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Herbst 1914
Es ist ein sehr charakteristisches Zeugnis für das Wesen der Zeitforderungen, daß der Oberpräsident von Ostpreußen einen Erlaß an die Beamten für notwendig gehalten hat, in dem er darauf hinweist, daß in dieser Zeit die bureaukratische Bemessung der Pflicht weder quantitativ noch qualitativ genüge. Es müsse sowohl selbständige Entschlußfähigkeit als Arbeitsbereitschaft über den üblichen Rahmen des Amtes hinausgehen.
Dieser Erlaß ist ein Symptom dafür, wie sehr die Zeit, indem sie außerordentliche Aufgaben vor uns hinstellt, gewissermaßen den Rahmen des üblichen Verwaltungsorganismus sprengt und Spielraum für die Kraftentfaltung außerhalb von Schema F schafft.
Diese Tatsache kommt der Arbeit der Frauen zugute. Man brauchte sie – weil es undenkbar war, das Riesenwerk der Wohlfahrtspflege mit dem durch den Krieg verkleinerten Verwaltungsapparat zu bewältigen, weil Hunderte und Tausende helfen mußten. Und aus demselben Grunde hatten sie auch ein bißchen mehr Spielraum für selbständige Arbeit und die Durchführung eigener Pläne.
Weil der eigentliche Stützpunkt der Kriegswohlfahrtspflege überall die städtische Verwaltung war, gliederten sich die Frauen da am leichtesten in die Kriegswohlfahrtspflege ein, wo schon eine Frauenarbeit innerhalb der städtischen Verwaltung bestand. Hier wurde gleich eine gemeinsame Organisation geschaffen von Männern und Frauen, Magistratsbeamten und ehrenamtlichen Hilfskräften, innerhalb deren ohne Unterschied des Geschlechts jeder den Posten bekam, an den er paßte.
So ist es beispielsweise in Düsseldorf, wo die Stadt eine Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit (Sitz im Rathaus) schuf mit folgenden Abteilungen:
1. Geschäftsführung,
2. Geldbeschaffung,
3. Geldeinzahlung und Auszahlung,
4. Allgemeine Auskunftstelle, Annahme und Verteilung der weiblichen Hilfskräfte,
5. Annahme und Verteilung der männlichen Hilfskräfte,
6a. Empfangnahme und Verteilung der Liebesgaben,
6b. Lebensmittelbezug für Beköstigungsdienst,
7. Ausbildung in der Krankenpflege,
8. Beköstigung in den Schulküchen,
9. Bekleidungs- und Nähdienst, Lazarettausstattung,
10.-13. Bahnhofsdienst, Lazarette usw. (Truppenfürsorge),
14. Familienfürsorge,
15./16. Arbeitsnachweis
usw. bis 24.
Den Frauen ist der Vorsitz in den Abteilungen Auskunftstelle, Familienfürsorge, Bahnhofsdienst und einigen anderen noch übertragen. Sie gehen einfach auf in der allgemeinen Organisation, deren Wesen darin besteht, daß sich die freiwilligen Kräfte unter städtischer Verwaltung sammeln und gruppieren. Diese Form – Freiwilligkeit auf städtischem Grundriß – ist für die Kriegswohlfahrtspflege der Großstadt die unbedingt richtige, die einzig mögliche. Unter städtischer Leitung Zentralisation der Wohlfahrtsbestrebungen – nur wo das gemacht ist, war die Kriegshilfe auf gutem Wege.
Die Einstellung der Frauen aber hat sich auch noch in anderer Form vollzogen als durch einfache Eingliederung aller Einzelnen in den »gemischten« Apparat: Die Organisationsform des Nationalen Frauendienstes ist in den meisten Städten so, daß alle Frauenvereine sich als eigene Truppe geschlossen in den Hilfsdienst gestellt haben. Sie haben sich dann selbst Unterabteilungen geschaffen für ihre einzelnen Aufgaben. Diese gliedern sich naturgemäß in zwei Gruppen: Hilfebeschaffung und Hilfe vermittlung. Das heißt, es war einerseits notwendig, die Wohlfahrtseinrichtungen so auszubauen, daß sie dem unendlich gesteigerten Bedürfnis genügen, andererseits in einem Beratungsdienst die Verbindung zwischen Not und Hilfe herzustellen.
