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Der Krieg ist der Vater von allem, der König von allem. Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen; die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien.
Heraklit
Je länger der Krieg dauert, je höher die Flut der Kraft und des Schmerzes steigt, die aus nie erkannten Tiefen der Menschenseele quillt, um so ärmer werden die Worte. Die formten und brauchten wir im stillen Lauf des Alltags, für das bescheidene Maß unserer gewöhnlichen Menschenerlebnisse. Immer gewaltiger wachsen die Geschehnisse über dieses Maß hinaus, schwer und wirklich, beredt und mächtig über alle Worte. Und wir, die wir versuchen auszusprechen, was wir erleben, fühlen, daß alles nur ein Stammeln ist, etwas Blasses und Schwaches neben dem Blut und der Kraft von Heldentum, Not und Tod, Opfern und Entbehren – kleine flüchtige Schatten neben der ehernen Geschichte.
Und doch meinte der Bund deutscher Frauenvereine, ein Kriegsjahrbuch herausgeben und die große Arbeitgemeinschaft unserer deutschen Frauenbewegung durch ein Dokument gemeinsamen Erlebens, gemeinsamen Wollens und Wirkens in dieser gewaltigen Prüfung unseres Volkes zum Ausdruck bringen zu sollen. Denn wir sind uns dessen bewußt: wie alle Ideale und Kulturbestrebungen in dieser Zeit ihre Gültigkeit und Gesundheit erweisen müssen, so werden auch unsere Ideen heute nach dem Bibelwort auf »die Worfschaufel« genommen, und was daran Spreu ist, wird unhaltbar vom Sturm verweht. Darum sind wir es unserer Sache schuldig auszusprechen, wie wir, aus dem Geist unserer Bewegung heraus, den deutschen Krieg und unsere eigenen Aufgaben darin verstehen.
Die Frauenbewegung ist ein Friedenswerk: so wie Wissenschaft und Sozialreform, Volksbildung und Kunst. Und wie diese ruht sie auf einer geistigen Grundlage, die breiter ist, als daß die Grenzen irgendeines einzelnen Volkes sie einschließen könnten. Sie war ihrem innersten Wesen nach ein Band internationaler Verständigung – wie alle Kultur – wie Wissenschaft, Religion, Erziehungsreform. Wie die Kulturvölker der Erde durch nichts fester und vielseitiger miteinander verbunden sind als durch ihre geistigen Schätze und Leistungen, so mußten diese große innere Entwicklung der Frauen, die Ideale, von denen sie getragen und getrieben war, als gemeinsame Frauengeschichte erlebt werden, so gut wie es eine gemeinsame Geistesgeschichte der Völker des 19. Jahrhunderts gibt. Die neuen Aufgaben, die sich die Frauen in jedem Volke gesetzt hatten, bargen in sich keinerlei Gegensatz zu den anderen Völkern, sondern nur Gemeinsames. Alle Frauen, die in diesem Aufstieg ihres Geschlechts standen, ihn an sich erfuhren oder daran arbeiteten, fühlten sich untereinander verbunden, so wie Protestanten oder Katholiken oder Sozialisten einander über die Grenzen ihres Vaterlandes hinweg verbunden fühlen. Und sie fühlten es um so mehr, je mehr sie überall für ihre Überzeugungen noch zu kämpfen hatten.
So war uns das Wort »Schwestern« für die Frauen der anderen Länder natürlich; wir freuten uns an ihren Erfolgen, uns schmerzten ihre Niederlagen und Enttäuschungen, wir gaben und nahmen Gedanken und Erfahrungen. Und indem wir das taten – das spreche ich hier nicht zum erstenmal aus –, fühlten wir um so stärker, wie sehr wir doch in unserer eigenen deutschen Art wurzelten, wie sehr in aller Gemeinsamkeit der theoretischen Grundlinien unsere Auffassung und Betrachtung der Frauenprobleme sich Zug um Zug abhob von der der anderen, weil sie Blut von deutschem Blut und Seele von deutscher Seele war. Im Austausch mit den anderen wurden wir uns um so tiefer und lebendiger des eigenen Wesens bewußt, wir erfuhren auf unserem Gebiet das, was man wohl die deutsche Kulturbestimmung genannt hat: den besonderen Einschlag, den in die geistige Arbeit der Welt wir Deutschen zu wirken haben. Und dieses beides: sicheres Bewußtsein der eigenen Art und Verständnis für den Wert der internationalen Mannigfaltigkeit, in der das gleiche Streben und dieselben Ziele erscheinen, sind Wesenszüge unserer Bewegung gewesen. Und beide haben uns auf Gemeinsamkeit und friedlich-fruchtbaren Kulturverkehr mit den Frauen der anderen Nationen hingewiesen.
