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Epische Volksdichtungen der Färinger.

Die Sigurdslieder.

Erster Gesang.
Regin der Schmied

Wollt Ihr lauschen meinem Lied,
Laßt's euch dann behagen,
Heb' ich an von Königen reich
Zu singen und zu sagen.
– Grane trug Gold von der Heide,
Sigurd schwang Schwertes Schneide
Und fällte den dräuenden Drachen.
Grane trug Gold von der Heide.

So nenn' ich euch denn Sigmund,
Der eines Jarlen Sohn,
Es war Hjördis, Die zweite Silbe ist zu betonen. die junge,
Die mit ihm teilte den Thron.

Sie feierten voller Freuden
Das frohe Fest des Jul,
Und schönheitstrahlend thronten sie
Auf ihrem Königsstuhl.

Dann gab es bald Unfrieden,
Ein Krieg ist entbrannt,
Doch schirmten der Tapfern viele
Des hehren Königs Land.

Es waren viele der kühnen
Kämpen ihm zur Hand,
Als so die wilde Fehde
Dräuete seinem Land.

Blutige Kämpfe ras'ten
In des Königs Gebiet,
Schlachten wurden geschlagen
Am Meeresstrand fern im Süd.

Es ritten wohl gar viele aus,
Doch kehrte keiner aus dem Streit;
Hjördis überlebte alle
In Sorgen und schwerem Leid.

Sie ritten in die Schlacht gemut
Und sanken Leib an Leib –
Sigmunden überlebte
Hjördis, sein junges Weib.

Den Mantel wirft um die Schultern
Hjördis da, sein Gemahl,
Und eilt hinaus, wo Sigmund
Liegt auf blutiger Wal.

»Heil möge dir werden, Sigmund,
Dir, der so teuer mir!
O, daß ich so voll Trauerns
Nun muß kommen zu dir!

Höre, tapfrer Sigmund,
Der du so teuer mir,
Kann irgend etwas heilen
Deine Wunden dir?« –

»Lange magst du suchen,
Ehe du Salbe findest,
Damit meiner Wunden
Wehe du mir lindest.

Hundings Söhne waren es,
Die mich also trafen
Und mit giftgetränkten
Schwertern mich geschlagen.

Und ich empfing die erste
Meiner Wunden hier,
Als in zwei Stücke
Mein Schwert zersprungen mir.

Als ich darauf die zweite
Erhielt von Feindeshand,
Da hat es gar heiß mir
In das Herz gebrannt.

Nimm die beiden Hälften
Nun meines Schwertes hie,
Der Sohn, den wir erhalten,
Laß zusammenschmieden sie.

Denn ein Knabe wird es,
Das Kind, das dein;
Erzieh' ihn wohl – sein Name
Soll Sigurd sein.

Und dieser Sohn – ich sage
Dir dieses Gebot:
Dereinstmal soll er rächen
Seines Vaters Tod.

Und zu dem Schmiede Regin
Jenseit des Flusses er zieh',
Der nehme des Schwertes Hälften
Und zusammenschmied' er die.

Fafnir heißt der Drache,
Der auf der Heide dräut;
Regin ist ein guter Schmied,
Doch nur wenigen treu.

Hjördis, nicht länger kann ich
Nun reden mit dir,
Denn nun ist gekommen
Die Todesstunde mir.« – –

Weinend wandte von Sigmund
Hjördis nun sich ab,
Die Schar der Dienerinnen
Helfend sie umgab.

Es mühten die Dienerinnen
Sich alle sonder Wank,
Als nun Hjördis, die Fraue,
Bewußtlos niedersank.

Da war, wie so oftmals,
Das Ende gar so jach:
Der König ist verschieden
Noch diese selbe Nacht.

Nichts hat, ihn zu ehren,
Hjördis nun gespart,
Sigmund ließ sie legen
Auf eine goldne Bahr'.

Es war die Bahre von Golde,
Dem roten, dem reichen,
Sie trug von weißem Silber
Des Kreuzes Zeichen.

Gen Osten unterm Hügel
Gruben Krieger das Grab,
Des Helden Leiche senkend
In die schwarze Erde hinab.