Die Hilfebeschaffung umfaßt – entsprechend dem Wesen der Not – überall ungefähr die folgenden Gebiete:
Speisung,
Kinderfürsorge,
Schwangeren- und Wöchnerinnenfürsorge,
Krankenpflege,
Arbeitsbeschaffung,
Arbeitsvermittlung.
Fast überall hat daher der Nationale Frauendienst Unterkommissionen für diese Gebiete eingerichtet, die eine dreifache Aufgabe haben: zu ermitteln, ob die vorhandenen Veranstaltungen dem Bedürfnis genügen; ein zweckmäßiges Zusammenarbeiten anzuregen; wo Lücken sind, neue Fürsorgeeinrichtungen zu schaffen.
Der Beratungsdienst dagegen muß dezentralisiert sein. Neben je einer Kommission für die sachlichen Arbeitsgebiete stehen daher Bezirksausschüsse für die Hilfevermittlung.
Der Nationale Frauendienst Stettin – um ein Beispiel zu nennen – hat 12 Bezirkskommissionen und 14 Abteilungen für die verschiedenen Unterstützungstätigkeiten. Berlin hat 23 Bezirkskommissionen und 10 sachliche Gruppen. Frankfurt a. M. hat 8 sachliche Gruppen und arbeitet in den 17 Bezirken der städtischen Kriegsfürsorge; Köln 9 Abteilungen – während der Beratungsdienst zentralisiert scheint; in Düsseldorf stehen den Arbeitsgruppen der städtischen Zentrale 24 Bezirkshilfsstellen gegenüber, die fast alle unter Leitung von Frauen des Düsseldorfer Stadtverbandes stehen.
Wie gestalten sich nun die Beziehungen der Frauen zu den städtischen Verwaltungen?
Es kommt darauf an, ob und wieweit die Kriegsfürsorge in einer Stadt rein behördlich ist, ob sie nur eine städtische Organisation der freiwilligen Liebestätigkeit und schließlich, ob sie ganz selbständig geleitet ist. Immer aber spielt die Frage eine entscheidende Rolle, wieweit die Frauen schon in der Gemeindeverwaltung Rechtsboden haben.
Die Städte haben für ihre städtische Kriegsfürsorge im engeren Sinne – die eigentliche Verwaltungstätigkeit – ihre ständigen Deputationen (Armen-, Waisen-, Schuldeputation usw.) und besondere Kommissionen für die neuentstandenen Aufgaben (Nahrungsmittelversorgung, Arbeitslosenfürsorge, Mietfragen usw.). Diese Deputationen beraten die städtischen Maßnahmen: Lebensmitteleinkäufe, Arbeitslosenunterstützung usw. In Preußen können Frauen diesen Deputationen nicht angehören. Das ist in vieler Hinsicht eine große Erschwerung der Arbeit. Es wäre oft sehr viel einfacher und sehr zeitersparend, wenn man statt der unausgesetzt notwendigen Sonderberatungen mit den Stadträten, die den Kommissionen vorstehen, gleich an der Sitzung teilnehmen könnte. Denn fast immer sind diese Verwaltungsfragen mit praktischen, Anwendungs- oder Verteilungsfragen verbunden. Fast immer sind die Erfahrungen des täglichen Beratungsdienstes, ist die praktische Kenntnis der Notlage, der die Stadt abhelfen will, schon für den städtischen »Erlaß« wichtig.
Leichter ist die Verbindung, wo die Stadt selbst eine gemischte Organisation aus freiwilliger Hilfstätigkeit und städtischer Verwaltung geschaffen hat (Beispiel Düsseldorf, Hamburg, München). In München gehört eine Frau zum Vorstand des städtischen Hauptwohlfahrtsausschusses und je eine zu den 29 Bezirkswohlfahrtsausschüssen. In Hamburg ist die Vertretung der Frauen ähnlich geordnet, ebenso z. B. in Hannover. Diese »Hauptwohlfahrtsausschüsse« oder »Kriegsausschüsse« der Städte, in denen die städtische Verwaltung mit Vertretern der freiwilligen Hilfstätigkeit zusammenkommt, bilden eine natürliche Brücke zwischen Verwaltung und Einzelpreis.
