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Erläuterungen

zu den altisländischen Volksballaden.

Aase (V). Samsö, eine kleine Insel im südlichen Kattegatt, zwischen Jütland, Fünen und Seeland gelegen, dient auffallend oft in nordischen Sagen und Balladen als Schauplatz.

Das Ribbaldslied (VI) ist ein mittelalterlicher Nachklang des uralten Heldengedichts von Helge Hundingstöter. Einen Streiter während des Kampfes bei seinem Namen nennen, galt als unheilbringend; in Schweden bezeichnete man es deshalb mit dem Worte dödnämna, totsprechen.

Gunnhild (VIII). Der hier Dietrich genannte Gemahl der unglücklichen Königin ist keineswegs etwa Dietrich von Bern, wie angenommen werden könnte, sondern Karl der Große, zu dessen Sagenkreise die Ballade gehört. Spire (Speier) wird häufig in alten nordischen Volksdichtungen erwähnt.

Das Tristramslied (XVII). Der uralte Sagenstoff, der in Gottfried von Straßburg einen so genialen Darsteller fand, wurde auch nach Islands fernen Küsten getragen. Der Schluß unserer Ballade enthält einen Gedanken, der bei Volksliedern der verschiedensten Nationen wiederkehrt. Die symbolische Andeutung von der Wiedervereinigung unglücklich Liebender nach dem Tode kommt z. B. in ganz ähnlicher Weise vor in dem »Douglastrauerspiel«, von Theodor Fontane in seinen vortrefflichen »Balladen« übersetzt. Der Schluß einer andern englischen Volksballade »Schön Margret und Lord William«, die Th. F. ebenfalls übertrug (Balladen, S. 132), lautet:

Er ward im Chor bestattet
Und siehe, Schön Margret auch;
Sein Grab trug einen Weißdorn,
Ihr's einen Rosenstrauch.

Sie wuchsen bis zum Dache
Und reichten sich da die Hand,
Kein Auge sah die beiden,
Das nicht in Thränen stand.

Der Küster hieb sie nieder
Und warf sie in die Flamm',
Sie aber wuchsen wieder: –
Treue Liebe kommt zusamm'.

Aehnliche Beispiele finden sich in schwedischen, rumänischen, serbischen, neugriechischen und portugiesischen wie spanischen Volksliedern. Es würde zu weit führen, die betreffenden Citate anzuführen; interessieren dürften aber doch einige Strophen aus Landstads trefflichen norwegischen Volksliedern, die in der schönen Ballade »Bendik und Arolilja« (Norske Folkeviser S. 530) vorkommen. Sie lauten:

Ihn senkte man ein im Süden,
Sie nördlich vom Gotteshaus,
Es wuchsen aus ihren Gräbern
Zwei schöne Lilien heraus.
Arolilja! Wie schläfst du doch so lange!

Es wuchsen aus ihren Gräbern
Zwei Lilien wundervoll,
Und wuchsen empor an's Kirchendach,
Dem König zu Grimm und Groll.
Arolilja! Wie schläfst du doch so lange!

Zwei Lilien entwuchsen den Gräbern
Und wuchsen zusammen so dicht
Hoch über dem Dach der Kirche,
Dem König zum Gericht.
Arolilja! Wie schläfst du doch so lange!

Das Lodbrokslied (XVIII). Einer der Lieblingshelden der nordischen Sage ist der König Regner Lodbrok. Das Volk hat seine ganze Fülle von Poesie aufgeboten, um ihn, der aus der Sagenzeit in die Geschichte hereinragt, mit einem solchen Gewirr von schmückenden Blütenranken zu umhüllen, daß es dem unermüdlichen Spürsinn der nordischen Altertumsforscher kaum gelingen wollte, ein Weniges aus seinem Leben als historische Thatsache nachzuweisen. Die beiden Hauptquellen, Historia Danica, durch welche Saxo Grammaticus (gest. 1204) sich unsterblich machte, und die Regner Lodbroksage stimmen nur in einigen Punkten mit einander überein. Isländische, fränkische und englische Annalen erwähnen ihn, allein in der Angabe über die Zeit, wann er gelebt haben soll, weichen sie bedeutend von einander ab. Während die englischen Chronisten seinen Tod nach 867 durch seine Söhne rächen lassen, berichten die isländischen Geschlechtsregister, daß der Tod des Helden etwa 793 erfolgt sei; die Thatsache jedoch, daß ein König dieses Namens eine lange Reihe von Jahren im Norden ruhmvoll, weit und breit gefürchtet und viel besungen, gelebt habe, steht unwiderleglich fest.

