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19. Familie: Schwalben ( Hirundinidae)

Die Schwalben ( Hirundinidae) sind klein, zierlich gestaltet, breitbrüstig, kurzhalsig und plattköpfig. Der Schnabel ist kurz, platt, an der Wurzel viel breiter als an der Spitze, daher fast dreieckig, mit der Spitze des Oberschnabels etwas übergekrümmt, die Rachenöffnung bis gegen die Augen hin gespalten, der Fuß kurz, schwach und mit kleinen Nägeln ausgerüstet, der Flügel lang, schmal und zugespitzt, der Hand- wie der Armtheil trägt je neun Schwungfedern, unter denen die erste alle übrigen überragt, nicht aber gänzlich fehlt; der Schwanz ist stets, oft sehr tief gegabelt, das Gefieder kurz, knapp anliegend und oberseits meist metallisch glänzend. Beide Geschlechter sind hinsichtlich der Färbung wenig verschieden; die Jungen hingegen tragen kurze Zeit ein von dem ihrer Eltern abweichendes Kleid. Der innere Bau des Schwalbenleibes stimmt im allgemeinen mit dem anderer Sänger überein; eigenthümlich aber sind allen Schwalben der sehr kurze Oberarm, welcher nur die Länge des Mittelhandknochens besitzt, und die am Seitenrande merklich eingezogenen Gaumenbeine. Bloß die Hirnschale ist luftführend. Ein Kropf fehlt; die Magenwände sind schwachmuskelig. Die hornige, breite, flache Zunge ist scharfrandig, vorn gespalten, am hinteren Rande fein gezähnelt.

Die Schwalben, von denen man ungefähr neunzig Arten kennt, verbreiten sich über alle Erdtheile und über alle Höhen- und Breitengürtel, obschon sie jenseit des Polarkreises nur vereinzelt und kaum als Brutvögel leben. Viele von ihnen nehmen im Hause des Menschen Herberge, andere siedeln sich an Felsen- oder in steilen Erdwänden an, einige wählen Bäume zur Anlage ihres Nestes. Sämmtliche Arten, welche in Ländern brüten, in denen der Winter vom Sommer erheblich sich unterscheidet, sind Zugvögel, wogegen diejenigen, welche in Ländern hausen, deren Jahreszeiten mehr oder weniger sich gleichen, höchstens innerhalb gewisser Grenzen hin- und herstreichen. Wiederholt ist behauptet und selbst von tüchtigen Naturforschern für möglich erachtet worden, daß einzelne Schwalben den Winter in kalten Gegenden, und zwar im Schlamme eingebettet als Winterschläfer verbringen; solchen Angaben fehlt jedoch jede Glaubwürdigkeit. Unsere deutschen Schwalben ziehen bis in das Innere, selbst bis in die südlichsten Länder Afrikas, und ich selbst habe sie während meines fünfjährigen Aufenthaltes in diesem Erdtheile mit größter Regelmäßigkeit nach Süden hinab und wieder nach Norden zurück wandern sehen. Daß bei plötzlich eintretender Kälte im Frühjahre oder im Herbste einzelne Schwalben in Löchern Zuflucht suchen, hier in gewissem Grade erstarren und, dank ihrer Lebenszähigkeit, wieder aufleben mögen, wenn sie in die Wärme gebracht werden, will ich nicht gänzlich in Abrede stellen; von einem Winterschlafe aber ist, trotz aller »glaubwürdigen Zeugen« von Aristoteles her bis auf gewisse Beobachter unserer Tage, bestimmt nicht zu reden.

Man nennt mit Recht die Schwalben edle Thiere. Sie sind leiblich und geistig wohl befähigt. Der Flug ist ihre eigentliche Bewegung, ihr Gang auf dem Boden höchst ungeschickt, jedoch immerhin weit besser noch als das unbeschreiblich täppische Kriechen der anscheinend so nah verwandten Segler. Um auszuruhen, bäumen sie gern und wählen sich dazu schwache, wenig belaubte Aeste und Zweige, welche ihnen unbehindertes Zu- und Abfliegen gestatten. Alle wirklichen Schwalben zählen zu den Singvögeln. Ihr Gesang ist ein liebenswürdiges Geschwätz, welches jedermann erfreut und zumal den Landbewohner so anmuthet, daß er dem Liede der in seinem Hause nistenden Art Worte untergelegt hat. Wie der Landmann, so denken und empfinden alle übrigen Menschen, welche das Lied und den Vogel selbst kennen lernten. Denn nicht der Klang aus Schwalbenmunde allein, auch das Wesen und Betragen der Schwalben haben ihnen die Zuneigung des Menschen erworben. Sie sind nicht bloß heiter, gesellig, verträglich, sondern auch klug und verständig, nicht bloß dreist, sondern auch muthig. Sie beobachten ihre Umgebung genau, lernen ihre Freunde und ihre Feinde kennen und vertrauen nur dem, welcher Vertrauen verdient. Ihr Treiben und Beginnen heimelt uns an; ihr Vertrauen sichert ihnen selbst in roheren Gemüthern Schutz und Gastlichkeit.

Alle Schwalben sind Kerbthierjäger. Sie verfolgen und fangen hauptsächlich Zwei-, Ader- und Netzflügler, also vorzugsweise Fliegen und Schnaken, aber auch kleine Käfer und dergleichen. Ihre Jagd geschieht nur im Fluge; sitzende Thiere abzulesen, sind sie nicht im Stande. Die gefangene Beute verschlingen sie, ohne sie zu zerkleinern. Fliegend trinken sie, fliegend baden sie sich auch, indem sie, hart über der Oberfläche des Wassers dahinschwebend, plötzlich sich herabsenken und entweder ihren Schnabel oder einen Theil des Leibes eintauchen und dann die eingenetzten Federn durch zuckende oder schüttelnde Bewegungen wieder trocknen.

Die meisten Arten erbauen ein kunstvolles Nest, dessen äußere Wandung Lehmklümpchen sind, welche mit dem kleberigen Speichel zusammengekleistert wurden; andere graben mühevoll Löcher in das harte Erdreich steil abfallender Wände, erweitern diese in der Tiefe backofenförmig und legen hier das eigentliche Nest an, welches der Hauptsache nach aus zusammengetragenen und wirr übereinander geschichteten Federn besteht. Das Gelege enthält vier bis sechs Eier, welche vom Weibchen allein bebrütet werden.

Dank ihrer Gewandtheit im Fluge entgehen die Schwalben vielen Feinden, welche das Kleingeflügel bedrohen. Doch gibt es in allen Erdtheilen Falken, welche auch die schnellsten Arten zu fangen wissen, und außerdem stellen Katzen, Marder, Wiesel, Ratten und Mäuse der Brut und den noch ungeschickten Jungen nach. Der Mensch befehdet die nützlichen und in den meisten Ländern geheiligten Vögel gewöhnlich nicht, wird im Gegentheile eher zu ihrem Beschützer.

Für die Gefangenschaft eignen sich die Schwalben nicht. Einzelne können zwar dahin gebracht werden, Ersatzfutter in einer ihnen unnatürlichen Weise zu sich zu nehmen und dadurch ihr Leben zu fristen; sie aber sind als seltene Ausnahmen anzusehen. Die Schwalbe verlangt, um zu leben, vor allem die unbeschränkteste Freiheit.