Aus dieser aufbauenden Arbeit, die wir als ein gemeinsames Werk aller Frauen der modernen Kulturwelt empfanden, reißt uns der Krieg jäh heraus. Er stellt uns wie allen anderen großen Bewegungen deutschen Kulturwillens die Frage: was bedeutet Ihr jetzt, in diesem Augenblick? Umringt von Feinden, überschlägt und sammelt unser Vaterland die Mächte seiner Verteidigung. Was bedeutet Ihr im Gesamtaufgebot der deutschen Kraft? Gehört Ihr zu den Posten, aus denen sich unser unsichtbarer Kriegsschatz zusammensetzt? Jetzt ist es ganz gleichgültig, ob das, was wir geglaubt und erarbeitet haben, in irgendeiner allgemeinen Welthinsicht etwas wert ist. Jetzt fragt es sich: machen die Erziehung und die Arbeit der Frauenbewegung die Frauen fähiger zu der riesigen Kraftprobe, die unser Volk im Augenblick zu leisten hat? Wenn die Antwort auf diese Frage nicht unbedingt und selbstverständlich »ja« lauten kann, so ist unsere bisherige Arbeit gerichtet und erledigt. Darüber kann es wohl nur eine Meinung geben. Denn wenn das Zukunftsideal, an das wir glauben und für das wir eintreten, sich nicht als lebendige erziehliche Macht auf jeder Etappe unseres Weges erweist, so sind wir ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Niemals war wie heute für uns eine Zeit unmittelbarster Bewährung, in der die schlagkräftigsten Worte und die folgerichtigsten Programme aufbrennen wie Zunder und nur die einfache, leibhafte, allen Zweifeln entzogene Tat besteht. In dieser Bedeutung gilt heute für uns das uralte Wort von dem Krieg als dem Vater und König von allem, unter dessen Gebot die Menschen sich klein oder groß, feige oder tapfer erweisen.
In einer kleinen Schrift aus konservativ-protestantischen Kreisen »Deutsche Frauenarbeit in der Kriegszeit« von Eduard Freiherrn von der Goltz (Leipzig, J. C. Hinrichssche Buchhandlung 1914) wird eine Darstellung der Mobilmachung der Frauen von 1914 mit den folgenden Worten eingeleitet: »Wenn wir es in diesen ernsten Zeiten erleben, daß nicht nur die Männer, sondern daß auch ein großer Teil unserer Frauen mobil gemacht sind, um an ihrem Teil mitzuwirken, so danken wir das nicht zum wenigsten den großen Fortschritten der Mädchenschulbildung, zugleich aber auch der Pionierarbeit christlicher Barmherzigkeit und den berechtigten Bestrebungen, der Frau im sozialen und wirtschaftlichen Leben eine bessere und selbständigere Stellung zu verschaffen. Unsere Mädchen sind es daher schon ganz anders als früher gewöhnt, sich auch außerhalb des Hauses zu betätigen und an all den Aufgaben des öffentlichen Volkswohls mitzuarbeiten. Noch die großelterliche Generation hat den ersten Anfängen dieser Entwicklung mit staunendem Befremden gegenübergestanden, und noch zu Anfang der Regierungszeit unseres jetzigen Kaisers wäre eine so allgemeine Mobilmachung auch der Frauen für vaterländische Arbeit, wie wir sie heute erleben, kaum erhofft worden. Hierfür haben unsere Diakonissen die Bahn gebrochen; dann haben viele ernste, tüchtige Frauen, auch solche, die nur von pädagogischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen geleitet waren, das Arbeitsfeld ausbauen helfen und erheblich erweitert.«
Diese einfach anerkennenden Worte werden vielen, die in unseren Reihen verantwortlich Mitarbeiten, eine freudige Bestätigung ihrer eigenen Überzeugungen sein. Nicht daß wir selbst dieser Bestätigung bedürften, um zu wissen, daß die Entwicklung des Frauenlebens in den letzten beiden Jahrzehnten unserem Vaterland zugute kommen muß. Aber es wäre bitter gewesen, wenn wir um die Anerkennung dieser Tatsache noch wieder hätten kämpfen, wenn wir jetzt immer noch hätten verteidigen müssen, was wir erstrebt und gewollt haben.
