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XVII. Das Tristramslied.

Tristram hatt' einen harten Strauß
Mit einem heidnischen Hunde;
Gar manchen Recken trug man heraus
Mit blutiger, klaffender Wunde.
– Sie waren nicht leicht zu trennen.

Auch ihn trug man auf seinem Schild,
Den jungen wackeren Degen,
Da zeigten viele sich gewillt
Ihn zu heilen und zu pflegen.

Nicht Balsam will er, nicht Verband,
Er spricht mit bleichem Munde:
»Allein der lichten Isodd Hand
Mag heilen meine Wunde.

Und Boten sollen über das Meer
Und über die braune Heide:
Der lichten Isodd sagt, wie sehr,
Wie namenlos ich leide!«

Zu den Getreuen spricht er dann,
Indem sie fürder eilen:
»Der lichten Isodd saget an,
Sie komme, mich zu heilen.

Und kehrt sie mit zurück, dann spannt
Nur blaue Segel, Ihr Mannen;
Doch wenn meine Bitte Gehör nicht fand,
Mögt schwarze Ihr aufspannen.«

Sie ziehen sonder Rast und Ruh
Zur Isodd mit der Kunde:
»Eil', Herrin, Tristram fleht, daß du
Ihm heilest seine Wunde!«

Zum König schreitet sie in den Saal
Und flehet unverweilet:
»Laß mich zu Tristram, mein Gemahl,
Daß meine Hand ihn heilet.«

Da nahm der König streng das Wort
Und ohne die Stirn zu glätten:
»Und ruft der Tod den Tristram fort,
Vermagst du ihn zu retten?«

Die lichte Isodd war's, sie hat
Gefleht im tiefsten Harme
Und schlang dem König, wie sie ihn bat,
Um den Hals die weichen Arme.

»Nun wohl, ich ließe dich ziehen gern
Nach des jungen Verwandten Begehren,
Wüßt' ich nur, daß du aus der Fern'
Ohn' alle Fährde magst kehren.«

– »Ob ich der Wiederkehr mich freu',
Nur Gott kann das ermessen;
Doch gegen meinen Herrn die Treu'
Will nimmer ich vergessen.«

Da warf sie um das Mardelkleid
Und rief herbei die Mannen;
Die hohe Frau, in Sorg' und Leid
Zog sie darauf von dannen.

»Nun rüstet euch und denkt allein
Des Wortes im treuen Sinn:
Blau sollen, blau die Segel sein
Des Schiffes, auf dem ich bin!«

Da setzte man die Segel bei,
Wie es die Frau gebot,
Daß sie dem Tristram Hilfe sei
In seiner bittern Not.

Das Schiff durchschnitt die wallende Flut
Der Tage sechs oder sieben,
Der Himmel war klar, der Wind war gut
Und hat sie fürder getrieben.

Die finstre Isodd saß am Strand
Und thät das Schifflein schauen,
Da hat sie sich zur Burg gewandt,
Die stolzeste der Frauen.

Die finstre Isodd nahm das Wort,
Die stolzeste der Frauen:
»Ein Schiff legt bei mit Segeln dort,
Mit schwarzen, nicht mit blauen.«

Und Tristram kehrte zur Wand sich um
In namenlosem Schmerz,
Und seine Lippe ward bleich und stumm,
Und stille stand sein Herz.

Dort unten aber am Meeresstrand,
Wo die Wogen schäumen und schlagen,
Da lag das Schiff, schon ward an's Land
Die lichte Isodd getragen.

Der Pfad war mühsam und war lang
Und die Gasse war so enge:
Da tönte heller Glockenklang,
Da hallten ernste Gesänge.

Und Isodd eilte zur Kirche schnell
Mit ihren hundert Mannen,
Wo schon die Priester an heiliger Stell'
Ihre Prozession begannen.

Und über der teuren Leiche bricht
Erbleichend sie zusammen –
Die Priester stehn, in Händen das Licht,
Unruhig flackern die Flammen.

Da war zu Ende alles Leid,
Zu Ende jede Not:
Sie lag, von Gram und Sorge befreit,
An seiner Seite tot.

Nur die finstre Isodd nicht begann
Zu jammern und zu klagen,
Als nun der Leichen zweie man
Mußt' aus der Kirche tragen.

Die finstre Isodd aber gebot
Und schwur mit wilden Eiden:
»Vereinen soll sie selbst nicht der Tod,
Auch jetzt will ich sie scheiden!«

Und sprach und winkte mit der Hand:
»Ihr soll ein Grab man graben
An dieser Kirchenmauerwand,
Er soll's an jener haben!«

Zwei Linden aber wuchsen gemach
Aus ihrem Grab und dem seinen
Und thäten über dem Kirchendach
Die grünen Wipfel vereinen.
– Sie waren nicht leicht zu trennen.


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