Von seinen Liebesabenteuern, seinen Heerzügen in Ost und West soll hier nicht die Rede sein; nur an seinen Tod mag erinnert werden. Regner Lodbrok bekämpfte den König Ella in Northumberland, ward aber überwältigt, gefangen genommen und vor seinen Gegner geführt, dem er sich jedoch nicht nennen wollte, weshalb er in einen Schlangenhof gesetzt ward. Schrecklich waren seinen Qualen, allein er ertrug sie standhaft, und erst als die Ungetüme ihm das Herz zu zernagen begannen, brach er in die Worte aus: » Gnydja mundu grisir, ef galtar hag vissi«, d. h. »Grunzen würden die Ferkel, wenn sie des Ebers Qual kenneten«, womit er auf seine kriegerischen Söhne hindeuten wollte, die denn auch des Vaters Tod auf entsetzliche Weise rächten.

Ein berühmtes Gedicht der altisländischen Litteratur führt den Namen » Krákumál« oder » Lodbrókarskvida«. Es zählt Regners Thaten auf und soll von ihm selbst während seiner Qualen im Schlangenhofe gedichtet worden sein. Andere dagegen nehmen an, daß seine ihn überlebende Gattin das Gedicht zum Ruhme des Helden von einem an ihrem Hofe lebenden Skalden habe verfassen lassen. Der um die altnordische Litteratur hochverdiente C. C. Rafn gab 1826 sein » sive Epicedium Ragnaris Lodbroci, regis Daniae« heraus.

Der vorliegenden Uebersetzung oder Bearbeitung liegt aber das Original nicht zu grunde; vielmehr ist ein alter dänischer Text benutzt, welcher aus dem Jahre 1652 stammt und von einem Dänen Namens Christian Berntsön herrühren soll, wahrscheinlich nach dem Skaldenliede frei bearbeitet, und in A. P. Berggreens danske Folkesange og Melodier, 1860, sich findet.

Das Beispiel Oehlenschlägers, der in seinem Heldengesang von Harald Hildetand neben kunstvoller Reimung die Allitteration anwandte, bewog dazu, auch hier den Versuch zu machen, obgleich auf diese Weise die Form an Einfachheit Einbuße erlitt. Es ist aber zu erwägen, daß wir es hier überhaupt nicht mit einem Volksliede, sondern mit einem Erzeugnis der Skaldenpoesie zu thun haben, die noch ganz andere Kühnheiten zuwege brachte.

Olufa (XIX). Diese Ballade ist ebenfalls nicht den » Islenzk fornkvädi«, sondern auch A. P. Berggreens »Danske Folkesange og Melodier« entnommen. Da wird sie mitgeteilt nach »Antiquarisk Tidskrift for 1846-48«, dem sie übermittelt ward durch V. U. Hammershaimb. Folgende Bemerkung, die er in der genannten Schrift beifügt, mag hier ihren Platz finden. »Die Färinger benutzten diesen Gesang am letzten Abend, der sie in der Tanzzeit versammelt, also vor den Fasten, der Leidenszeit Christi. Sie tanzen alsdann nicht wieder, ehe nach dem Tage der Geburt des Herrn, also vom zweiten Weihnachtstage an. Zur Ermunterung und zur Ermahnung besonders für diejenigen, welche während der letzten Tanzzeit sich verlobt haben, wählt man zum Beschluß dieses Lied, in welchem die Treue des Weibes geschildert wird; wehmütig bei dem Gedanken, daß die fröhliche Tanzzeit vorüber, scheiden sie alsdann mit den Worten des Kehrreimes: »Gott weiß, wo wir Julbier trinken nächstes Mal!«

Die Betonung der beiden ersten Zeilen des Kehrreimes muß sein:

– Schonet nicht eure Schuh',
Tretet fest auf im Saal!«

Diese Ballade ist hier eingefügt, weil sie nicht neben die Sigurdslieder der Färinger gestellt werden konnte und also samt dem Gunnarsliede (XX) hier am besten einzuschalten war.

Erläuterungen
zu den altdänischen Volksballaden.