Vielleicht aber bewährt sich die Erziehung der Frauenbewegung an den Frauen nicht nur in ihrer größeren Schulung für vaterländische Arbeit; vielleicht liegt der erste, tiefste und unmittelbarste Gewinn der modernen Entwicklung noch in etwas anderem: in der gesteigerten Fähigkeit der Frauen, die Geschichte dieser Monate mitzuerleben, eins zu sein mit dem Schicksal ihres Volkes.
Das Mitgehen aller im ersten großen Entschluß in den Tagen des Ausmarschs, das kam aus seelischen Tiefen, die von keiner sozialen Bildungsarbeit erreicht werden. Das war das Aufquellen eines elementaren Zusammengehörigkeitsgefühls, über das der Verstand und sein Besitz keine Macht hat, zu dem er nichts hinzufügen kann. Und wir fühlen uns in alle Zukunft hinein begnadet, daß wir diese Offenbarung von Lebenskräften erfuhren, die im gewöhnlichen Gleichmaß der Tage der Mutterschoß unseres Volkstums tief und geheimnisvoll in sich bewahrt. In dieser Zeit einer ganz unmittelbaren, blutvollen Hingerissenheit brauchte uns niemand zu erklären, daß der Krieg sein mußte, und warum er sein mußte. Das wußte die letzte Bauernfrau, auch wenn sie Serbien nicht von Belgien zu unterscheiden vermochte.
Aber wenn es jetzt heißt: Ausdauern – wenn die flammende Bereitschaft des Augenblicks sich in langfristige ruhige Opferglut verwandeln soll, wenn zwischen Augenblicken der hohen Stimmung Tage und Wochen sich einschieben, die von jedem Alltag nur durch drückendere Sorge und mehr Leid unterschieden sind, wenn der Schlachtentod den quellendsten Kraftspender aller Frauen – das Dasein geliebter Menschen – auf immer versiegen läßt, dann bedarf das große elementare Vaterlandsgefühl einer Stütze durch den pflichtvollen Willen. Dann heißt es, gegen die Lähmung des Wartens und Ertragens die geistige Kraft des bewußten Mitlebens der Zeitgeschichte aufzubieten. Wohl den Frauen, deren Schifflein nicht nur auf den Wogen der Zeitstimmungen treibt, hinauf- und hinuntergerissen durch Gunst oder Ungunst des Schicksals, sondern die in klarer geistiger Fühlung mit dem großen Gang unserer nationalen Politik selbst Kurs halten können, die nicht nur Getriebene, sondern Treibende sind, und sei es nur dadurch, daß sie das Notwendige ihrerseits persönlich wollen können. Und hier ist den Frauen ihre erweiterte Bildung, ihr gestärktes staatsbürgerliches Interesse eine unwägbare Hilfe. Es gibt heute viel mehr Frauen als sonst, die diesen Weltkrieg in all seinen politischen Zusammenhängen verstehen können, weil sie schon vorher politisch lebendig waren, und die für jedes »Warum?« ihres gequälten Gefühls ein klares, bestimmtes »Deshalb!« ihrer Einsicht haben. Welch stärkeres Gegengewicht aber gegen die aufreibende Ungewißheit aller persönlichen Schicksale gibt es als den lebendigen Anteil an einer großen Sache? Für Tausende von Frauen ist es heute ein Glück, daß sie dieses Gegengewicht haben. Und für unser Volk ist es Gewinn, daß die Haltung der Frauen in weiteren Kreisen durch Verständnis gefestigt, durch gesteigertes staatsbürgerliches Bewußtsein sicherer und zuverlässiger geworden ist.