 

Unsere Rauchschwalbe, Land-, Bauern-, Küchen-, Feuer-, Schlot-, Stall-, Stachel-, Stech- und Blutschwalbe ( Hirundo rustica, domestica, gutturalis, panayana, javanica, stabulorum, pagorum, fretensis und Riocourii, Cecropis rustica), vertritt die Sippe der Edelschwalben ( Hirundo), deren Merkmale in dem sehr gestreckten, aber muskelkräftigen Leibe, dem kurzen Halse, flachen Kopfe mit breitem, kaum merklich gekrümmtem Schnabel, den ziemlich langen Füßen mit vollkommen getrennten Zehen, den langen Flügeln, welche jedoch in der Ruhe von dem tief gegabelten Schwanze weit überragt werden, und dem lockeren, auf der Oberseite prächtig metallischglänzenden Gefieder gefunden werden. Die Länge beträgt achtzehn, die Breite einunddreißig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge neun Centimeter. Die Obertheile und ein breiter Gürtel auf dem Kropfe sind blauschwarz, metallischglänzend, Stirn und Kehle hochkastanienbraun, die übrigen Untertheile licht rostgelb; die fünf äußersten Steuerfedern tragen auf der Innenfahne rundliche, weiße Flecke. Beim Weibchen sind alle Farben blasser als beim Männchen, bei jungen Vögeln sehr matt.

siehe Bildunterschrift

Rauchschwalbe ( Hirundo rustica) und Mehlschwalbe ( Chelidon urbica). 1/2 natürl. Größe.

Das Brutgebiet der Rauchschwalbe umfaßt ganz Europa diesseit des Polarkreises und ebenso West- und Mittelasien, ihr Wandergebiet außerdem Afrika und Südasien nebst den großen Eilanden im Süden des Erdtheiles. Sie ist es, welche seit altersgrauer Zeit freiwillig dem Menschen sich angeschlossen und in seinem Hause Herberge genommen hat, welche, falls der Mensch ihr gestattet, sich im Palaste wie in der Hütte ansiedelt und nur da, wo alle geeigneten Wohnungen fehlen, mit passenden Gesimsen steiler Felsenwände behilft, aber noch heutzutage diese mit dem ersten feststehenden Hause vertauscht, welches in solcher Wildnis errichtet wurde; sie versucht selbst in der beweglichen Jurte des Wanderhirten Heimatsrechte zu gewinnen. Ihre Anhänglichkeit an das Wohnhaus des Menschen hat ihr dessen Liebe erworben, ihr Kommen und Gehen im Norden der Erde sie von Alters her als Boten und Verkündiger guter und böser Tage erscheinen lassen.

Die Rauchschwalbe trifft durchschnittlich zwischen dem ersten und funfzehnten April, ausnahmsweise früher, selten später, bei uns ein und verweilt in ihrer Heimat bis Ende des September oder Anfang des Oktober, Nachzügler selbstverständlich abgerechnet. Während der Zugzeit sieht man sie in ganz Afrika. Bis zu den Ländern am Vorgebirge der Guten Hoffnung dringt sie vor, und ebenso ist sie in allen Tiefländern Indiens, auf Ceylon und den Sundainseln Wintergast. Gelegentlich ihrer Wanderung überfliegt sie Länderstrecken, welche jahraus, jahrein verwandte Schwalben beherbergen und diesen also alle Erfordernisse zum Leben bieten müssen, ohne hier auch nur zu rasten. So sah ich sie bereits am dreizehnten September im südlichen Nubien erscheinen, so beobachtete ich sie auf ihrem Rückzuge nur wenige Tage früher, als sie bei uns einzutreffen pflegt, in Chartum, am Zusammenflusse des Weißen und Blauen Stromes, zwischen dem funfzehnten und sechzehnten Grade der nördlichen Breite. Höchst selten kommt es vor, daß im Inneren Afrikas noch im Hochsommer eine Rauchschwalbe gesehen wird, und ebenso selten begegnet man einer im Winter in Egypten oder sonstwo im Norden des Erdtheiles. Unmittelbar nach ihrer Heimkehr findet sie sich bei ihrem alten Neste ein, oder schreitet zur Erbauung eines solchen. Damit beginnt ihr Sommerleben mit all seinen Freuden und Sorgen. Es ist nicht eben ein Beweis von dichterischer Auffassung dieses Lebens, daß der thränenreiche Herloßsohn ihr die Heimat in der Ferne anweist; denn keine Schwalbe zieht »heimwärts«, wenn sie uns verläßt, sondern nothgedrungen in eine freudlose Fremde hinaus, keine singt und jubelt, keine liebt und brütet draußen.

Die Rauchschwalbe ist, wie Naumann trefflich schildert, ein außerordentlich flinker, kühner, munterer, netter Vogel, welcher immer schmuck aussieht, und dessen fröhliche Stimmung nur sehr schlechtes Wetter und demzufolge eintretender Nahrungsmangel unterbrechen kann. »Obgleich von einem zärtlichen oder weichlichen Naturell, zeigt sie doch in mancher ihrer Handlungen viel Kraftfülle: ihr Flug und ihr Betragen während desselben, die Neckereien mit ihresgleichen, der Nachdruck, mit welchem sie Raubvögel und Raubthiere verfolgt, beweisen dies. Sie fliegt am schnellsten, abwechselndsten und gewandtesten unter unseren Schwalben; sie schwimmt und schwebt, immer rasch dabei fortschießend, oder fliegt flatternd, schwenkt sich blitzschnell seit-, auf- oder abwärts, senkt sich in einem kurzen Bogen fast bis zur Erde oder bis auf den Wasserspiegel herab, oder schwingt sich ebenso zu einer bedeutenden Höhe hinauf, und alles dieses mit einer Fertigkeit, welche in Erstaunen setzt; ja, sie kann sich sogar im Fluge überschlagen. Mit großer Geschicklichkeit fliegt sie durch enge Oeffnungen, ohne anzustoßen; auch versteht sie die Kunst, fliegend sich zu baden, weshalb sie dicht über dem Wasserspiegel dahinschießt, schnell eintaucht, so einen Augenblick im Wasser verweilt und nun, sich schüttelnd, weiter fliegt. Ein solches Eintauchen, welches den Flug kaum einige Augenblicke unterbricht, wiederholt sie oft mehrere Male hinter einander, und das Bad ist gemacht.« Zum Ausruhen wählt sie sich hervorragende Oertlichkeiten, welche ihr bequemes Zu- und Abstreichen gestatten; hier sonnt sie sich, hier ordnet sie ihr Gefieder, hier singt sie. »Ihr Aussehen ist dann immer schlank und munter, fast listig; der Rumpf wird dabei in wagerechter Stellung getragen. Nicht selten dreht sie die Brust hin und her und schlägt in fröhlicher Laune zwitschernd und singend die Flügel auf und nieder oder streckt und dehnt die Glieder.« Auf den flachen Boden setzt sie sich ungern, meist nur, um von ihm Baustoffe fürs Nest aufzunehmen, oder während ihrer ersten Jugendzeit; ihre Füßchen sind zum Sitzen auf dem Boden nicht geeignet und noch weniger zum Gehen; sie sieht, wenn sie das eine oder andere thut, »krank und unbehülflich aus und scheint gar nicht derselbe flüchtige Vogel zu sein, als welchen sie sich uns in ihrem kühnen, rastlosen Fluge zeigt.«

Ein zartes »Witt«, welches nicht selten in »Wide Witt« verlängert wird, drückt behagliche Stimmung der Schwalbe aus oder wird als Lockton gebraucht; der Warnungs- und Kampfruf ist ein helles, lautes »Biwist«; die Anzeige drohender Gefahr geschieht durch die Silben »Dewihlik«; bei Todesangst vernimmt man ein zitternd ausgestoßenes »Zetsch«. Der Gesang, welchen das Männchen sehr fleißig hören läßt, zeichnet sich weder durch Wohlklang der einzelnen Töne, noch durch Abwechselung aus, hat aber dennoch etwas ungemein gemüthliches und ansprechendes, wozu Jahres- und Tageszeit und andere Verhältnisse das ihrige beitragen. »Kaum kündet ein grauer Streifen im Osten den kommenden Tag an«, fährt Naumann fort, »so hört man schon die ersten Vorspiele des Gesanges der von der Nachtruhe eben erwachten Rauchschwalbenmännchen. Alles Geflügel des Hofes ist noch schlaftrunken, keines läßt einen Laut hören, überall herrscht noch tiefe Stille, und die Gegenstände sind noch mit nebeligem Grau umschleiert: da stimmt hier und da ein Schwalbenmännchen sein ›Wirb, werb‹ an, jetzt noch stammelnd, durch viele Pausen unterbrochen, bis erst nach und nach ein zusammenhängendes Liedchen entsteht, welches der auf derselben Stelle sitzen bleibende Sänger mehrmals wiederholt, bis er sich endlich aufschwingt und nun fröhlich singend das Gehöft durchfliegt. Ehe es dahin kommt, ist ein Viertelstündchen vergangen, und nun erwachen auch die anderen Schläfer: der Hausröthling girlt sein Morgenliedchen vom Dache herab, die Spatzen lassen sich hören, die Tauben rucksen, und bald ist alles Geflügel zu neuem Leben erwacht. Wer sich öfters eines schönen Sommermorgens im ländlichen Gehöfte erfreute, wird beistimmen müssen, daß diese Schwalbe mit ihrem obschon schlichten, doch fröhlichen, aufmunternden Gesange viel zu den Annehmlichkeiten eines solchen beiträgt.« Der Gesang selbst fängt mit »Wirb, werb, widewitt« an, geht in ein längeres Gezwitscher über und endet mit »Wid, Weid woidä zerr«. Das Volk hat ihn in Worte übersetzt und unserer edelsten Dichter einer des Volkes Stammeln im lieblichsten Gedichte verherrlicht – wer kennt es nicht, das Schwalbenlied unseres Rückert:

»Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar etc.«

dessen eine Strophe:

»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
War'n Kisten und Kasten schwer,
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«

die eigentlich volksthümliche, die vom Volke selbst gedichtete ist.

Unter den Sinnen der Schwalbe steht das Gesicht obenan. Sie sieht ein kleines Kerbthier, wenn es fliegt, schon in bedeutender Entfernung und jagt nur mit Hülfe des Auges. Auch das Gehör ist wohl entwickelt, und das Gefühl, soweit es sich als Empfindungsvermögen kund gibt, gewiß nicht in Abrede zu stellen. Ueber Geruch und Geschmack haben wir kein Urtheil. Ihre geistigen Fähigkeiten werden vielleicht oft überschätzt; Verstand und Ueberlegung, wohlabgewogene Würdigung der Umstände und Verhältnisse, scharfe Unterscheidung von Freund und Feind, liebenswürdiger Uebermuth gefährlichen Geschöpfen gegenüber und friedfertiges Zusammengehen mit solchen, welche erfahrungsmäßig ungefährlich sind, Eifer, anderen harmlosen Thieren irgendwie, sei es durch wohlbegründete Warnung oder durch keckes Untersuchen einer Gefahr, behülflich, dienstbar zu sein, und andere Beweise des Geistes und Züge des Wesens, welche die Schwalbe bekundet, lassen dies erklärlich scheinen.

Kleine Kerbthiere mancherlei Art, vorzugsweise Zwei- und Netzflügler, Schmetterlinge und Käfer bilden auch die Nahrung dieser Schwalbe; Immen mit Giftstacheln frißt sie nicht. Sie jagt nur im Fluge und zeigt sich unfähig, sitzende Beute aufzunehmen. Deshalb geräth sie bei länger anhaltendem Regenwetter, welches die Kerfe in ihre Schlupfwinkel bannt, oft in harte Noth und müht sich ängstlich, die festsitzenden durch nahes Vorüberstreichen aufzuscheuchen und zum Fliegen zu bringen. Je nach Witterung und Tageszeit jagt sie in höheren oder tieferen Schichten der Luft und ist deshalb dem Volke zum Wetterprofeten geworden. Gute Witterung deckt ihren Tisch reichlich und erhöht ihren frischen Muth, schlechtes Wetter läßt sie darben und macht sie still und traurig. Sie bedarf, ihrer großen Regsamkeit halber, unverhältnismäßig viel an Nahrung und frißt, so lange sie fliegend sich bewegt. Das verzehrte verdaut sie rasch; die unverdaulichen Ueberreste der Mahlzeit, Flügeldecken, Schilder und Beine der Kerfe, speit sie, zu Gewöllen geballt, wieder aus.

Durch Anlage und Bau des Nestes unterscheidet sich die Rauchschwalbe von ihren deutschen Verwandten. Falls es irgend möglich, baut sie das Nest in das Innere eines Gebäudes, so, daß es von oben her durch eine weit überragende Decke geschützt wird. Ein Tragbalken an der Decke des Kuhstalles oder der Flur des Bauernhauses, ein Dachboden, den die besenführende Magd meidet, oder irgend eine andere Räumlichkeit, welche eher den Farbensinn eines Malers als das Reinlichkeitsgefühl der Hausfrau befriedigt, mit kurzen Worten, alternde, verfallende, mehr oder minder schmutzige, vor Zug und Wetter geschützte Räume sind die Nistplätze, welche sie besonders liebt. Hier kann es vorkommen, daß förmliche Siedelungen entstehen. Das Nest selbst wird an dem Balken oder an der Wand, am liebsten an rauhen und bezüglich unten durch vorspringende Latten, Pflöcke und dergleichen verbesserten Stellen festgeklebt. Es ähnelt etwa dem Viertheile einer Hohlkugel; seine Wände verdicken sich an der Befestigungsstelle; der im ganzen wagerecht stehende Rand zieht sich hier meist auch etwas höher hinauf. Die Breite beträgt ungefähr zwanzig, die Tiefe zehn Centimeter. Der Stoff ist schlammige oder mindestens fette Erde, welche klümpchenweise aufgeklaubt, mit Speichel überzogen und vorsichtig angeklebt wird. Andere Stoffe verwendet sie selten; doch erhielt ich ein Nest, welches einzig und allein aus zertrümmerter Knochenkohle bestand und in üblicher Weise zusammen gekleistert worden war. Feine, zwischen die Nestwände eingelegte Halme und Haare tragen zur besseren Festigung bei; das eigentliche Bindemittel aber ist der Speichel. Bei schöner Witterung vollendet ein Schwalbenpaar das Aufmauern der Nestwandungen innerhalb acht Tagen. Hierauf wird der innere Raum mit zarten Hälmchen, Haaren, Federn und ähnlichen weichen Stoffen ausgekleidet, und die Kinderwiege ist vollendet. Ein an geschützten Orten stehendes Schwalbennest dient lange, lange Jahre, vielleicht nicht seinen Erbauern allein, sondern auch nachfolgenden Geschlechtern. Etwaige Schäden bessert das Paar vor Beginn der Brut sorgfältig aus; die innere Ausfüllung wird regelmäßig erneuert, im übrigen jedoch nichts an dem Baue verändert, so lange er besteht. Im Mai legt das Weibchen vier bis sechs, zwanzig Millimeter lange, vierzehn Millimeter dicke, zartschalige, auf reinweißem Grunde mit aschgrauen und rothbraunen Punkten gezeichnete Eier ins Nest, bebrütet sie, ohne Hülfe seines Männchens, und zeitigt bei günstiger Witterung binnen zwölf Tagen die Jungen. Bei schlechter, zumal naßkalter Witterung muß es die Eier stundenlang verlassen, um sich die ihm nöthige Nahrung zu erbeuten, und dann kann es geschehen, daß letztere erst nach siebzehn Tagen ausgebrütet werden. Die anfangs sehr häßlichen, breitmäuligen Jungen werden von beiden Eltern fleißig geatzt, wachsen unter günstigen Umständen rasch heran, schauen bald über den Rand des Nestes heraus und können, wenn alles gut geht, bereits in der dritten Woche ihres Lebens außerhalb des Eies den Eltern ins Freie folgen. Sie werden nun noch eine Zeitlang draußen gefüttert, anfangs allabendlich ins Nest zurückgeführt, später im Freien hübsch zur Ruhe gebracht und endlich ihrem Schicksale überlassen. Sodann, meist in den ersten Tagen des August, schreiten die Alten zur zweiten Brut. In manchen Jahren verspätet sich diese so sehr, daß Alte und Junge gefährdet sind; in nördlichen Ländern müssen letztere zuweilen wirklich verlassen werden. Unter günstigeren Umständen sind auch die letzten Jungen längst flügge geworden, wenn der eintretende Herbst zur Winterreise mahnt. Nunmehr sammeln sie sich im Geleite ihrer Eltern mit anderen Familien derselben Art, mit Bachstelzen und Staaren im Röhrichte der Teiche und Seen, hier Ruhe haltend, bis die eine Nacht herankommt, welche die lieben Gäste uns entführt. Eines Abends, bald nach Sonnenuntergang, erhebt sich das zahllose Schwalbenheer, welches man in den Nachmittagsstunden vorher vielleicht auf dem hohen Kirchendache versammelt sah, auf ein von mehreren Alten gegebenes Zeichen, verschwindet wenige Minuten später dem Auge und zieht davon.

