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3. Familie: Eulen ( Strigidae)

Die Eulen ( Strigidae), mit denen wir die Ordnung der Raubvögel beschließen, bilden eine nach außen hin scharf begrenzte Familie. Sie kennzeichnen sich durch ihren zwar dick erscheinenden in Wahrheit aber sehr schlanken und schmalen, wenig fleischigen Leib, den ungemein großen, nach hinten zumal breiten, dicht befiederten Kopf mit sehr großen Augen, welche nach vorn gerichtet sind und von einem runden, strahligen Federkranze umgeben werden, breite und lange, muldenförmige Flügel und den meist kurzen Schwanz. Der Schnabel ist von der Wurzel an stark abwärts gebogen, kurzhakig und zahnlos, die Wachshaut kurz und immer in den langen, steifen Borstenfedern des Schnabelgrundes versteckt. Die gewöhnlich bis zu den Krallen herab befiederten Beine sind mittel- oder ziemlich hoch, die Zehen verhältnismäßig kurz und unter sich bezüglich der Länge wenig verschieden; doch pflegt die hinterste etwas höher eingelenkt zu sein als die übrigen, und die äußere ist eine Wendezehe, welche nach vorn und hinten gerichtet werden kann. Die Klauen sind groß, lang, stark gebogen und außerordentlich spitzig, im Querschnitte fast vollständig rund. Die einzelnen Federn sind groß, lang und breit, an der Spitze zugerundet, höchst fein zerfasert, deshalb weich und biegsam, unter der Berührung knisternd, die des Gesichts kleiner und steifer, zu einem, meist aus fünf Reihen gebildeten Schleier umgewandelt, welcher dem Eulenkopfe das katzenartige Aussehen verschafft. Die Schwingen sind ziemlich breit, am Ende abgerundet und nach dem Körper zu gebogen; die äußere Fahne der ersten, zweiten und dritten Schwinge ist, mindestens bei den echten Tageulen, sonderbar gefranst oder sägeartig gezähnelt, die innere Fahne der Schwungfeder dagegen infolge ihrer weichen Nebenfasern seidenartig oder wollig. Die erste Schwinge ist kurz, die zweite etwas länger, die dritte oder die vierte die längste von allen. Die Schwanzfedern, welche sich nach Art der Flügelfedern abwärts biegen, sind regelmäßig gleich lang, am Ende gerade abgestutzt, ausnahmsweise aber auch stufig, nach der Mitte zu verlängert. Die gewöhnlich düstere, ausnahmsweise aber noch verhältnismäßig lebhafte, sich blendende Färbung schließt sich in den meisten Fällen aufs genaueste der Boden- oder Rindenfärbung an; ungeachtet kann die Zeichnung äußerst zierlich und mannigfaltig sein.

Das Knochengerüst zeichnet die Eulen vor allen Falken aus. Das Thränenbein bildet keine vorspringende Decke über dem Auge, das Brauenbein, welches bei den Tagraubvögeln jene Vorsprünge verlängert, fehlt: ein vortretender Knochen, welchen man am oberen Rande der Augenhöhle bemerkt, gehört dem Stirnbeine an. Die Verbindungsbeine zeigen außer den gewöhnlichen Gelenkungen an beiden Endpunkten noch eine dritte an der inneren Seite mit dem Kehlbeine oder dem Schädelgrunde, welche von der vorderen völlig getrennt ist. Das Brustbein hat bei den meisten Arten jederseits zwei häutige, bis zum Bauchrande herabreichende Stellen; die Gabel ist weniger gespreizt, schwächer und dünner als bei den Falken. Die Wirbelsäule besteht aus elf Hals-, acht Rücken- und acht Schwanzwirbeln. Die Rückenwirbel sind nie verwachsen, die Knochen minder luftführend, die Lufträume in der Hirnschale dagegen viel bedeutender als bei anderen Raubvögeln. Der Rachen ist sehr groß, der Schlund nicht kropfartig ausgebuchtet, der Magen häutig und sehr ausdehnbar, die Milz rundlich, die Leber in zwei gleich große und gleich geformte Lappen getheilt. Die Blinddärme sind sehr lang und weit.

Beachtung verdienen die Sinneswerkzeuge der Eulen. Die Augen sind ausnehmend groß und so stark gewölbt, daß sie einer Halbkugel gleichen, die Seiten der harten Augenhaut, soweit der Knochenring sie einnimmt, sonderbar verlängert; das Auge selbst ist innerlich ungemein beweglich; denn der Stern erweitert oder verengert sich bei jedem Athemzuge. Die äußere Ohröffnung ist bei der Mehrzahl eine Falte, welche von oben nach unten sich um das Auge herumzieht und aufgeklappt werden kann. Hierdurch entsteht eine sehr weite, durch die strahligen Federn ringsum noch vergrößerte Muschel, welche sich, wie mein Vater hervorhebt, »bei mehreren Arten, zum Beispiel bei sämmtlichen Ohreulen, beim Nacht- und Rauchfußkauze und anderen so weit öffnet, daß man bei aufgehobener Falte einen großen Theil des Auges liegen sieht.«

Die Eulen, von denen man etwa einhundertundneunzig Arten kennt, sind Weltbürger und bewohnen alle Erdtheile, alle Gürtel, alle Gegenden und Oertlichkeiten, von den eisigen Ländern um den Nordpol an bis zu dem Gleicher hin und von der Seeküste bis zu fünftausend Meter über dem Meer aufwärts. Der Süden beherbergt auch sie in größerer Artenzahl als der Norden; dieser aber ist keineswegs arm an ihnen. Waldungen sind ihre eigentlichen Heimstätten; sie fehlen aber auch den Steppen, Wüsten oder dem pflanzenlosen Gebirge, volksbelebten Ortschaften und Städten nicht. Man nennt sie Nachtraubvögel; der Ausdruck erfordert aber mindestens eine Erklärung. Allerdings beginnt die große Mehrzahl erst mit eintretender Dämmerung ihre Streifzüge; nicht wenige jedoch sind auch bei Tage thätig und gehen selbst in der Mittagszeit ihrer Nahrung nach. Ihr für kürzere Entfernungen überaus scharfes Auge, ihr außerordentlich feines Gehör, ihr weiches Gefieder befähigen sie noch während des Dunkels zu erfolgreicher Thätigkeit. Lautlos fliegen sie in nicht eben bedeutender Höhe über dem Boden dahin, ohne durch das Geräusch der eigenen Bewegung beeinträchtigt zu werden, vernehmen das leiseste Rascheln auf dem Boden, und sehen ungeachtet des Dunkels das kleinste Säugethier. »Ich habe«, sagt mein Vater, »bei zahmen Eulen, welche die Augen ganz geschlossen hatten und also völlig schliefen, Versuche über die Festigkeit ihres Schlafes angestellt und war erstaunt, als ich erfuhr, wie leicht sie selbst durch ein entferntes, geringes Geräusch ganz munter und zum Fortfliegen bereit wurden. Ich habe auch die Eulen in ziemlich finsteren Nächten gegen den Himmel fliegen sehen, in ganz finsteren bald da, bald dort schreien hören, und bin Zeuge gewesen, daß ein Rauchfußkauz, an welchen sich ein scharfsichtiger Freund von mir äußerst still und vorsichtig anschlich, um ihn von einer Tanne herabzuschießen, sogleich wegflog, als der Jäger über eine von Bäumen entblößte Stelle ging.« Das Auge der Eulen scheint empfindlicher gegen das Tageslicht zu sein, als dies tatsächlich der Fall ist. Einzelne Arten von ihnen verschließen ihre Augen bis zur Hälfte und noch weiter, wenn sie dem vollen Lichte ausgesetzt werden; dies aber geschieht mehr, um ihre Ueberraschung auszudrücken, vielleicht auch um listig Schlaf zu heucheln, als weil sie die Lichtstrahlen nicht zu ertragen vermögen, und gänzlich unbegründet ist die Behauptung, daß sie am Tage nicht sehen könnten. »Sie sind«, fährt mein Vater fort, »nicht nur im Stande, bei hellem Tageslicht im Freien, sondern auch durch die dichtesten Bäume zu fliegen, ohne anzustoßen. Ich habe dies bei fast allen deutschen Arten bemerkt. Am hellen Mittage kamen die alten Ohreulen herbeigeflogen, wenn ich ihre Jungen ausnahm; am hellen Mittag raubte ein Schleierkauz vom Schloßthurme zu Altenburg aus einen Sperling, welcher mit den Hühnern auf dem Schloßhofe fraß, und trug ihn in seinen Schlupfwinkel«; am hellen Tage, will ich hinzufügen, erkennt der Uhu jeden Tagraubvogel, welcher in ungemessener Höhe dahinfliegt.

Daß die Eulen, wenn sie bei Tage angesichts eines Menschen blinzeln, den Störenfried zu täuschen bezwecken, dürfte durch nachstehende Beobachtungen einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erhalten. »Sitzt der Baumkauz«, so schreibt mir Walter, »ziemlich sicher in einem hohlen Baume und schaut nur mit dem Kopfe aus der Oeffnung ins helle Tageslicht, so drückt er nicht die Augen zur Hälfte zu, sondern glotzt den Störenfried mit weit geöffneten Augen an; wird er aber durch einen wohlgezielten Wurf herausgetrieben, so flüchtet er, falls er kann, unter ein Laubdach, läßt nun den Menschen nahe herankommen und blickt ihn mit halb geschlossenen Augen an. Im hohlen Baume glaubt er sich sicher und hält es nicht für nöthig, zu täuschen; unter dem Laubdache fühlt er sich unsicherer, will den Platz aber, aus Furcht vor dem Gezeter des Kleingeflügels nicht gleich aufgeben, und sucht sich durch List zu helfen. Eulen, welche die Augen nicht zudrücken, gebrauchen sehr regelmäßig eine andere Art von Verstellung, indem sie eine Haltung annehmen, welche sie selbst dem geübten Blicke oft entzieht. Mit einer förmlich ruckweisen Bewegung pressen sie alle Federn dicht an den Leib, so daß dieser nicht halb so dick erscheint als gewöhnlich, ziehen das Gesicht in die Länge, verschmälern es und richten es seitwärts, gleichzeitig aber auch die Ohren und den ganzen Leib auf, soweit sie können, legen vielleicht noch den einen Flügel hart an den Leib, während sie den anderen im Schultergelenk eckig herausschieben, und gleichen in dieser Stellung, in welcher Flügelspitzen, Füße und Schwanz sich decken einem alten, mit Moos und Flechten übersponnenen Astknorren auf das genaueste. In dieser Weise stehend, halten sie lange Zeit aus; haben sie sich aber entschlossen zu fliehen, also sich als Eule zeigen müssen, so nehmen sie so leicht diese Stellung nicht wieder an, sondern setzen früher als andere Eulen ihre Flucht fort.«

Die absonderlich gestalteten Flügel und das weiche Gefieder der Eulen lassen im voraus auf eine eigenthümliche Flugbewegung schließen. Der leise Flug ist verhältnismäßig langsam, ein Mittelding zwischen Schweben, Gleiten und Flattern, bei einigen Tageulen aber ein abwechselnd bogiges Aufsteigen und Niederfallen, nach Art des Spechtfluges, welches ungemein fördert, jedoch anscheinend bald ermüdet und deshalb niemals lange fortgesetzt wird. Nur bei größeren Wanderungen erheben sich die Eulen bis zu hundert Meter über den Boden und bewegen sich dann gleichmäßig mit vielen Flügelschlägen oder schwebend dahin. Auf dem Boden sind die meisten sehr ungeschickt; die langbeinigen aber gehen so gut, daß sie, freilich unter Zuhülfenahme der Flügel, selbst ihre Jagd laufend betreiben können. Im Gezweige der Bäume sind alle gewandt: einzelne klettern in sonderbarer Weise hüpfend und springend sehr rasch von einem Zweige zum anderen. Sie lieben, die verschiedensten Stellungen anzunehmen, sich abwechselnd niederzuducken und dann hoch aufzustrecken, wenden, beugen und drehen den Kopf in wirklich wunderbarer, für den Beschauer ergötzlicher Weise und sind, wie das Faulthier, im Stande, das Gesicht vollständig nach rückwärts zu kehren, also auch nach hinten zu sehen. Die Stimme ist gewöhnlich laut, selten aber angenehm. Wüthendes Klappen oder Knappen mit dem Schnabel und heiseres Fauchen ist der gewöhnliche Ausdruck ihrer Seelenstimmung; die eigentliche Stimme vernimmt man nur des Nachts oder bei höchster Gefahr. Einzelne Arten kreischen abscheulich, andere geben helle Töne zu hören. An geistigen Fähigkeiten stehen sie hinter den meisten Tagraubvögeln zurück. Es gibt einige Arten unter ihnen, welche durch ihre Munterkeit, durch die leibliche Beweglichkeit über ihr geistiges Wesen täuschen können; bei genauerer Beobachtung aber erkennt man doch sehr bald, daß keine einzige Eule als ein wirklich kluger oder geistreicher Vogel angesehen werden darf. Alle sind scheu, aber nicht vorsichtig, verstehen nicht zwischen wirklicher und vermeintlicher Gefahr zu unterscheiden, lernen selten ihre Freunde kennen und sehen in jedem fremden Wesen mehr oder weniger einen Feind, lassen sich an eine gewisse Oertlichkeit gewöhnen, nicht aber zu etwas abrichten, welches wirklich Anstrengung des Geistes erfordert; sie sind jähzornig, blind wüthend im höchsten Grade, gleichgültig und grausam. Jeder Edelfalk, ja selbst Bussard und Weih leistet sicherlich dasselbe wie sie, falls nicht mehr. Mit anderen ihrer Art leben sie in Frieden und Freundschaft, so lange nicht irgend eine Leidenschaft, Freßgier zum Beispiel, bei ihnen übermächtig wird; mit der größten Seelenruhe aber fressen sie den Gefährten auf, mit welchem sie jahrelang einträchtiglich zusammen lebten, wenn derselbe irgendwie verunglückte. Ich habe zuweilen zehn bis zwölf Waldkäuze und Ohreneulen in einem und demselben großen Käfig gehalten. Keine der Eulen dachte daran, sich an einer anderen zu vergreifen, so lange alle bei gleichen Kräften waren; sowie aber eine der Gesellschaft erkrankte und sich in eine Ecke flüchtete, fiel die ganze Rotte über sie her, erwürgte sie und fraß sie auf. Geschwister, welche aus einem Nest stammen, überfallen sich gegenseitig nicht selten, und die unterliegende wird regelmäßig getödtet und verspeist. Ein derartiges Gebaren deutet nicht auf Hochgeistigkeit.

Alle Eulen fressen während ihres Freilebens nur selbst erworbene Beute. Die verschiedensten Beobachter stimmen darin überein, daß sie niemals Aas anrühren. Vor allem sind es kleine Säugethiere, welche befehdet werden; die stärksten unter ihnen greifen aber auch größere, selbst raubfähige Säuger an oder verfolgen Vögel nach Art der Falken; einzelne sind Fischer, andere Kerbthierjäger. Aeußerst wenige werden dem Menschen schädlich, die große Mehrzahl bringt nur Nutzen. Es liegen sorgfältige Beobachtungen vor, welche beweisen, daß unsere deutschen Eulen kaum auf andere Thiere jagen als auf Mäuse, und wir wissen, daß ihre Thätigkeit eine sehr erfolgreiche ist. Gerade wenn die verhaßten Nager es am lustigsten treiben, beginnen die Eulen ihr Handwerk. Unhörbar schweben sie dicht über dem Boden dahin; von ihrer Höhe aus durchsuchen sie diesen sehr gründlich, und in der Regel wird die erspähte Maus mit Sicherheit gefangen. Dazu tragen die kurzen beweglichen Zehen und die nadelscharfen, stark gekrümmten Krallen wesentlich bei. Eine einmal von der Eule ergriffene Maus ist unrettbar verloren: sie ist erdolcht, noch ehe sie an Entrinnen denken kann. Sobald die Eule Beute gewonnen hat, fliegt sie einem Ruhesitze zu und beginnt nun zu fressen. Es geschieht auch dies in eigenthümlicher Weise. »Nichts sieht ekelhafter aus«, sagt mein Vater, »als das Fressen einer Eule, weil sie ungeheuere Stücke und diese mit großer Anstrengung verschlingt. Wenn andere Thiere ein gewisses Wohlbehagen beim Fressen zeigen, so scheint die Eule eine wahre Frohnarbeit zu verrichten, wenn sie ihre großen Bissen hinunterdrückt. Ich habe eine Ohreule eine große Maus und einen Schleierkauz ein altes Haussperlingsmännchen mit Füßen und fast sämmtlichen Federn ganz verschlingen sehen. Er nahm den Sperling mit dem einen Fange, brachte ihn zum Schnabel, so daß der Kopf zuerst in den Rachen kam, und fing dann an, durch Zurückschlagen des Kopfes den Sperling hinunter zu arbeiten, was endlich nach großer Anstrengung gelang. Als der Vogel in den Schlund kam, trat dieser so hervor, daß er vom Halse getrennt zu sein schien. Ich habe diese Versuche mehrere Male wiederholt; die Eule aber rupfte später die Federn gewöhnlich aus und verschlang erst dann den Vogel. Mäuse verschlucken die Schleierkäuze mit leichter Mühe. Sind die in den Schnabel aufgenommenen Thiere zu groß, um durch den Rachen zu gehen, dann werfen die Eulen sie wieder heraus, drücken sie mit dem Schnabel und den Fängen zusammen und arbeiten so lange, bis sie in den Schlund hinabgedrängt werden. Ich glaube, daß die Eulen beim Verschlingen größerer Stücke eine Vorstellung von dem ekelhaften Fressen der Schlangen geben können. Bei sehr großen Thieren verzehren sie das Fleisch von der Brust und das Gehirn; das übrige heben sie auf. Der Uhu frißt das Fleisch aus der Haut, wickelt sie zusammen und bewahrt dadurch das noch in ihr befindliche vor dem Austrocknen. Zuletzt verschlingt er die Haut auch.« Ich will dem hinzufügen, daß eine Eule auch in minder anwidernder Weise kröpfen kann. Eine Ohreule zum Beispiel, welche Walter pflegte, riß der ihr gereichten Maus regelmäßig zuerst den Kopf ab und verschluckte zunächst ihn, fraß dann Lunge, Leber und Herz, hierauf ein Vorderbein nach dem anderen, brach nunmehr die Rippen einzeln heraus und verschlang sie zuletzt, nachdem sie den Magen weggeschleudert, auch den noch übrig gebliebenen Rest. So wohlgesittete Eulen habe ich niemals kennen gelernt, bei den Hunderten, welche ich pflegte, vielmehr meines Vaters Beobachtungen durchgehends bestätigt gefunden. Wasser können die meisten Eulen monatelang entbehren, vielleicht weil das Blut ihrer Schlachtopfer ihnen genügt; sie trinken jedoch zuweilen recht gern, und bedürfen Wasser zum Baden. Die Verdauung ist sehr lebhaft; der scharfe Magensaft zersetzt alle Nahrung in kurzer Zeit. Knochen, Haare und Federn ballen sich zu Kugeln zusammen und werden dann unter höchst ergötzlichen Bewegungen, gewöhnlich an bestimmten Orten, ausgespieen. Dabei sperren die Eulen den Schnabel weit auf, nehmen den Kopf tief herab, treten von einem Bein aufs andere, kneifen die Augen zusammen, würgen und schütteln und entladen sich endlich des gedachten Balles oder Gewölles. Altum hat mehrere hunderte solcher Gewölle untersucht und gefunden, daß unsere deutschen Eulen hauptsächlich Mäuse und Spitzmäuse, ausnahmsweise aber auch Ratten, Maulwürfe, Wiesel, Vögel und Käfer verzehren. In siebenhundertundsechs Gewöllen der Schleiereule fand er die Ueberreste von sechzehn Fledermäusen, zweihundertundvierzig Mäusen, sechshundertdreiundneunzig Wühlmäusen, eintausendfünfhundertundachtzig Spitzmäusen, einem Maulwurfe und zweiundzwanzig kleinen Vögeln, in zweihundertundzehn Gewöllen des Waldkauzes Reste von einem Hermelin, achtundvierzig Mäusen, zweihundertsechsundneunzig Wühlmäusen, einem Eichhörnchen, dreiunddreißig Spitzmäusen, achtundvierzig Maulwürfen, achtzehn kleinen Vögeln und achtundvierzig Käfern, ohne die unzählbaren Maikäfer, in fünfundzwanzig Gewöllen der Waldohreule die Reste von sechs Mäusen, fünfunddreißig Wühlmäusen und zwei Vögeln, in zehn Gewöllen des Käuzchens zehn Wühlmäuse, eine Spitzmaus und elf Käfer. Diese Zahlen sprechen besser als viele Worte für die Nützlichkeit der Eulen. Die größeren Arten machen sich allerdings Uebergriffe schuldig, indem sie Hasen, Rebhühner und anderes Wild befehden, und auch die kleinen schaden in beschränkter Weise durch Wegfangen der nützlichen Spitzmäuse: der Nutzen aber überwiegt den Schaden doch um ein beträchtliches, und deshalb verdienen auch diese Raubvögel, sorgfältig geschont zu werden.

Viele Eulenarten nisten in Baumhöhlen, andere in Felsspalten oder Mauerlücken, einige in Erdbauen verschiedener Säugethiere und andere endlich auf verlassenen Nestern der Falken- und Krähenarten. Hier wird im günstigsten Falle etwas Genist zusammengetragen; gewöhnlich aber trifft die nistende Eule keine Anstalten, die Nestunterlage aufzubessern, sondern legt ihre Eier ohne weiteres auf den vorgefundenen Nestboden. Die Anzahl des Geleges schwankt zwischen zwei und zehn; ausnahmsweise findet man auch wohl nur ein einziges Ei im Neste. Die Eier selbst ähneln sich sämmtlich; sie sind sehr rundlich, feinkörnig und weiß von Farbe. So viel mir bekannt, wissen wir bis jetzt nur von einer einzigen Eulenart, daß beide Geschlechter abwechselnd brüten; wie es sich bei den übrigen verhält, vermag ich nicht zu sagen. Die Thätigkeit der Eulen ist, um Worte meines Vaters zu gebrauchen, von Dämmerung und Finsternis umhüllt und daher den Beobachtungen des Naturforschers schwer zugänglich. »Nur so viel ist gewiß, daß wir am Tage bei allen Eulenhorsten, welche wir zu untersuchen Gelegenheit hatten, stets das Weibchen auf den Eiern fanden.« Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß bei Ernährung der Jungen die Männchen thätig sind. In meines Vaters Sammlung befand sich ein altes Paar Uhus, von denen das Weibchen zuerst bei den festgebundenen Jungen in einem Tellereisen gefangen wurde, das Männchen aber der mutterlosen Waisen so treulich sich annahm, daß es zwei Tage später dasselbe Schicksal hatte wie sein Weibchen. Auch von anderen Eulen, namentlich Wald-, Rauchfuß- und Steinkäuzen, hat mein Vater dasselbe beobachtet. Gemeinsam scheint allen Arten zu sein, daß beide Eltern warme Liebe zu ihrer Brut bekunden und diese unter anderem auch dadurch bethätigen, daß sie dieselben gegen Feinde mit auffallendem Muthe vertheidigen. Die Jungen sitzen lange im Neste und erfüllen des Nachts die Umgegend desselben mit ihrem Geschreie. Insbesondere hört man letzteres, wenn sie ausgeflogen sind und bereits sich zu bewegen beginnen. Meines Vaters Meinung, daß sie dies thun, um den Eltern jederzeit ihren Aufenthaltsort anzuzeigen, mag wohl berechtigt sein.

Leider haben die Eulen viele Feinde. Alle Tagvögel sind ihnen abhold, gleichsam als ob sie sich für die ihnen während ihres Schlafes von den Nachträubern zugefügten Angriffe rächen wollten. Fast sämmtliche Tagraubvögel geberden sich wie sinnlos, wenn sie eine größere Eule erblicken. Das gesammte Kleingeflügel hegt dieselben Gesinnungen wie sie und gibt diese durch lebhaftes Geschwätz und Geschrei, welches man wohl als Schelten und Schimpfen deuten kann, zu erkennen. Der ganze Wald wird rege, wenn eine Eule entdeckt wurde. Ein Vogel ruft den anderen herbei, und der arme Finsterling hat dann viel zu leiden; denn die starken Tagvögel vergreifen sich auch thätlich an ihm. Der Mensch schließt sich nur zu oft den genannten Feinden an. Zwar betrachten meines Wissens nur Ostjaken und – Helgoländer das Fleisch einer Eule als willkommenes, ihrer Zunge zusagendes Gericht; viele gebildet sein wollende Deutsche aber wähnen eine Heldenthat zu vollbringen, indem sie Eulen im Schlafe meucheln oder im Fluge herabschießen, und nur sehr vereinzelt geschieht es, daß man ihnen Schutz gewährt. Der Land- und Forstwirt thut wohl, sich den Beschützern der Eulen anzuschließen und sie zu hegen und pflegen, als ob sie heilige Vögel wären.

Im Käfige werden nur diejenigen Eulen wirklich zahm, welche man in sehr früher Jugend aushebt, groß füttert und freundlichen Umganges würdigt. Ich habe solche besessen und dann mich innig mit den sonst nicht gerade liebenswürdigen Vögeln befreundet. Solche, welche in reiferem Alter gefangen wurden, zeigen sich entweder gleichgültig oder geberden sich in einer Weise, welche ängstliche Gemüther schier erschrecken, kräftigere Naturen aber höchstens ergötzen kann. Zumal die großen Arten scheinen mit der ganzen Welt zerfallen zu sein und in jedem anderen Wesen einen Feind zu wittern. Wüthend rollen sie die großen Augen, wenn man sich ihnen naht; ingrimmig knacken sie mit dem Schnabel, und boshaft fauchen sie nach Katzenart. Kleine Eulen dagegen zählen zu den unterhaltendsten und liebenswürdigsten aller Stubenvögel. Bei geeigneter Pflege kann man die einen wie die anderen im Käfige zur Fortpflanzung schreiten sehen.


Alle Forscher stimmen darin überein, daß man den Tageulen die erste Stelle anzuweisen hat, die meisten auch darin, daß man sie in einer besonderen Unterfamilie ( Surnina) vereinigen darf. Der Kopf der betreffenden Arten ist verhältnismäßig klein, der Leib schlank und zierlich, der Schleier undeutlich, das übrige Gefieder knapp, der Fittig ziemlich, der Schwanz meist ansehnlich lang.

 

In den nördlichen Ländern der Alten Welt lebt die Sperbereule ( Surnia ulula, Strix ulula, nisoria, Stryx doliata, Noctua nisoria), welche man als die falkenähnlichste aller Eulen ansieht und deshalb wohl auch geradezu »Falkeneule« oder »Eulenfalk« nennt. Sie kennzeichnet sich durch breiten, auf der Stirne niedrigen Kopf mit platter Stirne und schmalem Gesicht, ohne eigentlichen Schleier und Federkreis um das Auge, durch ziemlich lange, verhältnismäßig spitzige Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste ist, und langen, keilförmigen Schwanz. Der Schnabel ist kurz, kräftig, höher als breit, von der Wurzel an gebogen, der Haken um etwa neun Millimeter über den Unterschnabel herabgebogen, die Schneide etwas ausgeschweift, die Spitze der unteren Kinnlade tief ausgeschnitten. Die Läufe sind bis zu den Zehen herab befiedert, diese kurz und mit scharfen Klauen bewehrt. Die Augen sind groß, die Ohren mit einer länglich eiförmigen, sechzehn Millimeter hohen Oeffnung und wohl ausgebildeten Klappe ausgerüstet, welche an die des Schleierkauzes erinnert. Das Gefieder ist reich, sanft und glänzend, liegt aber doch viel dichter an als bei den meisten Nachteulen. Beim ausgefärbten Vogel ist das Gesicht weißgrau, ein Streifen vor und ein anderer hinter dem Ohre, welche sich halbmondförmig zu beiden Seiten des Kopfes herabziehen, schwarz, der Scheitel braunschwarz, jede Feder durch einen runden, weißen Flecken gezeichnet, welcher in der Genickgegend größer wird und die lichte Farbe zur vorherrschenden macht, der Nacken wie ein Fleck hinter dem Ohre reinweiß, die Oberseite braun, weiß gefleckt, jede einzelne Feder weiß, am Ende braun gesäumt und quergestreift, die Kehle weiß, die Oberbrust durch ein verwaschenes Querband geziert, die Unterseite weiß, auf Unterbrust, Bauch und Seiten schmal schwarzbraun in die Quere gestreift oder gesperbert; die Schwingen und Schwanzfedern sind mäusegrau, weißlich gebändert; im Schwanze zählt man außer dem Spitzensaume neun weiße Querstreifen. Das Auge ist dunkel schwefel-, der Schnabel schmutzig wachsgelb, an der Spitze hornschwarz. Junge Vögel unterscheiden sich wenig von den alten; diese aber ändern vielfach ab, ohne daß dadurch übrigens das Gesammtgepräge der Zeichnung verwischt würde. Die Länge beträgt neununddreißig bis zweiundvierzig, die Breite sechsundsiebzig bis einundachtzig, die Fittiglänge dreiundzwanzig, die Schwanzlänge sechzehn Centimeter.