So huben an zu klagen
Der trauernden Krieger Scharen:
»Düster ist der Tag, an dem
Ein Held zur Gruft muß fahren.«

Hjördis ging nun weinend,
In ihrem Saal zu rasten,
Als erster kam König Hjalprek,
Um bei ihr zu gasten.

Sigmund, der König,
Ließ zurück Frau Hjördis,
Die Hjalprek als Gatten
Nun sich gefallen ließ.

Die Fraue trug neun Monde
Das Kind, das Sigmunds was,
Erhoffend, wenn die Stunde kam,
Ein Söhnlein sei das.

Die Frau trug unterm Herzen
Ihr Kind der Monde neun,
Erhoffend, wenn die Stunde kam,
Ein Sohn sei's wunderfein.

So geht die edle Fraue
Hinein in's Kämmerlein,
Und ein Sohn ward ihr geboren,
Wie freute sie sich sein!

Sie hüllte ihn in Kleider wohl,
Die besten, die sie fand,
Und den glückverheißenden Knaben
Hat Sigurd sie genannt.

So wuchs er auf im Reiche,
Ward heldenhaft und groß,
Und Hjalprek, der König,
Ihn väterlich erzog.

Aufwuchs der Heldensprößling
Bei wackerm Waffenwerke,
Des Königs Kämpen spürten oft
Des jungen Armes Stärke.

Er tummelt' in den Schranken sich
Mit Schwert wohl und mit Schilde,
Er lernte Listen der Helden auch
Für das Kampfesgefilde.

Er tummelt' in den Schranken sich
Gar weidlich mit Genossen,
Und mancher Hieb und Stoß von ihm
Hat oft sie arg verdrossen.

Er tummelt' in den Schranken sich,
Und reizten ihn die Magen,
Hat er mit Eichenkeulen wohl
Zu Boden sie geschlagen.

Nieder setzten die Knaben sich
Voll Zornes, wie sie es waren:
»Besser, du rächtest den Vater,
Als so sich zu gebahren!«

Zu Boden schleudert den roten Schild
Sigurd, der zornesvolle,
Als er hörte von des Vaters Tod,
Ward er schwarz wie der Erde Scholle.

Fort wirft er Schwert und Rüstung,
Trägt nicht nach Spiel Verlangen
Und eilt zur Mutter, erglühend bald,
Erbleichend bald die Wangen.

»Das höre, teure Mutter mein,
Das wolle nun mir sagen:
Wie nannte sich mit Namen der,
Der den Vater mir erschlagen?«

»Nun und nimmer kann ich dir
Wahreres je sagen:
Es waren Hundings Söhne,
Die deinen Vater erschlagen.

Es fiel vor Hundings Söhnen
Dein Vater – o der Hüne!
Doch wird es, so lange du lebst,
Sicher nicht finden Sühne!«

Sigurd entgegnet der Mutter,
So hastig er's nur kunnt':
»Oft wachsen scharfe Zähne
Auch einem jungen Hund.«

Hjördis ging hin zur Truhe,
Die reich mit Golde beschlagen:
»Sieh hier die Rüstung, darinnen
Dein Vater ward erschlagen.«

Dann hob sie aus der Truhe
– Kleinode viel barg die –
Empor ein blutig Hemde
Und legt' es ihm aufs Knie.

Die beiden Hälften des Schwertes
Sie ihm dann übergiebt:
»Die ließ dein seliger Vater mir,
Der mich so sehr geliebt.

Nimm hin du diese beiden
Hälften seiner Wehr
Und laß daraus dir schmieden
Ein ander gleich gut Schwert.

Jenseit des Flusses wohnt der Schmied,
Regin ist er geheißen,
Der mag die Schwerteshälften
Dir zusammenschweißen,

Fafnir heißt der Drache
Auf der Glitraheide fern:
Regin ist ein guter Schmied,
Doch Untreu' übt er gern.

Darauf geh' hin an den Wasserfall
Und wirf einen Stein hinein:
Das Roß, das dann nicht scheuet,
Dein Streitroß laß es sein.«

Und hin ging er zum Wasserfall,
Warf hinein einen Stein alsdann,
Erkiesend das von den Rossen,
Das nicht davon gerannt.

Das herrlichste der Rosse
War es im ganzen Land,
Und Grane ward dies Streitroß
Sigurds hinfort genannt ...

