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Vorwort

Die in diesem Bande gesammelten Aufsätze sind gedankliche Tagebuchblätter. Erlebnis und Arbeit des Krieges waren jedem einzelnen von ihnen innerer oder äußerer Anlaß. Aber nicht die Tatsachen selbst halten sie fest; sie gelten den Aufgaben, die mit den Ereignissen und durch sie kamen, der inneren und der äußeren Rüstung. Wir alle haben versucht, dem jäh einschlagenden Geschehen gegenüber Haltung und Pflicht zu finden, es dem tiefsten Wertgefühl und dem höchsten Glauben zu verschmelzen, seine geschichtliche Bedeutung zu fassen, seine Anforderungen an unsere Leistung zu begreifen, seine wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen zu ermessen. Und wir wissen dabei, daß diese Versuche Stückwerk sind in noch viel höherem Grade als sonst unser Bemühen, dem Inhalt einer Zeit gerecht zu werden. Wir alle sehen nur ein kleines Stück von dem großen Gewebe der Geschichte und wissen genau, daß es unmöglich ist, aus diesem Ausschnitt die gewaltigen Linien seines Musters abzulesen.

Darum haben wohl alle Zeugnisse aus diesem Krieg nur einen Wert durch den Tag, der sie entstehen ließ. Sie zeigen, wie unser Gefühl, unser Denken, unser Wille ergriffen und mitgezogen wurde. Mehr, das ist uns bewußt, können auch diese Aufsätze nicht geben. Sie spiegeln Eindrücke, Gedankenkämpfe und das Feld praktischer Arbeit, oder einen Teil davon, das uns Frauen zur Bestellung gegeben war, unseren Heimatdienst. Zwei vor dem Kriege entstandene Aufsätze sind mit aufgenommen, weil sie von gewissen Tatsachen einer inneren Bereitschaft für die große Prüfung, bei den Frauen und bei der Jugend, sprechen. Die anderen sind während des Krieges, von Monat zu Monat, entstanden, nicht aus Lust an der Betrachtung, sondern fast stets aus praktischen Anlässen, aus dem Ringen um innere Sicherheit, aus dem Eindruck der mannigfachen Kriegsprobleme, aus der Mitarbeit an ihrer Lösung, aus dem Bedürfnis nach Klarheit über das, was nach dem Kriege an Aufgaben für uns kommen wird. Wenn ich das Inhaltsverzeichnis überschaue, kommt es mir vor, als sei ganz Praktisches und Geistiges, Volkswirtschaft und Sozialpolitik mit Gefühlserlebnissen und Weltanschauungsbetrachtungen allzu vielgestaltig gemischt. Doch ist nicht die Mannigfaltigkeit dessen, was auf uns eindrang und unsere Anteilnahme verlangte, ein Wesenszug dieser unübersehbaren, übervollen, verzehrenden Zeit?

Ich glaube, daß viele deutsche Frauen seit dem August 1914 in derselben inneren und äußeren Welt gelebt haben und sende dies Buch hinaus mit dem Wunsche, daß es das Bewußtsein der Gemeinschaft unter ihnen und damit die Kraft stärken möge zu dem, was noch von ihnen verlangt wird.

Berlin-Grunewald, Februar 1916
Gertrud Bäumer


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