Ein Gewinn nicht nur aus Stimmungsgründen – so wichtig in jeder Hinsicht die Erhaltung der aufrechten Gesinnung ist und so schwer hier jedes kleine Plus an Besonnenheit und Standhaftigkeit wiegt. Neben der Notwendigkeit dieser inneren Festigkeit steht diesmal noch die eines planvollen disziplinierten Handelns aller. Der Ausgang des Weltkrieges liegt ebensosehr auf wirtschaftlichem wie auf militärischem Gebiet. Die Haltung unseres ganzen Volkes daheim als Produzenten und Verbraucher ist ein mächtiger Faktor für Gewinn und Verlust. Wären die Frauen nur noch viel besser volkswirtschaftlich erzogen, als sie es sind; hätte die Frauenbewegung sie nur noch viel wirksamer aus dem kleinen Hausfrauengesichtskreis führen und ihnen die Verkettung ihres Lebens in das Gesamtleben noch viel mehr in Fleisch und Blut übergehen lassen können, als es ihr gelungen ist! Käme nur Tausenden von Frauen nicht die weltwirtschaftliche Abhängigkeit unserer Volksernährung erst gerade jetzt zum erstenmal in den Kopf als eine fremde, unzugängliche Tatsache, mit der bewußt zu rechnen sie sich noch nicht gewöhnt haben! Hätten wir nur noch viel mehr Organisation unter den Frauen, als wir leider haben! Das sagen wir alle jetzt täglich, wenn wir versuchen, solche zweckbewußte Leitung des Verbrauchs bei der großen Masse der Frauen durchzusetzen. Und andererseits: ein Glück, daß in jeder Stadt wenigstens einige sind, die den anderen zu Führern werden können.
Das angeführte Urteil des Herrn von der Goltz hat aber darin recht, daß der augenfälligste Gewinn der modernen Entwicklung der Frau in ihrer sozialen Leistungsfähigkeit liegt. In den Frauen ist in den letzten Jahrzehnten zweierlei gewachsen: das soziale Verantwortungsgefühl überhaupt und die Fähigkeit zu planvoller Inangriffnahme der Hilfe, zur Organisation (schade, daß es kein deutsches Wort für diese deutscheste Sache gibt). Und wenn das nicht wäre, so bedeutete die Hilfe der Frauen wenigstens in den großstädtischen Verhältnissen heute so gut wie gar nichts. Wir haben es ja erlebt, wie im Anfang des Krieges noch der alte mit dem neuen Geist weiblicher Hilfstätigkeit zu ringen hatte, wie hier und da der blinde Drang des Herzens ohne die sichere Lenkung volkswirtschaftlicher Einsicht und sozialer Überlegung in der entstehenden Massennot herumfuhr, mehr Verwirrung anrichtend als Gutes stiftend. Auch diesem Hilfsbedürfnis ist der Krieg ein großer ernster Erzieher gewesen. Unerbittlich hat er Tausenden von Frauen klar gemacht, daß die Wohlfahrtspflege der Gegenwart den geschulten, sozial gebildeten Menschen erfordert, der in Reih und Glied zu marschieren versteht. Und mit unvergänglicher Eindringlichkeit führte er alle, die an irgendeiner Stelle die Hand ans Werk legten, hinein in den vielverschlungenen Organismus des Staates unserer Zeit; Arbeitslosigkeit und Arbeitshäufung, Teuerungspanik, Preistreibereien, Massennot – in einer unendlichen Fülle von Einzelbildern zogen sie an der sozialen Helferin vorbei und enthüllten ihr Verflechtungen des Gesellschaftslebens, die sie vorher nicht beachtet hatte, aber nun in ihrer Tatsächlichkeit erkennen mußte. Alle aber, die schon irgendein Stück des Verständnisses und des Könnens mitbrachten, wurden für das Ganze zehnfach wertvoll. Hätten wir nur noch viel, viel mehr geschulte Frauenkraft für die Linderung der Kriegsnot!