Sigurd schwang sich auf Grane
Bei frühestem Tagesbeginne
Und ritt alsdann wohl über den Fluß,
Daß Regin den Schmied er finde.

Das war der junge Sigurd,
Er ritt, bis er die Schmiede fand,
Und den Hammer wirft Regin bei Seite
Und nimmt das Schwert zur Hand.

»Das sage, edler Sigurd,
Du männlich kühner Held,
Wohin gedenkst du zu reiten,
Wohin ist dein Sinn gestellt?«

»Vernimm denn, Regin, dieses:
Zu dir nur hab' ich begehrt,
Auf daß du mir nun schmiedest
Zusammen dieses Schwert.«

»Sei willkommen, junger Sigurd,
Der du lieb schon lange mir;
Weilst du im Reiche geraume Zeit,
Die Nacht dann bleibe hier.«

»Nicht kann's geschehen, Regin,
Nicht darf ich verweilen hier,
Hjalprek, der König, vermißt mich,
Sonst blieb' ich gerne bei dir.

Doch schmiede mein Schwert
Nun wohl und wunderbar,
Daß ich damit zermalmen mag
Eisen sowohl als Stahl.

Das Schwert, das du mir schmiedest,
Sonder Tadel muß es sein,
Daß ich damit zerschmettern mag
Eisen und auch Stein.«

Regin nahm das Schwert nun
Und legt' es in Feuerglut,
Zwanzig Nächte schaffte
Am Werk er wohlgemut.

Zwanzig der Nächte
Schafft' er an dem Stahl,
Da ritt Sigurd der junge
Hindann zum andern Mal.

Sigurd schwang sich auf Grane
Beim ersten Tagesbeginne
Und ritt alsdann wohl über den Fluß,
Daß Regin den Schmied er finde.

Das war der junge Sigurd,
Er ritt, bis er die Schmiede fand,
Und den Hammer wirft Regin bei Seite
Und nimmt das Schwert zur Hand.

»Sei mir willkommen, Sigurd,
Geschmiedet ist dein Schwert;
Nicht säume nun, es mit Sinn und Herz
Zu weihen, es ist des wert.

Geschmiedet hab' ich dir dein Schwert,
Sonder Tadel wird es sein,
Magst du gegen Eisen es brauchen
Oder brauchen gegen Stein.«

Und gegen den großen Ambos
Sigurd kraftvoll es schwang,
Aber in zwei Stücke
Sein Schwert dabei zersprang.

»Den Tod hast, Regin, du, den Tod
verdient für diese That;
Du wolltest an mir üben
Schmählichsten Verrat!«

Beide Schwerteshälften
Vor die Füße wirft er ihm dann,
Daß Regin wie ein Lilienblatt
Zu beben begann.

Und beide Schwerteshälften
Zwang Sigurd ihm in die Hand,
Daß Regin wie ein Espenlaub
Zitternd vor ihm stand.

»Mir schmieden sollst du ein ander Schwert,
Doch schmiedest du's wieder so,
Das sage ich dir, Regin,
Dann wird es dein sicherer Tod.

So sollst du das Schwert mir machen:
Wie Zornwut soll es beißen,
Daß ich damit zerspellen mag
Stahl sowohl als Eisen.«

»Schmied' ich dir denn ein ander Schwert
Und wird es, wie du gewollt,
Das Herz des Drachen begehr' ich
Alsdann dafür zum Sold.

Das höre, junger Sigurd,
Wenn ich es zusammen schweiß',
Alsdann dafür begehr' ich
Des Drachen Herz als Preis.«

Und Regin nahm das Schwert nun
Und legt' es in Feuersglut,
Und dreißig Nächte schaffte
Am Werk er wohlgemut.

Dreißig Nächte hatt' er
Das Schwert im Feuer drin,
Dann trieb es den jungen Sigurd
Wiederum dahin.

Sigurd schwang sich auf Grane
Beim ersten Tagesbeginne
Und ritt darauf wohl über den Fluß,
Daß Regin den Schmied er finde.

So ritt der junge Sigurd,
Bis er die Schmiede fand,
Und Regin wirft den Hammer beiseit
Und nimmt das Schwert zur Hand.

