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August 1914
Unwillkürlich drängt sich mir das, was ich in diesem Augenblick als Vertreterin des Bundes deutscher Frauenvereine sagen möchte, in diese beiden Worte zusammen. Wir Frauen fühlen vielleicht noch stärker als die Männer, die an all diesen Geschehnissen mithandeln und mitbestimmen, das Schicksalhafte der kommenden Tage. Wir fühlen es noch stärker und tiefer, wie sehr bei dem Aufeinanderprallen so gewaltiger Kräfte die kommenden Entscheidungen sich menschlicher Berechnung und menschlichen Anstrengungen entziehen. Für alle von uns, welcher Weltanschauung wir auch angehören mögen, gehört ein Glaube dazu, um in diesen Tagen stark und ruhig zu bleiben, der Glaube, daß es geistige Güter gibt, die sich durch alle Erschütterungen der äußeren Geschichte hindurch behaupten, und daß die Quellen, aus denen im letzten Grunde unser Lebensmut fließt, uns durch keine äußeren Schicksale verschüttet werden können.
Die Worte »Wir Frauen« haben für uns immer einen vollen, bedeutsamen Klang gehabt. Wir haben uns eins gefühlt in einer Bewegung, die unserem Geschlecht höheren Wert und weitere Wirkungsmöglichkeiten geben sollte, in dem Kampf für die Freiheit unserer Kraft und unseres Strebens. Heute hat diese Gemeinsamkeit, die uns die Worte »Wir Frauen« bedeuten, noch einen anderen Sinn. Über Parteien und Weltanschauungen hinweg eint sich im gegenwärtigen Augenblick unser Volk als Volk, das für seine Existenz ringt. Und jeder der jungen Männer, die in diesen Tagen im Ausmarsch durch unsere Straßen ziehen, verteidigt nicht seine Partei oder seine Klasse, sondern uns alle – die ganze große Masse aller anderen.
Wir Frauen fühlen die Größe und Gewalt dieses Volkwerdens aller derer, die sonst unter dem Zwang ihrer Sonderbestrebungen, ihrer eigenen Ziele standen. Wir fühlen uns mit aufgenommen in dieses große, ernste Zusammenwachsen aller nationalen Kräfte zu einem großen, gemeinsamen Willen: durch den uns aufgezwungenen Weltkrieg die Macht und Größe unserer Nation zu erhalten.
Es ist keine Kampfesstimmung, die der gegenwärtige Augenblick in uns erweckt. Viele Tausende von uns nehmen in diesen Tagen von ihren Gatten, Söhnen und Brüdern Abschied, keine von uns kann die Scharen unserer blühenden männlichen Jugend hinausziehen sehen, ohne in tiefster Seele das dunkle Schicksal mitzufühlen, dem sie so festen Sinnes entgegengehen. Unser Gefühl kann an den unermeßlichen Opfern, die in jedem Fall der Krieg erfordern wird, nicht vorüber.
Um so fester aber ist unser gemeinsamer Wille, alles zu tun, um diese Opfer erleichtern zu helfen. Wenn wir in diesem Augenblick uns alle als große Gemeinschaft fühlen, so ist es dieser Wille, der uns eint. Wenn wir bei der raschen Organisation unserer Arbeit in jedem Wort und in jeder Handlung fühlen, wie sehr wir eines Sinnes sind, so ist es die Klarheit über die nationale Pflicht, die diese Einheit schafft. Wir wollen alle irgendwo unsere ganze Kraft mit einsetzen für das, was wir jetzt tun können. Das ist der Wille, der uns alle erfüllt.
Es ist nicht ganz leicht, diese Arbeit im Augenblick richtig und schnell zu organisieren. Die Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz treten mit ihrer ganzen für den Krieg geschaffenen Organisation für ihre Aufgaben ein. Sie werden Hilfskräfte brauchen, und sie sollen ihnen auch aus unseren Reihen gestellt werden, soweit solche verwendet werden können. Außerdem aber bleibt ein ganzes großes Gebiet der sozialen Fürsorge, das ohne Zeitverlust, ohne Zersplitterung von Kräften und Mitteln planmäßig in Angriff genommen werden muß. Wir haben deshalb sofort eine Organisation geschaffen, deren Plan wir unseren Bundesvereinen mitteilten.
Unser Bundesorgan wird von jetzt ab ganz in den Dienst der Vermittlung von Nachrichten über diese Arbeit treten, die wir als Ergänzung zu der des Roten Kreuzes wirksam durchführen zu können hoffen.
In den kurzen Pausen dieser Arbeit sind diese Worte geschrieben. Sie vermögen nur wenig von dem auszudrücken, was sie sagen möchten. Aber da wir unserer einheitlichen Gesinnung ganz sicher sind, wird vielleicht auch dieser unvollkommene Ausdruck etwas bedeuten – den warmen, ernsten Gruß von Arbeit zu Arbeit, von Wille zu Wille bringen, den die deutschen Frauen jetzt einander zusenden.