Sagen aus Niedersachsen
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Der Huckup von Hildesheim

An mehreren Orten in der Umgebung von Hildesheim kennt man den »Huckup«. Er ist ein koboldartiges Wesen, das sich mit Vorliebe im Wald aufhält und dort namentlich Leuten, die Holz stehlen, plötzlich auf den Rücken springt und sich bis zum Ende des Waldes tragen läßt. Auch andere Diebe bestraft der Huckup auf diese Weise. In Hildesheim steht ein Denkmal, auf dem der Huckup dargestellt ist. Drunter steht folgende Inschrift, die Apfeldiebe warnt:

Junge, lat dei Appels stahn!
Süs packe! deck dei Huckup an,
Dei Huckup is en starker Wicht,
Hölt mit de Stehldeifs bös, Gericht!

Ein Mann suchte im Ziegenberg bei Hildesheim Schwarzbeeren und legte sich gegen Mittag, als alle andern Beerensucher schon wieder nach Söhre hinuntergegangen waren, unter einen großen Baum, um ein wenig zu schlafen. Als er eben die Augen zutun wollte, rief es hinter ihm: »Hoho! Hoho!« Erschrocken sprang der Mann auf, blickte sich nach allen Seiten um, bemerkte aber außer den summenden Bienen und Käfern ringsumher kein lebendiges Wesen. Nur auf der Spitze des Baumes saß ein Rabe, der fast so groß wie eine Gans war und mit grimmigen Augen auf den Mann starrte, so daß diesem ganz ängstlich zumute wurde.

»Ei, du Teufelsvieh!« schimpfte der Beerensucher, »du sollst mich nicht länger im Schlaf stören!«,hob einen Stein auf und warf ihn nach dem häßlichen Vogel. Da flog der Rabe mit lautem Gekrächz davon, und der Mann legte sich wieder zum Schlafen nieder. Kaum aber fielen ihm die Augen zu, da rief es wieder hinter ihm: »Hoho! Hoho!«

Der Schläfer sprang auf und griff wieder nach einem Stein, aber nirgends war ein Rabe zu sehen. Die heißen Sonnenstrahlen schienen so matt durch das Laub, in dem sich kein Lüftchen regte, und der Ort wurde dem Mann immer unheimlicher. Da dachte er: »Hier ist nicht gut sein«, sprach ein Gebet und machte sich auf den Weg nach Söhre.

Kaum hatte er ein paar Schritte getan, als ihm etwas mit dem Geschrei: »Hoho! Hoho!« auf den Nacken sprang. Der Mann schüttelte sich, um die Last los zu werden, aber sein Bemühen war vergebens. Wie ein Mehlsack drückte ihn das Gewicht auf den Schultern, der Angstschweiß brach dem Armen aus den Poren, und keuchend schleppte er sich mit seiner schweren Bürde mühsam den Waldweg entlang. Endlich war der Waldrand erreicht, das goldene Kreuz auf dem Kirchturmknauf blinkte dem Geplagten entgegen, und plumps! da fiel ihm etwas von den Schultern. Es war der Huckup gewesen, der mit dem Mann seinen Scherz getrieben hatte.

 


 


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