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17. Tovchen.

Ums Jahr 1160.

Nur wenige Lieder haben eine so allgemeine Verbreitung gefunden, wie diese die langen Jahrhunderte hindurch im ganzen Norden mit Vorliebe gesungene Volksballade. S. die Erläuterungen.

Die Schönste war Tovchen, die man nur fand,
– Wär' ich so schön doch, wie Tovchen war! –
Die Schönste im ganzen Dänenland!
– Doch Tovchen war Königs Kebse.

Tovchen steht in des Vaters Burg,
Zwei Jungfern kämmen das Haar ihr durch.

Zwei Jungfern kämmen ihr goldenes Haar,
Zwei andere reichen Geschmeide dar.

Zwei schmücken ihr Haar mit Zier,
Zwei andere halten den Spiegel ihr.

Zwei Jungfern thun an ihr das scharlachne Kleid,
Zwei geben ihr aus und ein das Geleit.

Der König gewahrte die Wohlgestalt,
Da neigte sich ihr sein Herz alsbald.

Er sandte zum Werben der Knappen fünf;
Doch Tove schickte sie heim mit Schimpf.

Er sandte zum Werben der Ritter neun –
Sie wies sie ab ohne sich zu scheu'n.

Der Dänenkönig ließ nicht sich verschmähn:
Selbst ließ er sein Roß zu Tovchen gehn.

Selbst kam der König mit ganzem Geleit,
Da mußt' ihm wohl folgen die schöne Maid.

Der König glättet das Kissen so zier:
»Komm, stolzes Jungfräulein, und setz' dich zu mir!«

Da verließen die Ritter allsamt das Gemach,
Stolz Tovchen blieb bei dem König die Nacht.

Ums Morgenrot, beim Tagen früh,
Ihre Morgengabe forderte sie.

»Ich geb' dir Geschmeide nach deinem Sinn
Und Scharlach für jegliche Dienerin.«

Doch Tove erzürnten die kleinen Gaben,
Sie wollte mehr von dem Könige haben.

»Steh auf nur, Tove, dein Zorn vergeht:
Ich gebe dir Ribe und dazu Ringsted.«

Doch Tove erzürnten die kleinen Gaben,
Sie wollte mehr von dem Könige haben.

»Steh auf, du Stolze, und banne den Groll!
Lund und Schonen auch dein werden soll.«

Schön Tove erzürnten die kleinen Gaben,
Sie wollte mehr von dem Könige haben.

»Dann will ich dir bieten die beste der Gaben:
Den Dänenkönig, willst du ihn haben.

Die Tage, so lang ich am Leben bleib',
Sei, Tovchen, du mein Herzensweib!«

– »Habt Dank, Herr König, für reiche Gabe!
      – Wär' ich so schön doch wie Tovchen war!
Das ist der Lohn, den im Sinn ich habe!«
– Doch Tove war Königs Kebse.

König Waldemar wollt' sich vermählen,
      – Mit Leide –
Die schöne Soffi thät er erwählen.
      – König Waldemar liebte sie beide. –

Er rüstet die Hochzeit gar herrlich nun,
Läßt mit rotem Golde sein Roß beschuh'n.

So sendet er Botschaft zur Tove sein:
»Gar gern vernähm' ich die Rede dein!«

Und Tovchen zaudert' und säumte nicht,
Sie schmückte sich nächtlich bei Kerzenlicht.

Sie zog ein seidenes Hemdchen an,
Sieben Jungfern webten einen Sommer daran.

Erst zog sie an das Hemdchen von Seide,
Dann schmückte sie sich mit scharlachnem Kleide.

Sie gürtete sich mit seidener Schnur,
Ueberm Haar prangt die Krone von Golde pur.

Tovchen hob man aufs weiße Roß,
Kein Weib ritt wie sie im ganzen Troß.

Der Sattel von Silber, der Zaum von Gold,
Der Zelter so freudenvoll tänzelt und tollt.

Tovchen kam vor des Schlosses Thor,
Gunde, der Priester, steht draußenvor.

Tove spricht zum Priester, dem Gunde:
»Nahm Waldemar nun ein Weib? Gieb Kunde!«

– »Gewißlich nahm er ein Weib zur Eh':
Die Soffi ist es von Odensee.«

Der König gebeut der Mannen zwee'n:
»Bittet Frau Tove zu mir zu gehn.«

Geschmückt mit Scharlach, in Seiden und Lein,
So tritt sie zum Dänenkönig hinein.

Der König zeigt auf das Kissen so zier:
»Tovchen, so komm nun und setz' dich zu mir!