Mythe, Märchen und Sage sind in der mittelalterlichen Volksdichtung der Dänen wie wohl fast überall so innig in einander verwoben, daß es schwierig, ja zuweilen unmöglich ist, sie auseinander zu halten. Diese Balladen berühren sich häufig mit deutschen Stoffen, vertauschen und verwechseln aber manchmal die Namen der handelnden Personen und der betreffenden Oertlichkeiten.

Die meistens vorausgeschickten kurzen Nachweise über die Herkunft und das Alter der altdänischen Volksballaden dürften einigermaßen genügen, und so erübrigt es nur noch, für die III. Abteilung derselben einige Notizen zu geben, um den in der Specialgeschichte des dänischen Mittelalters augenblicklich nicht Orientierten an diejenigen Persönlichkeiten und Thatsachen derselben zu erinnern, welche von dem Volke poetisch verwertet sind. Die Ballade

Karl und die kleine Krähe (14) gehört zu dem Kreise der Sigurdsagen und ist bereits von W. Grimm unter dem Titel »Die königliche Hirtin« übersetzt worden. Die Wölsungasaga und die Regner Lodbroksaga erzählen von Aslaug, der Tochter Sigurds und Brinhildens. Heimer, ein Skalde, rettet das Kind in seiner Harfe und kommt nach langem Umherirren bei argem Unwetter auf die Spangarheide zu einem Bauern Ake und dessen Frau Grima, welche ihn ermorden, in der Harfe verborgen aber statt erhofften Schatzes die kleine Aslaug entdecken und sie erziehen, bis König Regner Lodbrok sie als Ziegenhirtin findet und zur Gemahlin nimmt.

Svend Feldings Pilgerfahrt (15). Knut der Große (1014-35) vereinigte England und Norwegen mit Dänemark, doch fielen bei seinem Tode die drei Reiche auseinander, und nach mannichfachen Unruhen gründete sein Schwestersohn Svend Estridsen (1047-76) eine neue Dynastie. Einer von dessen fünf Söhnen, die sämtlich nach ihm zur Regierung kamen, war Erik Ejegod (der Herzensgute), und auf diesen, der im J. 1098 eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm, wird die Erwähnung der Gründung einer Herberge für dänische Romfahrer hinzuführen sein, da er bei jener Gelegenheit eine solche in Lucca veranlaßte. Nach seinem Tode war Dänemark ein halbes Jahrhundert lang der Schauplatz blutiger Thronstreitigkeiten, bis Svend Grade (16) seine Rivalen hinterlistig zu beseitigen suchte, bei welcher Gelegenheit zwar der eine umkam, der andere jedoch – Waldemar, der Herzog von Schleswig – sich rettete. Bei Viborg maßen sich die beiden Gegner, Svend Grade unterlag und ward erschlagen. Nun bestieg Waldemar I, der Große, den Thron, den er 1157-81 inne hatte, und dieser Fürst ist es, dessen Liebesverhältnis in der ergreifenden Ballade

Tovchen (17) vom Volke mit besonderer Teilnahme geschildert wurde. Lange hat man angenommen, der in diesem altberühmten Volksliede erwähnte Dänenfürst sei Waldemar IV, Atterdag (1340-75) gewesen, allein neuere Forschungen erweisen, daß die Sage sich auf Waldemar I bezieht. – Diesem Könige folgte auf dem Throne zunächst sein Sohn Knut VI (1182-1202) und darauf dessen Bruder Waldemar II, der Sieger (1202-1241), welcher in zweiter Ehe vermählt war mit der von dem Volke angebeteten

Königin Dagmar (18). Diese war nicht, wie man nach der Ballade annehmen müßte, eine bayrische, sondern vielmehr eine böhmische Prinzessin, Tochter des Königs Ottokar I, Przemysl (1198 bis 1230). Ihr rechter Name war Margaretha; der Name Dagmar ist dänisch und bedeutet »schön wie der Tag«. Der Sage nach soll diese Gemahlin der gute Engel Waldemar II gewesen sein, wie dessen dritte sein böser Engel. Diese dritte, Berengaria, war eine Tochter des portugiesischen Königs Sancho I (1185-1211), des Bauernfreundes. Sie muß ihrem edlen Vater sehr unähnlich gewesen sein, denn sie mißbrauchte ihre Gewalt über Waldemar II, ihren Gemahl, um ihn zur Härte gegen sein durch die Kriegslasten schwer bedrücktes Volk zu verleiten. Den Namen dieser Königin veränderte der Haß des Volkes zu Bengerd (Knochenhecke). Namentlich die Ballade

Königin Dagmars Tod (19) ist von hoher Schönheit und bildet ein rührendes Denkmal der Liebe eines dankbaren Volkes. Es giebt eine Reihe von Versionen dieser beiden Volksdichtungen und darunter solche, die mehrfache Ausschmückungen enthalten, so z. B. bezüglich der letzten Bitten der sterbenden Königin; hier ist an der Fassung festgehalten, welche der berühmte Forscher Svend Grundtvig bringt.

