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42. Familie: Ameisenvögel ( Formicariidae)

Die Ameisenvögel ( Formicariidae), eine reiche, über zweihundert Arten zählende, auf Südamerika beschränkte Familie bildend, erinnern ebenso an unsere Drosseln wie an die Sänger und Würger. Bezeichnend für die Gesammtheit ist, laut Prinz von Wied, »daß die Füße auf Unkosten der Flügel ausgebildet sind«. Der Schnabel ist sehr verschieden gestaltet, bald kräftig, bald zierlich, bald hochfirstig, bald pfriemenförmig, selten lang, vielmehr gewöhnlich ziemlich kurz, gerade oder gebogen, der Lauf mittelhoch und stets kräftig, der lange und dünnzehige Fuß bewehrt mit langen, schwachen Nägeln, welche zuweilen sporenartig erscheinen können, der Flügel immer kurz und rundlich, die dritte, vierte oder fünfte Schwinge die längste, der Schwanz bald lang, bald kurz, bald gerade abgeschnitten, bald zugerundet, das Gefieder weich und buntfarbig.

In ihrer Lebensweise haben die Ameisenvögel wahrscheinlich die größte Aehnlichkeit mit den Pittas; doch erinnern einige auch wieder an die Drosseln und Wasserschwätzer, andere an die Sänger. Sie bewohnen die ausgedehnten Waldungen der Ebenen oder die buschigen Strecken der Steppengegenden, meiden aber das Gebirge. Je ausgedehnter, je feuchter und heißer der Wald, um so häufiger finden sie sich. Einige Arten kommen in der Nähe bewohnter Ortschaften vor; die große Mehrzahl dagegen hält sich verborgen im Inneren der Dickichte und scheint auf den Boden angewiesen zu sein. Das Fliegen wird allen Ameisenvögeln schwer, und man sieht sie nur im äußersten Nothfalle ihre Flügel gebrauchen; ja einzelne von ihnen erheben sich kaum jemals fliegend über den Boden, sondern suchen auch in der ärgsten Noth ihr Heil in der Kraft ihrer Füße, indem sie mit verdoppelter Eile dahinrennen, falls sie es nicht vorziehen, sich platt auf den Boden zu drücken. Im Laufen wetteifern sie mit jedem anderen Vogel; denn sie rennen nicht bloß sprungweise über den Boden dahin, mit einer Schnelligkeit, daß es einem Hunde Mühe macht, sie einzuholen, sondern sie springen auch mit gewaltigen Sätzen hoch vom Boden auf erhabene Gegenstände oder von diesen wieder herab. Laufend oder hüpfend durchmessen sie ungeheuere Strecken der Wälder, wie Orbigny sagt, »das ganze Gebiet ihres Verbreitungskreises.« Sie ziehen nicht regelmäßig; aber sie sind beständig auf der Wanderung. Nur während der Nistzeit fesselt sie die Sorge um ihre Brut an eine und dieselbe Oertlichkeit. Ihre Stimme ist höchst verschieden. Einige lassen brummende Laute vernehmen, andere stoßen einen wiederholten Pfiff aus, andere wiederum zwitschern, einzelne geben einen kurzen, aber laut tönenden Gesang zum besten, mehrere sind im höchsten Grade schweigsam.

siehe Bildunterschrift

Feuerauge ( Pyriglena domicella). 1/2 natürl. Größe.

Kerbthiere bilden die hauptsächlichste Nahrung der Ameisenvögel; doch verschmähen einige auch Pflanzenstoffe nicht. Erstere sammeln sie hauptsächlich vom Boden auf, indem sie die abgefallenen Blätter mit dem Schnabel umwälzen; einzelne scharren aber auch wie die Hühner, wenn sie rascher zum Ziele kommen wollen. Sie lieben die Ameisen, ohne daß man jedoch sagen kann, daß diese ihre bevorzugte Speise wären.

Nach Angabe Ménétriers nisten die Ameisenvögel in denjenigen Monaten, welche ihrer Heimat den Frühling bringen, und legen ihre zwei oder drei auf weißlichem Grunde röthlich getüpfelten Eier ohne wesentliche Vorkehrungen in eine seichte Mulde auf den Boden. Die Jungen verlassen das Nest bald nach ihrer Geburt und folgen dann ihrer Mutter nach Art der Nestflüchter.

 

Einer der bekanntesten Ameisenvögel ist das Feuerauge ( Pyriglena domicella, Lanius, Myiothera, und Formicivora domicella, Drymphila trifasciata, Myrmeciza melanura), Vertreter einer gleichnamigen Sippe und der Unterfamilie der Ameisenfänger ( Formicivorinae). Die Kennzeichen der Sippe sind gerader, ziemlich starker, fast kegelförmiger Schnabel mit hakiger Spitze und seichter Kerbe vor derselben, hohe, starke Läufe, kräftige, aber nicht sehr lange Zehen, welche mit ziemlich kurzen, schlanken und gebogenen Krallen bewehrt sind, mittellange Flügel, in denen die vierte Schwinge die längste ist, und ein ziemlich langer und abgerundeter Schwanz. Bei dem männlichen Feuerauge sind Schnabel, Füße und der größte Theil des Gefieders schwarz, die Flügeldeckfedern am Buge weiß und die großen Deckfedern weiß gerandet. Das Auge ist, dem Namen entsprechend, dunkel feuerroth. Das Weibchen ist olivenbraun, an der Kehle und auf dem Nacken blaßgelb. Die Länge beträgt achtzehn, die Breite dreiundzwanzig, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

Das Feuerauge ist in allen Waldungen Brasiliens nicht selten und kriecht überall in den dichten und dunklen Gebüschen der großen Wälder umher. Sein feurigrothes Auge sticht lebhaft ab von dem kohlschwarzen Gefieder, und der Vogel wird schon deshalb leicht bemerklich. Die Stimme ist ein pfeifendes Gezwitscher.

Daß dieser nette Vogel ein eifriger Ameisenjäger ist, erfahren wir durch Kittlitz. »Ich begegnete«, erzählt er, »in einem Dickichte des Waldes einem ungeheueren Schwarme großer, schwarzer Ameisen, welche um die Trümmer starker Bambusstengel her gerade sehr beschäftigt waren, während sowohl männliche als weibliche Feueraugen ihnen mit großer Gier und Behendigkeit nachstellten. So schüchtern sich die Vögel auch zeigten, und so gewandt sie einem Schusse auszuweichen wußten, war doch ihre Begierde nach den Ameisen so groß, daß selbst das Schießen sie nur augenblicklich verscheuchte. Ich konnte, am Boden lauernd und immer wieder ladend, bald sechsmal nach einander Feuer geben. Ueberraschend war es für mich, in dem Magen der geschossenen fast nur Ueberreste von Heuschrecken und anderen Geradflüglern zu finden. Es scheint also, daß die Ameisen mehr Leckerbissen als regelmäßige Nahrung dieser Vögel bilden.« Andere Forscher versichern ebenfalls, daß in der Nähe eines wandernden Ameisenheeres die Jagd auf diese sonst so vorsichtigen Vögel überaus leicht ist. Schwerer aber hält es, die geschossenen aus der Mitte des wandernden Heeres hervorzuholen, ohne von hundert erbitterten Kerfen gebissen zu werden. Auch Kittlitz hebt hervor, daß er von den Ameisen fürchterlich gebissen wurde, obgleich sie zum Glücke zu eilig waren, als daß sie sich in Massen auf ihn geworfen hätten.


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