 

Im Norden Amerikas wird die Sperbereule durch die ihr sehr nahe stehende Falkeneule ( Surnia funerea, canadensis und borealis, Strix funerea, canaddensis, hudsonia und Caparoch, Syrnia und Noctua funerea) vertreten, welche sich ständig durch dunklere Oberseite und breitere, mehr oder minder lebhaft braune Sperberung der Unterseite von ihrer altweltlichen Verwandten unterscheidet. Nach Dressers Untersuchungen ist sie es, nicht aber die Sperbereule, welche bisher in Großbritannien erlegt wurde.

siehe Bildunterschrift

Sperbereule ( Surnia ulula). ⅓ natürl. Größe.

Das Verbreitungsgebiet der Sperbereule erstreckt sich über alle nördlichen Länder der Alten, das der Falkeneule über die entsprechenden der Neuen Welt. Jene, auf welche ich mich im nachstehenden beschränken werde, findet sich als regelmäßiger Brutvogel erwiesenermaßen im nördlichen Skandinavien, Nord- und Mittelrußland sowie in Sibirien, vom Ural an bis zum Ochotskischen Meere und von der nördlichen Waldgrenze an bis in die Steppengebiete im Süden des Waldgürtels, ist bis jetzt aber in China noch nicht aufgefunden worden. Wie bei den meisten nordischen Eulen richtet sich ihr Vorkommen mehr oder weniger nach dem jeweiligen Gedeihen der Lemminge. Vermehren sich diese nach einem gelinden Winter mehr als gewöhnlich, so siedelt sich die Sperbereule ihnen zu Gefallen auch wohl in Gegenden an, in denen man sie als Brutvogel sonst nicht beobachtet. Als Regel mag gelten, daß sie Birkwaldungen allen übrigen bevorzugt und demgemäß in Skandinavien erst in einem Höhengürtel auftritt, in welchem die Birken vorherrschen. Auf innigen Zusammenhang des genannten Baumes mit ihr deuten Färbung und Zeichnung des Gefieders. Es kommt vor, daß sie in Fichten- oder Föhrenwaldungen brütet; wenn sie aber innerhalb der Birkwaldungen genügende Nahrung hat verläßt sie dieselben gewiß nicht. Reichlicher Schneefall, mehr vielleicht noch Armut an Lemmingen, zwingt sie, gegen den Winter hin ihre beliebtesten Aufenthaltsorte zu verlassen und entweder einfach nach der Tiefe oder nach niederen Breiten hinab zu wandern. Bei dieser Gelegenheit erscheint sie wahrscheinlich allwinterlich in den Ostseeprovinzen und Dänemark, nicht allzu selten auch in Deutschland, woselbst sie sehr oft in Ost- und Westpreußen, etwas seltener in Posen und Schlesien, Pommern, der Mark Brandenburg, nicht minder, wenn auch recht einzeln, in der Oberlausitz, in Thüringen, Hannover und Westfalen, ja selbst im Elsaß erlegt wurde, ebenso wie sie Polen, Mähren, Galizien, Ungarn und Niederösterreich, Südrußland, das ganze südlichere Sibirien und die Gebirge des nördlichen Turkestan zu besuchen pflegt. Ein und das andere Paar bleibt unter besonders günstigen Umständen wohl auch in der Fremde wohnen; für Deutschland wenigstens ist es keineswegs unwahrscheinlich, daß unsere Eule wiederholt in Ost- und Westpreußen genistet hat. Schon Löffler gedenkt eines solchen Falles; ein zweiter wird mir von Ehmcke in Danzig berichtet: »Anfang Juli des Jahres 1866 kaufte ich auf dem Markte eine junge Eule, welche durch ihr eigentümliches Aussehen meine Aufmerksamkeit erregte. Bei reichlichem Futter wuchs sie schnell heran, und um die Mitte des August konnte man sie als ausgewachsen betrachten. Als ich sie kaufte, wußte ich nicht, welche Art ich vor mir hatte; Beobachtungen ihres Betragens aber ließen mich erkennen, daß ich es nur mit einer Tageule zu thun haben konnte, und als sie endlich ihr Nestkleid ab und das Jugendkleid angelegt hatte, erkannte ich sie als Sperbereule«.

Ueber Lebensweise, Betragen, Nahrung und Fortpflanzung liegen mehrere Berichte vor; die ausführlichsten und besten Beobachtungen sind aber keineswegs von den Naturforschern, welche die Sperbereule in ihrer Heimat sahen, sondern von meinem Vater in Deutschland angestellt worden. Ich selbst habe die im hohen Norden keineswegs seltene Eule nur auf unserer letzten Reise nach Sibirien am unteren Ob gesehen, leider jedoch nicht eingehend beobachten können. Nur über ihren Flug vermag ich einiges zu sagen, was ich anderswo nicht erwähnt finde. Sie fliegt nicht nach Art anderer mir bekannten Eulen, sondern nach Art eines Weih; man muß sogar scharf hinblicken, wenn man sie in geraumer Entfernung vom Wiesenweih unterscheiden will. Hat man sie erst einige Male gesehen, so erkennt man sie nicht allein an dem dickeren Kopfe, sondern, und sicherer noch, an ihrem, doch auch vom Weih bestimmt verschiedenen Fluge. Sie wiegt sich nicht, von einer Seite auf die andere sich neigend, hebt beim gleitenden Dahinschweben die Flügel höher und schaltet zwischen die schwebende Bewegung viel mehr, durch ihre Weichheit ausgezeichnete Flügelschläge ein, der Flug ist minder stetig, im ganzen merklich langsamer als der des Weih; endlich rüttelt sie sehr häufig und setzt sich während ihrer Jagd oft nieder. Mittheilungen von Wallengren, Collett, Wheelwright und Wolley lehren uns zusammengefaßt ungefähr das folgende: In guten Lemmingjahren, verläßt die Sperbereule ihr Brutgebiet nicht; höchstens Junge unternehmen Wanderungen nach südlicher gelegenen Gegenden und werden dann auch an solchen Oertlichkeiten gesehen, welche ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte wenig entsprechen, so beispielsweise in unbewaldeten Getänden. In ihrem Auftreten erinnert sie sehr an die Falken. Ein Tagvogel wie diese, vereinigt sie mit dem leisen obwohl raschen Fluge der Eule jener Lebendigkeit und Muth, ähnelt ihnen auch hinsichtlich ihres Geschreies. Oft sieht man sie auf den dürren Wipfeln einer abgestorbenen Föhre sitzen und von hier nach Beute sich umschauen. Ein ihr nahender Mensch behelligt sie dann so gut als nicht. Mit ihren hellgelben Augen starrt sie alles ruhig an, und ihr Blick gewinnt dabei den Anschein halb verlegener Verschmitztheit; ihren gefährlichsten Gegner aber fest ins Auge zu fassen, fällt ihr nicht ein. Sie gebart sich, als ob sie es unter ihrer Würde halte, solches zu thun, dreht vielleicht auch, angesichts des sie bedrohenden Schützen, ihr Haupt gemächlich nach einer anderen Richtung, als ob sie sich willentlich nicht um ihn kümmern wolle. Ganz anders benimmt sie sich einer Beute oder einem ihrer gefiederten Feinde sowie auch demjenigen gegenüber, welcher ihr Nest bedroht. Kaum ein einziger Waldvogel ist vor ihren Angriffen gesichert. Wheelwright sah, daß sie einen unglücklichen Heher, ihren gewöhnlichen Nachbar, im Fluge schlug, und überraschte sie mehr als einmal beim Kröpfen eines Morasthuhnes, dessen Gewicht das des ihrigen fast um das doppelte übersteigt. Allerlei Vögel, Lemminge und Waldmäuse, ebenso auch Kerbthiere bilden ihre gewöhnliche Nahrung. Wie ein Falk stürzt sie sich von ihrem Hochsitze hernieder, um einen der kleinen Nager zu ergreifen, packt denselben sicher, erdolcht oder erwürgt ihn mit den scharfen Fängen und trägt ihn dann nach einem passenden Sitzplatze, oft länger zwischen dem einen oder dem anderen wählend, um ihn hier zu verzehren. Wird sie von Waldgeflügel, insbesondere Hehern, Krähen, Meisen geneckt, so läßt sie sich dies oft lange gefallen, wirft sich dann aber plötzlich in die Mitte der Widersacher und ergreift einen von ihnen. Nur gegen die Elstern, welche sie laut schreiend umringen und necken, scheint sie nichts ausrichten zu können. In die Enge getrieben, beispielsweise flügellahm geschossen, wehrt sie sich auf das verzweifeltste, deckt ihren Rücken und streckt beide Klauen angriffsfertig ihrem Feinde entgegen.

Anfang Mai, unter Umständen bereits im April, schreitet sie zur Fortpflanzung. Zu ihrer Niststätte wählt sie sich entweder eine Baumhöhlung, beziehentlich einen Nistkasten, wie man sie in Lappland für die Gänsesäger an die Bäume hängt, oder ein altes Krähennest, erbaut sich auch wohl auf höheren Bäumen einen der Hauptsache nach aus Aesten und Reisern bestehenden, mit Laub und Moos ausgekleideten flachmuldigen Horst und belegt denselben mit sechs bis acht abgerundeten, rein weißen Eiern, welche etwas kleiner als die des Baumkauzes sind, beziehentlich einen Längendurchmesser von fünfunddreißig bis fünfundvierzig und einen Querdurchmesser von neunundzwanzig bis einunddreißig Millimeter haben. Auf der Spitze eines abgestorbenen Baumes in möglichster Nähe des Nestes sitzend, hält das Männchen sorgsam Wache, erhebt, sobald sich irgend ein lebendes Wesen dem Horste nähert, Kopf und Schwanz, läßt einen schrillen, dem des Thurmfalken nicht unähnlichen Schrei vernehmen und stößt wüthend auf den Störenfried herab. Wheelwrights Steiger fürchtete sich so vor der Sperbereule, daß er sich weigerte, deren Horst zu erklettern, denn er hatte gelegentlich des Ausnehmens eines Nestes erfahren müssen, daß er von dem alten Männchen des bedrohten Paares auf das heftigste angegriffen und nicht allein seiner Kopfbedeckung, sondern auch einiger Büschel seiner Haupthaare beraubt worden war. Ein Jagdhund wird nicht bloß während der Brutzeit, sondern in allen Monaten des Jahres aufs heftigste angegriffen. Beachtenswerth ist, daß nach den Beobachtungen des letztgenannten Forschers das Männchen sein Weibchen im Brüten ablöst. Noch bevor die Jungen flugbar geworden sind, tritt bei den Alten die Mauser ein, und wenn jene ihr volles Gefieder erlangt haben, prangen auch diese in neuem Kleide.

Ausführlicher als die zuletzt genannten Forscher zusammengenommen schildert mein Vater, welcher vor nunmehr fast sechzig Jahren das Glück hatte, eine Sperbereule in Thüringen zu beobachten, Wesen und Gebaren. »Es gereicht mir zur besonderen Freude«, sagt er, »über das Betragen dieses seltenen Vogels einiges sagen zu können. Ich erhielt ein Weibchen lebendig. Ein Knabe hatte es auf dem Hegewische eines Schlages gegen Abend sitzen sehen und so lange nach ihm geworfen, bis es, an den Kopf getroffen, herabtaumelte und ergriffen werden konnte. Ich ließ es im Zimmer frei und fand gleich im Betragen desselben viel eigenes. Andere Eulen verschließen die Augen großentheils und suchen eilig den dunkelsten Winkel, um sich in ihm zu verbergen; diese Habichtseule aber flog mit ganz geöffneten Augen sofort dem Fenster zu und stieß so heftig daran, daß sie wie todt zur Erde niederfiel und gewiß bei erneuerten Stößen eine Fensterscheibe zerbrochen haben würde. Sie wurde nun in ein anderes Behältnis gebracht und war, obgleich sie immer sich an der hellsten Stelle aufhielt, doch gleich anfangs so wenig schüchtern, daß sie sich ruhig angreifen ließ und eine ihr vorgehaltene Maus mit dem Schnabel, aus dem sie augenblicklich in die Fänge überging, abnahm. Ihre Stellung war sehr verschieden. Auf der Erde trug sie den Leib fast wagerecht, die Füße weit hervorgestreckt, den Schwanz aber zusammengelegt und aufgerichtet; auf erhöhten Gegenständen saß sie mit beinahe senkrechtem Körper, so eingezogenen Füßen, daß nur die Zehen vorstanden, oft ausgebreitetem und stets gerade herabhängendem Schwanze und über die Flügel gelegten Trag- und Schulterfedern. In dieser Stellung entfaltete sie ihre ganze Schönheit und nahm sich herrlich aus. Bei allen Stellungen dieser Eule waren die Seitenfedern des Kopfes gesträubt und die Stirnfedern glatt angelegt, so daß sie ein Falkengesicht hatte, und der Kopf an Breite dem Leibe wenig oder nichts nachgab. In allen ihren Bewegungen war sie sehr rasch und gewandt, auf der Erde hüpfte sie aber ungern herum. Ihr Geschrei, welches sie, besonders wenn man sie angriff, hören ließ, klang dem Angstgeschrei eines Thurmfalken nicht unähnlich; doch wurde man dabei auch an das Kreischen einer Haushenne, welche in den Händen getragen wird, erinnert. Bei großer Wuth knackte sie mit dem Schnabel wie die anderen Eulen und ebenso laut; war sie aber nur einigermaßen böse, dann rieb sie die Spitze der unteren Kinnlade von der Spitze der oberen an, bis sie in die rechte Lage kam. Sie streckte dabei den Unterschnabel weit vor und schrapelte mit ihm auf dem oberen hin wie die Papageien, wenn sie etwas zerstückeln wollen. Dies gab ein langgezogenes, wenig hörbares Knacken, so daß ich anfangs glaubte, es sei ihr ein Knochen zerbrochen und gäbe dieses Geräusch bei den starken Bewegungen, die sie machte. In den Nachmittagsstunden war sie besonders munter bis zu einbrechender Nacht.

»Nach einiger Zeit entkam sie durch einen unglücklichen Zufall. Ich ließ sie in unseren Wäldern überall suchen und suchte selbst, aber ohne Erfolg. Einige Tage darauf wurde mir gemeldet, sie sei wieder auf derselben Stelle des Waldes, auf demselben Schlage, ja auf demselben Hegewische, wo sie früher gewesen war. Sie hatte also diesen Platz, ob er gleich eine Wegstunde von meiner Wohnung liegt, wahrscheinlich denselben Tag, als sie mir entflohen, wiedergefunden und allen anderen Orten vorgezogen. Diese Nachricht war mir um so angenehmer, weil ich nicht nur Hoffnung hatte, mein seltenes Thier wieder zu bekommen, sondern es auch im Freien zu beobachten, eine Hoffnung, welche auf das schönste erfüllt wurde.

»In den Vormittagsstunden war sie niemals sichtbar; sie hielt sich zu dieser Zeit in dichten Fichten und Tannen, welche nicht weit von jenem Schlage standen, verborgen, und zwar so, daß man zehnmal unter ihr vorübergehen konnte, ohne sie zu sehen. In den Nachmittagsstunden, gewöhnlich um ein Uhr, kam sie zum Vorscheine und setzte sich auf die Spitze eines niedrigen Baumes, auf einen weit unten stehenden Seitenast oder auf den Hegewisch. Sie kam zuweilen von Bäumen geflogen, welche gar nicht geeignet schienen, sie gut zu verbergen, und auf denen sie früher doch durchaus nicht zu entdecken gewesen war. Saß sie frei, dann blickte sie unverwandt auf die Erde herab und richtete sich immer nach dem Gegenstande hin, welcher sich ihr näherte. Der Hegewisch, von welchem aus sie einen großen Theil des Schlages übersehen konnte, war oben von ihrem beständigen Daraufsitzen niedergedrückt, so daß kein Strohhalm mehr senkrecht stand. Wollte man sich ihr, wenn sie darauf saß, von hinten nähern, dann drehte sie sich sogleich um, aber ohne den Ort zu verlassen, und man konnte, wenn man rund um sie herumging, sie im Kreise sich drehen sehen. Sie ließ einen Mann bis auf zehn, ja bis auf sechs Schritte an sich kommen und achtete die Steinwürfe so wenig, daß sie einem an ihr vorbeifliegenden Steine verwundert nachsah und einst, als sie getroffen wurde, zwei Meter in die Höhe flog, aber doch ihre alte Stelle wieder einnahm. Dies alles scheint mir zu beweisen, daß sie in ganz unbewohnten Gegenden ihren eigentlichen Aufenthalt hat; denn sie kennt den Hauptfeind aller Thiere und seine Fähigkeit, in der Ferne zu wirken, durchaus nicht. Mir ist ein so wenig menschenscheuer Vogel, welcher wie diese Eule völlig gesund und wohlbeleibt war, nie vorgekommen.

»Gelingt es ihr, eine oder zwei Mäuse zu fangen, so geht sie zur Ruhe, und man sieht sie deswegen vor der Abenddämmerung schon nicht mehr; ist sie aber in der Jagd unglücklich, dann lauert sie bis zum Einbruche der Nacht und bis nach demselben ihrem Raube auf. Auffallend war es mir, in der Nähe jenes Schlages hier und da, aber nicht beim Hegewische, auf dem sie doch täglich mehrere Stunden saß, ihren Koth zu finden. Ich vermuthe, daß sie ihn da, wo sie den Mäusen auflauert, absichtlich nicht fallen läßt; durch das Wegspritzen desselben könnten die hervorkommenden Mäuse verscheucht werden. Sie hat einen leichten und geschwinden Flug, welcher dem des Finkenhabichts sehr ähnlich ist. Sie bewegt, wie dieser, die Flügel streckenweise schnell und streckenweise, wo sie schwebt, gar nicht. Doch trägt sie dieselben wie die anderen Eulen und kündigt sich auch von weitem durch ihren dicken Kopf als Eule an. Sie fliegt ungern weit, wenn sie verfolgt wird, oft nur funfzig, sechzig, hundert Schritte, und nur als ihr die Krähen hart zusetzten, sah ich sie dreihundert bis vierhundert Schritte weit fliegen. Als die Krähen nach ihr stießen, schrie sie heftig miauend und langgezogen »äh« und begab sich gleich auf die Flucht, auf welcher sie ihnen in kurzer Zeit so weit vorauseilte, daß sie die Verfolgung aufgaben. Sie lebt wahrscheinlich im Sommer an solchen Orten, wo es gar keine Krähenarten gibt; denn diese würden ihr, wenn sie sich am hellen Tage ganz frei hinsetzte, so mitspielen, daß sie ihre ganze Jagd aufgeben müßte.

»Die Sperbereule zeichnete sich vor vielen anderen Gattungsverwandten schon dadurch aus, daß sie nicht absuchte, das heißt, daß sie nicht, niedrig über die Erde hinfliegend, ihren Raub zu überraschen strebte. Sie erwartete ihn vielmehr, wie die Würgerarten, sitzend. Deswegen mußte sie solche Stellen zu ihrem Aufenthaltsorte wählen, wo es von Mäusen wimmelte. Dies war auf dem oben erwähnten Schlage der Fall. Auf ihm waren alle Erhöhungen mit Mäuselöchern so durchgraben, daß ihre Ränder einem Durchschlage glichen. Einen ähnlichen Platz kenne ich in unseren Wäldern nicht, und daraus wird ihre merkwürdige und hartnäckige Anhänglichkeit an diesen Schlag und den darauf befindlichen Hegewisch begreiflich genug. Sie wählte also wenig erhöhte Gegenstände, welche ihr eine freie Aussicht, wo möglich ringsum, gewähren, damit sie eine hervorkommende Maus sogleich bemerken und erhaschen könne. Einst sahen wir sie fangen. Sie war vom Hegewische, welcher ihr durchaus den besten Standort gewährte, verscheucht worden und hatte sich auf die Spitze einer etwa funfzehn Meter hohen Fichte gesetzt. Von ihr aus fuhr sie plötzlich auf die Erde herab, und das Schreien einer Maus zeigte an, wie richtig sie gefaßt hatte; gleich darauf kam sie mit einem Klumpen Grashalmen in den Fängen empor und trug die darin befindliche Maus nahe stehenden hohen Tannen zu, in denen sie dem Auge entschwand. Sie verzehrte ohne Zweifel dort ihren Raub; denn sie braucht, da sie ihn, wie die Gattungsverwandten, fast ganz verschlingt, es nicht auf der Erde zu thun. Ich bin überzeugt, daß ihr bei ihrer Jagd ihr leises Gehör so gut wie ihr scharfes Gesicht behülflich ist. Die Maus, welche sie vor unseren Augen fing, war wenigstens fünfundzwanzig Schritte von ihr entfernt und in tiefem Grase verborgen. Offenbar hatte sie das geringe Geräusch, welches die Maus im dürren Grase verursachte, sogleich gehört, nun erst ihren Blick nach dieser Seite hingewandt und ihre Beute entdeckt.«

In der Gefangenschaft erhielt diese Eule Hausmäuse vorgeworfen. Sie biß ihnen zuerst den Kopf ab und verschluckte, wenn dieser verzehrt war, das übrige ganz. Am liebsten fraß sie an solchen Orten, an denen ihr Schwanz frei herabhängen konnte; doch nahm sie ihr Futter auch auf dem Boden sitzend zu sich. Des Nachts warf sie die Haare und Knochen in Gewöllen wieder aus.

»Die Habichtseule«, schließt mein Vater, »scheut starkes Schneegestöber. Am vierzehnten December 1820 schneite es sehr stark und unter heftigem Winde; dennoch gingen die anderen Vögel ihrer Nahrung nach. Die hier überwinternden Drosselarten waren in Bewegung, die Sperlinge, Bergfinken, Zeisige und Ammer, die Meisen, Kleiber und Baumläufer suchten ihre Nahrung, selbst eine Feldlerche lief und flog auf den Stoppeläckern herum. Unsere Habichtseule aber kam erst nach zwölf Uhr hervor, setzte sich auf einen niedrigen Seitenast, besah sich das fürchterliche Wetter und verbarg sich wieder auf einer dichten Fichte. Nach zwei Uhr hörte es auf zu schneien, und jetzt erschien dieser schöne Vogel, setzte sich auf einen Fichtenwipfel und wollte seine Jagd beginnen. Ich schoß ihn, da ich ihn hinlänglich beobachtet hatte und nicht ohne Furcht war, er möchte sich doch bald aus der Gegend entfernen, herab und fand seinen Kopf mit Schnee, welcher wie Eiszapfen an den Scheitelfedern angefroren war, bedeckt.«


Hauptkennzeichen der Schneeeulen ( Nyctea) sind der schmale, kleine Kopf mit kleinen Ohrmuscheln und Ohröffnungen, deshalb auch mit unvollkommenem Schleier, und die kurzen, aber ungemein dicht befiederten Füße. Der Schnabel ist stark und kurzhakig, der Flügel mittellang, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz ziemlich lang, ab- und zugerundet, das übrige Gefieder dicht, aber minder weich, als bei anderen Eulen.

siehe Bildunterschrift

Schneeeule ( Nyctea nivea) und Bartkauz ( Syrnium lapponicum). 1/5 natürl. Größe.

Die Schneeeule ( Nyctea nivea, scandiaca, erminea und candida, Strix nyctea, scandiaca, arctica, candida, nivea und Wapacuthu, Noctua nyctea und nivea, Syrnium, Syrnia und Surnia nyctea) ist achtundsechzig bis einundsiebzig Centimeter lang, einhundertsechsundvierzig bis einhundertsechsundfunfzig Centimeter breit; die Fittiglänge beträgt fünfundvierzig, die Schwanzlänge sechsundzwanzig Centimeter. Die Färbung ist je nach dem Alter verschieden. Sehr alte Vögel sind weiß, zuweilen fast ungefleckt oder höchstens mit einer Querreihe brauner Fleckchen am Vorderkopfe und einzelner auf den großen Schwingen, mittelalte auf weißem Grunde mehr oder weniger mit braunen Quer- oder auf dem Kopfe mit solchen Längsflecken gezeichnet, jüngere Vögel noch stärker gefleckt als letztere und auf der Ober- wie auf der Unterseite förmlich gesperbert. Das Auge ist prächtig gelb, der Schnabel hornschwarz.

Anstatt einer ausführlichen Angabe aller Gegenden und Länder, welche die Schneeeule bewohnt, brauche ich bloß zu sagen, daß sie ein Kind der Tundra, nach Norden hin aber beobachtet worden ist, soweit Reisende gegen den Pol zu vordrangen. In der Tundra tritt sie keineswegs überall in gleicher Menge auf. Auch ihr Vorkommen richtet sich nach der Häufigkeit oder verhältnismäßigen Seltenheit der Lemminge. Nächstdem liebt sie Ruhe und Einsamkeit, meidet also Gegenden, welche vom Menschen, ihrem ärgsten Widersacher, oft besucht werden. Daher tritt sie in Amerika, Lappland und Nordwestrußland häufiger auf als in Nordostrußland und Sibirien, woselbst man ihr, wenigstens in den von uns durchreisten Gegenden, ihres Fleisches halber arg nachzustellen pflegt. Während des Sommers hält sie sich hauptsächlich auf den nordischen Gebirgen auf; im Winter streicht sie in tiefer gelegene Gegenden hinab, und wenn der Schnee in ihrer Heimat sehr reichlich fällt und die Nahrung knapp wird, tritt sie auch wohl eine Wanderung nach dem Süden an. Auf den taurischen Hochsteppen stellen sich, laut Radde, zuerst die Weibchen ein und zwar bereits gegen Ende September; die Männchen folgen viel später. In Skandinavien kommt sie erst mit Einbruch des Winters in die Thäler herab. Regelmäßiger als die Sperbereule erscheint sie in südlicheren Gegenden, insbesondere in Deutschland. In Ostpreußen, namentlich in Litauen, kommt sie fast in jedem Winter vor; Westpreußen, Posen und Pommern besucht sie ebenfalls sehr regelmäßig, und auch in Dänemark erscheint sie nicht allzu selten, obwohl sie für gewöhnlich auf dem Wege dahin nur bis Südskandinavien vorzudringen pflegt. Auf den Britischen Inseln wandert sie wahrscheinlich von beiden Seiten, nämlich von Skandinavien und von Grönland her, im Winter ein; Südrußland, die Steppen Südsibiriens und der Mongolei, China und Japan besucht sie von der sibirischen Tundra, dem Süden der Vereinigten Staaten, Mittelamerika und sogar Westindien endlich von dem hohen Norden Amerikas aus. Unter Umständen verweilt auch sie ausnahmsweise während des Sommers im fremden Lande, um hier zu brüten. So wurde im Jahre 1843 auf der Kimcschener Flur im Ragniter Kreise in Ostpreußen von meinem Freunde, dem Rittergutsbesitzer Pieper, während der Pfingstferien auf einem Steinhaufen ein Schneeeulenhorst mit Eiern gefunden, und ebenso glaubt Hume, daß der Vogel dann und wann sogar in Indien, am Kabulflusse, horsten möge.