Ungeachtet ihrer Gewandtheit und trotz ihrer Anhänglichkeit an den Menschen droht der Schwalbe mancherlei Gefahr. Bei uns zu Lande ist der Baumfalk der gefährlichste von allen natürlichen Feinden; in Südasien und Mittelafrika übernehmen andere seines Geschlechtes dessen Rolle. Die jungen Schwalben werden durch alle Raubthiere, welche im Inneren des Hauses ihr Wesen treiben, und mehr noch durch Ratten und Mäuse gefährdet. Zu diesen Feinden gesellt sich hier und da der Mensch. In Italien wie in Spanien werden alljährlich hunderttausende von Schwalben durch Bubenjäger vertilgt, obgleich ein Sprichwort der Spanier sagt, daß derjenige, welcher eine Schwalbe umbringe, seine Mutter tödte.

Im Käfige sieht man die Rauchschwalbe selten. Es ist nicht unmöglich, sie jahrelang zu erhalten; sie verlangt aber die größte Sorgfalt hinsichtlich ihrer Pflege und belohnt diese eigentlich doch nur in geringem Maße.

 

Im Südosten Europas gesellt sich der Rauchschwalbe die derselben Sippe angehörige, gleichgroße Höhlenschwalbe, Alpen- oder Röthelschwalbe ( Hirundo rufula, alpestris, daurica und capensis, Cecropis rufula und capensis, Lillia rufula). Oberkopf, Hinterhals, Mantel, Schultern und längste obere und untere Schwanzdecken sind tief stahlblauschwarz, ein schmaler Brauenstrich, die Schläfe, ein breites Nackenband und der Bürzel dunkel braunroth, Kopf- und Halsseiten, Unterteile und vordere obere Schwanzdecken roströthlichgelb, Kehle und Kropf fein schwarz in die Länge gestrichelt, Flügel und Schwanz einfarbig glänzend schwarz. Das Auge hat tiefbraune, der Schnabel schwarze, der Fuß hornbraune Färbung.

Griechenland und Kleinasien scheinen der Brennpunkt des Verbreitungsgebietes der Höhlenschwalbe zu sein; in Italien, wo sie ebenfalls regelmäßig vorkommt, tritt sie weit seltener, im übrigen Südeuropa nur als Besuchsvogel auf; nach Deutschland hat sie sich verflogen. Außer Griechenland und Kleinasien bewohnt sie Persien und Kaukasien; auf ihrer Winterreise durchstreift sie den Nordosten Afrikas. In Mittelasien wird sie durch eine verwandte Art vertreten.

Lebensweise, Wesen und Betragen, Sitten und Gewohnheiten, leibliche und geistige Begabungen der Höhlenschwalbe entsprechen dem von der Rauchschwalbe gezeichneten Lebensbilde fast in jeder Hinsicht. Aber die Höhlenschwalbe hat sich bis jetzt nur ausnahmsweise bewegen lassen, ihre ursprünglichen Brutstätten mit dem Wohnhause des Menschen zu vertauschen, legt vielmehr nach wie vor ihr Nest in Felshöhlen an. Demgemäß bewohnt sie ausschließlich Gegenden, in denen steilwandige Felsenmassen ihr Wohnung gewähren, jedoch weniger die höheren als die unteren Lagen der Gebirge. Auch sie ist ein Zugvogel, welcher annähernd um dieselbe Zeit wie die Rauchschwalbe, in Griechenland in den ersten Tagen des April, frühestens in den letzten des März, eintrifft, und im August und September das Land wieder verläßt. Unmittelbar nach ihrer Ankunft begibt sie sich an ihre Brutplätze, und in den ersten Tagen des Mai liegen bereits die vier bis fünf, zwanzig Millimeter langen, funfzehn Millimeter dicken, reinweißen Eier im Neste. Letzteres hängt stets an der Decke passender Höhlen, wird aus denselben Stoffen erbaut wie das der Haus- oder Mehlschwalbe, ist aber merklich größer als das der einen oder der anderen, fast kugelrund, ganz zugebaut, mit einer langen, oft gebogenen Eingangsröhre versehen, und innen dicht mit Federn ausgekleidet. Wenn irgend möglich, bildet auch diese Schwalbe Siedelungen.


Der verhältnismäßig kurze und deshalb sehr breit erscheinende, auf der Firste scharf gebogene Schnabel, die ungewöhnlich kräftigen Füße, deren äußere und mittlere Zehen bis zum ersten Gelenke miteinander verbunden und wie die Läufe gefiedert sind, die starkschwingigen Flügel, der kurze, seicht gegabelte Schwanz und das glatt anliegende Gefieder gelten als die wesentlichen Kennzeichen einer anderen Schwalbensippe, welcher die bei uns überall häufig vorkommende Mehlschwalbe, Fenster-, Giebel-, Dach-, Kirch-, Stadt-, Leim-, Lehm-, Laubenschwalbe ( Chelidon urbica, fenestrarum, rupestris und minor, Hirundo urbica, Bild S. 504) angehört. Ihre Länge beträgt vierzehn, die Breite siebenundzwanzig, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter. Das Gefieder ist auf der Oberseite blauschwarz, auf der Unterseite und auf dem Bürzel weiß. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß, soweit er nicht befiedert, fleischfarben. Bei den Jungen ist das Schwarz der Oberseite matter und das Weiß an der Kehle unreiner als bei den Alten.

Die Mehlschwalbe theilt mit der Rauchschwalbe so ziemlich dasselbe Vaterland, geht aber weiter nach Norden hinauf als letztere. In Deutschland scheint sie Städte zu bevorzugen: sie ist es, deren Nistansiedelungen man hier an großen und alten Gebäuden sieht. Außer Europa bewohnt sie in gleicher Häufigkeit den größten Theil Sibiriens. Von ihrer Heimat aus wandert sie einerseits bis in das Innere Afrikas, andererseits bis nach Südasien, um hier den Winter zu verbringen.

siehe Bildunterschrift

Höhlenschwalbe ( Hirundo rufula) und Felsenschwalbe ( Cotyle rupestris). 1/2 natürl. Größe.

Sie trifft meist einige Tage später ein als die Rauchschwalbe, verweilt dafür aber länger in Europa und namentlich in Südeuropa: wir sahen sie noch am zweiten November die Alhambra umfliegen. Doch bemerkt man sie auf ihrer afrikanischen Reise regelmäßig in Gesellschaft ihrer Verwandten. Im Frühjahre kommt sie einzeln an; vor dem Herbstzuge versammelt sie sich zu großen Gesellschaften, welche zuweilen zu unschätzbaren Schwärmen anwachsen, auf den Dächern hoher Gebäude sich scharen und dann, gewöhnlich gleich nach Sonnenuntergange, zur Reise aufbrechen. Gelegentlich dieser Wanderung ruhen sie sich wohl auch im Walde auf Bäumen aus.