Und hör' es nur, Tovchen hold und fein,
Was hältst du von Soffi, der Königin mein?«

– »Ich bin ihr so gut, der Königin dein,
Wie Christoffern, dem lieben Söhnchen mein.

Mein grau, grau Rößlein will ich ihr geben,
Sie als Königin ehren das ganze Leben.«

Der König gebeut der Mannen zwee'n:
»Bittet die Königin zu mir zu gehn!« ...

»O höre, Soffi, so hold und fein,
Wie denkst du über schön Tovchen mein?«

– »Ich liebe Tovchen, das sei dir kund,
Wie der reißende Wolf im Waldesgrund.

Gern gäb' ich ihr drei der Gehöfte hin,
Damit sie lebendig verbrenne darin.

Fünf güldene Ringe gäb' ich ihr sofort,
      – Mit Leide –
Wenn dafür sie brennete hier und dort!«
– König Waldemar liebte sie beide.

Es war im Lenz am Walburgstag,
      – Auf der Halde –
Im Königsschloß ist Tanzgelag.
– Sproßt herrlich das Laub im weiten Walde.

Da geht der Tanz am Bach im Frei'n,
Da tanzen der Königin Jungfräulein.

Der Bach, der spiegelt manch tanzendes Paar,
Da tanzt auch Frau Tove mit offenem Haar.

Da tanzen wohl vier, wohl fünf entlang,
Vor ihnen Frau Tove, die stolze, sang.

Da tanzten wohl acht, da tanzten wohl neun,
Frau Tove, die stolze, hell sang sie drein.

Die Königin thät aus dem Fenster sehn,
Da sieht sie Tove im Tanz sich drehn.

Sieht Tove im Tanze und läßt zum Gruß
Ausbreiten Seiden ihr vor dem Fuß.

»Und höre nun Tovchen, du mein Gespiel,
Nimm Seiden zu Füßen, wenns dir gefiel'.«

– »Und soll ich heut' eine Königin sein,
Darf Seide zu treten ich nimmer mich scheu'n.

Nicht liebt' ich den König, wollt' ihm zum Behagen
Nicht Seiden hier ich auf Erden tragen.«

– »Du sage mir, Tove, Gespielin mein,
Wie mochtest dem König zu Willen du sein?«

– »Dem König that ich den Willen sein,
Weil größer seine Macht als die mein'.

Ich war ein Mägdlein jung und zart,
Auf der Burg des Vaters wohl verwahrt.

Ich stund vorm Thore frank und frei,
Der König ritt mit dem Troß vorbei.

Fünf Knappen sandt' er zum Werben hin,
Zu folgen, das kam mir nicht in den Sinn.

Neun Ritter mußten dann für ihn frei'n,
Doch diese schickt' ich wie jene heim.

Der König kam selbst da mit seinem Gesind',
Da mußt' ich ihm folgen, ich jung, jung Kind.«

– »Du sage mir, Tove, Gespielin mein,
Was war die Morgengabe dein?«

– »Er gab mir solch köstlich güldenen Schrein,
Kein schön'rer kam jemals nach Dänemark herein.

Er gab mir Lehen, gab Gut um Gut:
Ribe und Ringsted und Lund dazu.

Er gab mir diesen Haarschmuck von Gold,
Er versprach mir zu bleiben treu und hold.

Doch später waren Thränen gar oft mein Gewinn,
Sein Thun war nicht immer nach meinem Sinn.«

Königin Soffi spricht drauf zu sich selber voll Grimm:
»Einer Dirne war das noch lang' nicht zu schlimm.

Erleb' ich's, und ist der Herrgott mir hold,
Weit mindere Gaben du haben sollst.«

Die Königin schmückt mit dem Schleier das Haar,
So stellt sie im Saal vor dem König sich dar.

»Hör' mich, mein Herr! Das frage ich dich:
Weshalb hast du Tovchen lieber als mich?«

– »Deshalb trag' ich Tovchen im Herzen hier:
Sie gebar mir zwei Söhne; nachreiten sie mir.

Der eine ist Christoph, der andre ist Knud,
Sie folgen mir bald in den Krieg voll Mut.

Und reit' ich dereinst in Flensburg hinein,
Soll Christoph der Träger des Banners sein.

Und reit' ich dereinst durch das Holstenland,
Dann trägt es mein kleiner Knud in der Hand.«

– »O höre, mein Herr, was ich bitte von dir:
Darf nicht in die Badstube Tove mit mir?«

– »Gar gern ich diesen Wunsch dir erfüll',
      – Auf der Halde –
Alsbald nur Tove selber es will.«
– Sproßt herrlich das Laub im weiten Walde.