Eine Schneeeule in der Tundra ist ein herrlicher Anblick. Während unserer Reise durch die Samojedenhalbinsel hatten wir wiederholt Gelegenheit, den prachtvollen Vogel zu sehen. Die Schneeeule ist hier zwar minder häufig, als es, nach den bei allen Lagerstellen der Ostjaken gefundenen Federresten zu urtheilen, der Fall sein müßte, kommt aber doch als Brutvogel durch das ganze Gebiet vor. Von anderen Eulen, insbesondere aber von der in der Tundra sehr häufigen Sumpfeule, unterscheidet man sie augenblicklich, erkennt sie überhaupt in jeder Entfernung. Ganz abgesehen von der bei Tage blendenden Färbung und bedeutenden Größe zeichnen sie ihre kurzen, breiten, stark gerundeten Flügel so bestimmt aus, daß man über sie nicht im Zweifel sein kann. Sie fliegt bei Tage wie bei Nacht und ist unter Umständen in den Nachmittagsstunden lebhafter als im Zwielichte des Morgens und Abends. Zu ihrer Warte wählt sie vorspringende Kuppen und Hügel, auf denen sitzend sie auch ihre weit vernehmbare, dem Geschrei des Seeadlers nicht unähnliche, gackernde Stimme oft ausstößt. Hier verweilt sie manchmal Viertelstunden lang, erhebt sich dann und zieht, abwechselnd mit den Flügeln schlagend und schwebend, fort, steigt, wenn sie einen weiteren Weg zurücklegen will, in Schraubenlinien bis zur Höhe eines Bergzuges auf und senkt sich sodann zu einem zweiten Hügel herab, um wiederum von ihm aus Umschau zu halten. Ihr Wohn- und Jagdgebiet scheint nicht sehr ausgedehnt zu sein, da wir sie im Laufe eines ganzen Tages auf wesentlich denselben Stellen beobachten konnten. Eine, welche ich erlegte, war das Männchen eines Paares, welches sich in dem gleichen Gebiete umhertrieb. Obwohl die Tundra der Samojedenhalbinsel äußerst spärlich bevölkert und demgemäß höchst unregelmäßig von Ostjaken und Samojeden durchzogen wird, zeigt sich doch die Schneeeule auffallend scheu, läßt mindestens den Europäer nicht ohne weiteres zu Schusse kommen. Der in Rede stehenden konnte ich mich nur dadurch nähern, daß ich sie mit dem Renthierschlitten anfuhr. Dieselbe Scheu behält sie, wie ich von meinen ostpreußischen Jagdfreunden erfahre, in der Fremde bei. Auch hier meidet sie die Waldungen gänzlich und hält sie sich vorzugsweise auf den in den Feldern zusammengelesenen Steinhaufen oder den Weidenbäumen auf, welche die Landstraßen besäumen, ist aber stets äußerst vorsichtig. An Kühnheit und Dreistigkeit scheint sie alle übrigen Eulen zu überbieten. Hunde greift sie, nach Schraders Beobachtung, mit großem Ungestüme an und sticht auf sie hernieder wie ein Falk. Das von mir erlegte Männchen fiel flügellahm aus der Luft herab, bereitete sich hierauf sofort zum Angriffe vor und wehrte sich, als ich es aufnehmen wollte, in verzweifelter Weise. Heiser fauchend und heftig knackend empfing es mich, und als ich die Hand nach ihm ausstrecken wollte, hieb es nicht allein mit den Fängen, sondern auch mit dem Schnabel um sich, so daß ich genöthigt war, ihm den Gewehrkolben auf die Brust zu setzen und diese zu zerquetschen. Aber auch jetzt noch ließ es den Stiefel, in welchen es sich verbissen hatte, erst los, als ihm der Athem ausging.

Kleine Nagethiere, vor allen anderen Lemminge, außerdem Eichhörnchen, Pfeifhasen, Biberratten und dergleichen, bilden die Nahrung der Schneeeule; sie schlägt aber auch Thiere von Hasengröße. »An einem Vormittage im Anfänge des April 1869«, schreibt mir Pieper, »sah ich wieder eine Schneeeule in großer Entfernung auf einem Steinhaufen sitzen und begann, um schußgerecht mich zu nähern, sie in der früher von mir erprobten Weise zu umkreisen. Beim Gehen über die Stoppel scheuchte ich einen jungen Hasen von der Größe einer Katze auf, und dieser lief zufällig gerade auf die Schneeeule zu. Obwohl ich nur noch einhundertfunfzig Schritte von letzterer entfernt war, stieß sie doch ohne Besinnen auf den etwa dreißig Schritte weit von ihr vorüberlaufenden Hasen, schlug ihn beim zweiten Stoße, schleppte ihn dicht über dem Erdboden weg, etwa hundert Schritte weiter, und setzte sich dann hier, um ihn zu kröpfen. Als ich mich bis auf etwa sechzig Schritte genähert hatte, wollte sie mit ihrem Raube weiterziehen; ich aber schoß sie aus der Luft herab. Der Hase war über der Mitte des Leibes zu beiden Seiten geschlagen und bereits verendet.« Truppweise geschart folgt sie den Lemmingszügen; paarweise oder einzeln bedroht sie Federwild aller Art. Schneehühner verfolgt sie mit Leidenschaft, nimmt angeschossene vor den Augen des Jägers weg, sogar aus dem Jagdsacke heraus; Waldhühner, Enten und Wildtauben sind ebenso wenig vor ihr gesichert, Fische nicht vor ihr geschützt. »Eines Morgens«, erzählt Audubon, »saß ich in der Nähe der Ohiofälle auf dem Anstande, um wilde Gänse zu schießen, und dabei hatte ich Gelegenheit, zu sehen, wie die Schneeeule Fische fängt. Sie lag lauernd auf dem Felsen, den niedergedrückten Kopf nach dem Wasser gekehrt, so ruhig, daß man hätte glauben können, sie schliefe. In dem Augenblicke aber, als sich ein Fisch unvorsichtig zur Oberfläche des Wassers erhoben, tauchte sie blitzesschnell ihren Fang in die Wellen und zog regelmäßig den glücklich erfaßten Fisch ans Land. Mit ihm entfernte sie sich sodann einige Meter weit, verzehrte ihn und kehrte nun nach der alten Warte zurück. Hatte sie einen größeren Fisch erlangt, so packte sie ihn mit beiden Fängen und flog dann weiter mit ihm als sonst davon. Zuweilen vereinigten sich ihrer zwei zum Verzehren der Mahlzeit, gewöhnlich wenn der von einer gefangene Fisch groß war«. Bei ihrer Jagd fliegt sie jedem Gegenstande zu, welchen sie in der Luft schweben sieht. »Ich brachte«, erzählt Holboell, »einmal eine solche Eule dahin mir fast eine Viertelmeile weit im Mondscheine zu folgen, indem ich meine Mütze wiederholt in die Luft warf.«

Die Fortpflanzung der Schneeeule fällt in den Hochsommer. Im Juni findet man die Eier, deren sie mehr legt als irgend ein anderer Raubvogel ihrer Größe. Wiederholt hat man sieben Stück in einem Horste gefunden; die Lappen behaupten jedoch einstimmig, daß die Schneeeule auch wohl acht bis zehn Stück lege. Collett bestätigt letzte Angabe und bemerkt, daß auch das Fortpflanzungsgeschäft der Schneeeule, wie ihr ganzes Leben, nach dem jeweiligen Auftreten der Lemminge sich richtet, so daß sie nicht allein da zu brüten pflegt, wo jene Nager sich besonders vermehrt haben, sondern auch in Lemmingsjahren mehr Eier legt, als in anderen. Wie es scheint, beginnt das Weibchen bereits zu brüten, während es noch legt; denn in einzelnen Nestern findet man Junge merklich verschiedener Größe. Die Eier sind etwa fünfundfunfzig Millimeter lang, fünfundvierzig Millimeter dick und schmutzigweiß von Farbe. Der Horst ist eine seichte Vertiefung auf der Erde, welche mit etwas trockenem Grase und einigen vom Brutvogel selbst herrührenden Federn ausgefüttert wurde. Das Weibchen sitzt fest auf den Eiern und läßt den Menschen, welchem es sonst immer vorsichtig ausweicht, sehr nahe herankommen, nimmt auch wohl zu Verstellungskünsten seine Zuflucht, indem es sich auf den Boden wirft, als wäre es flügellahm geschossen und hier eine Zeit lang wie todt mit ausgebreiteten Flügeln liegen bleibt. Während das Weibchen brütet, hält das Männchen, in der Nähe auf einer passenden Warte sitzend, scharfe Umschau und warnt die Gattin bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr durch lautes Schreien, infolge dessen sie augenblicklich das Nest verläßt und über demselben in Gemeinschaft mit dem Männchen, wie dieses fortwährend schreiend, stundenlang das Nest umfliegt. Bei dieser Gelegenheit offenbart das Männchen seine ganze Kühnheit, stößt wüthend auf den Eindringling, noch heftiger auf einen diesen begleitenden Hund herab und läßt sich nur schwer vertreiben, wogegen das Weibchen selten ebenso wie jenes sein Leben aufs Spiel setzt.

In Europa wird die Schneeeule wohl nur von Naturforschern und Jägern, denen Erlegung eines so großen Vogels besonderes Vergnügen gewährt, ernstlich gefährdet; in der Tundra der Samojedenhalbinsel dagegen verfolgen sie Ostjaken und Samojeden regelrecht, fangen sie mit Hülfe riesiger Sprenkel und verzehren ihr Wildpret mit Behagen.

Schneeeulen im Käfige gehören zu den Seltenheiten, dauern auch nur ausnahmsweise vier bis sechs Jahre in Gefangenschaft aus. Im Vergleiche zu anderen Verwandten sind sie munterer und auch bei Tage lebendiger als andere Arten gleicher Größe, fliegen gern im Käfige auf und nieder und ertragen den Blick des Beschauers, ohne sich darüber sonderlich zu erbosen. Reizt man sie freilich, dann werden auch sie sehr ärgerlich und knacken und fauchen ebenso wüthend, wie andere ihrer Zunft. Ein Liebhaber will Schneeeulen mit Adlern zusammengesperrt und bemerkt haben, daß sich diese natürlichen Feinde wohl vertrugen.


»Minervens Vogel war ein Kauz« und zwar der Steinkauz, wenn auch nicht gerade der bei uns lebende, sondern nur einer der vielen Verwandten dieses Vogels, einer der ihm am nächsten stehenden, welcher in Griechenland ungemein häufig gefunden wird. Die Steinkäuze ( Athene) sind kleine Eulen mit mittelgroßem Kopfe, kurzem, seitlich zusammengedrücktem, von der Wurzel an stark gekrümmtem, ziemlich kurzhakigem, zahnlosem Schnabel, ziemlich hohen Beinen, starken und kräftig bewehrten Zehen, kurzen, gerundeten Flügeln, welche höchstens das zweite Drittheil des ebenfalls kurzen, am Ende gerade abgeschnittenen Schwanzes erreichen, und in denen die dritte Schwinge die längste ist. Die Ohröffnung ist klein, der Schleier deshalb undeutlicher, wenn auch bemerklicher als bei anderen Tageulen. Das Gefieder liegt ziemlich knapp an und bekleidet namentlich die Beine sparsam, die Zehen sogar nur mit haarartigen Gebilden.

 

Unser Steinkauz, der liebenswürdige und doch so verschrieene Vogel, auch Sperlings-, Lerchen-, Stock-, Haus- und Scheunenkauz, Leichen- und Todteneule, Leichenhühnchen, Wehklage und Klagemutter, Leichen- und Todtenvogel, in Oesterreich aber Wichtl genannt ( Athene noctua, Strix noctua und psilodactyla, Surnia noctua, Syrnia psilodactyla), zählt zu den kleineren Eulen unseres Vaterlandes: seine Länge beträgt einundzwanzig bis zweiundzwanzig, die Breite zweiundfunfzig bis fünfundfunfzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge acht Centimeter. Der Oberkörper ist tief mäusegraubraun, unregelmäßig weiß gefleckt, das Gesicht grauweiß, der Unterkörper weißlich, bis gegen den After hin braun in die Länge gefleckt; die dem Oberkörper gleichgefärbten Schwung- und Schwanzfedern sind rostgelblichweiß gefleckt, wodurch im Schwanze fünf undeutliche Binden entstehen. Das Auge ist schwefelgelb, der Schnabel grünlichgelb, der Fuß gelblichgrau. Junge Vögel sind dunkler als die alten.

Im Süden Europas gesellt sich ihm, in Palästina, Arabien, Persien und ganz Nordafrika vertritt ihn der Wüstenkauz ( Athene glaux, indigena, meridionalis und persica, Strix persica, numida, nilotica, pharaonis, Noctua glaux, meridionalis und veterum, Carinae glaux und meridionalis), welcher sich von ihm durch etwas geringere Größe, mattere, gleichsam verblichene Färbung und undeutliche, zuweilen fast ganz verschwindende Fleckung unterscheidet, von einzelnen Vogelkundigen daher auch nur als Abart angesehen wird.

siehe Bildunterschrift

Steinkauz ( Athene noctua). 2/5 natürl. Größe.

Von Südschweden an verbreitet sich der Kauz über ganz Europa und einen großen Theil Asiens bis nach Ostsibirien hin. Er bewohnt ganz Deutschland, Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Oesterreich-Ungarn, Südrußland, die Donautiefländer und die Türkei, ebenso das südliche Sibirien und Turkestan, tritt nicht überall in gleicher, je weiter nach Süden hin aber in umso größerer Menge auf und zählt auf allen drei südlichen Halbinseln Europas zu den gemeinsten Raubvögeln. In den spanischen Gebirgen steigt er bis zu zweitausend Meter unbedingter Höhe empor, zieht jedoch mit Beginn des Winters in tiefere Lagen hinab. Bei uns zu Lande gehört er nicht zu den Seltenheiten. Da, wo Obstgärten mit alten Bäumen Dörfer umgeben, findet er sich gewiß; er nimmt aber auch mitten in Städten, auf Thürmen und Dachboden, in Gewölben, Begräbnissen und an anderen geeigneten Orten Herberge. Das Innere ausgedehnter Waldungen meidet er, und Nadelhölzer liebt er auch nicht, Feldgehölze dagegen sind ihm sehr genehm. Vor dem Menschen und seinem Treiben scheut er sich nicht. Bei Tage lebt er verborgen in seinem Schlupfwinkel, und nachts fürchtet der Mensch, unserer aufklärenden Bildung zum Trotze, den Kauz oft mehr als dieser jenen. Es ist mehr als lächerlich, daß wir noch heutigen Tages nicht weiter sind als manche indische Volksstämme, welche in ihrem Steinkauz ein übernatürliches Wesen erblicken und sich demzufolge von klügeren Leuten oft betrügen lassen. In vielen Gegenden Deutschlands, wo der Glaube noch groß ist unter den Leuten, gilt der anmuthige Steinkauz als unheilweissagender Vogel. Man gibt sich nicht die Mühe, selbst zu prüfen, sondern glaubt das, was einfältige Weiber erzählen. Sie haben mit eigenen Augen gesehen, daß der Kauz des Nachts an die Fenster von Krankenstuben flog, und sie haben mit eigenen Ohren gehört, daß er die Kranken einlud, auf dem Friedhofe, selbstredend als Leichen, zu erscheinen. Begründet und wahr ist, daß der harmlose Vogel, angelockt durch das Licht, erleuchteten Zimmern zufliegt, sich wohl auch neugierig auf dem Fensterstocke niederläßt und bei dieser Gelegenheit vielleicht sogar seine Stimme erschallen läßt. Da er nun bald leise und gedämpft »Bu bu«, bald laut und helltönend »Quew quew kebel kebel«, bald endlich »Kuwitt, kuwitt« schreit, übersetzt sich der Pöbel diese Laute, namentlich die letzteren, nach seiner Weise, hört in ihnen ganz genau die Worte: »Komm mit, komm mit auf den Kirchhof, Hof, Hof«, und das ist Grund genug, den Kauz zu verabscheuen. Schon in Südeuropa fällt es niemandem ein, ihn mit mißgünstigem Auge zu betrachten. Er ist dort so häufig, daß man ihn kennen gelernt hat, und weil dies der Fall, Liebling von jung und alt. Schon in Italien liebt und pflegt ihn jedermann; in Griechenland gilt er noch heute als ein hoch begabter Vogel und steht dort in so hohen Ehren, daß man dem Könige Otto bei seiner ersten Ankunft einen lebenden Kauz als Willkommensgeschenk überreichte. Nicht minder geschätzt wird er in Palästina, wo man ihn als Glücksvogel betrachtet, niemals verfolgt, vielmehr hegt und pflegt.

Der Kauz verdient die Zuneigung des Menschen. Er ist ein allerliebstes Geschöpf. Eine wirkliche Tageule kann man ihn zwar nicht nennen: aber er ist auch nicht so lichtscheu als andere Eulen und weiß sich bei Tage sehr gut zu benehmen. Niemals schläft er so fest, daß er übertölpelt werden kann; daß geringste Geräusch erweckt ihn, und weil er auch bei Tage vortrefflich sieht, ergreift er bei Zeiten die Flucht. Sein Flug geschieht ruckweise in Bogen, etwa nach Art des Spechtfluges, fördert aber rasch und macht es ihm möglich, mit größter Gewandtheit durch dichtes Gezweig der Bäume sich hindurch zu winden. Im Sitzen hält er sich gewöhnlich geduckt; sobald er aber etwas verdächtiges sieht, richtet er sich hoch empor, streckt sich, so lang er kann, macht Verbeugungen, faßt den Gegenstand seiner Betrachtung scharf ins Auge und geberdet sich höchst sonderbar. Sein Blick hat etwas listiges, verschmitztes, aber nichts bösartiges, sondern immer etwas einnehmendes. Wer ihn kennt, begreift, daß die Griechen in ihm den Lieblingsvogel einer klugen Göttin sehen konnten. Seine geistigen Fähigkeiten sind auch wirklich nicht gering; er darf wohl als eine der verständigsten aller Eulen angesehen werden. Dabei ist er verträglich gegen andere seiner Art. Im Süden Europas oder in Nordafrika trifft man ihn oft gesellschaftsweise an.

Schon vor Sonnenuntergang läßt er seine Stimme erschallen; mit einbrechender Dämmerung beginnt er regelmäßig zu jagen. In hellen Nächten sieht man ihn bis zum Morgen fast ununterbrochen in Bewegung oder hört ihn wenigstens. Er durchstreift dabei ein kleines Gebiet, läßt sich durch alles auffallende herbeilocken, umschwebt namentlich gern das Lagerfeuer des einsamen Jägers oder Wanderers oder kommt bei uns an die hell erleuchteten Fenster heran und erschreckt dann alte Weiber auf das entsetzlichste. Seine Jagd gilt hauptsächlich kleinen Säugethieren, Vögeln und Kerbthieren. Er fängt Fleder-, Spitz- und wirkliche Mäuse, Lerchen, Sperlinge, Heuschrecken, Käfer und dergleichen. Mäuse bleiben immer sein hauptsächlichstes Wild.

Im April oder Mai schreitet der Kauz zur Fortpflanzung. Er ist dann besonders unruhig, schreit und lärmt viel, auch bei Tage, und ladet jeden, welcher ihm glauben will, eifrig ein, mit ihm zu kommen. Ein eigentliches Nest baut er nicht, erwählt sich vielmehr eine passende Höhlung in Felswänden, unter Steinen, in alten Gebäuden, Bäumen, in Ermangelung passenderer Nistorte sogar eine Kaninchenhöhle, bei uns zu Lande oft in unmittelbarer Nähe der Wohnungen, im Süden Europas in diesen selbst, und legt hier seine vier bis sieben fast rundlichen Eier ohne weiteres auf den Boden. Vierzehn bis sechzehn Tage lang brütet er dann so eifrig, daß er sich kaum vom Neste vertreiben läßt. Naumann erwähnt, daß er ein brütendes Weibchen streicheln und sogar ein Ei unter ihm hervorholen konnte, ohne daß es aufflog. Die Jungen werden mit Mäusen, kleinen Vögeln und Kerbthieren groß gefüttert. Sobald die Jungen ausgefiedert und im Stande sind, das Nest zu verlassen, fliegen ihre Erzeuger, laut Robson, allabendlich eine Strecke weit weg, irgend welchem Hochsitze zu und schreien laut und gellend, nach Art der warnenden Amsel. So thun sie, bis die Sprößlinge aus dem Neste, und ihnen zufliegen. Nunmehr führen sie ihre Brut ins Freie, wo es Berge gibt, diesen zu, um sie nach und nach an Selbständigkeit zu gewöhnen, kehren gegen Morgen aber immer wieder mit ihnen zum Neste zurück, bis endlich das junge Volk seine eigenen Wege zieht.

Habicht und Sperber erwürgen ihn, wenn sie seiner habhaft werden können; das Wiesel stellt seinen Eiern nach; Krähen, Elstern, Heher und alle kleinen Vögel verfolgen ihn mit argem Geschrei. Hierauf gründet sich eine Art des Vogelfangs, welche namentlich in Italien stark betrieben wird. Man stellt den Kauz aus und um ihn herum Leimruthen, auf denen sich das kleine Geflügel massenhaft fängt. »Um keinen Mangel an Käuzchen zu haben«, erzählt Lenz, »sorgen die Italiener für gute, dunkle Brutplätze unter den Dächern und für bequeme Eingänge dazu. Aus den Nestern werden nur so viele Jungen genommen und aufgezogen, als man fürs Haus oder zum Verkauf für den Markt braucht; die übrigen werden in ungestörter Ruhe gelassen. Die zahmen Käuzchen sind wirkliche Hausfreunde der Italiener, gehen oft frei in Haus, Hof und Garten mit beschnittenen Flügeln herum, fangen überall Mäuse, werden besonders gern in gut umzäunte Gärten gesetzt, woselbst sie die Erdschnecken und anderes lästiges Ungeziefer vertilgen, ohne ihrerseits den geringsten Schaden zu thun. Arbeitet nach dortiger Sitte ein Schuster, Schneider, Töpfer oder anderer Handwerker auf der Straße, so hat er, wie ich oft gesehen, sehr gern seine Lieblinge, seine zwei bis vier Käuzchen, neben sich auf einem Stäbchen angefesselt und wechselt mit ihnen so oft als möglich zärtliche Blicke. Weil er nicht immer Fleisch für diese artigen Vielfräße beischaffen kann, so gewöhnt er sie daran, bei dessen Ermangelung mit Polenta vorlieb zu nehmen.«

Schon in Oesterreich benutzt man den Wichtl vielfach zu gleichem Zwecke und versichert, mit ihm die besten Erfolge zu erzielen. Was der Uhu für die Jagd der Falken, das leistet der Steinkauz beim Fange des Kleingeflügels. Jeder Vogel, welcher sich seiner genügenden Gewandtheit bewußt ist, erscheint gewiß in der Nähe des gehaßten, um ihn zu necken und zu foppen. Heher und Würger spielen ihm oft in nicht ungefährlicher Weise mit. Letztere vergessen angesichts seiner alle Scheu, kommen, einer nach dem anderen, oft von weit her zugeflogen und verlassen die Walstatt auch dann noch nicht, wenn sie sehen müssen, daß dieser oder jener ihrer Gefährten ein klägliches Schicksal erleidet. Die alten holländischen Falkner erbeuteten die zum Falkenfange nothwendigen Würger stets mit Hülfe des Wichtls.


Die Höhleneulen ( Speotyto oder Pholeoptynx), nahe Verwandte der Steinkäuze, sind kaum größer als diese und besonders durch ihre sehr hohen, kurzzehigen Beine von ihnen unterschieden. Der Kopf ist mäßig groß und rund, das Auge groß, der Schnabel etwas gestreckt, auf der Firste sanft gewölbt mit mittelgroßem Haken und stumpfspitzigem Unterkiefer, welcher jederseits vor der Spitze einen seichten Ausschnitt zeigt, der Flügel stark und lang, aber rundlich, die vierte Schwungfeder die längste, der Schwanz kurz, gerade abgestutzt, der Lauf hoch und schlank, nur sehr sparsam und blos vorn befiedert, während die Seite und die Sohle glatthäutig erscheinen, der Fang rauh beschuppt, mit einzelnen Federborsten besetzt, und mit wenig gekrümmten Klauen bewehrt. Das Gefieder liegt ziemlich dicht an, ist kleinfederig, aber weich und seidig. Der Schleier ist klein und schwach, der Augenkranz nur nach hinten und unten entwickelt.

siehe Bildunterschrift

Kanincheneule ( Speotyto cunicularia). 2/5 natürl. Größe.

In Südamerika lebt der Curuje der Brasilianer oder die Kanincheneule ( Speotyto cunicularia, Strix cunicularia und grallaria, Noctua cunicularia, grallaria und Urucurea, Athene cunicularia und dominicensis, Nyctipetes und Pholeoptynx cunicularia). Ihr Gefieder ist auf der Oberseite röthlich graubraun, mit länglichrunden weißen Tüpfeln gefleckt, an Kinn und Augenbrauen weiß, auf dem Unterhalse röthlichgelb, graubraun gefleckt, auf der Brust graubraun, gelblich gefleckt, am Unterbauche gelblichweiß, ungefleckt. Das Auge ist gelb, der Schnabel blaß grünlichgrau, die Beine sind ebenfalls blaß grünlichgrau, an der Sohle der Zehen aber gelblich. Die Länge beträgt dreiundzwanzig, die Breite achtundfunfzig, die Fittiglänge sechzehn und die Schwanzlänge sieben Centimeter.

 

Die nordamerikanische Vertreterin, Höhlen- oder Prairieeule genannt ( Speotyto gaca und socialis, Strix hypogaea und californica), zeigt so große Uebereinstimmung mit der eben beschriebenen Art, daß nur eine sehr ausführliche Beschreibung beider die geringen Unterschiede deutlich machen kann, wir auch umsomehr von solcher Beschreibung absehen dürfen, als die amerikanischen Forscher über Arteinheit oder Artverschiedenheit der Prairie- und Kanincheneule selbst noch nicht einig sind. Hinsichtlich der Lebensweise und des Betragens ähneln sich beide so, daß man die Angaben der verschiedenen Schriftsteller ebenso gut auf die eine, wie auf die andere beziehen darf. Ich werde im nachfolgenden die Kanincheneule aus dem Grunde bevorzugen, als sie neuerdings einen Beobachter gefunden hat, welcher sie in erschöpfender Weise beschreibt.

Die Höhleneulen sind Charaktervögel Amerikas. Sie bewohnen die Pampas und Llanos im Süden und die Prairien im Norden. Wo sie vorkommen und nicht verfolgt werden, sind sie häufig. Der Reisende, welcher die baumlosen Ebenen betritt, sieht die merkwürdigen Vögel paarweise auf dem Boden sitzen, gewöhnlich auf den Hügeln, welche von der ausgegrabenen Erde der Säugethierbaue gebildet werden. Diese Baue sind das eigentliche Haus der Eule, und häufig genug bewohnt sie es mit dem rechtmäßigen Inhaber oder auch wohl mit seinen furchtbarsten Feinden, den Giftschlangen. In der Nähe von Buenos Ayres haust die Höhleneule, nach Darwin, ausschließlich in den Bauen der Viscacha, in Brasilien nistet sie sich in den Bauen der Ameisenfresser und Gürtelthiere ein, in Nordamerika findet sie sich in den sogenannten Dörfern des Prairiehundes. Die von grabenden Säugethieren noch bewohnten Baue zeichnen sich vor denen, in welchen die Eule lebt, durch Sauberkeit und Ordnung aus, während die Eule oft, ja fast regelmäßig in den verfallenen Gebäuden dieser Art gefunden wird. Aber es kommt auch vor, daß man Prairiehunde und Eulen und Klapperschlangen durch ein und dieselbe Oeffnung aus- und eingehen sieht, und soviel steht fest, daß das Verhältnis zwischen Säugethieren und Eulen ein durchaus friedliches ist.

