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VI. Das Ribbaldslied.

      Im Ostwind bebt das Laub der Linden;
      Weit schlimmer ist es lösen als binden.

»Hörst du, schön Gullbrun? reiten
      – Laub der Linden –
Laß uns von hier in die Weiten!«
– Weit schlimmer ist es lösen als binden. –

Zu sich aufs weiße Roß er sie setzte;
Sie war der Reiterinnen beste.

Nicht gar zu weit auf ihren Wegen,
Kam schon ein Reiter ihnen entgegen.

»Gegrüßt sei, Ribbald! wohin, wenn's erlaubt,
Mit dieser Jungfrau, die du geraubt?«

»Es ist ja nicht die Liebste dein:
Margret ist es, mein Schwesterlein.«

»Verbirg's nur nicht, nicht täuschest du mich;
Genau erkenn' ich, Gullbrun, dich!«

»Nimm den blauen Mantel, er wird dir behagen,
Willst du's meinem Vater nur nicht verraten!«

»Nicht deinen Mantel, den blauen, ich mag,
      – Laub der Linden –
Deinem Vater aber ich alles sag'!«
– Weit schlimmer ist lösen als binden. –

»Hier sitzt du, König und labst dich am Wein?
      – Ich meld' es treulich!
Fort ist dein schönes Töchterlein!«
      – Noch ist sie jungfräulich. –

Der König ruft seinem Knaben zu:
»Schnell reiche mir meine Harfe du!«

Er schleudert' sie auf die Diele,
Da zersprangen der Saiten viele.

Er schleudert' sie hin zum zweiten,
Da zersprangen die letzten Saiten.

Dann gebot der König dem Knaben sein:
»Schnell sattle mir die Rosse mein!«

Sie sah am Fuße der Halde
Ihren Vater nahen gar balde.

Sie sah dann nahn eine zweite Schar:
Ihrer Brüder elf mit blondem Haar.

Dann ward sie einer dritten gewahr:
Es war ihrer sieben Schwäher Schar.

»Ribbald, hör', was ich flehe von dir:
Des jüngsten Bruders Leben gieb mir!

Schon' meines jüngsten Bruders Leben,
Daß der Mutter er könne Kunde geben!«

»Ich binde mein Roß mit dem Zaume;
Setz' du dich am Wegessaume.

Höre nun, Gullbrun! ich bitte dich,
Nenne nur ja meinen Namen nicht!

Und flösse auch hin mein Blut so rot:
Nur wenn du mich nennest, wird es mein Tod.

Und sänk ich auch zu Boden:
Der Name nur bringt mich zu Tode.«

Zuerst erlegt ihren Vater er –
Das macht ihr Herz vor Kummer schwer.

Er erschlug alsdann die zweite Schar:
Ihrer Brüder elf mit dem blonden Haar.

»Ribbald, der Maß du zu halten nicht weißt:
Verzeih es dir Gott und der heilige Geist!«

Es mochte sie baß betrüben –
Dann fällt' er der Schwäher sieben.

Doch hatt' er in diesen Stunden
Empfangen sechzig Wunden.

Wunden derselben weilen,
Die nun und nimmer heilen.

Ribbald trocknet sein blutiges Schwert.
»Dessen, Gullbrun, wärest du wert!

Doch die Liebe ist dir Schirm und Schild,
Daß nicht mein Schwert dir dies vergilt!«

Vor sich aufs weiße Roß er sie setzte,
Sie war der Reiterinnen beste.

Ribbald giebt die Sporen dem Roß
Und reitet vor seines Bruders Schloß.

»Rigard, hör's, der du Bruder mir:
Ein Ehegespons bring' ich dir hier!«

»Nie geschieht es, so lang' ich mag leben,
Zween Brüdern werd' ich mich nimmer geben!«

Es währte nur noch eine kleine Weil',
Alsdann gab Ribbald auf den Geist.

Da gab es nicht Lust, nein, lautes Weinen,
Drei Leichen mußte das Grab vereinen.

Die erste war Ribbalds, dann Gullbruns kam,
      – Ich meld' es treulich –
Die Mutter, als dritte, starb vor Gram.
      – Noch ist sie jungfräulich. –


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