»Sei mir willkommen, Sigurd,
Geschmiedet hab' ich ein Schwert dir gut,
Ruhm wirst du dir nun ernten,
Wenn's dir nicht fehlt an Mut.«

Und Sigurd ging zum Ambos,
Und geschwind sein Schwert er schwang,
Doch wie er hieb und wie er schlug,
Nimmermehr es zersprang.

Und so hieb nun jung Sigurd
Mit solcher Gewalt,
Daß nicht nur der Ambos,
Nein, der Block auch zerspalt't.

Ein Quell entsprang dem Grunde,
Ein zweiter dabei ganz nah;
Gramm hat er das Schwert genannt,
Auf der Diele lag es da.

»Vernimm es, tapferer Sigurd,
Um ein Weib kannst du nun werben;
Wahrlich, gerne würd' ich
Für solchen Helden sterben.«

»Laß dir's von mir nur sagen:
So sprichst du wohl zu mir,
Doch anders denkst du, Regin Schmied,
Im Herzen bei dir.«

»Dieses, tapferer Sigurd,
Sollst du gewähren mir:
Reitest du nach der Glitraheide,
Dann laß mich folgen dir.«

»Erst will ich reiten nach Randargny,
Hundings Söhne zu finden,
Später geht's nach der Glitraheide,
Doch das behagt mir minder.

Zuerst reit' ich hin nach Randargny,
Hundings Söhne zu fällen,
Dann fahr' ich nach der Glitraheide,
Dort einen Feind zu stellen.«

Das war Sigurd Sigmundsohn,
Ihm thät's nicht an Mut gebrechen:
Hin ritt zuerst er nach Randargny,
Des Vaters Tod zu rächen.

Er fällte die Söhne Hundings all',
Kam heim ohne Last und Leide,
Und zog als er gerastet dann
Wohl nach der Glitraheide.

Das war Sigurd Sigmundsohn,
Er kam durch den Wald geritten,
Begegnet ihm da ein alter Mann
Auf seines Weges Mitten.

Es kam des Weges ein Mann daher,
Den keine Seele kannte,
In der Stirn hatt' er ein Auge nur,
Trug finnischen Bogen in Handen. Odin.

»Höre, Sigurd Sigmundsohn,
Du weitberühmter Mann,
Wohin steht dir jetzund der Sinn,
Wo reitest du hindann?«

»Erst ritt ich hin nach Randargny,
Dort Hundings Söhne zu finden,
Doch nun will ich nach der Glitraheid',
Anderen Sieg zu gewinnen.«

»Höre, du heldischer Sigurd,
Und künde dieses mir:
Wer ist der erbärmliche Bursche,
Der dort im Gefolge mit dir?«

»Regin der Schmied wird er genannt
Und ist der Bruder des Drachen,
Und dazu hab' ich ihn gekürt,
Mit mir die Fahrt zu machen.«

»Wer hat dir denn geraten
Der Gruben nur zwei zu graben?
Der Mann, das glaube, wird sicherlich
Deinen Tod beschlossen haben.«

»Regin war es, der gab mir den Rat,
Zu graben der Gruben zwei,
Denn er steht mir auf diesem Zug
Mit seinem Rate bei.«

»Hat Regin dieses geraten,
Dann wisse, was dir droht:
Der Schelm will dich verraten,
Er sinnt auf deinen Tod.

Dieses mußt du, Sigurd, thun:
Mit Vorsicht mußt du wachen,
Auf daß dir nicht noch komme
Der Tod von diesem Drachen.

Grab' eine dritte Grube,
Nicht ferne darf sie sein,
Daß Schutz sie gegen einen Teil
Des Drachengifts mag verleihn.

Grabe dann eine vierte,
Der Abstand sei nicht zu groß,
Und aus einer dieser Gruben
Führe den Todesstoß.

Grab' diese vierte Grube,
Und siehst du das Werk gelingen,
Dann, Sigurd, ist es die rechte Zeit
Herauf auf die Erde zu springen.«

Da erhob sich der Drache vom Golde,
Man hört's in den Landen, den weiten,
Und Sigurd schwang sich auf Grane,
Um wider ihn zu streiten.

Der Drache, erhoben vom Golde,
Wähnt' alles in Frieden und Ruh;
Sigurd erfaßt die Waffe
Und rüstet sein Schwert nun zu.

Dreißig Faden stürzte der Fall,
Darunter das Untier lag,
Darüber ragten die Flossen heraus,
Wenn der Bauch auf dem Felsgrund lag.