Unter allen Lebensschilderungen der Höhleneulen stelle ich die, welche wir Hudson über die Kanincheneule verdanken, bei weitem oben an. »Im Argentinischen Freistaate«, sagt der genannte, »findet man diese niedliche Eule allerorten im offenen Lande; denn sie meidet Waldungen oder selbst Gegenden, in denen Baumbestände häufig sind. Sie sieht auch in der Sonne vortrefflich und bekundet keinerlei Abneigung gegen Geräusche und Laute des Tages. Nähert sich ihr jemand, so schaut sie ihm fest ins Gesicht, folgt ihm mit den Augen, wie er sich auch wenden möge und dreht dabei nöthigenfalls das Gesicht bis auf den Rücken. Näht man ihr bis auf wenige Schritte, so bückt sie sich in spielender Weise, stößt einen kurzen Schrei, welchem drei abgebrochene Rufe folgen, wiederholt aus und steht auf, fliegt aber höchstens fünfzehn bis zwanzig Meter weit, um sich sodann, das Gesicht gegen den Eindringling gekehrt, wieder niederzusetzen. Unmittelbar, nachdem sie gefußt, wiederholt sie ihre Bücklinge und ebenso ihr Geschrei, richtet sich dann aber steif auf und geberdet sich, als ob sie über alle Maßen erstaunt sei ob der Störung. Bei Tage fliegt sie unter fortdauernden Flügelschlägen dicht über den Boden dahin, steigt jedoch unabänderlich, bevor sie sich setzen will, steil nach oben, um noch steiler zum Boden herabzufallen. Wiederholtes Auffliegen ermüdet sie bald derartig, daß sie zu ihren behenden Beinen Zuflucht nimmt. Daher ist es möglich, sie zu Pferde binnen fünfzehn bis zwanzig Minuten einzuholen und zu fangen. Jedes Paar lebt während des ganzen Jahres in treuer Gemeinschaft und sitzt übertages regelmäßig an der Oeffnung einer Viscachahöhle, ein Gatte so dicht an den anderen geschmiegt, daß beide sich fast berühren. Erschreckt nun fliegen entweder beide auf, oder es erhebt sich nur das Männchen, während das Weibchen im Inneren der Höhle verschwindet.

»In der Nähe aller von Europäern bewohnten Ansiedelungen ist die Kanincheneule überaus zahlreich und ebenso im höchsten Grade zutraulich; in allen Gegenden aber, wo der Indianer jagt, ein in jeder Beziehung veränderter Vogel. Hier erhebt sie sich bei Ankunft des Menschen mit derselben Scheu und Vorsicht, wie vielfach verfolgtes Federwild, schon von weitem, steigt stets zu beträchtlicher Höhe in die Luft und fliegt oft außer aller Sicht des Reisenden, bevor sie sich wieder zu Boden herabläßt. Dieses Gebaren ist unzweifelhaft Folge der lebhaften Abneigung aller Pampastämme, welche hinsichtlich dieser Eule noch an allem so weit verbreiteten Aberglauben festhalten. »Schwester des bösen Geistes« ist einer der Namen, welche sie dem niedlichen Vogel geben. Wenn immer sie können, verfolgen sie die Kanincheneule, bis sie ihr das Leben geraubt haben. Denn schon das Vorhandensein des harmlosen Vogels genügt, um sie zu schrecken, und niemals schlägt ein Indianer sein Nachtlager da auf, wo er eine Eule sitzen sah. Sobald als die Ebenen von Weißen besiedelt werden, gibt unsere Eule alle Scheu und Vorsicht auf und wird bald ebenso zutraulich, als sie früher mißtrauisch war. Die Umwandlung des von ihr bewohnten Grundes und Bodens zu Feld und Weide kümmert sie wenig. Wenn der Pflug den Eingang ihrer Höhlen verschüttet, gräbt sie sich neue am Rande oder auf den Rainen, und wenn sie hier keinen Platz findet, zu beiden Seiten der Wege, gleichviel ob dieselben viel benutzt werden oder nicht. Hier wird sie so zahm, daß der Reiter sie ohne Mühe mit seiner Peitsche todtschlagen könnte. Verschiedene Paare leben in der Nähe meines Hauses; wenn aber jemand von uns ausreitet, bleiben sie alle bis auf drei oder vier Meter von den Hufen des Pferdes vor ihren Löchern sitzen, knacken höchstens mit dem Schnabel, blähen vielleicht auch ihr Gefieder auf, denken aber nicht daran, wegzufliegen.

»Gelegentlich sieht man unsere Eulen auch bei Tage jagen; namentlich ist dies der Fall, wenn irgend eine Beute in der Nähe vorüberfliegt und Hoffnung auf leichten Fang gewährt. Oft habe ich mir das Vergnügen gegönnt, kleine Erdklumpen in der Nähe ihrer Löcher vorüber zu rollen; denn sie jagen augenblicklich hinter solchem Gegenstande her und entdecken den Irrthum erst, nachdem sie den Erdkloß oder Stein schon fest gepackt haben. Während der Brutzeit, insbesondere wenn ihre Jungen heranwachsen, sind sie vielleicht bei Tage ebenso thätig wie bei Nacht. In den heißen Tagen des November erscheinen hier zu Lande zwei große Mistkäfer in namenloser Menge und reizen, ebensowohl durch ihre Massigkeit wie durch das laute Summen beim Fliegen, zur Verfolgung. Dann sieht man die Kanincheneulen aller Orten eifrig jagen, nicht selten aber auch dabei täppisch zu Boden stürzen, da sie, wie alle Eulen, die Gewohnheit haben, eine Beute womöglich mit beiden Fängen zu ergreifen und die Flügel zu Hülfe nehmen müssen, um sich im Gleichgewichte zu erhalten, letzteres aber doch oft verlieren und dann taumelnd in das Gras fallen. War die glücklich erlangte Beute klein, so kröpfen sie dieselbe nach einem Weilchen an Ort und Stelle; war sie groß, so erheben sie sich regelmäßig, wenn auch oft etwas mühsam, vom Boden und fliegen eine Strecke weit mit ihrem Opfer, gleichsam als ob sie Zeit gewinnen wollten, inzwischen das geschlagene Thier zu tödten.

»Gegen Sonnenuntergang läßt die Kanincheneule ihre Stimme vernehmen. Auf einen kurzen Laut folgt ein längerer; beide aber werden so oft wiederholt, daß die Pause dazwischen kaum eine Sekunde beträgt. Dieses Geschrei klingt weder furchtbar noch feierlich, eher sanft und traurig, einigermaßen an die tiefen Töne der Flöte erinnernd. Während des Frühlings rufen alle, und ein Vogel antwortet dann dem nächsten. Bricht die Nacht herein, so erhebt sich einer nach dem anderen in die Luft, und man sieht dann überall die niedlichen Eulen in einer Höhe von etwa vierzig Meter über dem Boden rüttelnd schweben. Haben sie eine Beute erblickt, so fallen sie in Absätzen senkrecht, aber taumelnd und flatternd, hernieder, als ob sie verwundet wären, bis sie etwa zehn Meter über dem Boden angekommen sind, fassen nochmals die Beute ins Auge, rütteln wiederum einige Sekunden und gleiten nun in schiefer Richtung nach unten herab. Sie jagen auf jedes lebende Wesen, welches sie bewältigen zu können glauben. Wenn es reiche Beute gibt, lassen sie Kopf, Schwanz und Füße einer gefangenen Maus unberührt, ebenso wie sie unter allen Umständen die Hintertheile eines Frosches oder einer Kröte verschmähen, trotzdem dieselben die fleischigsten und saftigsten Theile sind. Schlangen bis zu fünfzig Centimeter Länge tödten sie mit Schnabelhieben, indem sie muthig auf sie losspringen, bis das Opfer ihren Angriffen erlegen ist; Giftschlangen gegenüber scheinen sie sich bei solchen Angriffen durch ihre vorgestreckten Flügel zu schützen. Nicht wenige, welche sich in der Nähe von Gehöften angesiedelt haben, werden jungem Hausgeflügel gefährlich und tragen übertages Küchlein davon. In Zeiten der Fülle tödten sie mehr, als sie verbrauchen, in strengen Wintertagen dagegen müssen sie sich spärlich behelfen. Sie kommen dann oft in die Nähe der Wohnungen und nehmen gern vorlieb mit jedem Fleischstückchen, welches sie finden, und wenn es so alt und trocken sein sollte wie ein Stück Pergament.

»Obgleich unsere Eulen den Viscachas in den meisten Fällen ihre Höhlen verdanken, graben sie sich doch auch selbst solche. Die Röhre, deren Länge zwischen ein bis vier Meter schwankt, ist krumm und am hinteren Ende erweitert. Hier befindet sich das aus trockenem Grase und Wolle, nicht selten aber auch ausschließlich aus Pferdemist bestehende Nest. Die fünf fast runden Eier sind weiß von Farbe. Auch nachdem das Weibchen zu legen begonnen hat, trägt es noch Pferdedünger ein, bis der ganze Boden der Höhle und ein Raum vor ihr dicht mit diesem Stoffe bedeckt ist. Im folgenden Frühjahre wird dann alle lose Erde herausgekratzt und die Höhle, welche während mehrerer Jahre als Nest dient, wieder hergerichtet. Unsauber und unordentlich ist sie stets, am meisten aber doch während der Brutzeit oder, wenn es Beute in Hülle und Fülle gibt. Dann bedecken nicht allein Koth und Gewölle, sondern auch Ueberreste von Fell und Knochen, Flügeldecken von Käfern, Federn, die Hinterschenkel von Fröschen in allen Zuständen der Fäulnis, große, haarige Spinnen aus der Pampa, Ueberbleibsel halb aufgefressener Schlangen und anderer unliebsamen Geschöpfe Boden und Raum vor dem Eingange; alles Aas aber in und vor der liederlichen Wohnung unserer Eule spricht deutlich genug für die wichtige Rolle, welche sie ausführt. Die jungen Vögel verlassen, ehe sie flügge sind, die Höhlen, um sich zu sonnen und Futter von ihren Eltern zu erhalten. Nähert man sich ihnen, so zeigen sie sich im höchsten Grade erregt, knacken mit dem Schnabel und ziehen sich anscheinend nur mit Widerstreben endlich in das Innere der Höhle zurück. Sind sie erst flugbar geworden, so benutzen sie unter solchen Umständen die Schwingen, um sich zu sichern. Alte und junge Vögel leben oft vier bis fünf Monate zusammen.«

Bemerkenswerth ist, laut Hudson, wie verschiedenartig die Kanincheneulen sich beim Graben ihrer Höhlen benehmen. Einzelne Paare beginnen mehrere Monate vor der Brutzeit, andere erst, wenn das Weibchen schon legen will; bei dem einen Paare arbeiten beide Gatten auf das eifrigste, bei dem zweiten ebenso lässig, bei dem dritten gräbt nur das Weibchen. Dieses Paar höhlt sich eine regelrechte tiefe Höhle aus, jenes beginnt deren fünf bis sechs zu graben, arbeitet an einer vielleicht drei bis vier Wochen lang und läßt sie doch wieder im Stiche. Gleichviel aber, ob fleißig oder lässig, im September hat jedes Paar seine Wohnung vollendet.


Die zierlichste und liebenswürdigste unserer Eulen ist die Zwerg- oder Sperlingseule ( Glaucidium passerinum, pygmaeum und microrhynchum, Strix passerina, pusilla, pygmaea und acadica, Surnia, Noctua, Athene und Microptynx passerina). Das niedliche Thierchen kennzeichnet sich zunächst durch seine Pygmäengestalt. Der Leib ist gestreckt, der Kopf klein, der Schnabel stark, sehr gekrümmt, mit einem Zahne und Einschnitte an der Schneide des Oberkiefers ausgerüstet, der Fuß kurz und dicht befiedert, der Flügel kurz, die dritte und vierte Schwinge über die anderen verlängert, der Schwanz mittellang, das Gefieder minder weich als bei anderen Eulen, der Schleier undeutlich. Nach meines Vaters Messungen beträgt die Länge des Männchens siebzehn, die Breite einundvierzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge gegen sechs Centimeter. Das Weibchen ist ungefähr zwei Centimeter länger und um vier Centimeter breiter. Das Gefieder ist auf der Oberseite mäusegrau, weiß gefleckt, auf der Unterseite weiß mit braunen Längsflecken besetzt, das Gesicht weißgrau, wie mein Vater sagt, »dunkler getuscht«, der Schwanz mit vier, der Flügel mit vielen weißen Binden gezeichnet, der Augenstern hochgelb, der Schnabel horngelb. Das Weibchen ist etwas dunkler als das Männchen und durch zwei dunklere Bogenlinien unter den Augen ausgezeichnet. Bei den Jungen herrscht die braune Färbung vor.

Auch die Zwergeule ist häufiger im Norden als im Süden; ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich aber von Norwegen bis Ostsibirien und von der nördlichen Baumgrenze bis zur Breite von Norditalien. In den Gebirgswaldungen Skandinaviens ist sie nicht selten, in den Wäldern Rußlands sogar häufig, lebt aber auch ständig, und wahrscheinlich keineswegs so selten, als man annimmt, in Deutschland, ist namentlich in Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesien, Sachsen, Thüringen, Hannover, Bayern und Würtemberg wiederholt erlegt, auch gefangen worden. Außerdem hat man sie in den schweizerischen, steyerischen und italienischen Alpen, im Kaukasus, Burejagebirge und am Amur gefunden.

siehe Bildunterschrift

Rauchfußkauz ( Nyctale Tengmalmi) und Zwergeule ( Glaucidium passerinum). ⅓ natürl. Größe.

In Skandinavien erscheint sie manchmal häufig in den Niederungen. Tiefer Schneefall vertreibt sie aus den Wäldern und bringt sie in die Nähe der Dörfer. Gadamer sah sie im Winter 1843 im südlichen Schonen in Menge; Collett betrachtet sie, nächst dem Waldkauze, als die häufigste Eule der Umgebung Christianias. Während des Sommers begegnet man ihr ebenso in Laub-, wie in Nadelwaldungen; während des Winters dagegen hält sie sich gern in der Nähe der Ortschaften auf, und wenn man dann abends durch den Schloßgarten Christianias geht, kann man ihr kurzes, scharfes, dem Locktone der Drosseln nicht unähnliches »Iss« öfters hören und vernehmen, daß von einem der benachbarten Bäume Antwort erfolgt. In Ostergotland bewohnt sie die ausgedehnten Waldungen in so namhafter Anzahl, daß Lundberg im Laufe einiger Jahre über hundert Stück erlegte zu Gesicht bekam. Alle Waldbewohner kennen mindestens ihren Ruf, einen pfeifenden Laut, welcher wie »Hi« oder »Ho« klingt und ihr die Namen »Arpinnen« oder Ruderer und »Hjulealen« oder Wellenzapfer eingetragen hat, weil man das Pfeifen mit dem Quietschen der Ruder oder ungeschmierter Wellenzapfen vergleicht. Abgesehen von diesen eintönigen Lauten gibt die Zwergeule auch die Silben »Hi, hu hu hu« zu hören, welche letztere jedoch nur in bedeutender Nähe vernommen werden können, schreit auch wohl, zumal im Zwielichte des Morgens und Abends, »Hi hi hi hi«, alle Silben gleichmäßig gedehnt hervorstoßend, oder »Tiwüt, tiwüt, tiwüt, tiwüt«. Im Frühjahre hört man sie schon vor der Dämmerung, nach Tagesanbruch aber nicht mehr rufen. Wie andere Eulen auch läßt sie sich durch Nachahmung ihrer Stimme herbeilocken und verleiten, dem sie in dieser Weise neckenden Menschen auf tausend Schritte und weiter zu folgen, fliegt aber so geräuschlos und setzt sich so rasch auf einem Aste nieder, daß man oft längere Zeit von ihr umflogen wird, bevor man sie zu sehen bekommt. Im Hochsommer jagt sie nur während der Nacht, frühestens von vier Uhr nachmittags an und am eifrigsten in der Dämmerung. Im Verhältnisse zu ihrer geringen Größe ist sie ein tüchtiger, ebenso gewandter als kühner Raubvogel. Sie schlägt Mäuse, Lemminge, Fledermäuse und andere Kleinsäuger, vor allem aber Vögel bis zu ihrer eigenen Größe, fängt fliegendes oder laufendes wie sitzendes Wild und verfolgt die Sperlinge oft bis in die Vorhallen bewohnter Gebäude. Vor dem Menschen scheut sie sich wenig, läßt sich daher leicht von ihrem Sitze herabschießen oder in geköderten Fallen aller Art berücken.

Ihr Auftreten schildert von Reichenau in einem an mich gerichteten Briefe in anschaulicher Weise: »An sonnigen schönen Tagen vernehme ich zuweilen in den Vorhölzern und Waldungen der Umgegend von Miesbach einen gedehnt vorgetragenen Vogellaut, welcher sich durch die Silbe ›Wiht‹ ungefähr wiedergeben läßt. Schon als ich diese Stimme zum ersten Male hörte, fiel sie mir auf, da ich sie keinem gewöhnlichen Tagvogel zutrauen konnte; ihre Ähnlichkeit mit dem bekannten ›Kuwiht‹ des Steinkauzes ließ mich auch auf eine Eule als Urheberin schließen: langer Zeit aber bedurfte es, bis ich den Vogel deutlich zu sehen bekam und in seinem Treiben beobachten konnte. Es war an einem herrlichen Novembertage, als ich inmitten einer mit niedrigem Strauchwerke bewachsenen Waldblöße nicht weit vom Rande einer Wiese auf dem hohen Aste einer Eiche das Tageulchen bemerkte. Es saß dort in aufrechter Stellung mit gelockertem Gefieder, gemüthlich sich sonnend, das zierliche Köpfchen mit den hellen Falkenäuglein bald hier, bald da in die Federn versenkend, um diese nestelnd in Ordnung zu bringen. Die Jagdbegierde überwucherte meine Freude an der Beobachtung: ich legte meine mit mittlerem Schrote geladene Vogelflinte an, schoß und fehlte. Das Käuzchen erhob sich zwar sofort nach dem Schusse, aber nur, um sich mit falkenartigem Fluge auf eine kaum dreißig Schritte seitwärts stehende Buche zu begeben. Hier drehte es sich possenhaft unter Bücklingen nach allen Seiten, beständig den kurzen Schwanz in raschem Schwunge hoch aufrichtend und ebenso nach abwärts wippend, genau so, wie ein munteres Rothschwänzchen sich benimmt. Nachdem es verschiedenartige Bewegungen ausgeführt, welche eher einem Papagei, als einer Eule zuzutrauen gewesen, nachdem es z. B. in drolliger Weise und ganz zwecklos rechts und links seitwärts auf einem wagerechten Aste gelaufen und getrippelt, kurz die größte Lebhaftigkeit an den Tag gelegt, strich es plötzlich ab und faßte auf der Spitze eines etwa acht Meter hohen, astlosen, dürren, durch Blitzstrahl abgebrochenen Eichenstammes Fuß. Hier zeigte es zur Abwechselung eine ganz andere Gestalt als vorher. Es trug nämlich jetzt sein Gefieder äußerst knapp am Leibe, blähte aber Hals und Gesicht so sehr auf, daß der Kopf ein fast viereckiges Ansehen erhielt, sah sich, wie es schien, aufmerksam nach allen Seiten um, sträubte die Kopffedern und legte sie wieder glatt, bekümmerte sich aber so gut als nicht um meine Anwesenheit, schielte vielmehr immer zum Boden herab. Plötzlich erhob es sich geräuschlos und strich wie ein Weih über den Boden weg; einen Augenblick später quietschte eine Feldmaus, und unter förmlichem Triumphgeschrei ›Dahitt, hitt, hitt‹ flog der kleine Räuber, die Maus in den Fängen tragend, dem nahen etwa drei Meter über dem Boden stehenden Aste einer jungen Eiche zu und tödtete sein Opfer vollends durch Schnabelhiebe. Dann saß er, die Flügel halb ausgebreitet und herabgesenkt, mit gesträubtem Gefieder, fast noch einmal so groß erscheinend als früher, über der Beute, würde dieselbe sicherlich auch ohne alle Scheu vor meinen Augen verschlungen haben, hätte ich mich jetzt nicht seiner versichert.«

Infolge seiner Angriffe auf Kleingeflügel ist der Zwergkauz, wo er sich sehen läßt, wie Gloger sagt, ein Gegenstand gehässiger Neugier, aber nicht minder auch des Schreckens und der Furcht für alle kleineren Vögel, welche jede Bewegung des winzigen Feindes sogleich in eilige Flucht treibt. »Die Sperlingseule vereinigt«, um mit demselben Naturforscher fortzufahren, »die nette Haltung, die Gewandtheit, das rasche, muthvolle Wesen und alle wichtigeren Züge der Tageule mit der wunderlichen Possenhaftigkeit und Geberdenschneiderei der nächtlichen.«

Um die Zeit des Schnepfenstriches schreitet die Zwergeule zur Fortpflanzung. Sie nistet in Baumhöhlungen, namentlich in Spechtlöchern. Ein leider verlassenes Nest, welches mein Vater untersuchte, war in der Höhlung einer Buche angelegt und bestand aus Moos und einigen dürren, besser als in anderen Eulennestern geordneten Buchenblättern. Anfang der vierziger Jahre brütete eine Zwergeule zwei Sommer nach einander in einem uralten Birnbaume des Gartens, welcher Liebe's Vaterhaus umgab, und zwar in einem kleinen Astloche mitten im Stamme, während gleichzeitig oben in größeren Astlöchern zwei Staarfamilien hausten. Außerdem hat die Zwergeule in Oberlödla bei Altenburg gehorstet, und es sind somit allein für Ostthüringen drei Fälle ihres Brütens bekannt. Daß sie in anderen Gegenden Deutschlands ebenfalls zu den Brutvögeln zählt, unterliegt wohl keinem Zweifel. Die weißen Eier haben einunddreißig Millimeter Längs-, fünfundzwanzig Millimeter Querdurchmesser und sind länglichrund, sehr bauchig, feinporig, dick- und glattschalig.

Seitdem ich meines Vaters Schilderung des Gefangenlebens der Zwergeule kenne, war es ein wahrer Herzenswunsch von mir, einmal einen dieser niedlichen Vögel zu pflegen. Die in Rede stehende Zwergeule wurde in einem geräumigen, aber wohlverwahrten Boden untergebracht. »Wenn ich hinauf kam«, sagt mein Vater, »sah ich sie nie, und ich mußte lange suchen, ehe ich sie fand. Gewöhnlich steckte sie in einer Ecke oder da, wo übereinander genagelte Bretter am Giebel Vertiefungen bilden; in diese drückte sie sich so hinein, daß sie kaum zu finden war. Sie stand dabei ganz aufrecht, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand an, machte ihren Körper durch Anlegung aller ihrer Federn ganz schmal, sträubte dabei die Seitenfedern des Kopfes, so daß dieser breiter aussah als der Leib, und verhielt sich so ruhig, daß man ganz genau hinsehen mußte, um sie zu bemerken. Die Augen hatte sie mehr geöffnet als der rauchfüßige Kauz und immer starr nach dem gerichtet, welcher in ihr Behältnis kam. Näherte man sich ihr, dann sträubte sie alle Federn, was diesem kleinen Thiere ganz sonderbar stand und sehr natürlich an den Frosch in der Fabel erinnerte. Sie knackte dabei immer von Zeit zu Zeit mit dem Schnabel und geberdete sich so drollig, daß man sie ohne Lachen nicht ansehen konnte. Wenn man sie in die Hand nahm, betrug sie sich nicht ungestüm und verwundete nicht mit den Fängen, biß aber mit dem Schnabel, was jedoch kaum fühlbar war. Den Tag über verhielt sie sich ganz ruhig; sobald aber die Sonne untergegangen war, wurde sie sehr munter und fing an zu schreien. Ihre Stimme hat große Ähnlichkeit mit der anderer jungen Eulen und klang fast wie ›Gieh‹ oder ›Piep‹ langgezogen, aber sehr leise, nur auf etwa dreißig bis vierzig Schritte hörbar. Am Tage fraß sie nie, sondern nur abends und nachts. Mit einer großen oder zwei kleinen Mäusen oder einem Vogel von der Größe eines Sperlings hatte sie für die Nacht völlig genug. Dieses Thierchen gewährte mir ungemeine Freude; da ich es aber sehr abgezehrt und ermattet erhielt, so war es auch bei dem angemessensten Futter (es bekam lauter Mäuse und Vögel) nicht möglich, es am Leben zu erhalten. Mein Freund Purgold hat eine Zwergeule ein ganzes Jahr in seinem Schlafzimmer gehalten und mir folgendes erzählt: In der Jugend schrie und betrug auch sie sich wie die meinige. Sie saß den ganzen Tag unter dem Bette, um das Tageslicht nicht zu sehen, und verhielt sich ganz ruhig. Als sie vermausert und also aus der Jugend getreten war, fing sie an, des Abends sehr stark ›Dahit, dahit‹ zu schreien und fraß die ihr vorgelegte Nahrung, Mäuse und Sperlinge; letzteren rupfte sie alle großen Federn aus, zerstückelte sie, wie die Mäuse, vom Kopfe anfangend und verschlang ein Stück nach dem anderen. Die Nacht über war sie wieder ruhig, wenigstens wenn sie zu fressen bekommen hatte; gegen Morgen aber, ehe noch die Dämmerung anbrach, begann ihr Geschrei von neuem und so stark, daß mein Freund durchaus nicht länger schlafen konnte. So war dieser Vogel sein Wecker, welcher nie fehl ging und Herrn Purgold nie einen Pirschgang oder eine Auerhahnsjagd versäumen ließ. Auch diese Zwergeule gab Haare, Federn und Knochen in Gewöllen wieder von sich.«

Von einer dritten gefangenen Zwergeule berichtet Gadamer. »Sie ist ein unruhiger Vogel und verleugnet darin gar sehr die Eulennatur; denn einen ganzen Tag hindurch ist sie in Bewegung, nach Art der Papageien mit Hülfe des Schnabels und der Füße im Gebauer herumkletternd. Sie wird sehr zahm und nimmt kleine geschossene Vögel aus der Hand und verschmaust sie, auch wenn man bei ihr steht. Sieht sie Hunde oder Katzen, so sträubt sie die Federn, und dann zeigen sich auch kleine Federröhren oder Erhöhungen über den Augen.« Eine vierte, welche von Sivers pflegte, wurde bereits nach vierzehn Tagen so zahm, daß sie sich streicheln oder ergreifen ließ, ohne auch nur einen Versuch zum Wegfliegen zu machen. »Den Vogel oder die Maus, welche man ihr gibt«, schreibt mir der genannte, »nimmt sie aus der Hand, bringt aber die Beute so eilig als möglich in ein mit einem Loche versehenes Stammstück, welches ich ihr in den Käfig gestellt habe. Aeußerst drollig geberdet sie sich, wenn ich dieses Stammstück so drehe, daß das Loch von ihr abgekehrt ist, und ihr dann eine Maus reiche. Unter fortdauernden Bücklingen wendet sie den Kopf nach allen Seiten, um das Loch zu entdecken; hat sie es endlich glücklich gefunden, so fliegt sie schnell hinein und knackt, wenn man von oben in das Innere sieht, im Vollgefühle ihrer Sicherheit mit dem Schnabel, läßt sich bald aber nicht weiter stören und beginnt zu fressen.« Eine fünfte über welche Böhm an mich berichtet, hielt sich bei regelmäßiger Fütterung mit Mäusen und Sperlingen vortrefflich, gewöhnte sich ebenfalls bald im Käfige ein, hüpfte, etwas ungeschickt zwar, aber munter, auf dessen Sitzstangen umher, fraß bald in Gegenwart ihres Pflegers, drückte sich jedoch bei Annäherung eines Fremden in den dunkelsten Winkel des Gebauers und verfolgte von dort aus jede Bewegung des Unbekannten mit starrenden Augen. Sie verzehrte gern mehr als einen Sperling täglich, begann stets am Kopfe zu fressen und ließ nur Schwingen und Steuerfedern übrig. Als ihr Böhm lebende Sperlinge in den Käfig setzte, verhielt sie sich anfänglich, offenbar im Bewußtsein der Behinderung, welche der enge Raum verursachte, ruhig und bewegunglos, machte die Sperlinge dadurch sorglos und stürzte erst, wenn diese friedlich neben ihr auf der Sprosse oder dem Boden Platz nahmen, urplötzlich auf die ahnungslosen Opfer, ergriff sie mit den Fängen und bereitete ihrem Leben durch Bisse in den Kopf ein schnelles Ende.