Die Zeiten der Waldemare waren für Dänemark – wenigstens nach außen hin – glanzvoll. Der zweite König dieses Namens (eben Dagmars Gemahl) wurde nicht mit Unrecht »der Sieger« genannt. Zu Holstein, Lauenburg, Mecklenburg, Pommern und einer Anzahl Ostsee-Inseln, die zum Teil schon sein Bruder Knut VI bezwungen hatte, eroberte er auf einem Kreuzzuge Esthland. Seine Flotte soll 1400 Schiffe und seine Landmacht 160 000 Mann stark gewesen sein. Trotzdem sank diese ungeheure Macht jäh in sich zusammen, als Graf Heinrich von Schwerin den gewaltigen Kriegsfürsten durch kühnen Ueberfall 1223 gefangen nahm und nach seiner Freilassung ihn in der Schlacht bei Bornhöved (in Holstein, 1227) besiegte. Nach Waldemars Tode, 1241, kamen der Reihe nach seine drei Söhne Erich, Abel und Christoph zur Regierung Mit der Macht und dem Ansehen Dänemarks war es jedoch vorbei. Waldemar des Siegers Enkel, Erich Glipping (der Blinzelnde, 1259-86), war noch weniger als jene drei geeignet, den früheren Glanz des Dänenreiches herzustellen. Ein Fürst, der nur sinnlichen Ausschweifungen lebte, verging er sich gegen die Gemahlin eines der mächtigsten Großen seines Volkes, und der Volksballaden-Cyklus von

Marstig – Marschall Stig Andersen – (20) bildet in seiner Gesamtheit ein Epos, welches »den Höhepunkt poetischer Kraft und primitiver Kunst bezeichnen dürfte, den das dänische Volkslied im Mittelalter überhaupt erreicht hat«. (Grundtvig.) Auch hier ist die kürzere und mehr geschlossene Fassung adoptiert worden. Andere, mit dem genannten Balladen-Cyklus in Verbindung stehende Volksdichtungen beiseite gelassen, möge von ihnen die schöne Ballade

Marschall Stigs Töchter (21) hier einen Platz finden. Als Erik Menved (1286-1319), der Sohn des ermordeten Königs, der bei des Vaters Tode erst 12 Jahre zählte, später die schwedische Prinzessin Ingeborg heiratete, bedang diese die Freilassung der gefangenen Töchter des geächteten Königsmörders sich aus, die nach des Vaters Tode in die Gewalt des jungen Königs geraten waren. Das Volkslied erzählt nun rührend, wie die Freund- und Heimatlosen zuerst Hilfe suchend nach Schweden zu König »Börge« (Birger) kamen – demselben, der seine beiden Brüder im Gefängnis Hungertodes sterben ließ – und erst in Norwegen bei dem König Erik, dem Priesterfeinde, Schutz fanden. – – – – –

Der zweite Oldenburger auf dem Throne der drei durch die kalmarische Union vereinigten skandinavischen Königreiche, Johann (1481-1513), unternahm bekanntlich mit gewaltiger Heeresmacht einen Kriegszug, um das tapfere Bauernvolk der Ditmarsen in Holstein sich zu unterwerfen. Unterstützt von den Naturgewalten (winterliches Unwetter und Ueberflutung der Marschen nach Durchstechung der Deiche) gelang es den streitbaren Bauern in der berühmten

Schlacht bei Hemmingstedt (22) i. J. 1500 ihre Freiheit zu behaupten, doch büßten sie diese ein, als der spätere

König Frederik II (23), klugerweise günstigere Jahreszeit abwartend, im Sommer 1559 den Versuch der Unterjochung wiederholte. Der König soll, wie die Ballade erzählt, wirklich als Ochsenhändler oder Roßkamm verkleidet, vor dem Einbruch in Ditmarschen dort sich aufgehalten und die Verhältnisse und Oertlichkeiten ausgekundschaftet haben.


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