Hoch ragten empor die Flossen,
Der Bauch ruht' in des Felsen Schoß –
Das war der heldische Sigurd,
Er richtet sein Schwert zu Hieb und Stoß.

Sigurd versetzt' ihm einen Hieb,
Daß es alle Welt nahm wunder,
Und daß im Walde erbebte das Laub,
Als ginge die Welt zu Grunde.

Das Laub erzittert, der Welten Grund,
Als Sigurds Schwert die Mitten
Des ungefügen Drachenleibs
Mit einem Hiebe durchschnitten.

Da fragte der Drache,
Der im Todeskampfe lag:
»Wer ist er, dieser Kühne,
Der da führte solchen Schlag?«

»Du sollst mich Sigurd nennen,
Sigmunds Sohn steh' ich hie,
Hjördis war es, die junge,
Zum Eheweib hatt' er die.«

»So höre denn nun, Sigurd,
Was ich rede zu dir:
Wer folgte auf der langen Fahrt
Dir ferneher zu mir?«

»Regin ist es, dein Bruder,
Die Straße zeigt' er mir;
Ein schändlicher Verräter,
Bereitet den Tod er dir.«

Darauf sprach nun der Drache,
Er schwamm im Blute rot:
»Und ist er auch mein Bruder –
Gieb Regin Schmied den Tod.

Regin den Schmied erlege,
Gleich wie du mich erlegt,
Er ist ein feiger Verräter,
Der sonst noch dich erschlägt.«

Und Regin war es, es war der Schmied,
Der Sigurd also fragt:
»Erhalt' ich denn nun jenes,
Was du mir zugesagt?«

Schnitt aus da Sigurd des Drachen Herz
Und steckt's auf einen Spieß,
Der lang war dreißig Ellen,
An dem er's braten ließ.

Wohl hat er sich die Hand verbrannt,
Doch bracht' er sie schnell an den Mund,
Da ward der Vögel Sprache ihm,
Der andern Tiere Rede kund.

Und es haben im Eichenwipfel
Die Vögel ihm geraten:
»Selber solltest du, Sigurd,
Kosten von diesem Braten!«

Und vom gebratenen Herzen
Aß Sigurd wohlgemut,
Indes sich Regin bückte,
Zu trinken des Drachen Blut.

Indes sich Regin bückte,
Zu trinken des Drachen Blut,
Versetzt' ihm Sigurd den Todesstoß
Und traf ihn sicher und gut.

Das war der junge Sigurd
Mit seinem Schwerte so brav:
Regin Schmied, den Verräter,
Auf den Tod er also ihn traf.

Da ward dem jungen Helden
Goldes gar reiche Beute,
Nun er erlegt den Drachen,
Der auf Glitraheide dräute.

Beim ersten Tagesgrauen,
Eh' die Sonn' erstand in Glut,
Auf Granes Rücken
Zwölf Truhen Goldes er lud.

Ja, der goldgefüllten Truhen
Sind zwölf auf jeder Seiten,
Dann steigt er in den Sattel,
Von hinnen nun zu reiten.

Und als er saß im Sattel,
Von hinnen ritt Sigurd, der junge,
Und Grane jagte mutig
Die Heid' entlang im Sprunge.

So mußte das Roß die Wildnis,
Des Weges unkundig durcheilen
Und Sigurd drei kalte Nächte
Unter Büschen schlafend weilen.

So jagte denn Grane
Hin über Flur und Felsenwall –
Es gab nicht seines Gleichen
In des reichsten Königs Stall.

Mein Lied will ich nun enden
Und heute nicht weiter singen,
Ein ander Mal mag ein zweiter Sang
Euch künden von sondern Dingen.
– Grane trug Gold von der Heide,
Sigurd schwang Schwertes Schneide
Und fällte den dräuenden Drachen.
Grane trug Gold von der Heide.

Zweiter Gesang.
Brinhild

Ich habe gehört ein Liedlein,
Entstammend schöneren Hagen,
Man sang es in fernen Zeiten,
Es klang in Budlas Tagen.
– Grane trug Gold von der Heide!
Mit Sprüngen, gewaltigen, jachen,
Trug Grane Gold von der Heide,
Das Sigurd erbeutet vom Drachen!
Grane trug Gold von der Heide!