Eine zweite, wohl abgegrenzte, als Unterfamilie angesehene Gruppe der Eulen kennzeichnet sich hauptsächlich durch einen Büschel aufrecht stehender Federn über jedem Ohre. Der Kopf der Ohreulen ( Buboninae) ist gewöhnlich groß, breit und flach, mit mehr oder weniger ansehnlichen, aufrichtbaren Ohrbüscheln geziert, der Schleier dagegen unvollständig, der Schnabel stark, fast bauchig, auf der Firste wenig gekrümmt und kurzhakig, der Fuß stark, hoch oder mittelhoch, der Fang sehr kräftig und mit großen bogigen Nägeln bewehrt, der Flügel mittellang aber stumpf, der Schwanz kurz, am Ende fast gerade abgeschnitten, das Federkleid sehr reich und locker. Unter den Sinneswerkzeugen fällt das Auge wegen seiner Größe und Plattheit, in der Regel auch wegen seiner lebhaft goldgelben Farbe auf.

 

Als die vollendetste Ohreule darf der vielbekannte, durch mancherlei Sagen verherrlichte »König der Nacht«, unser Uhu, Schuhu, Buhu, Buhuo, Auf, Gauf und wie man ihn sonst noch nennt ( Bubo ignavus, microcephalus, maximus, europaeus, germanicus, sibiricus, scandiacus, pallidus, melanotus, grandis und septentrionalis, Strix bubo und turcomana), angesehen werden. Seine Länge beträgt dreiundsechzig bis siebenundsiebzig, die Breite hundertfünfundfunfzig bis hundertsechsundsiebzig, die Fittiglänge fünfundvierzig, die Schwanzlänge fünfundzwanzig bis achtundzwanzig Centimeter. Das sehr reiche und dichte Gefieder ist auf der Oberseite dunkel rostgelb und schwarz geflammt, an der Kehle gelblichweiß, auf der Unterseite rostgelb, schwarz in die Länge gestreift; die Federohren sind schwarz, auf der inneren Seite gelb eingefaßt, die Schwung- und Schwanzfedern mit braunen und gelblichen, dunkler gewässerten Punkten abwechselnd gezeichnet. Eigentlich wechseln im Gefieder nur zwei Farben mit einander ab, ein mehr oder weniger lebhaftes Röthlichgrau und Schwarz. Jede Feder ist schwarz geschäftet und ebenso in die Quere gestreift, gewellt und zugespitzt. Auf der oberen Seite treten die dunkleren Spitzen besonders hervor, auf der Unterseite und zwar hauptsächlich auf der Brust die Schaftstriche, am Bauche hingegen machen sich wieder die Querstreifen geltend. Der Schnabel ist dunkel blaugrau, die nackten Fußschilder sind licht blaugrau, das Auge ist prachtvoll goldgelb, am äußeren Rande röthlich. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch die bedeutendere Größe. Die Jungen pflegen gilblicher zu sein. In Nordasien, aber auch in Spanien trägt der Uhu ein lichteres Federkleid. Aus China habe ich einen lebenden Auf erhalten, welcher etwas kleiner und dunkler als der bei uns vorkommende ist. Aehnliche Abweichungen mögen auch sonst noch vorkommen; sie können uns aber schwerlich berechtigen, die betreffenden Vögel als besondere Arten anzusprechen.

siehe Bildunterschrift

Uhu ( Bubo ignavus). ¼ natürl. Größe.

Das Verbreitungsgebiet des Uhu erstreckt sich über das ganze nördlich altweltliche Gebiet, soweit es nach Norden hin bewaldet und im Süden gebirgig ist. In Deutschland zwar in vielen Gegenden ausgerottet, findet er sich doch noch im Bayerischen Hochgebirge und in sämmtlichen Mittelgebirgen, ebenso in ausgedehnten und zusammenhängenden Waldungen aller Länder und Provinzen, mit alleiniger Ausnahme einiger Kleinstaaten. Ziemlich häufig tritt er auf in Ostpreußen, zumal im Forste von Ibenhorst, in Westpreußen und Posen, längs der polnischen Grenze, und in Pommern, seltener in Mecklenburg, der Mark, Braunschweig und Hannover, einzeln in Westthüringen, Hessen, Baden und Würtemberg, hier und da auch in den Rheinlanden, sogar inmitten stark bewohnter Gegenden. Weit zahlreicher bewohnt er alle Kronländer Oesterreich-Ungarns, Skandinavien, ganz Rußland, die Donautiefländer, die Türkei und Griechenland, Italien, Spanien und Südfrankreich, ohne daß man ihn jedoch irgendwo gemein nennen könnte; seltener wiederum ist er in Belgien und Dänemark, fast vertilgt in Großbritannien. In Afrika beschränkt sich, obschon er ausnahmsweise auch in Egypten vorkommt, sein Wohngebiet auf die Atlasländer; in Asien dagegen haust er, oder doch der von ihm artlich kaum zu trennende Blaßuhu ( Bubo sibiricus), von Kleinasien und Persien an bis China und von der nördlichen Waldgrenze an bis zum Himalaya, ohne die Steppe zu meiden, in allen Ländern und Gefilden, deren Thierwelt uns genauer bekannt worden ist. Er wandert nicht, verweilt vielmehr jahraus jahrein in seinem Brutgebiete und streicht höchstens, so lange er sich nicht gepaart hat, ziel- und regellos durch das Land.

 

Nordafrika und Kleinasien bewohnt ein Verwandter unseres deutschen Auf, der Pharaonenuhu, wie ich ihn nennen will ( Bubo ascalaphus, Strix ascalaphus, Ascalaphia Savignyi), welcher aus dem Grunde besondere Erwähnung verdient, als er auch in Griechenland, vielleicht sogar ständig, vorkommt. Er ist merklich kleiner als der Uhu; denn seine Länge beträgt nur einundfunfzig bis fünfundfunfzig, die Fittiglänge fünfunddreißig bis achtunddreißig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter. Das Gefieder ist oberseits auf gelblichbraunem Grunde schwärzlichbraun und weißlich gestreift und gefleckt, auf Kinn und Brust weiß, auf der übrigen Unterseite bräunlichgelb, in der Kropfgegend breit dunkelbraun längs- und schmäler quergezeichnet, auf Brust und Bauch fein röthlich gesperbert; die Schwingen und Steuerfedern sind breit braun quer gebändert, die Fußwurzeln einfarbig gelblichbraun. Die Iris ist tief goldgelb, der Schnabel schwarz.

Der Uhu, auf welchen ich die nachfolgende Darstellung beschränke, bevorzugt gebirgige Gegenden, weil sie ihm die besten Schlupfwinkel gewähren, findet sich jedoch ebenso in den Ebenen, vorzugsweise da, wo es große Waldungen gibt. Wälder mit steilen Felswänden sagen ihm besonders zu, und manche günstige Oertlichkeit wird seit Menschengedenken von ihm bewohnt. Es kann vorkommen, daß er ausgerottet wurde und man in dem betreffenden Gebiete jahrelang keinen Uhu bemerkte; dann plötzlich hat sich wieder, gewöhnlich genau auf derselben Stelle, ein Paar angesiedelt und dieses verweilt nun so lange hier, als der Mensch es ihm gestattet. Nicht allzu selten geschieht es, daß sich ein Paar in unmittelbarer Nähe der Ortschaften ansiedelt. So fanden wir eines dicht vor den Ringmauern der spanischen Stadt Jativa horstend; so erhielt Lenz junge Uhus, welche auf dem Dachboden einer tief im Walde gelegenen Fabrik ausgebrütet worden waren. Demungeachtet zeigt sich der Uhu immer vorsichtig. Bei Tage sieht man ihn selten; denn seine Färbung stimmt vortrefflich mit der Farbe einer Felsenwand und ebenso mit der Rinde eines Baumes überein; doch geschieht es, daß irgend ein kleiner Singvogel ihn entdeckt, dies schreiend der ganzen Waldbevölkerung mittheilt, andere Schreier herbeizieht und ihn so verräth. Nachts gewahrt man ihn öfter, und im Frühjahre während der Zeit seiner Liebe macht er sich durch auffallendes und weittönendes Schreien sehr bemerklich.

Sein Jagdleben beginnt erst, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen ist. Bei Tage sitzt er regungslos in einer Felsenhöhle oder in einem Baumwipfel, gewöhnlich mit glatt angelegtem Gefieder und etwas zurückgelegten Federohren, die Augen mehr oder minder, selten aber vollständig geschlossen, einem Halbschlummer hingegeben. Das geringste Geräusch ist hinreichend, ihn zu ermuntern. Er richtet dann seine Federbüsche auf, dreht den Kopf nach dieser oder jener Seite, bückt sich wohl auch auf und nieder und blinzelt nach der verdächtigen Gegend hin. Fürchtet er Gefahr, so fliegt er augenblicklich ab und versucht einen ungestörteren Versteckplatz zu gewinnen. Ging der Tag ohne jegliche Störung vorüber, so ermuntert er sich gegen Sonnenuntergang, streicht mit leisem Fluge ab, gewöhnlich zunächst einer Felskuppe oder einem hohen Baume zu, und läßt hier im Frühjahre regelmäßig sein dumpfes, aber auf weithin hörbares »Buhu« ertönen. In mondhellen Nächten schreit er öfter als in dunkleren, vor der Paarungszeit fast ununterbrochen durch die ganze Nacht. Sein Geschrei hallt im Walde schauerlich wieder, so daß, wie Lenz sich ausdrückt: »abergläubischen Leuten die Haare zu Berge stehen«. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß er die Sage vom wilden Jäger ins Leben gerufen hat, daß er es war und ist, dessen Stimme der ängstlichen Menschheit als das Rüdengebell des bösen Feindes oder wenigstens eines ihm verfallenen Ritters erscheinen konnte. Dieses Geschrei läßt den Schluß zu, daß er während der ganzen Nacht in Thätigkeit und Bewegung ist. Man hört es bald hier, bald dort im Walde bis gegen den Morgen hin. Es ist der Lockruf und Liebesgesang, wogegen ein wüthendes Gekicher, ein lauttönendes Kreischen, welches mit lebhaftem Fauchen und Zusammenklappen des Schnabels begleitet wird, Ingrimm oder Aerger ausdrückt. Zur Paarungszeit kann es vorkommen, daß zwei Uhumännchen sich heftig um die Liebe eines Weibchens streiten, und man dann alle die beschriebenen Laute nach und zwischen einander vernimmt.

Die Jagd des Uhu gilt den verschiedensten Wirbelthieren, groß und klein. Er ist nachts ebenso gewandt als kräftig und muthig und scheut sich deshalb keineswegs, auch an größeren Geschöpfen seine Stärke zu erproben. Ebenso leise schwebend wie seine Artverwandten, streicht er gewöhnlich niedrig über dem Boden dahin, erhebt sich aber auch mit Leichtigkeit in bedeutende Höhen und bewegt sich so schnell, daß er einen aus dem Schlafe aufgescheuchten Vogel regelmäßig zu fangen weiß. Daß er Hasen, Kaninchen, Auer-, Birk-, Hasel- und Rebhühner, Enten und Gänse angreift, deshalb also schädlich wird, daß er weder schwache Tagraubvögel, Raben und Krähen, noch schwächere Arten seiner Familie verschont und ebensowenig vom Stachelkleide des Igels sich abschrecken läßt, ist sicher, daß er die schlafenden Vögel durch Klatschen mit den Flügeln oder Knacken mit dem Schnabel erst zur Flucht aufschreckt und dann leicht im Fluge fängt, höchst wahrscheinlich. Doch fragt es sich sehr, ob er wirklich mehr schädlich als nützlich ist. Mäuse und Ratten dürften dasjenige Wild sein, welches auch er am eifrigsten verfolgt.

In den ersten Monaten des Jahres, gewöhnlich im März, schreitet unser Uhu zur Fortpflanzung. Er ist ein ebenso treuer als zärtlicher Gatte. Der Horst steht entweder in Felsennischen, in Erdhöhlungen, in alten Gebäuden, auf Bäumen oder selbst auf dem flachen Boden und bezüglich im Röhricht; ein Uhupaar, dessen Horst der Kronprinz Rudolf von Oesterreich im Frühjahre 1878 besuchte, hatte sich sogar die oben noch bedeckte Höhlung eines dicken, ausgefaulten Eichenastes zum Nistplatze ausersehen. Wenn irgend möglich, bezieht er einen schon vorgefundenen Bau, und nimmt sich dann kaum die Mühe, denselben etwas aufzubessern; wenn er nicht so glücklich war, trägt er sich einige Aeste und Reiser zusammen, polstert sie einigermaßen, liederlich genug, mit trockenem Laube und Geniste aus oder plagt sich nicht einmal mit derartigen Arbeiten, sondern legt seine zwei bis drei rundlichen, weißen, rauhschaligen Eier ohne weiteres auf den Boden ab. Das Weibchen brütet sehr eifrig und wird, so lange es auf den Eiern sitzt, vom Männchen ernährt. Den Jungen schleppen beide Eltern so viel Nahrung zu, daß sie nicht nur nie Mangel leiden, sondern im Gegentheile stets mehr als überreich versorgt sind. Wodzicki besuchte einen Uhuhorst, welcher im Röhricht, inmitten eines Sumpfes angelegt und einer Bauernfamilie die ergiebigste Fleischquelle gewesen war. Um den Horst herum lagen die Ueberbleibsel von Hasen, Enten, Rohr- und Bläßhühnern, Ratten, Mäusen und dergleichen in Masse, und der Bauer versicherte, daß er schon wochenlang tagtäglich hierher gekommen, alles genießbare zusammengesucht und sich sehr gut dabei gestanden habe. Bei Gefahr vertheidigen die Uhueltern ihre Jungen auf das muthvollste und greifen alle Raubthiere und auch die Menschen, welche sich ihnen nahen, heftig an. Außerdem hat man beobachtet, daß die alten Uhus ihre Jungen anderen Horsten zutrugen, nachdem sie gemerkt hatten, daß der erste nicht hinlängliche Sicherheit bot. Eine sehr hübsche Geschichte wird von Wiese mitgetheilt: »Ein Oberförster in Pommern hält schon seit längerer Zeit einen gezähmten Uhu auf dem Hofe in einem dunklen Verschlage. In einem Frühjahre läßt sich nun zur Paarungszeit auf dem Hofe der Oberförsterei, welche inmitten des Kieferwaldes ganz allein liegt, ein wilder Uhu hören. Der Oberförster setzt in den ersten Tagen des April den Uhu, an beiden Fängen gefesselt, aus. Der wilde Uhu, ein Männchen, gesellt sich sehr bald zum zahmen, und was geschieht: er füttert den gefesselten regelmäßig in jeder Nacht, was einmal aus den Ueberbleibseln, aus dem Gewölle ersichtlich und dann dadurch bewiesen ist, daß der Uhu in beinahe vier Wochen vom Eigentümer nicht gefüttert wurde. Nähert man sich bei Tage dem zahmen Uhu, so läßt der wilde in dem gegenüber liegenden Kieferbestande sofort sein ›Uhu‹ oder ›Buhu‹ erschallen und verstummt erst dann, wenn man sich längere Zeit entfernt hat.« Innerhalb vier Wochen lieferte der wilde Uhu drei Hasen, eine Wasserratte, unzählige andere Ratten und Mäuse, eine Elster, zwei Drosseln, einen Wiedehopf, zwei Rebhühner, einen Kiebitz, zwei Wasserhühner und eine Wildente. Wiederholt ist beobachtet worden, daß alte Uhus, deren Junge man wegnahm und in einen Bauer sperrte, diese vollends auffütterten. Graf Wodzicki erfuhr, daß ein junger Uhu, welcher von einem Förster angefesselt worden war, zwei Monate lang von den Eltern ernährt wurde. Als einige Wochen nach dem Anfesseln das frei gebliebene Junge flügge geworden war, half auch dieses den Eltern in der Ernährung seines der Freiheit beraubten Bruders. Einer der Jäger des Grafen Schimmelmann hat viele Jahre lang ein Uhupaar gefangen gehalten und zu Anfange der fünfziger Jahre wiederholt Junge gezüchtet. Die Vögel wurden schon im Spätherbste aus ihrem gewöhnlichen Bauer herausgenommen und in einen geräumigen Verschlag der Scheune gebracht, dessen eine Ecke zum Brutplatze vorgerichtet worden war. In der Regel wurden die Eier bereits um die Weihnachtszeit gelegt. Mein Gewährsmann, für dessen Glaubwürdigkeit ich selbst jede Bürgschaft übernehmen würde, beobachtete sowohl die brütenden Alten wie später die erbrüteten Jungen, welche von ihren Eltern mit größter Liebe bewacht und gegen jeden Eindringling in gewohnter Weise vertheidigt wurden. Dasselbe ist in der Schweiz und in Belgien geschehen. Im Thiergarten zu Karlsruhe legte ein Uhuweibchen sechs Jahre nach einander je vier Eier, begann, sowie das erste gelegt war, mit dem Brüten und blieb fortan, eifrig brütend, auf ihnen sitzen. Neumeier, dem wir diese Mittheilung verdanken, gönnte sich im ersten Jahre den Spaß, ihm statt seiner eigenen vier Eier der Hausente unterzuschieben. Mit gewohntem Eifer brütete es volle achtundzwanzig Tage und hatte das Glück, vier Entchen ausschlüpfen zu sehen; sowie aber diese sich zu rühren begannen, nahm es eines nach dem anderen, um dasselbe zu erwürgen und zu verzehren. Alle Bestrebungen ihm ein Männchen anzupaaren, scheiterten an seiner Unverträglichkeit.

Keine einzige unserer deutschen Eulen wird so allgemein gehaßt wie der Uhu. Fast sämmtliche Tagvögel und sogar einige Eulen necken und foppen ihn, sobald sie seiner ansichtig werden. Die Raubvögel lassen sich, wie schon berichtet, zur größten Unvorsichtigkeit hinreißen, wenn sie einen Uhu erblicken, und die Raben schließen sich ihnen treulich an. Doch dürften, vom Menschen abgesehen, alle diese Gegner kaum gefährlich werden.

In der Gefangenschaft hält der Uhu bei geeigneter Pflege viele Jahre aus. Gewöhnlich zeigt er sich auch gegen den, welcher ihm tagtäglich sein Futter reicht, ebenso ärgerlich und wüthend als gegen jeden anderen, welcher seinem Käfige sich nähert; doch ist es immerhin möglich, sehr jung aus dem Neste genommene Uhus, mit denen man sich viel beschäftigt, zu zähmen. Einen habe ich durch liebevolle Behandlung so weit gebracht, daß ich ihn auf der Hand herumtragen, streicheln, am Schnabel fassen und sonst mit ihm verkehren durfte, ohne mich irgend welcher Mißhandlung auszusetzen. Bei Meves es in Stockholm sah ich einen anderen, welcher sich nicht bloß angreifen und streicheln ließ, sondern auch auf seinen Namen hörte, antwortete und herbeikam, wenn er gerufen wurde, ja sogar freigelassen werden konnte, weil er zwar kleine Ausflüge unternahm, aber doch nie entfloh, sondern regelmäßig aus freien Stücken zu seinem Gebieter zurückkehrte. Mit seinesgleichen lebt der gefangene Uhu, wenn er erwachsen ist, in Frieden; schwächere Vögel fällt er mörderisch an, erwürgt sie und frißt sie dann mit größter Gemüthsruhe auf.


In Indien und den malaiischen Ländern leben die Fischeulen ( Ketupa), welche sich vor allen übrigen durch ihre Gestalt sowohl, als durch ihre Lebensweise auszeichnen. Sie sind Vögel von bedeutender Größe, mit großen Ohrbüscheln, aber verhältnismäßig kleinen Ohröffnungen; der Schnabel ist stark, kräftig, mittelmäßig lang, gerade am Grunde, sodann gleichmäßig gekrümmt, von der Wachshaut an seitlich zusammengedrückt und mit mäßigem Haken übergebogen, der Fuß lang und sehr kräftig, der stark bewehrte Fang unbefiedert, der Flügel so kurz, daß er das Ende des mittellangen Schwanzes nicht erreicht, die vierte Schwinge die längste, das Kleingefieder knapp.

Die Fischeule, »Ulu« der Hindu, »Utum« der Bengalen ( Ketupa ceylonensis, Leschenaultii, Strix ceylonensis, dumeticola, Leschenaultii und Hardwickii, Cultrunguis nigripes und Leschenaultii), steht dem Uhu an Größe wenig nach; ihre Länge beträgt sechzig, die Breite einhundertnndzwanzig, die Fittiglänge zweiundvierzig, die Schwanzlänge einundzwanzig Centimeter.

siehe Bildunterschrift

Fischeule ( Ketupa ceylonensis). 1/5 natürl. Größe.

Das Gefieder ist oben weinröthlich rostfarben; die Federn des Kopfes und Nackens sowie die Ohrbüschel sind der Länge nach dunkelbraun gestreift, die Rücken- und die Flügeldeckfedern braun und falb gemischt, da jede Feder auf blaßbraunem Grunde einen dunkelbraunen Streifen zeigt, welcher durch blasse, wolkige Binden unterbrochen wird, die Schwungfedern braun mit fahlen Bändern, weinröthlich oder gilblich an der Außenfahne, blaß mit Weiß gefleckt an der inneren, die Schwanzfedern braun mit drei oder vier blaßbräunlichen Binden und einem gleich gefärbten Endbande; das Gesicht ist braun mit dunkelbraunen Streifen, das borstige Gefieder weiß und schwarz gemischt, das Kinn weiß, theilweise braun gestrichelt, das übrige Gefieder weinröthlichbraun gefärbt, jede Feder mit einem schmalen, dunkelbraunen Schaftstreif und zahlreichen Querbinden gezeichnet. Das Auge ist orangegelb, das Augenlid purpurbraun, der Schnabel blaß horngelb, der Fuß schmutziggelb.

Die Fischeule findet sich durch ganz Indien und ebenso häufig auf Ceylon, verbreitet sich aber offenbar viel weiter, da man sie ebenso in China wie in Palästina erlegt hat. Auf den malaiischen Inseln wird sie durch eine verwandte Art vertreten. Sie bewohnt hauptsächlich die Baumgruppen und kleineren Gehölze in der Nähe der Dörfer, verbirgt sich wenigstens hier während des Tages, nach anderer Eulen Art dicht am Stamme sitzend, in der Krone irgend eines dichtbelaubten Baumes. Tickell begegnete ihr am häufigsten im dichtesten Dschungel, zwischen wildem Gefelse oder in steilwandigen Thälern, Holdsworth auf alten Bäumen am Ufer stehender Gewässer Ceylons, einen wie alle Tage auf demselben Zweige sitzend. So sehr sie übertages den Schatten sucht, so gern sonnt sie sich zuweilen, und wenn man sie dann aufscheucht, fliegt sie, ohne irgend welche Behinderung durch das Licht zu bekunden, leicht und gerade über das Unterholz dahin und stürzt sich nach einiger Zeit kopfunterst in das Dickicht desselben. Gegen Abend erscheint sie außerhalb ihres Versteckes, um einem Hochsitze, der Spitze eines Hügels oder dem obersten Wipfelzweige eines Baumes, zuzufliegen und von hier aus nach Beute zu spähen. Die javanische Art liebt, nach Bernstein, vorzugsweise die Gruppen dicht bei einander stehender Arengpalmen, deren sich in solchen Fällen vielfach kreuzende Blätterwedel ein Laubdickicht bilden, welches ihr sehr erwünschte Schlupfwinkel darbietet. Die menschlichen Wohnungen selbst, in deren unmittelbarer Nähe sie vorkommt, scheint sie nicht zu bewohnen. Aufgejagt fliegt sie, wie Bernstein berichtet, »meistens auf einen nicht sehr entfernten Baum und mißt von hier mit weit geöffneten Augen ihren Feind. Obschon auch sie ohne Noth ihren Schlupfwinkel nicht vor Beginn der Dämmerung verläßt, scheint sie doch ebensowenig wie ihre Verwandte durch das Tageslicht am Sehen verhindert zu werden. Einige von mir in Gefangenschaft gehaltene wußten wenigstens Eidechsen, Schlangen, Ratten und andere Thiere, welche zufällig in ihren geräumigen und durchaus nicht dunklen Kerker kamen, auch bei Tage sehr geschickt zu fangen.« Außer diesen Thieren sollen sie in der Freiheit, nach der Behauptung der Eingeborenen, auch den Hühnern und anderen Vögeln nachstellen. Jerdon hingegen sagt, daß die Fischeule gewöhnlich ihren Weg nach dem nächsten Gewässer nehme, gleichviel ob es ein Teich, Bach oder Fluß sei. Hier sieht man sie auf einem überhängenden Felsen oder dürren Baume sitzen und den Fischen auflauern. Hodgson beobachtete zuerst, daß sie Fische frißt; Jerdon fand, daß sie Krabben vielleicht noch bevorzugt. Die Eingeborenen versichern, daß sie auch Katzen angreife und tödte. Ihre rauhe und hohle Stimme klingt oft wie haarsträubendes Gelächter, »Ha, hau, hau, ho«, und verfehlt nicht, furchtsamen Hörern, welche sich vielleicht außerdem durch die von der Fischeule bevorzugte Oertlichkeit bedrückt fühlen, Grausen einzuflößen. Besonders zur Paarungszeit hört man sie oft und lebhaft schreien. Ein Horst, welchen Bernstein untersuchte, befand sich »in ziemlicher Höhe im Wipfel eines alten Durengbaumes, an der Stelle, wo ein dicker, mit Moos, Farnen, Orchideen und dergleichen dicht bedeckter Ast sich vom Stamme trennte. In dieses Schmarotzerpolster hatten die Vögel eine Vertiefung gemacht, oder vielleicht auch nur eine schon vorhandene Spalte noch etwas vertieft und vergrößert. Diese Vertiefung bildete das ganze Nest, in dem ohne weitere Unterlage ein mattglänzendes, rein weißes Ei lag, welches, wie in der Regel die Euleneier, eine auffallend kurze, beinahe rundliche Gestalt hat. In einem anderen Neste hat einer meiner Jäger ein schon völlig flügges Junges gefunden, so daß es hiernach scheint, daß diese Eule für gewöhnlich nur ein einziges Ei legt.« Die Fischeule wird von den Singalesen oft in Gefangenschaft gehalten, gelangt daher dann und wann auch in unsere Käfige, zählt hier jedoch stets zu den Seltenheiten.

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Waldohreule ( Otus vulgaris) und Zwergohreule (Scops carniolica). ¼ natürl. Größe.

Unsere Waldohreule ( Otus vulgaris, albicollis, italicus, asio, europaeus, auritus, communis, silvestris, arboreus, gracilis, major, minor, assimilis und verus, Strix otus, Asio otus und italicus, Bubo und Aegolius otus), hier und da auch Ohr-, Horn-, Katzen-, Fuchs-, Kapp-, Uhr- und Ranzeule genannt, ist ein Uhu im kleinen, unterscheidet sich aber von diesem durch schlankeren Leibesbau, längere Flügel, in denen die zweite Schwinge die anderen überragt, kürzere Füße, längere Federohren und durch die sehr ausgebildeten Gehörmuscheln, deshalb auch sehr deutlichen Schleier. In der Färbung hat die Waldeule mit dem Uhu viel Ähnlichkeit; ihr Gefieder ist aber lichter, weil die rostgelbe Grundfarbe weniger von den schwarzen Schaftstrichen und Querstreifen der Federn verdeckt wird, die Oberseite auf trüb rostgelblichem Grunde dunkel graubraun gefleckt, gepunktet, gewellt und gebändert, die lichtere Unterseite mit dunkelbraunen, auf der Brustgegend quer verästelten Längsflecken gezeichnet, die Ohrmuschel an der Spitze und auf der Außenseite schwarz, auf der Innenseite weißlich, der Gesichtskreis graulich rostgelb. Die Schwingen und Schwanzfedern sind gebändert. Der Schnabel ist schwärzlich, das Auge hochgelb. Die Weibchen sind etwas dunkler, die Jungen minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Die Länge beträgt vierunddreißig bis fünfunddreißig, die Breite einundneunzig bis achtundneunzig, die Fittiglänge neunundzwanzig, die Schwanzlänge funfzehn Centimeter.