Am heiligen Weihnachtstag ist es geschehn,
– Wär ich' so schön doch wie Tovchen war!
Stolz Tovchen wollte zur Kirche gehn.
– Doch Tove war Königes Kebse.

Tovchen wandelt die Gassen hindann,
Seide und rotes Gold hinter ihr schwamm.

Die Königin spricht zu der Jungfräulein zwe'en:
»Ersucht Frau Tove her zu mir zu gehn!«

Tove hüllt sich ins Scharlachgewand,
In der Königin Kemenate sie stand.

Die Königin zeigt auf das Kissen so zier:
»Komm doch, stolz Tovchen, und setz' dich zu mir!

Der König erlaubt auf mein Bitten dir,
Du darfst in die Badstube gehen mit mir.«

– »Ist's Königes Wille, so mag es geschehn,
Gern will ich mit euch in die Badstube gehn.«

Königin Soffi gebot's und es that's der Gesell:
Die Badestube bereitet er schnell.

»In der Badstub' heizet glutig ein!
Es soll der Tod für Tovchen sein.«

Tovchen sollt' in die Badstube dann,
Die Königin selber sah es mit an.

Tovchen nahte sich nun der Thür,
Die Königin selber öffnet sie ihr.

Voll Grimm die Königin schaute drein,
Selbst stieß sie Tove zur Thür hinein.

Als Tove so in die Badstube kam,
Nicht Wasser war, nicht Lauge da.

Da waren so heiß die Steine –
Sie verbrannte bis auf die Gebeine.

»Hier ist nicht Wasser, nicht Lauge hier!
Um Gottes willen, schnell öffnet mir!«

Tovchen rief: »Die Thüre sprengt schnell!«
Die Königin aber: »Mehr Feuer zur Stell'!«

Das Weinen vernahm man die Straß' entlang,
Als Tovchen mit dem Tode rang.

Tovchen weinte und Tovchen schrie;
Christoph ritt eben vorüber hie.

Christoph alsbald zur Badstube rannte,
Wo sein liebes Mütterlein elend verbrannte.

Auf stieß er die Thür da mit Ungestüm,
Die Nägel sprangen entgegen ihm.

Stieß auf die Thür mit Wucht genug,
Und die Mutter dann hinaus er trug.

Als Tovchen kam aus der Badestub',
War sie wie die Gans, die man brät um Jul.

Christoph trug sie in den Garten hinaus,
Klein Tove fand einen Tod so graus.

Mit gramvollem Herzen und Wangen so bleich
Zur Königin eilet dann Christoph sogleich.

»Ihr, Königin, sitzt hier im Scharlach rot!
Wie fand meine Mutter im Bade den Tod?«

– »Verbrennen ließ ich die Mutter dein,
Weil verlockt sie hat den Herren mein.«

Auf die Wange schlug Christoph die Königin,
Blut floß ihr über den Scharlach hin.

»Bleiben wir Brüder am Leben – aufs Wort,
Dann treiben wir dich aus Dänemark fort!«

– »Wenn ich und mein Herr am Leben bleiben,
– Wär' ich so schön doch wie Tovchen war!
Aus dem Lande wir dann euch Brüder treiben!«
– Doch Tove war Königes Kebse.

Das Königs Wort an die Ritter ergeht:
      – Mit Leide –
Weshalb kommt nicht Tove zum Abendgebet?«
– König Waldemar liebte sie beide.

Antwortet Soffi, so rot wie Blut:
»Tove wurde schwach in der Badstubenglut.

Es ward ihr so eng um die Brust, so bang,
Du vernimmst nie mehr ihrer Stimme Klang.

Deine Tove, sie starb, daß Gott sich erbarm'!
Du schläfst nie wieder in ihrem Arm!«

Der König ward schwarz wie Erde vor Zorn:
»Durch dich hat sie das Leben verlor'n!

Wärst du ein Mann, wie Weib du bist,
Du ließest dein Leben zu dieser Frist!

Wärst du ein Mann, wie du wurdest ein Weib,
In der Badstube büßte dafür dein Leib.

Also lohn' ich es, Soffi, nun dir:
Nie mehr hast du einen Mann an mir!

Mehr wert war Tove mit einer Kuh,
Als, Soffi, mit fünfzehn Schlössern du.

Mehr wert war Tove im Nachthemdlein,
Als du, Soffi, mit dem Reichtum dein!«

Dann faßt' er sie an am Schultergewand
Und stieß sie fort aus Schloß und Land.

Lang' Trauergeleit durch die Gassen dahin!
      – Mit Leide –
Der König schritt selbst unterm Baldachin.
– König Waldemar liebte sie beide.


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