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X. Die Dienerin.

Jung Christel trägt ein goldenes Kleid,
– Noch ist es nicht Tages Ende –
Ihre Dienerin ist voller Neid.
– Lieblich tanzen die Frauen.

Jung Christel tritt zu dem König hinein:
»Vernimm es, bald werd' ich Mutter sein!«

»So höre denn: ist das Kind ein Sohn,
Dann bringt es Ehren dir und Lohn.

Doch sollt' es nur ein Mägdlein sein,
Das werd' ich alsbald dem Kloster weih'n.«

Als hinter Felsen die Sonne sank rot,
Da lag jung Christel in schwerer Not.

Als wieder die Sonn' überm Felsen war,
Ein holdes Knäblein sie gebar.

Jung Christel fragt mit frohem Sinn:
»Wer bringt meinem Herrn die Kunde hin?«

Die Dienerin sprach: »Ich bringe gern
Die Botschaft eurem König und Herrn.«

Die Dienerin, sie eilte fürbaß
Und kam zum Saal, wo der König saß.

Der König sprach und ward so weich:
»Ob Christel wohl leidet, o künde mir's gleich!«

»Ihr geht es wohl, o Herr, fürwahr:
Ein Töchterchen sie euch gebar.

Ein Töchterchen, mir deucht, es gleiche
Nur einer kleinen kalten Leiche.

Ein Töchterchen, wie ich am Strand
Kein mißgeformtes Steinchen fand.

Und hörst du, König, ist mir recht,
Dann sieht es ähnlich deinem Knecht.

Drum werde Christel von Henkershand
(Sie hat es verdient) zu Asche verbrannt.«

Der König ergrimmt in seinem Sinn:
»Zu Christel will ich nun selber hin!«

Der König trat ins Frauengemach,
Wo Christel, die junge, schlummernd lag.

Den blauen Vorhang hob er da,
Hinter welchem er jung Christel sah.

Da hielt sie empor das holde Kind
Und legt' ihm den Sohn in die Arme lind.

Und er drückte ihr beglückt die Hand
Und teilte mit ihr nun Krone und Land.

Doch eines Morgens auf sein Gebot
– Noch ist es nicht Tages Ende –
Litt die Dienerin den Flammentod.
– Lieblich tanzen die Frauen.


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