Vom vierundsechzigsten Grade nördlicher Breite an verbreitet sich die Waldohreule über ganz Europa und ebenso vom Nordrande des Waldgürtels an über Mittelasien, vom Ural bis Japan. Nach Süden hin wird sie seltener, und Nordostafrika, die Kanaren wie Nordwestindien besucht sie wahrscheinlich nur auf dem Zuge, wogegen sie noch auf Madeira Brutvogel sein dürfte. Genaueres anzugeben ist aus dem Grunde erläßlich, als sie innerhalb der angegebenen Grenzen geeigneten Ortes überall vorkommt. Sie verdient ihren Namen; denn sie findet sich regelmäßig nur im Walde. Nachts kommt sie zwar bis in die Nähe der Ortschaften heran, und während ihrer Strichzeit nimmt sie übertages wohl auch in einem dicht bestandenen Obstgarten oder selbst auf freiem Felde Herberge; dies aber sind Ausnahmen. Ob sie den Nadel- oder ob sie den Laubwald bevorzuge, ist schwer zu sagen: man findet sie ebenso häufig hier wie dort.

In ihrer Lebensweise und ihrem Betragen unterscheidet sich die Waldeule nicht unwesentlich von dem Uhu. Bei Tage benimmt sie sich allerdings ganz ähnlich wie dieser, fliegt auch ungefähr zu derselben Zeit und ungefähr in gleicher Weise zur Jagd aus; aber sie ist weit geselliger und viel weniger wüthend als ihr großer Verwandter, auch selten scheu. Wenn sie bei Tage aufgebäumt hat, läßt sie sich, ohne an Flucht zu denken, unterlaufen; ja, es ist mir vorgekommen, daß ich sie erst durch Schütteln am Baume zum Aufstiegen habe bewegen können. Nur während der Brutzeit hält sie sich paarweise; sobald ihre Jungen erwachsen sind, schlägt sie sich mit anderen ihrer Art in Flüge zusammen, welche zuweilen recht zahlreich werden können. Gegen den Herbst hin streichen diese Gesellschaften im Lande auf und nieder, und man trifft sie dann an passenden Orten zuweilen sehr häufig an. Ich habe Trupps von einigen zwanzig und mehr gesehen, welche beinahe auf einem und demselben Baume Platz genommen hatten. Noch zahlreichere Gesellschaften scharen sich weiter nach Süden hin, beispielsweise in Oesterreich und Ungarn. »Auf den Ackerfeldern Niederösterreichs«, so schreibt mir Erzherzog Rudolf von Oesterreich, »begegnete ich zuweilen während der Hasenjagd im November ganzen Zügen von Waldohreulen, welche mitten in den Feldern unbeweglich wie Pflöcke zwischen den Erdschollen standen und erst in nächster Nähe der Schützen langsamen Fluges ein wenig weiterzogen, um sich dann von neuem niederzulassen, zuletzt aber, nachdem sie einige Male aufgescheucht worden waren, in immer größeren Kreisen zu merklicher Höhe sich emporschraubten und über die Schützenlinie hinweg nach ihrem ersten Standplatze zurückflogen. In Ungarn traf ich um dieselbe Zeit ebensowohl in niederen Föhrengehölzen als auch in lichten Laubwäldern äußerst zahlreiche Schwärme dieser Art an. Sie streichen selbstverständlich nicht wie ein Volk Rebhühner oder wie ein Zug Staare, dicht gedrängt neben einander, dahin, sondern bekunden ihre Zusammengehörigkeit nur dadurch, daß sie sich auf einem verhältnismäßig kleinen Raume immer wieder zusammenfinden. In einem Föhrenwalde, welcher einsam zwischen Feldern und Sandhaufen liegt, erscheinen bei Treibjagden zuerst regelmäßig fünf bis sechs dieser Eulen an der Schützenlinie; im letzten Treiben aber, welches durch ein auffallend dichtes Föhrengehölz geht, kommen oft zwischen vierzig bis fünfzig Waldohreulen an die Schützenlinie gestrichen, im Anfange des Treibens nur einzeln, gegen Ende in ununterbrochener Reihenfolge, doch nicht alle an einer Stelle, sondern gleichmäßig auf der ganzen Linie vertheilt. Merkwürdig erschien mir das sozusagen rudelweise Auftreten der Waldohreule in den lichten Eichenbeständen eines großen Forstes in der Nähe von Gödöllö. Hier sah ich während der Pürsche auf Hochwild öfters gerade diese Eulen in erheblicher Anzahl, eine neben der anderen aufrecht stehend. Meist waren etwa dreißig bis vierzig Bäume von Ohreulen dicht besetzt. Neugierig mich betrachtend, ließen sie mich gewöhnlich bis auf wenige Schritte heran kommen, bevor sie von ihren Standplätzen abstrichen. Wenn aber die erste von ihnen sich aufgeschreckt erhob, flogen in kleinen Zwischenräumen alle, jedoch nach verschiedenen Richtungen, weg. Gleichwohl gelang es mir gewöhnlich, in einer Entfernung von beiläufig einigen hundert Schritten die ganze Schar wieder versammelt zu finden. Auch in jungen Laubholzdickungen von kaum mehr als Manneshöhe begegnete ich häufig solchen Wanderflügen, niemals aber vor Ende November und nicht länger als bis zur Mitte des Winters.«

Für mich unterliegt es keinem Zweifel, daß es nicht allein die Geselligkeit, sondern auch die in einer bestimmten Gegend reichlich zu findende Nahrung ist, welche die Waldohreule zu so zahlreichen Scharen gesellt. Auch an Brutplätzen tritt sie, je nach den Mäusejahren, bald in größerer Anzahl, bald nur paarweise auf. Ihre Jagd gilt hauptsächlich kleinen Säugethieren, und zwar in erster Reihe den Wald- und Ackermäusen sowie den Spitzmäusen. Ein täppisches Vögelchen wird nicht verschont und ein krankes oder ermattetes Rebhuhn unter Umständen ebenfalls mitgenommen: diese Uebergriffe aber sind kaum der Erwähnung werth. Walter bezweifelt, daß sie Spitzmäuse frißt, weil eine von ihm gepflegte Waldohreule solche zwar aufnahm, sie aber sogleich fortwarf, wenn sie dieselben mit der Zunge berührt hatte; demungeachtet ist an der Thatsache nicht zu zweifeln, da Altum Spitzmausreste in ihren Gewöllen gefunden hat. Den Mäusen stellt sie hauptsächlich am Rande oder auf Blößen der Waldungen nach, läßt sich aber wohl auch dann und wann zu weiteren Ausflügen auf die benachbarten Felder verleiten.

Wenn man die Waldohreule bei Tage im dichtesten Schatten des Waldes hart an den Stamm gelehnt, auf einem Aste sitzen sieht, hoch aufgerichtet wie ein stehender Mann, alle Federn knapp an den Leib gelegt und beide oder nur ein einziges Auge ein wenig geöffnet, um blinzelnd auf den verdächtigen Eindringling herab zu schauen, und sodann durch Beobachtung erfährt, daß sie immer erst nach Eintritt der Dämmerung auf ihre Jagd auszieht, ist man allerdings geneigt zu glauben, daß sie das Tageslicht scheue, beziehentlich durch die Sonne geblendet und am richtigen Sehen verhindert werde. Eine solche Auffassung entspricht der Thatsächlichkeit aber keineswegs. So lichtscheu sie sich geberdet, so sehr bedarf sie des Sonnenscheins: sie geht zu Grunde, wenn man ihr in der Gefangenschaft die Sonne gänzlich entzieht. »Sobald nachmittags die Sonnenstrahlen ihren Käfig treffen«, schreibt mir Walter, »blickt sie mit weitgeöffneten Augen, gehobenem Kopfe, die Brust herausgekehrt und der Sonne zugewendet, gerade in das Tagesgestirn und breitet Flügel und Schwanz, um ja allen Theilen die Wohlthat der Sonnenwärme zu verschaffen. War mehrere Tage nach einander trübes Wetter und die Sonne verhüllt, dann springt sie herab in den Sand und hockt in derselben Stellung wie sonst lange Zeit auf der früher beschienenen Stelle. Ergötzlich war es anzusehen, wie diese Eule beim Anzünden des Weihnachtsbaumes von ihrer Sitzstange herab in den Sand sprang und dort in gleicher Weise sich niederhockte, regungslos verharrend, den Kopf unbeweglich in die Schultern zurückgelegt und das volle Gesicht dem strahlenden Baume zugekehrt. Sie hielt den ungewöhnlich starken Lichterglanz offenbar für Sonnenschein. Wenn ich abends arbeite, steht meine Lampe hart am Käfige der Eule, und sie rückt dann gewöhnlich so dicht an die Sprossen, daß zwischen ihr und der Flamme kaum fünfzehn Centimeter Zwischenraum bleibt. Auf dieser Stelle verweilt sie oft stundenlang. Wie trefflich sie bei Tage sieht, erfuhr ich bei folgender Gelegenheit: An einem Mittage um ein Uhr, als die Sonne bei mir durchs Fenster schien, bemerkte ich, daß die Ohreule sehr scharf zu einem Punkte an der Decke senkrecht über mir aufblickte und durch Drehen des Kopfes ihre Theilnahme für diesen Punkt ausdrückte. Der Richtung folgend, sah ich von meinem Platze aus über mir eine Spinne, kleiner als eine Fliege, an der Decke sitzen. Da die Eule bald gleichgültig nach einer anderen Richtung hinblickte, bald aber wieder mit der regsten Aufmerksamkeit jene Spinne betrachtete, stieg ich auf einen Stuhl, um letztere zu beobachten, und bemerkte nun, daß diese, ohne ihre Lage zu verändern, bald mit den Beinen am Gewebe arbeitete, bald wieder unthätig in ihrem Netze saß. Ruhte sie bei ihrer Arbeit, so wandte die Eule sich gleichgültig ab; begann sie zu haspeln, ohne den Körper dabei zu verrücken, dann beobachtete sie die Eule auf das schärfste. Obgleich ich sehr gut sehe, war es mir doch unmöglich, die Bewegungen der Spinne von meinem Sitzplatze aus zu erkennen, wogegen die Eule trotz des viel weiteren Abstandes alle Bewegungen auf das genaueste wahrnahm. Ich glaube daher, daß das Schließen der Augen weniger deshalb geschieht, um das Sonnenlicht abzuwehren, als vielmehr, um sich den Anschein zu geben, als beachte sie ein gefährliches Wesen nicht im geringsten.«

Alte verlassene Nester einer Krähe, einer Ringeltaube, der Bau eines Eichhörnchens oder der Horst eines Tagraubvogels müssen der Waldeule zur Wiege der Jungen dienen. An eine Aufbesserung des vorgefundenen Nestes denkt sie nicht. Sie legt im März ihre vier runden weißen Eier ohne jegliche Vorbereitung auf den Boden des vorgefundenen Nestes und bebrütet sie drei Wochen lang sehr eifrig, währenddem sie sich vom Männchen atzen läßt. Dieses hat vorher seiner Liebesbegeisterung durch lautes Geschrei, den Silben »Huihui« und »Wump« vergleichbar, oder durch klatschendes Schlagen mit den Flügeln Ausdruck gegeben und hält sich, so lange das Weibchen brütet, in nächster Nähe desselben auf, hält treue Wacht und wird laut, sobald ein Feind dem Horste sich nähert. »Ich habe«, sagt mein Vater, »öfter seinen Muth bewundert, wenn es mit lautem »Wau, wau« die Annäherung einer Gefahr verkündete und nicht selten mit augenscheinlicher Todesverachtung den Feind umflog. Wenn ich die Weibchen geschossen hatte, waren die Männchen mit allem Eifer bemüht, die fehlende Mutter zu ersetzen und wurden dann fast immer mit leichter Mühe von mir erlegt, wogegen sie sich vorher gewöhnlich außer Schußweite gehalten hatten.« Die Jungen bedürfen viele Nahrung, kreischen und pfeifen fortwährend, als ob ihr Hunger niemals gestillt würde, und treiben die zärtlichen Eltern zu ununterbrochener Mäusejagd an. Leider verrathen sie sich böswilligen oder dummen Menschen durch ihr Schreien nur zu oft und finden dann häufig ein schmähliches Ende. Hebt man sie aus dem Horste, wenn sie noch mit Wollflaum bedeckt sind, und gibt sich dann viel mit ihnen ab, so werden sie nach kurzer Pflege ungemein zahm und ergötzen ihren Herrn und Gebieter weidlich.«

Auch die Waldohreule ist dem gesammten Tagesgeflügel sehr verhaßt und wird geneckt und gefoppt, sobald sie sich sehen läßt. Der verständige Mensch läßt sie unbehelligt und thut sehr wohl daran, weil jeder Schutz, welchen man ihr gewährt, dem Walde zu gute kommt; der unverständige Bubenjäger dagegen schießt sie vom Baume herab, wenn er ihrer ansichtig wird, nagelt sie zum Merkmale seiner Thorheit mit ausgebreiteten Flügeln an das Hofthor und rühmt sich auch wohl noch seiner Heldenthat. Ihm möge gesagt sein, daß die Waldohreule nützt, so lange sie lebt. Ihr Nahrungsbedarf ist zwar gering; aber sie kann, gleichviel ob sie hungrig ist oder nicht, eine Maus nicht erblicken, ohne sich auf sie zu stürzen, fängt daher mehr Mäuse, als sie verzehrt. Günstigen Falles trägt sie letztere ins Versteck und holt sie gelegentlich aus ihm hervor, wenn sie im Jagen unglücklich war. Nur bei sehr großem Hunger frißt sie eine geschlagene Maus sofort, nachdem sie dieselbe getödtet; in der Regel reißt sie ihr den Kopf ab und trägt das übrige, wenn auch nur für kurze Zeit, einem Versteckplatze zu. Hat aber ein Paar Junge, dann schleppt es so viele Mäuse heran, als es irgendwie kann, belegt mit ihnen, nachdem auch die Jungen gesättigt sind, den ganzen Horst und leistet so für ihre Größe erstaunliches.

 

Die Sumpfeule, Moor-, Rohr-, Bruch-, Wiesen-, Schnepfen-, Brand- oder Kohleule ( Otus brachyotus, palustris, microcephalus und agrarius, Strix brachyotus, arctica, palustris, tripennis, caspia, brachyura und sandwichensis, Stryx accipitrina und aegolius, Noctua minor, Asio ulula, brachyotus, accipitrinus und sandvicensis, Brachyotus palustris, aegolius, agrarius, leucopsis und Cassinii, Ulula und Aegolius brachyotus) ähnelt der Waldeule so, daß sie oft mit ihr verwechselt worden ist. Ihr Kopf ist jedoch kleiner oder scheint es wenigstens zu sein; die kurzen Federohren bestehen nur aus zwei bis vier Federn; die Flügel sind verhältnismäßig lang und reichen weit über den Schwanz hinaus. Die Grundfärbung ist ein angenehmes Blaßgelb, der Schleier weißlichgrau, die Kopf- und Rumpffedern sind mit schwarzen Schaftstrichen gezeichnet, welche bis zur Brust herabreichen, auf dem Bauche aber sich verschmälern und verlängern, die Flügeldecken an der Außenseite gelb, an der Innenseite und an der Spitze aber schwarz, die Schwingen und Schwanzfedern graubraun gebändert. Das Auge ist nicht dunkel-, sondern lichtgelb, der Schnabel hornschwarz. Junge Vögel sind dunkler als die alten. Die Länge beträgt sechsunddreißig, die Breite ungefähr achtundneunzig, die Fittiglänge achtundzwanzig, die Schwanzlänge funfzehn Centimeter.

Die Sumpfeule, ursprünglich Bewohnerin der Tundra, ist im buchstäblichen Sinne des Wortes Weltbürgerin. Genöthigt, allherbstlich von jener aus eine Wanderung anzutreten, besucht sie zunächst alle drei nördlichen Erdtheile, durchstreift bei dieser Gelegenheit ganz Europa und Asien, fliegt von hier wie dort aus nach Afrika und wahrscheinlich von Asien her nach den Sandwichsinseln hinüber und durchwandert ebenso Amerika vom hohen Norden an bis gegen die Südspitze hin. Zwar hat man sie innerhalb dieser Grenzen noch nicht überall, beispielsweise weder in Australien noch in Südafrika beobachtet; es läßt sich jedoch kaum annehmen, daß sie hier fehlen wird. Burmeister beobachtete eine dieser Eulen auf hohem Meere westlich von der Insel des Grünen Vorgebirges; ich traf sie in den Steppen am oberen Nile an; Jerdon erwähnt, daß sie in Indien allwinterlich in großer Anzahl einwandert, und verschiedene Beobachter geben an, daß sie in den Ländern der Südspitze Amerikas im Oktober einzieht und im März wieder verschwindet.

siehe Bildunterschrift

Sumpfeule ( Otus brachyotus). 1/3 natürl. Größe.

In der Tundra treibt man dann und wann eine Sumpfeule auch bei Tage auf; gewöhnlich aber bemerkt man sie nicht vor Beginn der Nachtstunden. Zwar scheut sie sich auch bei Tage nicht umherzufliegen, thut es jedoch nur ausnahmsweise, wogegen sie in den Abend- und Nachtstunden regelrecht ihrer Jagd obliegt. Entsprechend der im Hochsommer wenig geminderten Helligkeit der Nordlandsnacht, jagt sie anders als die meisten Eulen, in viel bedeutenderer Höhe über dem Boden nämlich, fast nach Art unseres Bussards, nur daß sie mehr und auch in anderer Weise als dieser zu rütteln pflegt. Sie fliegt mit weit ausholenden Flügelschlägen und behält auch beim Rütteln diese Art der Bewegung bei, eilt zuweilen in überraschend schnellem, fast gaukelndem Fluge eine Strecke weiter, stellt sich wiederum rüttelnd fest, untersucht dabei das unter ihr liegende Jagdgebiet auf das genaueste und stürzt sich in mehreren Absätzen bodenabwärts, um einen Lemming, ihr gewöhnliches Jagdwild, zu erbeuten. Bei uns zu Lande pflegt sie um die Mitte des September sich einzustellen und bis gegen Ende Oktober hin durchzuwandern, im März aber langsam zurückzukehren. Während ihrer Reise nimmt sie zwar auf allen nicht oder wenig bewaldeten Ebenen Herberge, bevorzugt aber doch sumpfige Gegenden, hält sich bei Tage zwischen Gras und Schilf verborgen am Boden auf, drückt sich bei Gefahr wie ein Huhn auf die Erde, läßt den Feind dicht an sich herankommen, fliegt aber noch zur rechten Zeit empor und dann sanft, schwankend, niedrig und ziemlich langsam, weihenartig, dahin, obwohl sie unter Umständen auch zu großen Höhen emporsteigt. Hier treibt sie vor allem Mäusejagd und vergreift sich wohl nur ausnahmsweise an größeren Thieren, obwohl sie selbstverständlich kleine ungeschickte Vögel nicht verschmäht und ebenso Maulwürfe wegnimmt, während diese Erde aufstoßen, oder an einem noch schwachen Hasen und Kaninchen sich vergreift. Im Nothfalle begnügt sie sich mit Kerbthieren oder Fröschen.

Nicht immer kehrt die Sumpfeule nach ihrer hochnordischen Heimat zurück, läßt sich im Gegentheile durch besonders reichliche Nahrung zuweilen bestimmen, ihren sommerlichen Aufenthalt auch in Gegenden zu nehmen, welche außerhalb ihres Verbreitungsgebietes liegen. Wenn beispielsweise in Skandinavien der Lemming auf den südlichen Fjelds zahlreich auftritt, wie es, laut Collett, im Jahre 1872 der Fall war, verfehlt sie nicht, dort sich einzustellen und dann auch zu brüten. Ebenso geschieht es bei uns zu Lande, wenn wir durch Mäusepest heimgesucht werden. In dem mäusereichen Jahre 1857 brüteten, laut Blasius und Baldamus, in den Brüchen zwischen dem Elb- und Saalezusammenflusse nicht weniger als ungefähr zweihundert Paare unserer Eule; Altum traf im Jahre 1872 in der Garbe bei Wittenberge die Sumpfeulen in mehreren Paaren brütend an; ich endlich erfuhr, daß sie in manchen Jahren im Spreewalde während des Sommers recht häufig auftritt. Der Horst steht regelmäßig auf dem Boden, möglichst versteckt zwischen Gräsern, ist ein höchst unordentlicher Bau und enthält im Mai sechs bis zehn reinweiße Eier von vierzig bis siebenundvierzig Millimeter Längs- und vierundzwanzig bis sechsundzwanzig Millimeter Querdurchmesser, welche sich von denen der Waldohreule nur durch die schlanke Eiform, die im ganzen geringere Größe, die feinere und glattere Schale und die kleineren und weniger tiefen Poren unterscheiden. Ob beide Geschlechter brüten oder ob nur das Weibchen die Eier zeitigt, vermag ich nicht zu sagen; wohl aber wissen wir, daß auch die Sumpfeule am Horste außerordentlich kühn und angriffslustig ist. Jeder sich nahende Raubvogel wird von einem Gatten des Paares, wahrscheinlich vom Männchen, gleichviel ob bei Tage oder bei Nacht, wüthend angegriffen und ebenso wie jede Krähe in die Flucht geschlagen; denn es scheint fast, als ob auch ein größerer Falke durch das Erscheinen der Eule sich förmlich verblüffen lasse. Dem Menschen, welcher die Brut rauben will, ergeht es nicht anders: einer meiner Bekannten im Spreewalde wurde bei solcher Gelegenheit so ernstlich bedroht, daß er sich kräftig vertheidigen mußte, um Gesicht und Augen vor dem kühn herabstoßenden Vogel zu schützen.

Obschon die Sumpfeule zuweilen Uebergriffe sich erlauben mag, muß man sie doch als einen höchst nützlichen Vogel betrachten und sollte sich über ihr Erscheinen freuen, anstatt sie zu befehden. Es mag sein, daß die ungewohnte Erscheinung manchen Jäger veranlaßt, den ihm unbekannten Raubvogel aus der Luft herabzuschießen, bloß, um sich seiner zu vergewissern; im allgemeinen aber gilt diese Entschuldigung für den Massenmord des nützlichen Vogels nicht. Mußte doch Schacht erfahren, daß einzelne Jäger beim Erscheinen der Sumpfeule förmlich Jagd auf sie abhalten, mit Hunden sie auftreiben, sie wie Federwild aus der Luft herabschießen und hinterdrein ihrer Heldenthat sich rühmen.

In der Gefangenschaft sieht man auch die Sumpfeule dann und wann, selbstverständlich immer seltener als die Ohreule. Ich habe sie wiederholt gepflegt, in ihrem Betragen aber irgendwie bemerkenswerthe Eigentümlichkeiten nicht zu erkennen vermocht.


Ein schlanker Leib mit ziemlich großem Kopfe und stark gekrümmtem Schnabel, langen Flügeln, in denen die zweite Schwinge die übrigen überragt, kurzem, schwach abgerundetem Schwanze und hohen, dünn befiederten, nacktzehigen Füßen sowie verhältnismäßig glatt anliegendes, buntfarbiges Gefieder, dicke, kurze Federohren und ein wenig bemerklicher Schleier, welcher den kleinen Ohröffnungen entspricht, kennzeichnen die Zwerge unserer Familie ( Scops), welche ihrer geringen Größe wegen Zwergohreulen genannt werden.

Die Zwergohreule, Posseneule, Ohrkauz, Waldteufelchen etc. ( Scops carniolica, zorca, giu, ephialtes, asio, Aldrovandi, minuta, europaea, senegalensis, vera, minor, rupestris, rufescens, pygmaea, und longipennis, Strix scops, giu, zorca, carniolica und pulchella, Ephialtes scops und zorca, Asio und Bubo scops, Bild S. 90), ist funfzehn bis achtzehn Centimeter lang und sechsundvierzig bis einundfunfzig Centimeter breit; die Fittiglänge beträgt vierzehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter. Auf der Oberseite herrscht ein durch Aschgrau gedämpftes Rothbraun vor, welches schwärzlich gewässert und längsgestreift, auf dem Flügel aber weiß und in der Schultergegend röthlich geschuppt ist; die Färbung der ganzen Unterseite mag als ein verworrenes Gemisch von Braunrostgelb und Grauweiß bezeichnet werden. Der Schleier ist undeutlich, die Federohren sind mittellang. Der Schnabel ist blaugrau, der Fuß dunkel bleigrau, das Auge hell schwefelgelb. Männchen und Weibchen lassen sich kaum unterscheiden; die Jungen sind etwas trüber gefärbt und minder bunt gezeichnet als die Alten.

Erst von Süddeutschland an nach Mittag hin ist die Zwergohreule eine gewöhnliche Erscheinung; nach Nord- und Mitteldeutschland oder Großbritannien verirrt sie sich nur. Horstend trifft man sie einzeln am Rheine und in dem Alpengebiete, namentlich in Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol und Kroatien, öfter aber schon in Südfrankreich und häufig in ganz Südeuropa; außerdem kommt sie in Mittelasien, nach Osten hin bis Turkestan, mehr oder weniger regelmäßig vor. In Europa ist sie Zugvogel, welcher ziemlich früh im Jahre, in den letzten Tagen des März oder in den ersten des April erscheint, aber auch ziemlich bald, im September, spätestens Anfang Oktober wieder wegwandert und seine Reisen bis in das tiefste Innere von Afrika ausdehnt. Ich habe sie in den oberen Nilländern niemals paarweise, wohl aber in zahlreichen Gesellschaften gefunden, welche unzweifelhaft auf dem Zuge begriffen waren.

In Spanien hält sich die Zwergohreule in ebenen, mit einzelnen Bäumen bestandenen Gegenden auf, namentlich in Feldern und Weinbergen, Gärten und Spaziergängen. Ob sie im eigentlichen Walde vorkommt, vermag ich nicht zu sagen; gefunden habe ich sie hier nie. Sie scheut sich nicht vor dem Menschen, sondern siedelt sich unmittelbar in dessen Nachbarschaft an, bewohnt zum Beispiel recht häufig die Bäume des belebtesten Spazierganges in Madrid. Aber es ist doch nicht leicht, sie aufzufinden. Auch sie hält sich bei Tage ganz ruhig, dicht an einen Baumstamm gedrückt oder auch unter Weinlaub verborgen, niedrig über dem Boden sitzend, und schmiegt sich trotz ihrer bunten Zeichnung so innig der Rindenfärbung an oder verliert sich so vollständig in dem Gelaube, daß nur der Zufall sie in Sicht bringt. Erst nach Sonnenuntergang sieht man sie in gewandtem, mehr falken- als eulenartigem Fluge jagend niedrig über dem Boden. Die Stimme, welche ich auffallenderweise nie vernommen habe, ist ein weithin tönender Laut, von welchem die italienischen Volksnamen des Vogels, »Chiu«, »Ciu« und »Cioui«, Klangbilder sind. Junge Zwergohreulen wispern in eigenthümlicher Weise.

Im Verhältnisse zu ihrer geringen Größe ist die Zwergohreule ein tüchtiger Räuber. Ihre Jagd gilt vorzugsweise kleinen Wirbelthieren, nicht aber Kerfen, wie man geneigt ist, zu glauben. In dem Magen der getödteten fand ich hauptsächlich Mäuse; meine gefangenen aber fielen mörderisch auch kleine Vögel an, und eine von ihnen, welche ich frei im Zimmer herumfliegen ließ, fing mit großer Gewandtheit und Geschicklichkeit vor meinen Augen eine Fledermaus, welche durch die offene Thüre hereingekommen war, und erwürgte sie im Umsehen.