Berlin ist der Typus einer Stadt, in der der »Nationale Frauendienst« selbst die städtische Hilfstruppe der praktischen Kriegswohlfahrtspflege ist, aber seine Arbeit unter eigenem Vorstand selbständig organisiert und leitet. Die Stadt hat neben ihm keine andere Organisation der freiwilligen Liebestätigkeit geschaffen. Die 23 städtischen Bezirksausschüsse beschränken sich auf Annahme und Bewilligung der Gesuche auf Kriegsunterstützung; die 23 Ausschüsse für die Arbeitslosenunterstützung haben die entsprechenden Aufgaben gegenüber den Arbeitslosen. Dazu kommen die 10 Mieteinigungsämter. Alle diese Stellen betreiben nicht eigentlich Wohlfahrts-» Pflege«; sie sind Annahme- und Bewilligungsinstanzen. Die zur Erledigung der Gesuche notwendigen Ermittlungen werden zum Teil von städtischen Ehrenbeamten, Armenpflegern, Bezirksvorstehern usw. gemacht, zum (größeren) Teil vom Nationalen Frauendienst, dessen 23 Hilfskommissionen ihrer eigenen Zentrale unterstehen. Die Verbindung mit den städtischen Unterstützungskommissionen ist dadurch hergestellt, daß die beiden Vorsitzenden der entsprechenden Hilfskommission des Nationalen Frauendienstes in der Unterstützungskommission Sitz und Stimme haben. Außerdem hat hier wie in den Kommissionen der Arbeitslosenunterstützung die Recherchentin Stimmrecht für den von ihr ermittelten Fall. Bei den bevorstehenden Mietseinigungsämtern werden ferner dem Nationalen Frauendienst Vorverhandlungen mit den Hausbesitzern und Vertretung des Mieters vor dem Einigungsamt zufallen. Schon jetzt haben solche Verhandlungen naturgemäß dauernd geführt werden müssen.
Die Tätigkeit der Hilfskommissionen als solcher ist ganz unabhängig von städtischer Leitung, obgleich ihre Verwaltungskosten durch städtische Mittel gedeckt werden und sie selbst städtische Mittel zur Verteilung bekommen; von den Hilfskommissionen sind im September und Oktober zirka 130 000 Mark in Speise-, Milch-, Brotmarken und Lebensmittelgutscheinen ausgegeben. Außerdem aber sind die Hilfskommissionen Organe – sowohl vermittelnd wie ausübend – jeder Art freiwilliger Fürsorge. Vom Personenkreis dieser Fürsorge sind die »laufend-Armenunterstützten« ausgeschlossen, die nach wie vor der eigentlichen öffentlichen Armenpflege unterstehen. Er umfaßt nur Kriegerfamilien und Arbeitslose.
Jede der gekennzeichneten Formen, in denen die Frauen in die Kriegswohlfahrtspflege eingegliedert sind, hat ihre eigenen Vorzüge. Die bessere Verbindung mit der städtischen Verwaltung in der gemischt städtisch-freiwilligen Organisation erleichtert die Arbeit naturgemäß sehr. Außerdem liegt in dem Aufgehen der Frauen in der gemeinsamen Wohlfahrtsarbeit mit Männern und Behörden die Verwirklichung eines lange erstrebten, hier und da ja auch schon erfüllten Friedensideals.
Andererseits besitzt die in sich selbst geschlossen organisierte Frauentruppe ohne Zweifel mehr Bewegungsfreiheit, mehr Spielraum für eigene Initiative und die Durchführung eigener Ideen und Überzeugungen. Das ist mehr oder minder bedeutsam, je nachdem die gemischte Organisation von einsichtigeren oder minder einsichtigen Leuten geführt wird. Aber auch die Auslösung der Gebefreudigkeit gelingt unter Umständen einer solchen, nicht beinahe städtischen Organisation besser. Wenn die Stadt als Haupt der gesamten Liebestätigkeit dasteht, fragen viele Menschen, warum nicht dies oder jenes einfach aus städtischen Mitteln bezahlt wird. Der in sich geschlossene Verband, der auch ganz für sich etwas unternimmt und für seine Pläne und Arbeiten wirbt, hat sicher mehr persönliche Wärme und Werbekraft. Außerdem haben die Frauen, wo sie für ihren ganzen Beratungs- und Hilfsdienst selbst verantwortlich sind, in höherem Maße die Pflicht, sich selbst zu unterrichten, das ganze Gebiet der Kriegsfürsorge auch theoretisch in allen Einzelheiten der Verordnungen durchzuarbeiten. In den gemischten Bezirksausschüssen mancher Städte ist es eingeführt, daß alle Auskünfte über Bestimmungen und Verordnungen von Magistratsangestellten erteilt werden. Dadurch sind dann die weiblichen Mitarbeiter in Versuchung, dieses ganze Gebiet als außerhalb ihrer Verantwortung zu betrachten, und begeben sich eines guten Teils der ausgezeichneten Schulung, die diese Arbeit bietet. Abgesehen von der geistigen Mitwirkung an der Gestaltung der Kriegsfürsorge, die unbedingt auch zu den Pflichten der Frauen gehört.
