Sagen aus Niedersachsen
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Das Jammerholz

Zwei Stunden von Dannenberg liegt das Dorf Jamel, zu dem Gräflich Groteschen Gut Breese gehörig, das seinen Namen von dem Wald erhalten hat, der dort in grauer Vorzeit gelegen, und das Jammerholz genannt ward.

In diesem Walde haben, einer alten Volkssage nach, die Wenden ihre bejahrten, zur Arbeit nicht mehr fähigen Eltern erschlagen. Eines Tages, als diese grausame Tat an einem schneeweißen Greise, der gebunden und jammernd an der Erde lag, vollführt werden sollte, kam eine Herzogin von Celle des Weges gezogen, und hörte den Klageruf. Sie drang in das Gebüsch und sah den Alten und neben ihm etliche junge, kräftige Männer, mit rauhen Fellen bedeckt. Sie sprachen, als die Herzogin fragte, weshalb der Greis so kläglich jammere: das sei ihr alter Vater, der nicht mehr zum Leben tauge; deshalb auch wollten sie ihn zu Tode schlagen. Die Herzogin vermahnte die Männer, von ihrem grausamen, unnatürlichen Vorhaben abzustehen; die aber sprachen wieder: Was soll ein Mensch auf der Welt, der sich und allen andern nur Last und Schaden bringt? Seht Ihr den Rost an dieser Axt? Das ist von seines Vaters Blut, den er selbst auch einst erschlagen. Und so werden unsere Söhne, wofern wir zu hohen Jahren kommen, dermaleinst uns wieder töten. Die Herzogin ließ den Söhnen Geld geben, davon sie ihren Vater erhalten sollten. Sie nahmen's und sagten: solange das Geld ausreiche, so lange könne der Alte noch leben.

 


 


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