Es war in alten Tagen
Ein König, Budla genannt,
Der hatte eine Tochter,
Keine schönere gab es im Land.

Er herrschte im großen Walde,
Der glänzende Budla genannt,
Austeilend Erz und Ringe
Seinen Degen allesamt.

Berühmt war seine Tochter,
Denn es war im grünen Gefild
Brinhild, die Tochter Budlas,
Das schönste Frauenbild.

Berühmt war seine Tochter,
Denn rings im grünen Wald
Brinhild, die Tochter Budlas,
Als holdeste Blüte galt.

Sie thront auf dem Hildarfelsen;
Das Lied von ihr noch spricht,
Es habe von ihr noch Schatten
Empfangen selbst das Licht.

Sie thront auf dem Hildarfelsen
In ihres Vaters Reichen;
Es ging von ihren Schultern aus
Ein Glänzen sonder Gleichen.

Sie lehnt in ihrem Sessel
Und kämmet sich das Haar,
Und das ist so fein wie Seide
Und goldig wunderbar.

Brinhild thront in dem Saale,
Von mächtigen Herren viel begehrt,
Doch König Budlas Tochter
Achtet keinen ihrer wert.

Es warben Königssöhne,
Es warben reiche Jarle,
Doch wies Brinhild mit der Werbung
Hohnvoll von hinnen sie alle.

Erhebt sich da der König,
Sich hüllend in Pelz und Lein,
Und schreitet in den Frauensaal
Zu seiner Tochter hinein.

»Hör' mich, geliebte Tochter,
Du schaffest mir groß Leid,
Daß deine Hand du weigerst
Jedem, der um dich freit.

Wie lange soll währen dies Treiben,
Das mich schon oft verdroß,
Bis einem zu eigen du dich giebst
Der Herrn, die da kommen aufs Schloß?«

»Schweiget, ja schweiget, mein Vater,
Und sprechet nimmer so:
Noch kam nicht der Gewaltige,
Des allein ich werde froh.

Noch kam nicht der Gewaltige,
Dem allein zu eigen ich bin,
Zu ihm, zu ihm gen Osten
Steht einzig Herz und Sinn!

Und Sigurd ist sein Name,
Sigmund sein Vater war,
Hjördis, die junge Königin,
War's, die ihn einst gebar.«

»Es muß mit deiner Liebe
Gar wunderbarlich stehn,
Daß du einem Manne sie schenkest,
Den du noch nie gesehn.«

»Das kommt nur von den Nornen,
Die ließen es geschehn;
Neun Winter lieb' ich Sigurd schon,
Den ich noch nie gesehn.«

Antwortet da der König,
Indem er das Methorn leert:
»Weshalb wird denn der Sigurd mehr
Als andere Degen geehrt?

Ja, höre, liebe Tochter,
Das sage mir doch: weswegen
Wird Sigurd mehr gepriesen
Als andere Königsdegen?«

»Deshalb wird Sigurd mehr gepriesen
Als andere Königsdegen,
Weil ihm der Helden hundert
Auf einmal sind erlegen.

Deshalb ist Sigurd mehr geehrt
Als die andern tapfern Gesellen,
Weil der Sattel sein und die Brünne sein
Erglänzen von Golde, dem hellen.

Und ich habe rühmen hören
Seine Kraft und seine List,
Und wie gar vor seinem Schwerte
Der Lindwurm erlegen ist.

Ja, ich habe sagen hören –
Ich selber war nicht dabei:
Daß von ihm auf der Glitraheide
Erschlagen der Lindwurm sei.

Und als auf der Glitraheide,
Der Lindwurm ihm erlegen,
Ward ihm an rotem Golde
Reicher Beutesegen.

Daß er den Wurm bewältigt,
Macht ihn so mächtig reich,
Kein Held in den Hunnenlanden
Kommt jetzt dem Sigurd gleich!«

»Hilf mir, geliebte Tochter,
Hilf rechten Rat ersinnen,
Was wir, den Recken aus seinem Reich
Herbei zu ziehen, beginnen.«

»Du magst in der Wildnis Tiefen
Mir einen Turm erbauen,
Daß ich darinnen walte,
Bedient nur von wenigen Frauen.