Hierin von der Schulung der Mitarbeiterinnen die Rede ist, so muß einmal gesagt werden, wieviel neue Kräfte diese Zeit hat heranwachsen lassen. Wir haben so viel von der Unbrauchbarkeit vieler Frauen gehört, die sich zur Hilfe meldeten. Aber man muß auch einmal die Gegenseite beleuchten und feststellen, daß wir sehr viele Talente entdeckt haben, die sich mit einer ganz außerordentlichen Umsicht und Gewandtheit in eine ungewohnte Arbeit hineingefunden haben und vor allen Dingen – die sich darin wie in ihrem Element fühlen. Eine tüchtige Frau hat eine Begabung für die praktische Seite des Lebens, auch für ihren theoretischen Unterbau der Verordnungen. Überall kann man sehen, wie Frauen und junge Mädchen, die zur sozialen Arbeit erst gekommen sind, als der Krieg sie zu einer patriotischen Pflicht machte, geradezu innerlich beschwingt und erhoben sind durch die Lebenserweiterung, die ihnen diese Arbeit bringt. Ich sprach mit einer Offiziersfrau, die nun während des Krieges allein in Berlin ist und sich ihrerseits gleich in Reih und Glied der sozialen Arbeit gestellt hat. Sie tut den ganzen Tag beinahe nichts als mit Hauswirten verhandeln und ist direkt glücklich dabei. Das Neuland des Volkslebens ist ihr ein Zuwachs an Weltkenntnis und Lebensreichtum.
Niemals ist wohl den Frauen so deutlich gewesen wie jetzt, wie sehr sie in der sozialen Hilfstätigkeit neben dem Mann nötig sind. Vielleicht waren sie auch nie so nötig als jetzt. Nötig, um in einer Zeit, wo die Massennot mehr als je zum Schema drängt, das Unschematische, Lebendige zu fühlen und zu berücksichtigen, alle die vielen Härten der formalistischen »Fälle« durch ihre eigene ausgleichende Fürsorge zu mildern. Unsere Hilfskommissionen in Berlin haben sich in der Praxis zu lauter kleinen Settlements ausgestaltet, deren jedes entsprechend den Bedürfnissen, die durch den schematischen Apparat von Kriegsunterstützung, Arbeitslosenunterstützung und Speisemarken nicht zu befriedigen waren, seinen besonderen Charakter bekommen hat. Die eine hat sich eine Küche, die andere einen Kohlenkeller, die dritte ein Kleiderdepot, die vierte eine Heimarbeitausgabe angegliedert, wenn im Bezirk gerade diese Einrichtung nützlich erschien. Und durch diese aus der Schablone herauswachsende Anpassung – undenkbar für ein städtisches Bureau – sind tausend Hilfeleistungen zustande gekommen, die in Schema, Statistik, Ziffern und Rubriken nicht einzuordnen, aber gerade darum wertvoll sind, weil sie dem nackten Bau der Wohlfahrtspflege ein wenig Wohnlichkeit hinzufügen. Es muß jemand da sein, der in der Zeit eherner Notwendigkeiten, in der man nicht viel Federlesens machen kann mit den kleinen Verzichten und Nöten des einzelnen Mitbetroffenen, diese Verzichte wenigstens mit fühlt, mit durchmacht und den Menschen, die zu einem Bewußtsein des heroischen Gehaltes der Zeit nicht kommen können, das Gefühl der blinden Gewalt nimmt, die ihr Schicksal mit ergriffen hat. Wieviel verstörte, geängstigte, verzweifelte Frauen hat man beruhigen, wie vielen wenigstens den Trost geben können, daß sie irgendwo für ihre Kümmernisse Gehör finden, daß nicht die ganze Welt voll eiserner Gewalt ist, der sich der einzelne in seinem vergessenen kleinen Dasein stumm zu ergeben hat.
