Sagen aus Niedersachsen
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Der Gevatterbrief vom Schalksberg bei Gilde

Im Schloß auf dem Schalksberg bei Gilde an der Aller war einmal eine Dienstmagd mit Reinemachen beschäftigt, da fand sie, als sie den Kehricht auf den Schutthaufen werfen wollte, in ihrer Schaufel ein kleines Brieflein. Sie stellte den Besen an die Wand und begann zu lesen. In dem Briefe stand geschrieben, sie möge doch morgen bei einem Zwergenkind im Schalksberg Gevatter stehen; es werde ihr Schade nicht sein.

Das Mädchen wollte es nicht gerne tun, aber die Herrschaft meinte, sie dürfe den Zwergen ihre Bitte nicht abschlagen, sonst werde sie es vielleicht schlimm entgelten müssen. So ging sie also des Nachts auf den Berg, denn für diese Zeit war sie bestellt worden. Um Mitternacht tat sich der Berg auf, und so beklommen das Mädchen vorher gewesen war, so vergnügt wurde es nun; denn da unten war es prächtig; alles war eitel Gold, und jedermann war freundlich zu ihr.

Als die Zwerge dem Kind einen Namen gegeben hatten, legten sie es in eine goldene Wiege, und die Spielleute mußten so lange blasen, bis es wieder eingeschlafen war; dann gab es einen köstlichen Taufschmaus, und schließlich wurde auf einer großen Wiese gesungen und getanzt. Als die Tänzer müde waren, wollte das Mädchen wieder nach Hause gehen, aber die Zwerge baten so lange, bis es noch drei Tage zugab; und alle drei Tage waren lauter Lust und Freude.

Als sich die Magd endlich auf den Heimweg machte, schenkten ihr die kleinen Männlein noch viele schöne Sachen und erklärten, die goldene Wiege werde ihr auf ewige Zeiten aufbewahrt bleiben; dann öffneten die Zwerge den Berg und ließen sie hinaus.

Die Magd eilte nach Hause, nahm den Besen von der Wand und wollte wieder die Diele fegen. Aber da war das Haus während der drei Tage ganz anders geworden; die Kühe hatten andere Stimmen und andere Farben, ihr guter Schimmel war fort; und als sie Menschen begegnete, kannte sie niemanden, und alle staunten sie an. Nur ein alter Schäfer in Gilde, der selber nicht wußte, wie alt er war, der kam, als er von dem Mädchen hörte, von der Gilde herüber und meinte, sein Großvater habe ihm einmal erzählt, zur Zeit, als dessen Vater klein gewesen sei, da sei ein Mädchen zu den Zwergen gegangen und nicht wieder gekommen; es müßten etwa dreihundert Jahre her sein. Im selben Augenblick war aus dem Mädchen ein steinaltes Mütterchen geworden, das schwankend zu Boden sank und nach kurzer Zeit verschied.

Das Schloß Schalksberg ist jetzt ganz verfallen, alle Zwerge sind fortgezogen; aber die Wiege haben die Kobolde, mit Gold angefüllt, zurückgelassen. Schon viele Leute haben nach diesem wertvollen Schatz gesucht, aber keiner hat ihn gefunden.

Einst jedoch, weiß das Volk zu berichten, wird ein Schweinehirt, der letzte Verwandte der Magd, mit seiner Herde des Weges kommen, eine Sau wird die Wiege aus der Erde wühlen, und der Hirt wird für einen Teil des Goldes in Ettenbüttel eine Kirche bauen lassen mit einem Turm, gerade so hoch, wie der vom Schloß Schalksberg früher gewesen ist. Die goldene Wiege wird der Hirt seinem König schenken, und mit dem übrigen Geld wird er sorgenlos leben bis an seinen Tod.

 


 


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