In ihrem Wesen zeigt die Mehlschwalbe viel Aehnlichkeit mit der Rauchschwalbe; bei genauerer Beobachtung aber unterscheidet man sie doch sehr leicht von dieser. »Sie scheint«, wie Naumann sagt, »ernster, bedächtiger und einfältiger zu sein als jene, ist minder zutraulich, doch auch nicht scheu, fliegt weniger geschwind, jedoch schnell genug, aber mehr und öfter schwebend, meistens höher als jene. Ihr Flug ist sanft, nicht so außerordentlich schnell und abwechselnd, doch aber auch mit sehr verschiedenartigen Wendungen und Schwenkungen, bald hoch, bald tief.« Bei Regenwetter schwingt sie sich oft zu außerordentlichen Höhen empor und jagt wie die Seglerarten in jenen Luftschichten nach Nahrung. Sie ist geselliger als ihre Verwandten, vereinigt sich jedoch nur mit anderen ihrer Art. Mit der Rauchschwalbe hält sie Frieden, und bei allgemeiner Noth oder auf der Wanderung schart sie sich mit dieser zu einem Fluge; unter gewöhnlichen Umständen aber lebt jede Art abgesondert für sich, ohne gegen die andere besondere Zuneigung zu zeigen. Innerhalb des Verbandes wird der Frieden übrigens oft gestört, und zumal bei den Nestern gibt es viel Zank und Streit, nicht bloß mit anderen nestbedürftigen Mehlschwalben, sondern auch mit dem Sperlinge, welcher gerade das Nest dieser Schwalbe sehr häufig in Besitz nimmt. Die Stimme unterscheidet sie leicht von der Rauchschwalbe. Der Lockton klingt wie »Schär« oder »Skrü«, der Ausdruck der Furcht ist ein zweisilbiges »Skier«, der Gesang, wie Naumann sagt, »ein langes, einfältiges Geleier sich immer wiederholender, durchaus nicht angenehmer Töne«. Er gehört unter die schlechtesten aller Vogelgesänge.

Hinsichtlich der Nahrung der Mehlschwalbe gilt ungefähr dasselbe, was von der Rauchschwalbe gesagt wurde; jedoch kennen wir nur zum geringsten Theile die Kerbthiere, welchen sie nachstrebt, und namentlich die Arten, welche sie in den hohen Luftschichten und, wie es scheint, in reichlicher Menge erbeutet, sind uns vollkommen unbekannt. Stechende Kerbthiere fängt sie ebensowenig wie jene; der Giftstachel würde ihr tödtlich sein. »Einer sehr rüstigen, hungernden, flugbaren, jungen Schwalbe dieser Art«, erzählt Naumann, »hielt ich eine lebende Honigbiene vor; aber kaum hatte sie selbige in dem Schnabel, als sie auch schon in die Kehle gestochen war, die Biene von sich schleuderte, traurig ward und in weniger denn zwei Minuten schon ihren Geist aufgab.«

Bei uns zu Lande nistet die Mehlschwalbe fast ausschließlich an den Gebäuden der Städte und Dörfer; in weniger bewohnten Ländern siedelt sie sich massenhaft an Felswänden an, so, nach eigenen Beobachtungen, in Spanien wie an den Kreidefelsen der Insel Rügen, ebenso, laut Schinz, an geeigneten Felswänden der Schweizer Alpen. Unter allen Umständen wählt sie sich eine Stelle, an welcher das Nest von oben her geschützt ist, so daß es vom Regen nicht getroffen werden kann, am liebsten also die Friese unter Gesimsen und Säulen, Fenster- und Thürnischen, Dachkränze, Wetterbreter und ähnliche Stellen. Zuweilen bezieht sie auch eine Höhlung in der Wand und mauert den Eingang bis auf ein Flugloch zu. Das Nest unterscheidet sich von dem der Rauchschwalbe dadurch, daß es stets bis auf ein Eingangsloch zugebaut wird, von oben also nicht offen ist. Die Gestalt einer Halbkugel ist vorherrschend; doch ändert das Nest nach Ort und Gelegenheit vielfach ab. Der Bau desselben geschieht mit Eifer, ist aber eine lange Arbeit, welche selten unter zwölf bis vierzehn Tagen vollendet wird. Bloß ausnahmsweise sieht man ein einziges dieser Nester; gewöhnlich werden möglichst viele dicht neben und aneinander gebaut. Das Pärchen benutzt das einmal fertige Nest nicht nur zu den zweiten Bruten, welche es in einem Sommer macht, sondern auch in nachfolgenden Jahren, fegt aber immer erst den Unrath aus und trägt neue Niststoffe ein. Schadhafte Stellen werden geschickt ausgebessert, sogar Löcher im Boden wieder ausgeflickt. Das Gelege besteht aus vier bis sechs, achtzehn Millimeter langen, dreizehn Millimeter dicken, zartschaligen, schneeweißen Eiern, welche nach zwölf bis dreizehn Tagen von dem allein brütenden Weibchen gezeitigt werden. Das Männchen versorgt sein Weibchen bei gutem Wetter mit genügender Nahrung; bei schlechtem Wetter hingegen ist dieses genöthigt, zeitweise die Eier zu verlassen, und dadurch verlängert sich dann die Brütezeit. Auch das Wachsthum der Jungen hängt wesentlich von der Witterung ab. In trockenen Sommern fällt es den Eltern nicht schwer, die nöthige Kerbthiermenge herbeizuschaffen, wogegen in ungünstigen Jahren Mangel und Noth oft recht drückend werden. Bei frühzeitig eintretendem kalten Herbstwetter geschieht es, daß die Eltern ihre Jungen verhungern lassen und ohne sie die Winterreise antreten müssen: Malm fand in Schweden Nester, in denen die halb erwachsenen Jungen todt in derselben Ordnung lagen, welche sie, als sie noch lebten, eingehalten hatten. Unter günstigen Umständen verlassen die Jungen nach ungefähr sechzehn Tagen das Nest und üben nun unter Aufsicht der Alten ihre Glieder, bis sie kräftig und geschickt genug sind, um selbst für ihre Unterhaltung zu sorgen. Anfangs kehren sie allabendlich noch nach dem Neste zurück, welches auch den Eltern bisher zur Nachtruhe diente. »Vater, Mutter und Kinder«, berichtet Naumann, »drängen sich darin zusammen, oft sieben bis acht Köpfe stark, und der Raum wird dann alle Abende so beengt, daß es lange währt, ehe sie in Ordnung kommen, und man sich oft wundern muß, wie das Nest, ohne herab zu fallen oder zu bersten, die vielen Balgereien von ihnen aushält. Der Streit wird oft sehr ernstlich, wenn die Jungen, wie es in großen Siedelungen oft vorkommt, sich in ein fremdes Nest verirren, aus welchem sie von den brütenden Alten und Jungen, die im rechtmäßigen Besitze ihres Eigenthums sich tapfer vertheidigen, immer hinausgebissen und hinabgeworfen werden.«

Baumfalk und Merlin sind die schlimmsten Feinde der Mehlschwalbe. Die Nester werden von der Schleiereule und dem Schleierkauze, zuweilen auch wohl von Wieseln, Ratten und Mäusen geplündert. Mancherlei Schmarotzer plagen Alte und Junge; vor anderen Gegnern schützt sie ihre Gewandtheit. Nur mit einem Vogel noch haben sie hartnäckige Kämpfe zu bestehen: mit dem Sperlinge nämlich, und diese Kämpfe arten oft in Mord und Todtschlag aus. »Gewöhnlich«, sagt Naumann, »nimmt das Sperlingsmännchen, sobald die Schwalben das Nest fertig haben, Besitz davon, indem es ohne Umstände hineinkriecht und keck zum Eingangsloche herausguckt, während die Schwalben weiter nichts gegen diesen Gewaltstreich thun können, als, im Vereine mit mehreren ihrer Nachbarn, unter ängstlichem Geschreie um dasselbe umherzuflattern und nach dem Eindringlinge zu schnappen, jedoch ohne es zu wagen, ihn jemals wirklich zu packen. Unter solchen Umständen währt es doch öfters einige Tage, ehe sie es ganz aufgeben und den Sperling im ruhigen Besitze lassen, welcher es denn nun bald nach seiner Weise einrichtet, nämlich mit vielen weichen Stoffen warm ausfüttert, so daß allemal lange Fäden und Halme aus dem Eingangsloche hervorhängen und den vollständig vollzogenen Wechsel der Besitzer kund thun. Weil nun die Sperlinge so sehr gern in solchen Nestern wohnen, hindert die Wegnahme derselben die Schwalben ungemein oft in ihren Brutgeschäften, und das Pärchen, welches das Unglück gar zweimal in einem Sommer trifft, wird dann ganz vom Brüten abgehalten. Ich habe sogar einmal gesehen, wie sich ein altes Sperlingsmännchen in ein Nest drängte, worin schon junge Schwalben saßen, über diese herfiel, einer nach der anderen den Kopf einbiß, sie zum Neste hinauswarf und nun Besitz von diesem nahm, wobei sich denn der Uebelthäter recht aufblähte und hiernach gewöhnlich sich bestrebte, seine That durch ein lang anhaltendes lautes Schilken kund zu thun. Auch Feldsperlinge nisten sich, wenn sie es haben können, gern in Schwalbennester ein. Ein einfältiges Märchen ist es übrigens, daß die Schwalben den Sperling aus Rache einmauern sollen. Er möchte dies wohl nicht abwarten. Ihr einziges Schutzmittel ist, den Eingang so enge zu machen, daß sie nur so eben sich noch durchpressen können, während dies für den dickeren Sperling unmöglich ist und ihn in der That von solchen Nestern abhält, an welchen dieser Kunstgriff angewendet wurde.«