Auch die sozialen Helferinnen bedürfen dieser Lebendigkeit ihrer Arbeit. Es wäre unerträglich, in dieser Zeit gewaltig bewegten Lebens nur Bureaumensch sein zu müssen. Es gehört an sich Disziplin und Entsagung genug dazu, den Krieg allein auf dem Schauplatz der sozialen Kleinarbeit zu erleben. Es ist die niederdrückende Seite der Zeitgeschichte, die Welt des Ausharrens und Tragens, des Leidens und Darbens ohne den belebenden Sturm der kühnen Taten, des Heldentums von Schlacht und Tod. Und die Helferin, die Wille und Pflicht auf diesen Posten gestellt hat, muß Wärme, Begeisterung und allen seelischen Schwung in sich tragen, von sich aus aufbringen und geben können. Denn sie bewegt sich im Kreis der kleinen Dinge, der kleinen Nöte und der kleinen Tapferkeiten, aus denen millionenfach geballt entweder eine schwere Lähmung oder eine zähe Ausdauer der Widerstandskraft unseres Volkes entstehen kann. Je mehr Seele und Wärme jede der sozialen Arbeiterinnen in ihr Werk hineinträgt, um so mehr wird sie auch die seelische Spannkraft in dem Kreise, in dem sie wirkt, vor dem Erschlaffen hüten. Diese belebende Wärme ist das allernotwendigste, was wir brauchen, um das Ausharren der Volksgemeinschaft zu Hause in allen Schwierigkeiten und Entbehrungen möglich zu machen. Darum vor allem brauchen wir die Frauen in der sozialen Arbeit, die sich jederzeit nicht nur als praktische Helfer, sondern als Träger dieser Mission fühlen sollten.
Es ist noch zu früh, die Formen festlegen zu wollen, in denen wir der vom Krieg geweckten Arbeit Friedensdauer geben müssen. Zwei Gedanken werden durch diese Monate an Gewicht mehr gewonnen haben als durch die Jahre der Friedensarbeit vorher. Das ist die Mitarbeit der Frau in der Kommune und die soziale Dienstpflicht der Frauen. Gewonnen sowohl bei den Frauen selbst wie bei den Verwaltungen. Wenn die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde jetzt sich als notwendig und unentbehrlich herausgestellt hat, so war der Krieg nur wie der Augenblick der Lebensgefahr, in dem alle Vorurteile, die sonst das Notwendige verhindern, plötzlich schwinden und man jeden tun läßt, was er vermag, um allen zu helfen. Die Kriegszeit offenbarte stärker, augenfälliger, eindringlicher das Bedürfnis und die Kräfte der Abhilfe. Beides war auch im Frieden da und wird weiter im Frieden da sein. Der Krieg hat ferner Tausenden von Frauen allenthalben eine nationale Pflicht gezeigt und lieb gemacht, die sie sonst nicht sahen, und sie zugleich ihre Fremdheit in den großen Aufgaben der sozialen Wohlfahrt schmerzlich empfinden lassen. In ihnen ebenso wie bei den Körperschaften, die jetzt die Frauenhilfe heranziehen, wird die Notwendigkeit einer Schulung für diesen Dienst zu einer unvergeßlichen Erfahrung geworden sein.
Und ebenso sehr wird nach dieser Richtung das große Beispiel unseres Heeres wirken. Der Gedanke einer Dienstpflicht über das hinaus, was jeder in seinem Beruf und häuslichen Lebenskreise tut, muß den Frauen jetzt in der Seele brennen. Alle Ungeduld und Beschämung, daß man nichts tun kann, was sich mit der Mehrleistung der Männer im entferntesten messen kann, sollte sich verwandeln in den festen Willen, daß die Frauen die Schuld, die viele von ihnen jetzt unbezahlt lassen müssen, künftig abtragen können dadurch, daß es auch für sie, im Rahmen ihrer Natur, eine Einberufung gibt.
Es ist uns allen unumstößliche Gewißheit, daß die Kraft, die die Frauen jetzt schulen in der Mitarbeit an der Erhaltung unseres Volkes durch diese schwere Zeit, in voller Ausdehnung weiter eingesetzt werden muß beim Wiederaufbau nach dem Frieden.