schönheit, Beweglichkeit, Friedfertigkeit, Anspruchslosigkeit und Dauerhaftigkeit halber hält man die Golddrosselmeise in Indien wie in China gern im Käfige, bringt sie, neuerdings in immer steigender Anzahl, auch lebend nach Europa. Gefangene, welche geeignete Pflege genießen, werden sehr zahm, singen fleißig, schreiten ohne besondere Umstände zur Fortpflanzung, überstehen die Mauser leicht und vereinigen so fast alle Eigenschaften vorzüglicher Stubenvögel in sich.


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