An welcher Stelle, in welchem Arbeitskreis und auf welchem Arbeitsfeld die Frauen heute aber auch stehen mögen, unter ihnen wird keine sein, die nicht aus vollem Herzen die Verpflichtung unterschriebe, die mit den Worten der schon erwähnten Schrift des Freiherrn von der Goltz so heißt: »Die allgemeine Wehrpflicht der Männer wurzelte in den Landwehreinrichtungen der Freiheitskriege und vollendete ihre Organisation in den Kriegen des ersten deutschen Kaisers. Es darf heute nicht anders sein, der gegenwärtige Krieg muß auch die Frauen hinausführen über vereinzeltes Tun oder zersplittertes Vereinswesen; er muß ihnen das ihrer Natur entsprechende Feld treuer Pflichterfüllung auch für die öffentlichen und vaterländischen Interessen zuweisen. Das in diesen Monaten Gewonnene darf nicht wieder verloren gehen.«
Diese Worte sind im November geschrieben. Wenn sie zu den Lesern kommen, werden die eisernen Würfel wieder und noch einmal gefallen sein. Breiter noch als heute wird sich der Strom von Blut und Tränen ergießen, härter noch wird die Probe geworden sein, und besser noch werden wir die alte düstere Wahrheit von dem Krieg als dem König von allem gelernt haben. »Die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien.« Für uns Frauen hat dieses Wort noch seine besondere Botschaft, einen eigenen tiefsten Sinn. Wir dürfen uns nicht durch diese Zeit zu Sklaven machen, durch sie innerlich unterjochen lassen. Jetzt scheint es, als ob Waffengewalt das letzte Wort in der Welt, die letzte Formel aller geschichtlichen Bewegung wäre. Deutschland ist gezwungen worden, die Früchte seiner Kulturkraft, die friedlichen Siege seines Geistes und seiner Arbeit in Wissenschaft, Technik, Handel und Gewerbe mit dem Blut seiner Männer zu verteidigen. Wir Frauen verstehen die große geschichtliche Notwendigkeit dieses Kampfes, und wir danken Gott, daß unser Vaterland das höchste unbestreitbare Recht, das es in einer solchen gigantischen Auseinandersetzung der Völker gibt, für sich hat: das Recht seiner machtvoll aufsteigenden Entwicklung, seiner Leistungen, seiner bewiesenen Fähigkeiten, das Recht dessen, dem eine Übermacht gültigste, unbestreitbarste Menschheitskräfte brachlegen will. Wir haben, Bürgerinnen unserer Landes in jedem Atemzug, in diesen Monaten neben dem alten großen Wort der Antigone »nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da« – das uns oft genug Ausdruck unserer Ideale gewesen ist – ein anderes Wort verstehen gelernt, das einst in dunkle Schmerzenszeit unseres Vaterlandes wie eine finstere Pflicht hineingerufen wurde, das Wort Heinrichs von Kleist über den, der weder lieben noch hassen kann und der in die siebente, tiefste und unterste Hölle gehört. Wir deutschen Frauen sind mit jeder Liebe und jedem Haß, mit jedem Schmerz und jeder Freude ein Teil unseres Landes. Aber wir wissen dabei, daß es unsere Aufgabe ist, mitten im Donner der Geschütze an die Heiligkeit und den Wert des Lebens zu glauben. Wir dürfen in der Vernichtung und Zerstörung um uns herum die Größe aller schaffenden und erhaltenden Kräfte des Friedens nicht vergessen. Wir dürfen uns die eigene Mission in der Welt nicht klein und gering werden lassen im Vergleich mit den Waffentaten der Männer. Je tiefer wir die Größe dieser Taten fühlen, um so höher muß uns die eigene Frauenpflicht stehen. Wenn schon so viele Tränen fließen müssen, nun, so wollen wir sorgen, daß keine fließt, die getrocknet werden könnte. Wenn schon das Leben von Tausenden hingegeben werden muß, um so schöner und größer die Aufgabe, Leben zu schützen, zu erhalten, zu pflegen. Wenn schon über tausend Soldatengräbern der Haß der Völker aufflammt, um so mehr ist not, alle Brunnen der Liebe zu erschließen.
Nie erschien uns die Kraft der deutschen Männer herrlicher als in der Todesbereitschaft dieser Schicksalsstunde.
Nie fühlten wir die eigene Bestimmung deutlicher und sicherer als in dieser großen Zeit der Bewährung.