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Altisländische Volksballaden

I. Asbjarn.

Kirstin Bei diesem Namen ist stets die letzte Silbe zu betonen. trat vor die Mutter hin,
Bittend mit bewegtem Sinn:

»Willst du's erlauben und würd' es sich schicken,
Thät' ich ein Wams Herrn Asbjarn sticken?«

Gütig und sanft die Mutter spricht:
»Thu's, wie du willst, ich wehre dirs nicht.«

Kirstin nahm von dem feinsten Lein,
Rosen und Lilien stickte sie drein.

Und so saß sie im Frauensaal
Und wirkte Rosen und Lilien zumal.

Sie stickte bei dem Achselsaum
Ein fliegend Schiff im Flutenschaum.

Das schlankste und allerschnellste Tier,
Das den Wald durchschweift, war der Ärmel Zier.

Die Seiten schmückte, zart und mild,
Ein fein und lieblich Frauenbild.

Eine Maid und ein Ritter zierten die Brust,
Sie küßten sich in Liebeslust.

Kirstin sprach zu dem Bruder alsdann:
»Willst du Herrn Asbjarn es bringen? Sag' an!«

– »Wie könnt' ich erfüllen diese Pflicht?
Ich kenne ja Herrn Asbjarn nicht.«

»Wenn du hinauf kommst auf das Ting,
Siehst du ihn sitzen mitten im Ring.

Da schlägt er die Harfe, er singt so hold,
Einen Reif auch trägt er von rotem Gold ...«

... »Herr Asbjarn, nimm hin, dies Wams ist dein,
Gestickt hat's Kirstin, mein Schwesterlein.«

Wer es auch sah, er faßte es kaum:
Gestickt mit Golde war jeglicher Saum.

»Segne der Himmel die Fingerlein,
Die Rosen und Lilien hier stickten hinein!

Bring' ihr den Gruß und lade sie fein,
Sie soll bei meiner Hochzeit sein.

Und wird's ihr zur Hochzeit zu kommen behagen,
Dann soll sie den Brautkranz auch selber tragen.«

Er sandte dann zum Geschenk ihr zurück
Von güldnem Geschmeid manch kostbar Stück.


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