Die Niststätte befindet sich, nach Versicherung aller Spanier, welche mir Auskunft geben konnten, in Baumhöhlungen und enthält frühestens gegen Ende des Mai kleine, rundliche, weiße Eier, deren Längsdurchmesser einunddreißig, und deren Querdurchmesser sechsundzwanzig Millimeter beträgt. In den ersten Tagen des Juli erhielten wir ein noch blindes Junges, wenige Tage später deren drei, welche von uns mit Sorgfalt gepflegt und nach kurzer Gefangenschaft ungemein zahm wurden. Sie ließen sich von uns nicht bloß berühren, sondern auch, ohne wegzufliegen, auf dem Finger im Zimmer umhertragen, nahmen uns vorgehaltene Speise aus der Hand und ergötzten uns durch ihr munteres, possenhaftes Wesen aufs höchste. Das ingrimmige Fauchen vernahm ich nie, ein schwaches Schnabelknacken nur im Anfange der Gefangenschaft. Nach und nach aber wurden die Thierchen selbständig, und eins nach dem anderen entwischte, sorgsamer Beaufsichtigung ungeachtet. Von einer jung aufgezogenen Zwergohreule schreibt mir mein Bruder, daß sie der liebste Gespiele seines Kindes sei. Bei Tage sitzen gefangene Eulen dieser Art in den verschiedensten Stellungen auf passenden Stellen in ihrem Gebauer, die eine mit glatt anliegendem Gefieder, die andere zu einem Federballen aufgedunsen. Diese legt das eine Federohr nach hinten, während sie das andere erhebt, jene richtet beide auf und blinzelt dabei unendlich komisch nach dem Beschauer, welcher dicht an sie herantreten kann, ohne daß sie sich rührt. Im Käfige sucht sich jede ein Plätzchen aus und weiß sich so vortrefflich zu verstecken, daß man oft lange suchen muß, ehe man sie auffindet. Ihr Gefieder verschmilzt förmlich mit der Umgebung: es ist mir wiederholt begegnet, daß ich die eine dicht vor mir hatte, ohne sie zu sehen. Die Haltung verursacht keine Schwierigkeit. Ich zweifle nicht, daß es gelingen wird, von gefangenen Zwergohreulen Junge zu erzielen. Zwei meiner Pfleglinge hatten sich gepaart und drei Eier gelegt. Das Weibchen brütete eifrig, starb aber leider, ehe die Eier gezeitigt waren.


Nachtkäuze ( Syrniinae) nennt man alle Eulen mit großem runden Kopfe ohne Federohren, aber einer außergewöhnlich großen Ohröffnung und ihr entsprechenden deutlichen Schleier. Der Schnabel ist verhältnismäßig lang, der Fuß hoch oder niedrig, dicht oder schwach befiedert, der Flügel gewöhnlich abgerundet, der Schwanz kurz oder lang, gerade abgeschnitten oder gerundet.

 

Die in Deutschland geeigneten Ortes überall vorkommende Art der Sippe ist der Wald- oder Baumkauz, Fuchs-, Nacht- und Brandkauz, Busch-, Stock-, Baum-, Weiden-, Maus-, Huhn-, Pausch-, Grab-, Geier-, Zisch-, Knarr-, Knapp-, Kirr-, Heul- und Fuchseule, Waldäufl, Kieder, Nachtrapp etc. ( Syrnium aluco, stridulum, aedium und ululans, Strix aluco, stridula, sylvatica, alba und rufa, Ulula aluco). Der Kopf ist. außergewöhnlich groß, die Ohröffnung aber minder ausgedehnt als bei anderen Arten der Familie, der Hals dick, der Leib gedrungen, der große, zahnlose Schnabel stark und sehr gekrümmt, der kräftige, dicht befiederte, kurzzehige Fuß mittellang, im Flügel die vierte Schwinge über die übrigen verlängert, der Schwanz kurz. Die Grundfärbung des Gefieders ist entweder ein tiefes Grau oder ein lichtes Rostbraun, der Rücken, wie gewöhnlich, dunkler gefärbt als die Unterseite, der Flügel durch regelmäßig gestellte lichte Flecken gezeichnet. Bei der roströthlichen Abart ist jede Feder an der Wurzel aschgraugilblich, gegen die Spitze hin sehr licht rostbraun, dunkel gespitzt und der Länge nach dunkelbraun gestreift, der Flügel dunkelbraun und röthlich gebändert und gewässert, der Schwanz, mit Ausnahme der mittelsten Federn, braun gebändert; Nacken, Ohrgegend und Gesicht sind aschgrau. Der Schnabel ist bleigrau, das Auge tief dunkelbraun, der Lidrand fleischroth. Die Länge beträgt vierzig bis achtundvierzig, die Breite etwa hundert, die Fittiglänge neunundzwanzig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter.

Das Verbreitungsgebiet des Waldkauzes erstreckt sich vom siebenundsechzigsten Grade nördlicher Breite bis Palästina. Am häufigsten tritt er in der Mitte, seltener im Osten, Süden und Westen Europas auf. In Italien, zumal im Westen und in der Mitte des Landes, ist er noch häufig, in Griechenland wie in Spanien eine höchst vereinzelte Erscheinung; in Sibirien fehlt er, soweit bis jetzt bekannt, gänzlich; in Palästina, beispielsweise auf den Cedern des Libanon, begegnete ihm Tristram regelmäßig. In Deutschland bewohnt er vorzugsweise Waldungen, aber auch Gebäude. Während des Sommers sitzt er, dicht an den Stamm gedrückt, in laubigen Baumwipfeln; im Winter verbirgt er sich lieber in Baumhöhlungen, meidet daher Waldungen mit jungen und höhlenlosen Bäumen. An einem hohen Baume, welcher sich für ihn passend erweist, hält er mit solcher Zähigkeit fest, daß man ihn, laut Altum, bei jedem Spaziergange durch Anklopfen hervorscheuchen kann; ja einzelne derartige Bäume werden so sehr von ihm bevorzugt, daß, wenn der Inwohner geschossen wird, nach einiger Zeit jedesmal wieder ein anderer Waldkauz dasselbe Versteck als Wohnung sich ausersieht. Solche Eulenbäume stehen sowohl im Walde selbst als am Rande desselben, auch auf Oertlichkeiten an viel befahrenen Landwegen.

siehe Bildunterschrift

Waldkauz ( Syrnium aluco). 1/4 natürl. Größe.

Bestimmend für seinen Aufenthalt ist außerdem größerer oder geringerer Reichthum an entsprechender Beute. Wo es Mäuse gibt, siedelt sich der Waldkauz sicherlich an, falls die Umstände einigermaßen solches gestatten; wo Mäuse spärlich auftreten, wohnt er entweder gar nicht, oder wandert er aus. Vor dem Menschen scheut er sich nicht, nimmt daher selbst in bewohnten Gebäuden Herberge, und wenn ein Paar einmal solchen Wohnsitz erkoren, findet das Beispiel sicherlich Nachahmung. Dann sieht man ihn des Nachts auf Dachfirsten, Schornsteinen, Gartenmauern und anderen Warten sitzen und von ihnen aus sein Jagdgebiet überschauen.

Der Waldkauz, dem Anscheine nach einer der lichtscheuesten Vögel, welche wir kennen, weiß sich jedoch auch am hellen Mittage so vortrefflich zu benehmen, daß man die vorgefaßte Meinung ändert, sobald man ihn genauer kennen gelernt hat. »Ich habe ihn«, sagt mein Vater, »mehrmals bei Tage in den Dickichten gesehen; er flog aber allemal so bald auf und so geschickt durch die Bäume, daß ich ihn nie habe erlegen können.« Die Possenhaftigkeit der kleinen Eulen und Tagkäuze fehlt ihm gänzlich; jede seiner Bewegungen ist plump und langsam; der Flug, welcher unter starker Bewegung der Schwingen geschieht, zwar leicht, aber schwankend und keineswegs schnell; die Stimme, ein starkes, weit im Walde widerhallendes »Huhuhu«, welches zuweilen so oft wiederholt wird, daß es einem heulenden Gelächter ähnelt, außerdem ein kreischendes »Rai« oder wohltönendes »Kuwitt«. Daß er seinen Antheil an der »wilden Jagd« hat, unterliegt wohl keinem Zweifel, und derjenige, welchem es ergeht, wie einstmals Schacht, wird schwören können, daß ihn der wilde Jäger selbst angegriffen habe. »Einst«, so erzählt der eben genannte, »jagte mir ein Waldkauz durch sein Erscheinen nicht geringen Schrecken ein. Es war im Januar abends, als ich mich, ruhig mit der Flinte im Schnee auf dem Anstande stehend, urplötzlich von den weichen Flügelschlägen wie von Geistererscheinungen umfächelt fühlte. In demselben Augenblicke geschah es aber auch, daß ein großer Vogel auf meinen etwas tief über das Gesicht gezogenen Hut flog und daselbst Platz nahm. Es war der große Waldkauz, welcher sich das Haupt eines Menschenkindes zur Sitzstelle gewählt, um sich von hier aus einmal nach Beute umschauen zu können. Ich stand wie eine Bildsäule und fühlte es deutlich, wie der nächtliche Unhold mehrere Male seine Stellung veränderte und erst abzog, als ich versuchte, ihn für diese absonderliche Zuneigung an den Fängen zu ergreifen.«

Der Waldkauz frißt fast ausschließlich Mäuse. Naumann beobachtete allerdings, daß einer dieser Vögel nachts einen Bussard angriff, so daß dieser sein Heil in der Flucht suchen mußte, erfuhr ferner, daß ein anderer Waldkauz vor den Augen seines Vaters einen Seidenschwanz aus der Schlinge holte, und wir wissen endlich, daß die jungen Tauben in Schlägen, welche er dann und wann besucht, ebensowenig als die auf der Erde schlafenden oder brütenden Vögel verschont werden: Mäuse aber, und zwar hauptsächlich Feld-, Wald- und Spitzmäuse, bleiben doch die Hauptnahrung. Martin fand in dem Magen eines von ihm untersuchten Waldkauzes fünfundsiebzig große Raupen des Kieferschwärmers. »Eines Abends«, erzählt Altum, »befand ich mich an der Wienburg, eine kleine halbe Stunde von Münster. Das einstöckige Haus ist theilweise umgeben von Gärten, freien Plätzen und Nebengebäuden. Auf dem Hausboden befand sich das Nest des Waldkauzes mit Jungen. Der westliche Himmel war noch hell erleuchtet von den Strahlen der untergegangenen Sonne, als sich ein alter Kauz auf der Firste des Daches zeigte. Unmittelbar darauf nimmt der zweite auf dem Schornsteine Platz. Sie sitzen unbeweglich; doch der Kopf wendet sich ruckweise bald hierhin, bald dorthin. Plötzlich streicht der eine ab, überfliegt den breiten Hausboden und läßt sich jenseits am Rande des Gehölzes fast senkrecht zu Boden fallen, um sofort mit seiner Beute, einer langschwänzigen Maus, also wohl Waldmaus, zurückzufliegen. Kaum ist er mit derselben unter dem Dache verschwunden, so streicht auch der zweite ab und kommt mit Beute beladen sofort zurück. Von da ab aber waren sie derart mit ihrer Jagd beschäftigt, daß im Durchschnitte kaum zwei Minuten zwischen dem Herbeitragen zweier kleinen Säugethiere verstrichen. Häufig hatten sie kaum ihre Warte eingenommen, so machten sie auch schon wieder einen erneuerten Jagdflug, und ich habe auch nie gesehen, daß sie auch nur ein einziges Mal vergeblich gejagt hätten. Endlich setzte die zunehmende Dunkelheit der Beobachtung ein Ziel.« Eigenthümlich für den Waldkauz ist, wie Liebe hervorhebt, und auch ich beobachtet habe, daß er immer eine bestimmte Stelle, beziehentlich einen bestimmten Baum aufsucht, um Gewölle auszuspeien. Am häufigsten liegen diese in der Nähe von weit in den Wald reichenden und in das freie Feld mündenden Wiesengründen, welche der Vogel des Nachts vorzugsweise aufsucht; man findet sie aber auch mitten in jungem Stangenholze, weit ab von jeder freien Stelle, und ebenso, wie ich hinzufügen will, unter einzelnen, weit vom Walde entfernten Waldbäumen. Wahrscheinlich wirft der Waldkauz das Gewölle besonders des Nachts aus, wenn er von der Jagd auf kurze Zeit an einem ihm besonders zusagenden, ungestörten Plätzchen ausruht.

Um die Zeit, wenn im Frühjahre die Waldschnepfen streichen, um die Mitte des März also, hört man, wie Naumann sagt, im Walde »das heulende Hohngelächter« unseres Waldkauzes erschallen. Der Wald wird um diese Zeit laut und lebendig, da der Kauz selbst am Tage seine Erregung bekundet. Je nach dem Stande der Witterung und der Nahrung beginnt das Paar mit seinem Brutgeschäfte früher oder später, in den Rheinlanden zuweilen schon im Februar, in Mitteldeutschland meist im März, bei einigermaßen ungünstiger Witterung hier und selbst in Ungarn aber auch erst im April und sogar im Anfang des Mai. Eine Baumhöhle, welche dem brütenden Vogel leichten Zugang gewährt und ihn vor Regen schützt, wird zur Ablegung der Eier bevorzugt, eine passende Stelle im Gemäuer oder unter Dächern bewohnter Gebäude oder ein Raubvogelhorst, Krähen- oder Elsternest jedoch ebensowenig verschmäht. Im Neste selbst findet man zuweilen etwas Genist, Haare, Wolle und dergleichen, jedoch nur die Unterlage, welche auch der Vogel vorfand. Die zwei bis drei Eier sind rundlich, länglich oder eiförmig, rauhschalig und von Farbe weiß. Das Weibchen scheint allein zu brüten, und zwar, wie Päßler meint, sofort, nachdem es das erste Ei gelegt hat. Das Männchen hilft bei Auffütterung der Jungen, gegen welche beide Alten die größte Liebe an den Tag legen. Sobald die Jungen ihre volle Selbständigkeit erlangt haben, beginnen sie in der Gegend umherzustreichen, und wenn diese gerade arm an Mäusen ist, ziehen alle fort, wie man, laut Liebe, am sichersten an den Gewöllplätzen beobachten kann, indem man nach dem Wegzuge der Jungen auf allen alten Plätzen dieser Art frisches Gewölle, auf den neu angelegten hingegen keine mehr sieht.

Keine andere Eule hat von dem Kleingeflügel mehr zu leiden als der Waldkauz. Was Flügel hat, umflattert den aufgefundenen Unhold, was singen oder schreien kann, läßt seine Stimme vernehmen. Singdrossel und Amsel, Grasmücke, Laubvögel, Finke, Braunnelle, Goldhähnchen und wer sonst noch im Walde lebt und fliegt, umschwirrt den Lichtfeind, bald jammernd klagend, bald höhnend singend, bis dieser endlich sich aufmacht und weiter fliegt.

Gefangene können sehr zahm werden. Nach Liebe's Erfahrung eignet sich der Waldkauz unter allen Eulenarten am besten für die Aufzucht. Er scheut das Licht so wenig, daß er sich um Mittag ein warmes, sonnenbeschienenes Plätzchen auswählt und hier unter allerhand erheiternden Geberden die Sonne durch die gesträubten Federn hindurch auf die Haut scheinen läßt. Die Gesellschaft des Menschen erhält ihn den ganzen Tag über munter, zumal wenn man sich Mühe gibt, mit ihm zu spielen, wofür er wenigstens in seinen ersten Lebensjahren ersichtlich dankbar ist. Hat man ihn jung aus dem Neste gehoben und ihn beim Aufziehen alltäglich zweimal auf der Faust gekröpft, so daß er das Futter mit dem Schnabel aus der Hand nehmen muß, so gewöhnt er sich bald derartig an den Gebieter, daß er ihm alle Liebkosungen erweist, welche er sonst unter Blinzeln, Gesichterschneiden und leisem Piepen nur seinesgleichen zu theil werden läßt. Liebe hat Käuze soweit gezähmt, daß sie auf seinen Ruf herbei flogen, sich auf die Faust setzten und mit dem krummen Schnabel seinen Kopf krauten. »Vermöge der kleinen Muskeln, welche an den Federwurzeln angebracht sind«, schreibt mir der eben genannte, treffliche Beobachter, »haben die meisten Vögel ein Mienenspiel, welches sich am stärksten in der aufregenden Zeit der Paarung zeigt. Einige bringen es zu einer Fertigkeit, welche man geradezu Gesichterschneiden nennen muß. In hohem Grade ist auch der Gesichtsausdruck der Eule je nach den verschiedenen Gemüthsstimmungen veränderlich, und der Waldkauz kann das Gesicht in so außergewöhnliche Falten legen, daß man es kaum wieder erkennt. Bei schlechter Laune macht er dadurch, daß er die oberen Gesichtsfedern nach oben, die unteren nach unten streift und die Federn über den Augen zurückzieht, ein wirklich verdrießliches Gesicht, dessen Bedeutung auch dem Nichtkenner keinen Augenblick verborgen bleibt. Ist er zärtlich gestimmt, so gibt er durch Richtung der mittleren und seitlichen Gesichtsfedern nach vorn seinem Antlitze einen Ausdruck, welcher nach seiner Meinung zärtlich sein soll, durch das zugleich eintretende Blinzeln mit Augenlid oder Nickhaut jedoch etwas überaus komisches erhält. Mit seinesgleichen verträgt sich auch der gefangene Waldkauz vortrefflich, und zumal Geschwister, welche man gleichzeitig aufgezogen hat, gerathen auch dann nicht in Streit mit einander, wenn zwei gleichzeitig eine Maus ergriffen haben. Zwar zerren sie dann unter eigenthümlich zirpendem Geschrei die streitige Beute hin und her, bis sie endlich dem einen zufällt, mißhandeln sich dabei aber nicht mit Bissen oder Fanghieben. Ihre Verträglichkeit gipfelt in den Liebkosungen, welche sie sich gegenseitig gewähren, indem sie mit dem Schnabel sanft im Nacken oder hinter den Ohren des anderen krauen.« Ganz ähnliche Beobachtungen habe ich an meinen Pfleglingen gewonnen. Einmal hielt ich ihrer sieben in einem und demselben Käfige. Hier lebten sie zwei Jahre im tiefsten Frieden, und auch unter ihnen machte sich, obgleich ich mir keinerlei Mühe mit ihrer Versittlichung gegeben hatte, Futterneid nicht bemerklich. Wenn der eine fraß, schauten die anderen zwar aufmerksam, aber sehr ruhig zu und eigentliche Kämpfe um die Nahrung kamen niemals vor. Anders benahmen sie sich einem Todten oder Kranken ihrer Art gegenüber. Ersterer wurde ohne Bedenken aufgefressen, letzterer grausam erwürgt. Ein Paar meiner Pfleglinge legte vier Eier und bebrütete sie lange Zeit unter Mithülfe von zwei seiner Käfiggenossen.

 

Außer vorstehend beschriebener Art beherbergt Europa noch zwei Nachtkäuze, welche unserem Buche nicht fehlen dürfen, weil beide in Deutschland erlegt wurden, der eine von ihnen sogar als Brutvogel vermuthet werden kann.

Diese Art ist die Habichtseule, Uraleule oder Habergeis ( Syrnium uralense und macrocephalum, Strix uralensis, liturata, macrura und macrocephala, Ptynx uralensis und liturata, Ulula liturata, Surnia, Noctua und Scotiaptex uralensis), einer der größten aller Käuze. Die Länge beträgt fünfundsechzig bis achtundsechzig, die Breite etwa einhundertundzwanzig, die Fittiglänge vierzig, die Schwanzlänge zweiunddreißig Centimeter. Von der Grundfärbung, einem düsteren Grauweiß, heben sich auf der Oberseite dunkelbraune Längsstreifen ab, indem alle Federn in der Mitte braune, nach unten sich verbreiternde, durch die schwarzbraunen Schaftstriche noch gehobene Längsflecken zeigen. Letztere sind schmäler in der Schultergegend, ausgedehnter auf den Flügeldecken, und auf den größten derselben leichter braun gesperbert, die braunweiß gespitzten Schwingen dagegen durch lichtbraune, außen graulichweiße Fleckenquerbänder gezeichnet, die Oberschwanzdecken blaßbraun, unregelmäßig grau gefleckt und gesperbert, die Schwanzfedern düsterbraun, durch sechs durchgehende, breite, bräunlichgraue Binden geziert. Das von dem Schleier umrahmte Gesicht zeigt auf graulichweißem Grunde äußerst feine, schwärzliche, vom Auge aus speichenartig verlaufende Striche; der Schleier wird durch weiße, an der äußersten Spitze schwarze Federn hergestellt und erscheint deshalb weiß und schwarz gefleckt. Die Unterseite ist auf gelblichweißem Grunde durch schmale braune Schaftflecke längsgezeichnet, die Befiederung der Füße endlich gleichmäßig schmutzigweiß. Zwischen Männchen und Weibchen waltet kein bemerkenswerther Unterschied ob; dagegen kommen dunkle, bald hell-, bald schwarzbraune Spielarten vor, und die sibirischen Vögel pflegen merklich lichter gefärbt zu sein. Das verhältnismäßig große Auge ist tief dunkelbraun, das Augenlid dunkel kirschroth, der Schnabel wachsgelb.

Pallas entdeckte die Habichtseule im Ural; spätere Forscher fanden sie in beinahe ganz Osteuropa und ebenso in Mittelasien, vom Ural bis zum Stillen Weltmeere. In Deutschland ist sie wiederholt, am vierten April des Jahres 1878 im Reviere Kranichbruch in Ostpreußen sogar mit starkem Brutflecke, also wahrscheinlich am Nistplatze, erlegt worden. Da sie erwiesenermaßen in allen Kronländern Oesterreich-Ungarns, unseren Grenzen zunächst im Böhmerwalde und auf den Karpathen als Brutvogel lebt, außerdem aber in Polen und Rußland mehr oder minder regelmäßig gefunden wird, kann die letztere Angabe nicht befremden, umsomehr, als in Ostpreußen allwinterlich Habichtseulen erlegt oder doch gesehen werden. Wahrscheinlich tritt sie überhaupt nicht so selten auf, als man bisher annehmen zu müssen glaubte, mag vielmehr in den ausgedehnten Forsten unweit der angegebenen Grenzen unseres Vaterlandes entweder still und verborgen ihr Wesen treiben oder mit dem Waldkauze verwechselt und somit verkannt werden. In Oesterreich, Ungarn, Polen, Rußland, Finnland ist sie geeigneten Ortes nicht allzu selten, auch in Siebenbürgen eine so regelmäßige Erscheinung, daß kundige Jäger sie recht oft im Walde treffen.

siehe Bildunterschrift

Habichtseule ( Syrnium uralense). 1/5 natürl. Größe.

Entsprechend der geringen Kenntnis unserer Eule läßt sich ein erschöpfendes Lebensbild gegenwärtig noch nicht zeichnen. Man weiß, daß sie ebensowohl auf Felsen als in alten, hochstämmigen Waldungen ihren Wohnsitz nimmt und hier, trotz ihrer großen und weittönenden Stimme, ein ziemlich verstecktes Leben führt, im Spätherbste jedoch öfter in den Ebenen, entweder in kleinen Gehölzen oder sogar im freien Felde, beobachtet wird; es ist ferner bekannt, daß sie auch bei Tage vortrefflich sieht und im Gegensatze zu dem verwandten Waldkauze um diese Zeit zuweilen ihrer Jagd obliegt; man hat ebenso erfahren, daß sie gegen Störung höchst empfindlich ist und, wenn sie Gefahr vermuthet, sofort ihren Stand verläßt; eine Beobachtung endlich, welche von dem Bruder Naumanns herrührt, läßt glauben, daß sie an Kühnheit den Tageulen kaum nachsteht. Letztere Eigenschaft bewies diejenige, welche der eben genannte im Jahre 1819 in Anhalt fliegen sah, in auffallender Weise. Sie verfolgte anfänglich einen Mäusebussard und stieß unablässig nach ihm, bis beide im Walde sich verloren. Bald darauf sah sie der Beobachter vom Walde aus wieder aufs freie Feld streichen und einen Fischreiher anfallen. Letzterer suchte unter kläglichem Geschrei sein Heil in der Flucht, wehrte aber ihre heftigen, schnell wiederholten Stöße mit dem Schnabel glücklich ab. Sie stieß stets in einer Höhe von etwa drei Metern in schiefer Richtung nach dem Reiher herab und trieb ihn so wohl eine Viertelstunde weit weg. Ihr Benehmen glich in gewisser Beziehung dem des Bussards, mit welchem sie auch darin übereinstimmt, daß sie rauschend fliegt und mitunter schwebt. Der Kampf zwischen ihr und dem Reiher fand statt, als eben die Sonne untergegangen war. Beide Kämpfer verloren sich endlich in weiter Ferne; aber noch lange nachher konnte der Beobachter die krächzenden Töne des Reihers vernehmen. Hieraus läßt sich schließen, daß die Habichtseule ihre Jagd nicht auf Mäuse und andere kleine Nagethiere beschränken dürfte, vielmehr auch auf größere Säugethiere und Vögel, als da sind Hasen, Kaninchen, Birk- und Schneehühner, ausdehnen wird.

An ihren Brutplätzen, zerklüfteten Felswänden oder hochgelegenen Buchenwaldungen, findet sie sich, laut Tschusi, welcher sich um Feststellung ihres Vorkommens in Oesterreich sehr verdient gemacht hat, spätestens im April ein. Die Liebe erregt auch sie und man vernimmt jetzt ihren weithin hörbaren Ruf, welcher von einzelnen mit dem Meckern einer Ziege verglichen wird und ihr den Namen »Habergeis« eingetragen hat, nach anderen, namentlich Wodzicki, dagegen ein lautes Heulen und zwar ein Gemisch des Geschreies vom Uhu und Waldkauz, welches dann und wann an das Rucksen der Ringeltaube erinnert. Der letztgenannte Forscher fand im Frühjahre zwei Nester, das eine zwei längliche, weiße Eier, das andere zwei mit grauen Dunen bekleidete Junge enthaltend. Als einer der Waldheger des Grafen die Jungen tief in einer Baumhöhle liegend entdeckte, begann er unten am Stamme mit der Axt einzuschlagen, um die Jungen herauszunehmen, ging, bevor dies geschah, einige Schritte zurück und wurde sofort von einem kleinen ihn begleitenden Hunde abgelöst. Da stürzte sich eine der Habichtseulen auf den Hund herab, packte denselben und trug ihn bis zur halben Baumeshöhe, etwa sechs Meter hoch, empor, würde ihn auch unzweifelhaft fortgetragen haben, hätte der Jäger sie nicht daran verhindert.

In Gefangenschaft habe ich die Habichtseule nur einmal, und zwar im Berliner Thiergarten gesehen, an den beiden hier vertretenen Vögeln aber irgendwie bemerkenswerthe Beobachtungen nicht gemacht. Nordmann, welcher sie selbst gepflegt hat, bemerkt, daß sie in Gefangenschaft ebenso erheiternde Stellungen wie die Zwergeule annimmt, die hingereichte Nahrung immer mit einem heftigen Sprunge ergreift und in allen Bewegungen größere Thatkraft zeigt als eine gleichzeitig in Gefangenschaft sich befindende Schneeeule.

 

Die zweite an dieser Stelle noch zu erwähnende Art ist der Bartkauz, Kleinaug- und Lapplandskauz, die Bart- oder Lapplandseule ( Syrnium barbatum, lapponicum, cinereum und microphthalmum, Strix lapponica, barbata, fuliginosa, microphthalmus, Ulula lupponica, cinerea und barbata, Bild S. 69), eine der größten aller Eulen. Die Länge beträgt siebzig, die Breite einhundertundvierzig Centimeter, die Fittiglänge achtundvierzig und die Schwanzlänge achtundzwanzig Centimeter. Aehnlich gebaut wie unser Waldkauz, jedoch schlanker und verhältnismäßig langschwänziger, zeichnet sie sich durch reiche Befiederung und großen, kreisrunden Schleier mit regelmäßiger Zeichnung besonders aus. Die vorherrschende Färbung des Gefieders der Oberseite ist ein düsteres Graubraun, jede Feder durch dunkelbraune, zackige Schaftflecke und weißliche, gerade oder wurmförmig gebogene Binden gesperbert, die der Unterseite ein mehr oder minder lichtes, leicht röthlich überhauchtes Grau, welches in der Kropfgegend durch dunkelgraue Längs-, an den Brustseiten und auf den Füßen aber durch schmale Querflecken gezeichnet wird. Der Schleier, welcher aus zerschlissenen, weißgrauen, hin und wieder rostgelb angeflogenen und schwärzlich gebänderten Federn besteht, zeigt auf weißgrauem Grunde acht bis zehn sehr regelmäßig um einander verlaufende, das Auge umgebende mattschwarze Kreise, die Kehlgegend einen einfarbig schwarzen Fleck in Gestalt eines Kinnbartes, welcher durch etwas Weiß an beiden Seiten noch mehr hervorgehoben wird; die Handschwingen sind auf dunkelbraunem Grunde weißlichbraun quergebändert, auf der Innenfahne bräunlich verwaschen und außerdem mit feinen zickzack- oder wurmförmigen Streifen gezeichnet, die Armschwingen in ähnlicher Weise geziert, die Schwanzfedern graulichbraun, gegen die Spitze hin dunkler und von fünf unbestimmten, lichteren Bändern durchzogen. Das verhältnismäßig kleine Auge hat glühend hochgelbe Iris und rothbräunliche Lider; der Schnabel ist wachsgelb. Junge Vögel ähneln den Alten.