Bei uns zu Lande ist auch die Mehlschwalbe geheiligt; in Italien und Spanien dagegen lassen es sich die Knaben zum Vergnügen gereichen, sie an einer feinen Angel zu fangen, welche mit einer Feder geködert wurde. Die Schwalbe sucht diese Federn für ihr Nest aufzunehmen, bleibt an der Angel hängen und wird dann von den schändlichen Buben in der abscheulichsten Weise gequält.


Die Bergschwalben (Cotyle) kennzeichnen sich durch verhältnismäßig langen, sehr feinen, flachen, seitlich stark zusammengedrückten Schnabel mit frei vor dem Stirngefieder liegenden Nasenlöchern, zarte Füße mit seitlich zusammengedrückten Läufen und schwächlichen Zehen, deren mittlere und äußere unter einander verbunden sind, lange und spitzige Flügel, seicht gegabelten Schwanz und lockeres, unscheinbares Gefieder.

Europa, und bezüglich Deutschland, beherbergen zwei Arten der Sippe, denen alle übrigen bekannten hinsichtlich ihrer Lebensweise ähneln.

 

Die Felsenschwalbe, Berg- oder Steinschwalbe ( Cotyle rupestris, Hirundo rupestris, montana, rupicola und inornata, Chelidon und Biblis rupestris, Bild S. 509), ist die größere der bei uns vorkommenden Arten. Ihre Länge beträgt funfzehn, die Breite fünfunddreißig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge sechs Centimeter. Alle oberen Theile des Leibes sind matt erdbraun, die Schwingen und Schwanzfedern schwärzlich, letztere bis auf die mittleren und äußersten mit eiförmigen, schön gilblichweißen Flecken gezeichnet, Kinn und Kehle, Kropf und Oberbrust schmutzig bräunlichweiß, fein schwarz längsgestrichelt, die übrigen Untertheile erdbräunlich. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß röthlich hornfarben. Männchen und Weibchen unterscheiden sich kaum durch die Größe, die Jungen durch noch einfarbigeres Gefieder.

In Deutschland ist die Felsenschwalbe zwar wiederholt beobachtet worden, und in den südlichsten Theilen desselben, in gewissen Alpenthälern Tirols und Steiermarks, kommt sie wohl auch als Brutvogel vor; ihre eigentliche Heimat aber ist der Süden unseres Erdtheiles, Spanien, Griechenland und Italien. Außerdem bewohnt sie Nordwestafrika, Mittelasien, östlich bis China, Persien und Indien. Sie ist ein eigenthümlich harter Vogel, welcher in den nördlichsten Theilen seines Aufenthaltes sehr früh im Jahre, bereits im Februar oder spätestens im Anfange des März, erscheint und bis in den Spätherbst hinein hier verweilt, in Südeuropa aber überhaupt nicht wandert. In der Sierra Nevada sah ich noch am achtzehnten November einen zahlreichen Flug von ihr, und die Jäger, welche ich auf das späte Vorkommen einer Schwalbe aufmerksam gemacht hatte, erzählten mir, daß regelmäßig mehr oder minder zahlreiche Gesellschaften der Felsenschwalbe in ihrem Lande überwintern. Dasselbe erfuhren Graf von der Mühle, Lindermayer, Erhard, Schrader und Krüper in Griechenland. Ein Theil der Brutvögel tritt jedoch auch in Spanien eine Wanderung an, und zwar schon im Anfange des September. Um diese Zeit beobachteten wir solche in Flügen von acht bis zwanzig Stücken bei Murcia, wo wir ihn früher nicht gesehen hatten. Diese Flüge schienen aber keineswegs eilig zu sein und sich hier ebenso behaglich zu fühlen wie in der Nähe ihres Nistplatzes, hielten sich mindestens tage- und wochenlang in der Gegend auf.

Der nur einigermaßen geübte Beobachter kann die Felsenschwalbe nicht verkennen. Sie fällt auf durch ihre graue Färbung und durch ihren verhältnismäßig langsamen, sanft schwebenden Flug. Gewöhnlich streicht sie möglichst nahe an den Felswänden dahin, bald in größerer, bald in geringerer Höhe, mehr oder weniger in gleichmäßiger Weise. Doch erhebt auch sie sich ausnahmsweise zu bedeutenden Höhen und zeigt dann ungefähr die Gewandtheit der Mehlschwalbe. Selten vereinigt sie sich mit anderen Arten, obwohl es vorkommt, daß sie da, wo Mehlschwalben an Felswänden nisten, auch in deren Gesellschaft sich bewegt oder mit der Höhlen- und Mehlschwalbe dieselben Brutstätten theilt. Sie ist weit weniger gesellig als alle übrigen mir bekannten Schwalbenarten und bewohnt meist nur in wenigen Paaren ein und dasselbe Felsenthal. In der Schweiz streift sie, laut Schinz, nach ihrer Ankunft im Frühjahre oft lange umher, ehe sie ihre alten Nester bezieht, und ebenso nach vollendeter Brut bis zur Zeit der Herbstwanderung entweder einzeln oder mit ihren Jungen oder in Gesellschaft mit noch einer oder zwei anderen Familien von einem Thurme oder Felsen zum anderen. Bei schlechtem Wetter hält sie sich nahe über dem Boden; während starken Regens sucht sie unter vorspringenden Steinen, in Fels- oder Mauerlöchern Zuflucht. Sonst setzt sie sich selten am Tage, falls sie nicht zum Boden herabkommen muß, um hier Niststoffe zusammenzulesen. Nur an heiteren Sommertagen sieht man sie zuweilen auf Hausdächern sich niederlassen; in das Innere der Häuser aber kommt sie nie. »Beim Wegfliegen«, sagt Schinz, »stürzt sie sich aus ihren Schlupfwinkeln hervor und breitet nun erst im Fallen die Flügel aus; dann fliegt sie meist ruhig schwimmend längs der Felsen hin und her, schwenkt ungemein schnell um die Ecken und in alle Klüfte hinein, setzt sich aber sehr selten. Zuweilen entfernt sie sich von den Felsen, aber nie weit, und selten, meist nur, wenn die Jungen erst flügge geworden sind, senkt sie sich etwas abwärts, fliegt dann um die Wipfel der Tannen, die sich hier und da am Fuße der Felsen befinden, und atzt die gierig nachfliegenden Jungen. Sie ist viel stiller und weniger lebhaft als die neben ihr wohnende Hausschwalbe. Zuweilen spielt sie, auf Felsenvorsprüngen sitzend, indem zwei gegen einander die Flügel lebhaft bewegen und dann sehr schnell unter dem Rufe »Dwi, dwi, dwi« aufeinander stürzen, dann aber plötzlich und mit mannigfaltigen Schwenkungen davon fliegen. Die Lockstimme ist oft tief und heiser »Drü, drü, drü«; ihren Gesang habe ich niemals vernommen.

