Sagen aus Niedersachsen
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Das Steenhuus bei Bunde

In der Nähe des Marktfleckens Bunde in Ostfriesland steht noch heutigentags ein altes Haus, das jedes Kind unter dem Namen »Steenhuus« kennt. Dort wohnte vor vielen Jahren ein Fräulein, das schön von Angesicht war, aber ein eiskaltes Herz hatte.

Ein junger Ritter warb um sie, aber umsonst, und als all seine Bitten vergeblich blieben, nahm er das Kreuz und zog ins Gelobte Land, um dort Ruhe von seiner Liebe zu finden.

Nun lebte damals eine alte Frau in Bunde, die wußte um den Schmerz des Junkers, fühlte Mitleid mit ihm und beschloß, ihm zu helfen. Sie braute einen Liebestrank, den sie dem Fräulein heimlich zu trinken gab, und schrieb an einen Balken des Steenhuuses sieben Zauberzeichen.

Das geheimnisvolle Mittel wirkte, und bald verzehrte sich das Fräulein in Liebe nach dem Ritter, spähte alle Tage nach dem Süden, ob er noch nicht käme, und als sie hörte, er habe im fernen Land den Tod gefunden, ertrug sie den Schmerz nicht und folgte ihm bald in den Tod. Aber die Arme fand im Grab keine Ruhe; allnächtlich wanderte sie durch das Steinhaus, viele Leute haben sie gesehen.

Einmal aber kam doch die Zeit, wo sie von ihrer ruhelosen Wanderung erlöst wurde. Der neue Besitzer des Steinhauses wollte seinen Torf einlagern, kam dabei auf den Dachboden und erblickte das Zauberzeichen im Balken. Er dachte an seinen kleinen Sohn und sagte: »Daar hett de dumme Junge sien Kreienpooten ook an de Balke margelt. Gien Schwien kann se lesen, und doch is de Bengel all'n half ja bi't Schriefen«, und löschte die Zeichen aus.

Seit dieser Zeit hat das Fräulein Ruhe im Grabe, niemand hat sie je wieder gesehen.

 


 


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