Das Verbreitungsgebiet des Bartkauzes erstreckt sich über den hohen Norden der Alten Welt, insbesondere über Lappland, Finnland, Nordrußland und Sibirien bis zum Ochotskischen Meere, nicht aber auch, wie früher angegeben, über den Norden Amerikas; wenigstens wird der hier vorkommende, mit dem Bartkauze oft verwechselte Graukauz ( Syrnium cinereum) neuerdings von ihm bestimmt unterschieden. In Deutschland hat man den, wie es scheint, überall seltenen Vogel bisher nur in Ostpreußen und Schlesien erlegt. Im südlichen Skandinavien tritt er öfter auf; in Lappland, Finnland und Nordrußland sowie endlich in ganz Nordsibirien ist er Brutvogel.

Ueber die Lebensweise mangeln Beobachtungen; fast alle Angaben, welche sich in den einschläglichen Werken befinden, beziehen sich auf die nordamerikanischen Verwandten. Nur Wallengren, Nilsson, Loewenhjelm und Wolley geben dürftige Berichte. In Skandinavien folgt auch der Bartkauz dem Zuge der Lemminge und streift dann nicht allzu selten bis zur Mitte des Landes nach Süden herab, tritt auch in einzelnen Jahren, entsprechend dem Gedeihen seines Lieblingswildes, häufiger oder seltener auf. Wie er lebt, wie er jagt, wie er sich anderen Thieren gegenüber verhält, ist unbekannt. Einer wurde, laut Lundborg, in Dalekarlien unter eigenthümlichen Umständen erlegt. Er fiel einen Arbeiter an, welcher mit Graben auf einem größeren Torfmoore beschäftigt war, und versuchte, ihn im Rücken zu treffen. Der Mann befreite sich von ihm, der Kauz aber blieb still in der Nähe sitzen, und jener ging nach Hause, um ein Gewehr zu holen. Zurückgekehrt, fehlte er das erste Mal, ging wiederum nach Hause, um aufs neue zu laden und erlegte dann den hartnäckigen Vogel mit dem zweiten Schusse. Die Eule war eine weibliche und sehr mager, also wohl auch überaus hungrig, wodurch sich vielleicht das auffallende Benehmen erklärt. Ein Horst wurde von Ullenius anfangs Juni in Lappmarken gefunden und das brütende Weibchen bei dieser Gelegenheit erlegt. Der Horst stand in einem Kieferwalde auf einem drei Meter hohen Baumstumpfe, in welchem sich durch Ausfaulen eine Höhlung gebildet hatte. Ein weißes Ei von der Größe des Uhu-Eies lag im Neste, ein anderes unbeschädigtes unter demselben am Fuße des Nistbaumes. Andere Horste fand Wolley, und zwar entweder auf hohen Bäumen oder in Baumhöhlen. Sie enthielten drei und vier, nach Verhältnis der scheinbaren Größe des Vogels außerordentlich kleine, den des Uhus und der Schneeeule an Größe merklich nachstehende Eier. Wir selbst sahen auf unserer Reise nach Sibirien am unteren Ob zwei gefangene Bartkäuze im Besitze einiger Ostjaken, welche die Vögel ihrer Angabe nach aus einem frei auf einem Baume stehenden flachen Horste in einem benachbarten Weidenbestande gefunden hatten und ihre Pfleglinge mit Fischen ernährten. Diese Vögel erinnerten mich in jeder Beziehung an unseren Baumkauz, hatten, abgesehen von ihren gelben Augen, denselben gutmüthigen Ausdruck, waren auch ebenso sanft und zahm, bewegten und geberdeten sich genau in derselben Weise wie dieser. Eingehende Beobachtungen konnte ich zu meinem Bedauern nicht anstellen, da beide für die Sammlung bestimmt und nach kurzer Frist getödtet wurden.


Dem munteren Steinkauz zum Verwechseln ähnlich ist ein zweiter Nachtkauz, welcher in Deutschland überall, jedoch nirgends häufig gefunden worden ist, der Rauchfußkauz ( Nyctale Tengmalmi, dasypus, Richardsoni, Baedeckeri, Kirtlandi, albifrons, pinetorum, abietum, planiceps, frontalis und minor, Strix Tengmalmi, albifrons, dasypus und frontalis, Ulula funerea, Athene, Noctua und Syrnium Tengmalmi, Bild S. 80). Ihn kennzeichnen der sehr breite Kopf mit außerordentlich großen Ohröffnungen und vollkommenem Schleier, die abgerundeten Flügel, der ziemlich lange Schwanz, die kurzen, ungemein dichten und lang befiederten Füße und das weiche, seidenartige Gefieder. Der Schleier ist weißgrau, schwarz getuscht, der Oberkörper mäusegrau, durch große weißliche Flecken gezeichnet, der Unterkörper weiß mit deutlichen und vertuschten mäusebraunen Querflecken; die Schwung- und Schwanzfedern sind mäusegrau mit weißen unterbrochenen Binden, von denen fünf bis sechs auf den Steuerfedern stehen. Der Schnabel ist horngelb, das Auge lebhaft goldgelb. Junge Vögel sind einfarbig kaffeebraun, auf den Flügeln und dem Schwanze weißlich gefleckt. Die Länge beträgt dreiundzwanzig bis fünfundzwanzig, die Breite sechsundfunfzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter.

Nord- und Mitteleuropa, Nordwestasien und Nordamerika, vom Sklavensee bis zur Nordgrenze der Vereinigten Staaten, bilden, soweit bis jetzt bekannt, das Verbreitungsgebiet des Rauchfußkauzes; da man ihn jedoch außerdem in Nepal gefunden hat, läßt sich annehmen, daß er in Asien viel weiter verbreitet ist, als bisher festgestellt werden konnte, und wahrscheinlich in allen größeren Waldungen zwischen Mitteleuropa und Nordamerika auftritt. In Deutschland lebt er in jedem größeren Gebirgswalde, wird aber niemals häufig bemerkt und gehört deshalb in den Sammlungen immer zu den Seltenheiten. Soviel man bis jetzt erfahren hat, verläßt auch er den Wald nur ausnahmsweise. Eine geeignete Baumhöhlung wird zum Mittelpunkte seines Gebietes, und das Paar hält an ihm mit großer Zähigkeit fest.

»Er ist«, sagt mein Vater, »ein einsamer, furchtsamer, licht- und menschenscheuer Vogel, welcher sich am Tage sorgfältig verbirgt. Gegen das Tageslicht ist er sehr empfindlich. Ich hatte ein Weibchen, welches im Winter ermattet im Walde gefunden wurde, einige Zeit lebendig. Dieses suchte immer die dunkelsten Orte im Zimmer und öffnete auch hier die Augen nur wenig. Brachte man es in das volle Tageslicht, dann schloß es die Augen fast ganz und hüpfte, sobald man es frei ließ, sogleich wieder seinem Schlupfwinkel schwerfällig zu. Es knackte mit dem Schnabel wie andere Eulen, war aber sehr wenig wild und ungestüm. Ein Freund von mir hielt einen rauchfüßigen Kauz längere Zeit lebendig, welcher nach seiner Erzählung ein allerliebstes Thier war. Er wurde bald zahm, knackte aber doch mit dem Schnabel, wenn man ihn neckte, sträubte dabei seine Federn und hob die Flügel etwas; doch drückte er sich bei weitem nicht so nieder wie der Uhu. Kleine Mäuse verschluckte er ganz, jedoch ungern am Tage; größere zerstückelte er, fraß aber das Fell mit und spie es in Klumpen nebst den darin eingewickelten Knochen wieder aus. Mit zwei Mäusen hatte er den Tag hinlänglich genug. Er saß, wie der meinige, meist mit etwas eingezogenen Fußwurzeln und locker anliegenden Federn.«

Ein Paar, welches in einem düsteren Waldgrunde genistet hatte, konnte mein Vater in der Freiheit beobachten. »Sobald es dämmerig wurde«, erzählt er, »begannen die Jungen zu schreien. Näherte man sich ihnen, dann schwiegen sie und regten sich nicht eher wieder, als bis alles lange ruhig geblieben war, und sie also keine Gefahr mehr fürchteten. Sobald sie wieder zu schreien anfingen, wurde eines herabgeschossen; es hatte ziemlich tief unten am Stamme auf einem dürren Aste gesessen. Sogleich kam das alte Weibchen herbeigeflogen und bewog durch sein klägliches Geschrei die übrigen zur Flucht. Jetzt waren sie lange Zeit still; endlich ertönte ihr langgezogenes ›Piep‹ von neuem. Es wurde sich wieder angeschlichen, und ein zweiter Schuß tödtete ein anderes Junges. Nun hatten wir ein Paar; aber ein drittes zu erlegen, war unmöglich: denn auf den zweiten Schuß waren sie weit weggeflogen und schwiegen so lange, daß die Finsternis der Nacht völlig einbrach und alles weitere Verfolgen und Jagen unnütz machte. Sehr merkwürdig war das Betragen des alten Weibchens. Dieses drückte sich, sobald es Gefahr bemerkte, mit dem ganzen Unterkörper auf einen Ast, so daß es selten zu sehen und nie zu schießen war, weil der Ast es hinlänglich gegen den Schuß deckte. Dabei gab es klägliche Töne von sich, die wie ›Wi, wi, wi, wi‹ klangen und dem fernen Wimmern eines Menschen sehr ähnlich waren. Wir besuchten mehrere Abende nach einander jene Stelle, um die übrigen Jungen oder das alte Weibchen zu schießen; aber alles Nachsuchens ungeachtet konnten wir die Jungen nicht wieder auffinden und haben auch seitdem keinen Alten in jener Gegend mehr angetroffen.«

Später war mein Vater so glücklich, einen gefangenen Rauchfußkauz mehrere Jahre am Leben zu erhalten. Dieser Vogel gewöhnte sich bald an die Menschen, brachte aber, als er noch in der Stube war, fast den ganzen Tag in dem dunkelsten Winkel des Zimmers zu und kam nur abends hervor. Dann hüpfte und flatterte er in seinem Raume umher und war äußerst munter. Er fraß anfangs nur des Nachts; als er aber später bloß bei Tage gefüttert wurde, gewöhnte er sich an die ihm früher so verhaßte Helligkeit und suchte zuletzt seinen dunklen Käfig gar nicht mehr auf. Er nahm meinem Vater die ihm vorgehaltene Nahrung aus der Hand, und zwar regelmäßig mit den Fängen, selten mit dem Schnabel, trug die Beute in einen Winkel und bedeckte sie mit sich selbst, indem er alle Federn sträubte. Auch er trank nur wenig, badete sich aber oft, bei warmer Witterung fast täglich. Bei strenger Kälte fror er und setzte sich dann gern auf den Boden mit angezogenen Füßen, in der Absicht, diese zu erwärmen. Seine Stimme, welche wie ein schwaches Hundegebell »Wa, wa, wa« klang, wurde hauptsächlich in der Morgen- und Abenddämmerung vernommen.

Der Rauchfußkauz brütet ebenfalls in Baumhöhlungen und legt im April oder Mai drei bis vier Eier, welche zartschaliger und kleiner als die des ungefähr gleich großen Steinkauzes sind.

Mäuse bilden auch des Rauchfußkauzes liebstes Wild; nebenbei fängt er Spitzmäuse und Kerbthiere, gelegentlich auch kleine Vögel oder Fledermäuse. Daß er die letzteren nicht aus ihren Löchern hervorzieht, wie Naumann glaubt, sondern im Fluge fängt, dürfte durch meine an der Zwergohreule gemachten Beobachtungen erwiesen sein.

Richardson sagt, der Rauchfußkauz werde so durch das Licht geblendet, daß man ihn mit der Hand wegnehmen könne, und Gadamer versichert, daß man einem, welchen man bei Tage aufgefunden, vermittels eines Stockes leicht eine Schleife über den Kopf ziehen könne. Ich will unentschieden lassen, inwiefern diese Angaben buchstäblich zu nehmen sind; so viel steht fest, daß es gar nicht so leicht hält, Rauchfußkäuze zu erlangen. Nicht einmal Tellereisen oder Leimruthen vor der Nistöffnung führen regelmäßig zum Ziele. Mit dem Gewehre freilich erlegt man den Vogel leichter, wenn man so glücklich war, ihn zu sehen. Außer dem Menschen mögen ihm wohl nur wenig Thiere gefährlich werden, Wiesel und andere Nestplünderer vielleicht den jungen und größere Eulen möglicherweise den alten Vögeln. Das kleine Geflügel haßt und neckt auch ihn.


Eine der ausgezeichnetsten Sippen der Familie umfaßt die Schleierkäuze ( Strix), welche ihres eigenartigen Baues halber wohl auch als Urbilder einer besonderen Unterfamilie ( Striginae) aufgefaßt werden. Sie sind gestreckt gebaute Eulen mit großem, breitem Kopfe, sehr großen Flügeln, mittellangem Schwanze, hohen Beinen und seidenweichem, mehr oder minder farbenprächtigem Gefieder. Der Schnabel ist etwas gestreckt, an der Wurzel gerade, nur nach der Spitze zu hakenförmig gekrümmt, an der Spitze des Unterkiefers leicht ausgekerbt. Das Auge ist verhältnismäßig klein und gewölbter als bei anderen Eulen, die Ohrmuschel aber, dem sehr ausgebildeten Schleier entsprechend, ungemein groß. Der Schleier selbst unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem anderer Eulen, daß er nicht rund, sondern herzförmig gestaltet ist. Im Flügel ist die erste Schwinge ebenso lang wie die zweite und nur wenig kürzer als die dritte und längste. Die schwachen und hohen Läufe sind spärlich befiedert, im untersten Drittel nur mit feinen Borstenfedern bekleidet, auf den Zehen fast nackt, die Krallen lang, dünn und spitzig.

siehe Bildunterschrift

Schleierkauz ( Strix flammea). 1/3 natürl. Größe.

Unser Schleierkauz oder die Schleier-, Perl-, Gold-, Feuer-, Flammen-, Perrücken-, Herz-, Thurm-, Kirchen-, Klag-, Schläfer- und Schnarcheule ( Strix flammea, alba, guttata, adspersa, margaritata, vulgaris, obscura, splendens, paradoxa, maculata, Kirchhoffii, pratincola und Aluco, Hybris, Ulula, Eustrinx und Stridula flammea) wird in anderen Erdtheilen, zumal in Asien und Amerika, durch ihm so nahe stehende Verwandte vertreten, daß einzelne Vogelkundige geneigt sind, alle Schleierkäuze der Erde als Glieder einer Art aufzufassen. Bei dem in Deutschland hausenden Vogel ist der Oberkörper auf dunkel aschgrauem, an den Seiten des Hinterkopfes und Nackens auf rothgelblichem Grunde durch äußerst kleine schwarze und weiße Längsflecke gezeichnet, das Oberflügeldeckgefieder tief aschfarben, heller gewässert und mit schwarzen und weißen Längsspritzfleckchen geziert, die Unterseite auf dunkel rostgelbem Grunde braun und weiß gefleckt, der Schleier rostfarben oder rostfarben in der oberen Hälfte, rostfarbigweiß in der unteren. Die Schwingen sind rostfarbig, auf der Innenfahne weißlich, drei- bis viermal dunkler gebändert und auf der Außenfahne dunkel gefleckt; die rostgelben Schwanzfedern zeigen drei bis vier schwärzliche Schwanzbinden und ein tief aschgraues, weißlich gewässertes breites Spitzenband. Das Auge ist dunkelbraun; Schnabel und Wachshaut sind röthlichweiß, die Füße, soweit sie nackt, schmutzig blaugrau. Das Weibchen zeigt regelmäßig eine etwas düsterere Färbung als das Männchen. Die Länge beträgt zweiunddreißig, die Breite neunzig, die Fittiglänge achtundzwanzig, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.

Kirchthürme, Schlösser, alte Gebäude und Ritterburgen sind auch bei uns zu Lande und im übrigen Europa die bevorzugten, wenn nicht ausschließlichen, Felsen und Baumhöhlen die ursprünglichen Aufenthaltsorte des über ganz Mittel- und Südeuropa, Kleinasien und Nordafrika verbreiteten Schleierkauzes. Vom hohen Norden unseres Erdtheils an wird man ihn nur in größeren Gebirgswaldungen vermissen; ebenso meidet er das Hochgebirge über dem Pflanzengürtel. Er ist ein Standvogel im eigentlichen Sinne des Wortes, welcher nicht einmal streicht. Da, wo wir heute Schleierkäuze finden, sind sie seit Menschengedenken bemerkt worden. Nur die jüngeren Vögel lassen sich zuweilen außerhalb des Jagdgebietes der Alten sehen; denn sie müssen sich erst einen festen Wohnsitz erwerben, und diesem Zwecke gelten ihre größeren Ausflüge. Uebertages sitzen sie ruhig in dem dunklen Winkel der betreffenden Gebäude, auf dem Gebälke der Thürme oder Kirchboden, in Mauernischen, in Taubenschlägen und an ähnlichen Orten. Läuten der Glocken in unmittelbarer Nähe ihres Schlafplatzes, Aus- und Einschwärmen der Tauben eines Schlages, in dem sie sich angesiedelt haben, stört sie nicht im geringsten; sie haben sich an den Menschen und sein Treiben ebenso gut gewöhnt wie an das Gelärm der Tauben, mit denen sie in bester Freundschaft verkehren. Wenn sie sitzen, haben sie mit anderen Eulen Ähnlichkeit, fallen aber doch durch ihre schlanke, hohe Gestalt und namentlich durch das unbeschreibliche, herzförmige Gesicht, welches die wunderbarsten Verzerrungen ermöglicht, jedermann auf. Durch Beobachtung an gefangenen wissen wir zur Genüge, daß ihr Schlaf ein sehr leiser ist. Es gelingt dem Menschen niemals, sie zu übertölpeln; denn das geringste Geräusch ist hinreichend, sie zu erwecken. Beim Anblicke des Beschauers pflegen sie sich hoch aufzurichten und leise hin und her zu schaukeln, indem sie sich auf den Beinen wiegend seitlich hin und her bewegen. Einige Grimassen werden bei solchen Gelegenheiten auch geschnitten; alle Bewegungen aber sind stetiger und langsamer als bei den meisten übrigen Eulen. Rückt ihnen eine vermeintliche Gefahr nahe auf den Hals, so fliegen sie weg und beweisen dann, daß sie auch bei Tage sehr gut sehen können. Nach Sonnenuntergang verlassen sie das Gebäude durch eine bestimmte, ihnen wohlbekannte Oeffnung, welche sie auch bei Tage unfehlbar zu finden und gewandt zu benutzen wissen, und streifen nun mit geisterhaft leisem und schwankendem Fluge niedrig über dem Boden dahin. Ein heiseres Kreischen, welches Naumann die widerlichste aller deutschen Vogelstimmen nennt, abergläubischen Menschen auch sehr entsetzlich vorkommen mag, verkündet ihre Ankunft, und wenn man seine Aufmerksamkeit der Gegend zuwendet, von welcher dieses Kreischen hertönt, sieht man den bleichen Vogel gewiß; denn er umschwärmt ohne Scheu den abends sich ergehenden Menschen und fliegt ihm oft wie ein Schatten nahe um das Haupt. In hellen Mondscheinnächten treiben sich die Schleierkäuze bis gegen Sonnenaufgang ununterbrochen im Freien umher, zeitweilig auf Gebäuden ausruhend und dann wieder eifrig jagend; in dunkleren Nächten arbeiten sie bloß des Abends und gegen Morgen.

Mäuse, Ratten, Spitzmäuse, Maulwürfe, kleine Vögel und große Kerbthiere bilden die Nahrung des Schleierkauzes. Es ist ihm oft nachgesagt worden, daß er in Taubenschlägen Unfug stifte; dem widerspricht aber die Gleichgültigkeit der Tauben, ihrem seltsamen Gesellen gegenüber. »Ich habe ihn«, sagt Naumann, »sehr oft unter meinen Tauben aus- und einfliegen sehen. Die Tauben, welche diesen Gast bald gewohnt wurden und sich um ihn nicht kümmerten, blieben stets im ungestörten Besitze ihrer Eier und Jungen, ebensowenig fand ich je eine Spur von einem Angriffe auf eine alte Taube. Oefters sah man im Frühlinge ein Paar viele Abende hinter einander in meinem Gehöfte; es schien auf dem Taubenschlage brüten zu wollen und flog, sobald es gegen Abend zu dämmern anfing, spielend aus und ein, ließ, bald im Schlage selbst, bald dicht vor demselben, seine fatale Nachtmusik fast ununterbrochen erschallen und – keine Taube rührte sich. Stieg man am Tage leise auf den Schlag, so sah man die Eulen ruhig auf einer Stange oder in einem Winkel vertraulich mitten unter den Tauben sitzen und schlafen und nicht selten neben sich einen Haufen Mäuse liegen; denn sie tragen sich, wenn sie eine glückliche Jagd machen und vielleicht auch eine Vorempfindung von übler Witterung fühlen, solche Vorräthe zusammen, damit sie in zu finsteren und stürmischen Nächten, wenn sie nicht jagen können, keinen Hunger leiden dürfen. Mein Vater fing sogar einmal eine dieser Eulen, welche in so tiefen Schlaf versunken war, daß sie durch das Geprassel der fliehenden Taube nicht geweckt wurde, mit den Händen. Daß sie Eier fressen sollen, ist mir ebenso unwahrscheinlich, ob es gleich von manchen behauptet wird, und mir sogar einmal jemand erzählte, daß eine Schleiereule mit einem Hühnerei in den Klauen im Fluge herabgeschossen worden sei. Das Vorurtheil spricht nur gar zu oft gegen die unschuldigen Eulen, und so darf man nicht alles glauben, was ihnen meist nur der Haß nachredet. Wie oben erwähnt, sah ich auf meinem Taubenschlage nie etwas übles von ihnen, sondern ich führte auch meine gezähmten Schleiereulen mit ganzen und ungeknickten Hühner- und anderen Vögeleiern oft in Versuchung: allein sie ließen sie stets unberührt. Kleine Vögel greifen sie indeß im Schlafe an; denn in den Städten würgen sie nicht selten die in Vogelbauern vor den Fenstern hängenden Lerchen, Nachtigallen, Finken, Drosseln und dergleichen; auch die gefangenen Vögel holen sie zuweilen aus den Dohnen und Schlingen der nahen Dohnenstege. Manche sind sehr sanft, andere wieder raubgierig. Einer meiner Bekannten erhielt einmal einen Schleierkauz, welcher ungefähr seit acht Tagen in der Gefangenschaft war, setzte ihn in seine stockfinstere Stube und eilte schnell ein Licht zu holen. Hierüber verfloß kaum eine Minute, und doch sah er zu seinem Aerger, als er mit dem Lichte in die Stube trat, daß die Eule bereits seine Mönchsgrasmücke hinter dem Ofen von ihrem Sitze geholt, getödtet und bereits halb aufgefressen hatte. Die Eule fraß öfters funfzehn Feldmäuse in einer Nacht. Auch Aas verschmäht in den Zeiten der Noth der Schleierkauz nicht.«

In Spanien steht der Schleierkauz in dem bösen Verdachte, das Oel der ewigen Lampen in den Kirchen auszutrinken. Sicher ist, daß das sehr brauchbare Olivenöl oft aus den gedachten Lampen verschwindet, Feststellung des eigentlichen Thäters aber bisher noch nicht gelungen ist; ein Gemunkel nur will behaupten, daß nicht die Schleiereule, sondern der Meßner der eigentliche Schuldige wäre. Mit diesem Verdachte, welchen sie sich erworben hat, hängt eine in Spanien beliebte Verwendung zusammen. Man erlegt Schleierkäuze, siedet sie mit Stumpf und Stiel in Oel und erhält dadurch ein Heilmittel von großartiger Wirksamkeit. Dasselbe wird allerdings weniger von den Aerzten verschrieben, obgleich es dem Arzneischatze der Apotheke nicht fehlt oder nicht fehlen soll, demungeachtet aber vielfach verwendet.

Ueber das Fortpflanzungsgeschäft des Schleierkauzes sind neuerdings sehr auffallende Beobachtungen gemacht worden. In den älteren Naturgeschichten steht, daß die Brutzeit in die Monate April und Mai falle; diese Angabe erleidet jedoch Ausnahmen. Man hat nämlich junge Schleiereulen wiederholt auch im Oktober und November, um diese Zeit sogar noch Eier, auf denen die Alte sehr eifrig brütete, gefunden. Die Liebe erregt auch den Schleierkauz und begeistert ihn zu lebhaftem Schreien. Beide Gatten jagen sich spielend mit einander von Thurm zu Thurm. Ein eigentlicher Horst wird nicht gebaut; die sechs bis neun länglichen, rauhschaligen, glanzlosen, vierzig Millimeter langen und dreißig Millimeter dicken Eier liegen ohne alle Unterlage in einem passenden Winkel auf Schutt und Getrümmer. Die Jungen sehen, wie alle Zunftverwandten, anfangs außerordentlich häßlich aus, werden aber von ihren Eltern ungemein geliebt und auf das reichlichste mit Mäusen versorgt. Will man sich, um sie für die Gefangenschaft zu gewinnen, Mühe sparen, so darf man sie nur in ein weitmaschiges Gebauer sperren: die Alten füttern sie hier wochen- und monatelang ununterbrochen. Pflegt man sie selbst, so lange sie noch jung sind, so werden sie bald in hohem Grade zahm, lassen sich dann ohne Widerstreben berühren, auf der Hand umhertragen, ja selbst zum Aus- und Einfliegen gewöhnen.

Dähne sagt, daß man den Schleierkauz, wenn er im Winter aufgeschreckt heraus und in den Schnee flöge, mit den Händen ergreifen könne, weil er geblendet werde. Ich habe diese Fangart nicht erprobt, sondern lieber das ausgekundete Flugloch der Schleiereule verstopft und sie dann mit einem sogenannten Kätscher gefangen. Nach meinem Dafürhalten gehören diese schönen und gutmüthigen Thiere zu den angenehmsten Eulen, welche man überhaupt im Käfige halten kann. Ihr Gesichterschneiden ergötzt jedermann; sie verziehen den Schleier oft so, daß sie, wie mein Vater sagt, als ein wahres Zerrbild des menschlichen Gesichts erscheinen.

Da der Schleierkauz unbedingt zu den nützlichsten Vögeln gezählt werden muß, verdient die Aufforderung von Lenz vollste Beachtung aller Verständigen. »Für die Schleiereule und den Steinkauz sollten überall in Giebeln der Land- und Stadtgebäude Einrichtungen zu Nest und Wohnung sein. In jeder Giebelspitze meiner Gebäude ist eine Oeffnung von der Größe, wie sie für Tauben genügt. Diese führt in einen inwendig angebrachten Kasten, welcher links und rechts einen Nestplatz hat. Auf diesen darf das Licht des Eingangs nicht fallen; der Vogel muß also vom Eingange aus durch einen Brettergang einen halben Meter tief ins Innere des Kastens gehen, dort links oder rechts schwenken und so zum linken oder rechten Neste gelangen; der Eingang zu jedem Neste ist also vom hellen Eingänge des Kastens weg gerichtet. Nach dem Inneren des Hauses zu ist der ganze Kasten fest vernagelt, damit ihn keine unbefugte Hand öffnen und eine Störung in das behagliche Leben der kleinen Erziehungsanstalt bringen kann. Nisten sich statt der Käuze Tauben ein, so ists auch nicht übel; man öffnet dann, wenns der Reinigung wegen nöthig ist, mit Gewalt, und schließt dann wieder. In jeder Giebelspitze der großen Scheuern Holsteins befindet sich in der Regel eine Oeffnung, durch welche eine Schleiereule bequem hindurch kann. Nach den von Dr. W. Claudius angestellten Untersuchungen stört der Landmann in Holstein die Ruhe seiner Eule nie absichtlich und schützt sie gegen Verfolgung. Die Vögel fliegen also nach Belieben aus und ein, jagen in und außer der Scheuer lustig den Mäusen nach, vertragen sich mit den Hauskatzen vortrefflich und bauen ihr Nest in dem dunklen Raum.«


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