Die Nester der Felsenschwalbe sieht man da, wo sie vorkommt, an Felsenwänden hängen, oft nicht hoch über dem Fuße der Wand, immer aber in Höhlen oder doch an Stellen, wo vorspringende Steine sie von oben her schützen. Sie ähneln am meisten denen unserer Rauchschwalbe, sind jedoch merklich kleiner und mit Thier- und Pflanzenwolle, auch wohl einigen Federn, ausgekleidet. An manchen Orten sieht man mehrere dieser Nester zusammen, jedoch niemals so dicht wie bei den Mehlschwalben, wie denn auch eine Ansiedelung der Felsenschwalbe nicht entfernt dieselbe Nesterzahl enthält wie die Siedelung der Mehlschwalbe. Das Gelege, welches frühestens um die Mitte des April, gewöhnlich nicht vor Ende des Mai vollzählig zu sein pflegt, enthält vier bis fünf, ungefähr dreiundzwanzig Millimeter lange, funfzehn Millimeter dicke, auf weißem Grunde unregelmäßig, am dichtesten gegen das dicke Ende hin blaß graubraun gefleckte Eier. Zu Ende des Mai beobachteten wir an einer Felswand des Monserrat junge Felsenschwalben, wie es schien solche, welche erst vor wenigen Tagen das Nest verlassen hatten; denn sie wurden von den Alten noch gefüttert. Dies geschieht, wie schon Schinz beobachtete, im Fluge, indem Junge und Alte gegen einander anfliegen und beide sich dann flatternd auf einer und derselben Stelle erhalten, bis ersteres das ihm zugereichte Kerbthier glücklich gepackt hat.

Ueber die Feinde der Felsenschwalbe weiß ich nichts anzugeben. Auch sie wird wahrscheinlich von dem kleinen, gewandten Edelfalken zu leiden haben. Der Mensch verfolgt sie nirgends.

 

Viel genauer ist uns das Leben der Uferschwalbe, Erd-, Sand-, Koth-, Strand- und Wasserschwalbe ( Cotyle riparia, fluviatilis, palustris, littoralis und microrhynchos, Hirundo riparia und cinerea, Chelidon microrhynchos), bekannt. Sie ist schon den Alten aufgefallen und ihre Thätigkeit in eigenthümlicher Weise erklärt worden. »In der Mündung des Nils bei Heraklia in Egypten«, sagt Plinius, »bauen die Schwalben Nest an Nest und setzen dadurch den Ueberschwemmungen des Stromes einen undurchdringlichen Wall entgegen von fast einem Stadium Länge, welchen Menschenhand kaum zu Stande bringen würde. In eben diesem Egypten liegt neben der Stadt Koptos eine der Isis geheiligte Insel, welche von den Schwalben mit vieler Mühe befestigt wird, damit der Nil sie nicht benage. Mit Beginn des Frühlings bekleben sie die Stirnseite der Insel durch Spreu und Stroh und üben ihre Arbeit drei Tage und Nächte hintereinander mit solcher Emsigkeit, daß viele an Erschöpfung sterben. Jedes Jahr steht dieselbe Arbeit ihnen aufs neue bevor.« Es ist leicht einzusehen, daß der Nestbau diese Sage begründet hat.

Die Uferschwalbe gehört zu den kleinsten Arten ihrer Familie. Ihre Länge beträgt höchstens dreizehn, die Breite neunundzwanzig, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge fünf Centimeter. Das Gefieder ist oben aschgrau oder erdbraun, auf der Unterseite weiß, in der Brustgegend durch ein aschgraubraunes Querband gezeichnet. Beide Geschlechter gleichen sich; die Jungen sind etwas dunkler gefärbt.

siehe Bildunterschrift

Uferschwalbe ( Cotyle riparia) und Purpurschwalbe ( Progne purpuria). ½ natürl. Größe.

Keine einzige Schwalbenart bewohnt ein Gebiet von ähnlicher Ausdehnung wie die Uferschwalbe, welche, mit Ausnahme Australiens, Polynesiens und der Südhälfte Amerikas, auf der ganzen Erde Brutvogel ist. Ihrem Namen entsprechend, hält sie sich am liebsten da auf, wo sie steile Uferwände findet, verlangt jedoch nicht immer ein Flußufer, sondern begnügt sich oft auch mit einer steil abfallenden Erdwand. Wo sie auftritt, ist sie gewöhnlich häufig; in keinem von mir bereisten Lande aber sieht man so außerordentlich zahlreiche Scharen von ihr wie am mittleren und unteren Ob, woselbst sie Siedelungen bildet, in denen mehrere tausend Paare von Brutvögeln hausen. Auch bei uns zu Lande trifft man selten weniger als fünf bis zehn, gewöhnlich zwanzig bis vierzig, ausnahmsweise aber hundert und mehr Paare als Siedler einer Erdwand an. Hier höhlt sie sich in dem harten Erdreiche regelmäßig in einer Höhe, daß auch die bedeutendste Ueberschwemmung nicht hinaufreicht, gern aber unmittelbar unter der Oberkante der Wand, mit vieler Mühe und Anstrengung tiefe Brutlöcher aus. »Es grenzt«, sagt Naumann, »ans unglaubliche und muß unsere Bewunderung in hohem Grade erregen, ein so zartes Vögelchen mit so schwachen Werkzeugen ein solches Riesenwerk vollbringen zu sehen, und noch dazu in so kurzer Zeit; denn in zwei bis drei Tagen vollendet ein Paar die Aushöhlung einer im Durchmesser vorn vier bis sechs Centimeter weiten, am hinteren Ende zur Aufnahme des Nestes noch mehr erweiterten, in wagerechter oder wenig aufsteigender Richtung mindestens einen, oft aber auch bis zwei Meter tiefen, gerade in das Ufer eindringenden Röhre. Ihr Eifer und ihre Geschäftigkeit bei einer solchen anstrengenden Arbeit grenzt ans possirliche, besonders wenn man sieht, wie sie die losgearbeitete Erde höchst mühsam mit den Füßchen hinter sich aus dem Inneren der Höhle hinausschaffen und hinausräumen und beide Gatten dabei hülfreich sich unterstützen. Warum sie aber öfters mitten in der Arbeit den Bau einer Röhre aufgeben, eine andere zwar fertig machen, aber dennoch nicht darin nisten und dies vielleicht erst in einer dritten thun, bleibt uns räthselhaft; denn zu Schlafstellen benutzt die ganze Familie gewöhnlich nur eine, nämlich die, worin sich das Nest befindet. Beim Graben sind sie sehr emsig, und die ganze Gesellschaft scheint dann aus der Gegend verschwunden; denn alle stecken in den Höhlen und arbeiten darin. Stampft man mit den Füßen oben auf den Rasen über den Höhlen, so stürzen sie aus den Löchern hervor, und die Luft ist wieder belebt von ihnen. Wenn die Weibchen erst brüten, sitzen sie noch viel fester und lassen sich nur durch Störung in der Röhre selbst bewegen, herauszufliegen, daher leicht fangen. Am hinteren Ende der Röhre, ungefähr einen Meter vom Eingange, befindet sich das Nest in einer backofenförmigen Erweiterung. Es besteht aus einer schlichten Lage feiner Hälmchen von Stroh, Heu und zarter Würzelchen, und seine Aushöhlung ist mit Federn und Haaren, auch wohl etwas Wolle ausgelegt, sehr weich und warm. In Höhlen, welche sie in Steinbrüchen, an Felsengestaden oder alten Mauern finden, stehen die Nester sehr oft gar nicht tief, und sie können hier auch nicht so dicht neben einander nisten, wenn nicht zufällig Ritzen und Spalten genug da sind. An solchen Brüteplätzen hat dann freilich manches ein ganz anderes Aussehen, weil hier ein großer Theil ihres Kunsttriebes von Zufälligkeiten unterdrückt oder unnütz gemacht wird.«

Die Uferschwalbe ist ein sehr angenehmer, munterer, beweglicher Vogel, welcher in seinem Wesen vielfach an die Hausschwalbe erinnert. Dieser ähnelt sie namentlich wegen ihres sanften und schwebenden Fluges. Gewöhnlich hält sie sich in niederen Luftschichten auf, meist dicht über dem Spiegel der Gewässer hin- und herfliegend; selten erhebt sie sich zu bedeutenden Höhen. Ihr Flug ist so schwankend, daß man ihn mit dem eines Schmetterlings verglichen hat, aber durchaus nicht unsicher oder wechsellos. Die Stimme ist ein zartes, schwaches »Scherr« oder »Zerr«, der Gesang eine Aufeinanderfolge dieser Laute, welche durch andere verbunden werden. Von ihren Ansiedelungen entfernt sich die Uferschwalbe ungern weit, betreibt ihre Jagd vielmehr meist in unmittelbarer Nähe derselben und belebt daher öde, sonst an Vögeln arme Ströme in anmuthender Weise ebenso, wie ihre Nestlöcher in dem einförmigen Ufer jedes Auge fesseln. In zahlreichen Siedelungen fliegen vom Morgen bis zum Abende fast ununterbrochen Hunderte und selbst tausende der kleinen, behenden Vögel auf und nieder, verschwinden in den Höhlen, erscheinen wiederum und treiben es wie zuvor. Vor dem Menschen scheuen sie sich hierbei wenig oder nicht; anderen Vögeln oder Thieren gegenüber zeigen sie sich friedlich, aber furchtsam.

Erst spät im Frühjahre, gewöhnlich zu Anfange des Mai, trifft die Uferschwalbe am Brutorte ein und verläßt diesen bereits zu Anfange des September wieder. Sofort nach ihrer Ankunft besucht sie die gewohnte Ansiedelung, bessert die Nester aus oder gräbt sich neue, und zu Ende des Mai oder im Anfange des Juni findet man die fünf bis sechs kleinen, länglich eiförmigen, etwa siebzehn Millimeter langen, zwölf Millimeter dicken, dünnschaligen, reinweißen Eier im Neste; zwei Wochen später sind die Jungen ausgeschlüpft und wiederum zwei Wochen nachher bereits so weit erwachsen, daß sie den Alten ins Freie folgen können. Eine Zeitlang kehrt nun alt und jung noch regelmäßig zu den Nistlöchern zurück, um hier Nachtruhe zu halten; schon im August aber begibt sich die Gesellschaft auf die Reise und schläft dann im Röhrichte der Teiche. Nur wenn die erste Brut zu Grunde ging, schreitet das Pärchen noch einmal zur Fortpflanzung.


Die Seglerschwalben ( Progne) sind gedrungene Vögel mit sehr kräftigem, am Grunde breitem, nach vorn seitlich zusammengedrücktem, hohem, gewölbtem, am Ende hakig herabgebogenem Schnabel, starken, nacktläufigen, dickzehigen Füßen, langen, verhältnismäßig breiten Flügeln, welche in der Ruhe etwa das Ende des stark gabelförmigen, ziemlich breiten Schwanzes erreichen, und derbem Gefieder.

 

Die Purpurschwalbe ( Progne purpurea und subis, Hirundo purpurea, subis, violacea, coerulea, versicolor, chalybaea und ludoviciana) ist die bekannteste, auch in Europa beobachtete Art der Gruppe. Ihre Länge beträgt neunzehn, die Breite vierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter. Das Gefieder ist gleichmäßig tief schwarzblau, stark purpurglänzend; die Schwingen und die Schwanzfedern sind schwärzlichbraun. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarzbraun, der Fuß purpurschwarz. Beim Weibchen ist der Kopf braungrau, schwarz gefleckt, die übrige Oberseite wie beim Männchen, jedoch etwas graulicher, der Länge nach schwarz gestreift.

Ueber das Leben der Purpurschwalbe haben die amerikanischen Forscher ausführlich berichtet; denn gerade dieser Vogel ist allgemeiner Liebling des Volkes, welchem man nicht nur vollste Schonung angedeihen läßt, sondern den man auch durch Vorrichtungen mancherlei Art in der Nähe der Wohnungen zu fesseln sucht. Im Süden des Erdtheils, wo die Purpurschwalbe ebenfalls vorkommt, unterstützt man sie nicht, behelligt sie aber auch nicht.

Nach Audubon erscheint sie in der Umgegend der Stadt New Orleans zwischen dem ersten und neunten Februar, gelegentlich wohl auch einige Tage früher, je weiter nördlich aber, um so später, so daß sie in Missouri nicht vor Mitte des April, in Boston sogar erst gegen Anfang des Mai eintrifft. In den nördlichen Vereinigten Staaten pflegt sie bis gegen die Mitte des August zu verweilen und dann gemächlich dem Süden wieder zuzuwandern. Um die angegebene Zeit sammeln sie sich in Flüge von fünfzig bis hundert und mehr um die Spitze eines Kirchthurmes oder um die Zweige eines großen, abgestorbenen Baumes und treten von hier aus gemeinschaftlich ihre Reise an.

Im allgemeinen ähnelt die Purpurschwalbe hinsichtlich ihres Fluges der Mehlschwalbe mehr als anderen; wenigstens kann der Flug mit dem der amerikanischen Rauchschwalbe nicht verglichen werden. Doch ist er immer noch schnell und anmuthig genug und übertrifft den anderer Vögel, mit Ausnahme der Verwandten, bei weitem. Obgleich auch sie den größten Theil ihrer Geschäfte fliegend erledigt, im Fluge jagt oder jagend trinkt und sich badet, kommt sie doch auch oft zum Boden herab und bewegt sich hier, ungeachtet der Kürze ihrer Füße, mit ziemlichem Geschicke, nimmt wohl selbst ein Kerbthier von hier weg und zeigt sich sogar einigermaßen gewandt im Gezweige der Bäume, auf deren vorragenden Aesten sie sich oft niederläßt. Raubthieren gegenüber bethätigt sie mindestens dieselbe, wenn nicht noch größere Keckheit als unsere Rauchschwalbe, verfolgt namentlich Katzen, Hunde, Falken, Krähen und Geier mit größtem Eifer, fällt vorüberfliegende Raubvögel mit Ingrimm an und plagt sie so lange, bis sie dieselben aus der Umgebung ihres Nestes vertrieben hat. Der Gesang ist nicht gerade klangreich, jedoch ansprechend. Das Gezwitscher des Männchens, welches dieses zu Ehren seines Weibchens hören läßt, unterhält und erfreut auch deshalb, weil es zuerst mit am Morgen gehört wird und gewissermaßen ein Willkomm des Tages ist. Selbst der Indianer ergötzt sich an dem Vogel, und auch er sucht ihn deshalb in der Nähe seiner Hütte zu fesseln.

In den meisten Staaten Mittelamerikas errichtet man der Purpurschwalbe, welche fern vom Menschen ihr Nest in Baumhöhlungen anlegt, eigene Wohnungen nach Art unserer Staarkästen oder hängt ihr ausgehöhlte und mit einem Eingangsloche versehene Flaschenkürbisse an die Bäume auf. Diese nimmt sie gern in Besitz, vertreibt aber, wie unser Segler, auch andere Höhlenbrüter aus denselben und duldet überhaupt in der Nähe ihrer Behausung keinen anderen Vogel, welcher unter ähnlichen Umständen nistet wie sie. In den mittleren Staaten brütet sie zum ersten Male zu Ende des April. Das Nest besteht aus dürren Zweigen mancherlei Art, aus Gräsern, grünen und trockenen Blättern, Federn und dergleichen. Das Gelege enthält vier bis sechs, etwa dreiundzwanzig Millimeter lange, neunzehn Millimeter dicke, reinweiße Eier. Zu Ende des Mai ist die erste Brut flügge, zu Mitte des Juli die zweite; in Louisiana und anderen südlichen Staaten wird wohl auch noch eine dritte herangezogen. Das Männchen hilft brüten und ist überhaupt außerordentlich aufmerksam gegen seine Gattin, schlüpft aus und ein und sitzt zwitschernd und singend stundenlang vor dem Eingange. Wenn sich Gelegenheit zum Brüten für mehrere Paare findet, herrscht unter diesen vollständigste Eintracht.


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