Drin sei für mich ein Ruhebett
Vom Golde, dem roten, dem reichen,
Das Hände kluger Zwerge
Geschmückt mit Runenzeichen.

Von Zwergenhand laß bereiten
Eine Ruh'statt mir also,
Und diese sei umgeben von Rauch
Und wilder Waberloh.

Und es werde die Waberlohe
Der Burg zu einer Wehr,
Daß keiner hindurch sich waget
Als Sigurd, keiner mehr.«

Und er ließ in Waldestiefen
Einen Turm ihr nun erbauen,
Daß sie hier weile, bedient nur
Von wenigen ihrer Frauen.

Und als der Turm erbaut war,
Flammen ihn da umloh'ten,
So daß er von Rauch umwirbelt
Und von Feuer war, dem roten.

Der König ließ ihn von Waberloh'
Umflackern und umblitzen,
Wie Zwerge sie so riesenhaft
Nur zaubern durch Runenritzen.

Und ließ also die Waberloh'
Den Turm gar wild umzücken,
Daß nicht zu schaden vermochten
Selbst der Zwerge listige Tücken ...

Es war in der Morgenfrühe,
Die Sonne rötete Berg und Thal,
Da ritt zur Königshalle
Der Helden eine große Zahl.

Es war in der Morgenfrühe,
Die Sonne brach hervor,
Da ritten ruhmvolle Recken
Durch König Budlas Thor.

Es traten die hehren Helden
In König Budlas Halle,
Im Sessel die goldgeschmückte
Brinhild begrüßte sie alle.

Und vor Brinhild ist Budla,
Der König, dann hingestanden:
»Es kam der König Gunnar
Herauf aus Jukas Landen.

Das hör, meine Tochter Brinhilde:
Nun König Gunnar da,
Laß dich von mir ermahnen,
Daß du ihm gebest dein Ja!«

Sich stützend an dem Tische,
Steht König Budla dort,
Brinhild, seine junge Tochter,
Entgegnet ihm kein Wort.

Dann erhebt sie sich vom Sessel,
Glänzend im goldnen Geschmeid,
Und eilt aus Budlas Schlosse
Zur Hildarhöhe weit.

Und Grimur und Högni Jukasohn
Kämpften auf grünem Walle,
Daß die Frauen zittern auf Hildarhöh,
Daß erbebet Budlas Halle.

Grimur und Högni Jukasohn
Kämpfen voll bittern Zornes;
Brinhild sitzt in der Waberloh',
Im Turme wohlgeborgen.

Brinhild auf goldenem Ruhebett,
Sie lächelt unter dem Lein:
»Wer kühn durchreitet die Waberloh',
Dem will ich eigen sein.«

Sie thronet auf goldenem Sessel,
Die Schönste weit und breit,
Da zieht Held Sigurd aus fernem Land
Her, ihr zu bitterem Leid ...

Sigurd erwacht am Morgen früh,
Kündend von seinen Träumen,
Ihn habe wild ein Kampf umwogt
Wie Wellen im Strome schäumen.

»So träumte mir, daß Grane stund
In roter Flammen Glut,
Vor ihm, das grüne Feld entlang,
In Strömen rann das Blut.

Mir träumt', ich sitz' im Sattel
Und reize Granes Mut,
Vor ihm durchs grüne Gefilde
Flossen Ströme von Männerblut.

Mir träumte, daß zersprungen
Mein goldgezierter Gürtel,
Träumte, daß Gram, mein gutes Schwert,
Gegen goldene Helme klirrte.«

Sigurd, der vielgepriesene Held,
Vom Lager er frühmorgens erstund
Und hinaus in seinen Garten trat,
Da ward ihm manches kund.

Es saßen wilde Vögelchen
Und sangen so im Hain:
»Brinhild, die Tochter Budlas,
Harret voll Sehnsucht dein.«

In hoher Eiche sangen
Die wilden Vögelein laut:
»Dein harret Brinhild, die Schöne,
Zu Minnespielen traut!«

Und so erfuhr es Sigurd
In östlichen Landen, so fern,
Brinhild sitz' auf dem Hildarfels,
Höhnend die werbenden Herrn.

Es war am frühen Morgen,
Die Sonne schien schon hell,
Da sprach er zu Wigram Gunnarssohn:
»Mein Streitroß sattle schnell!«

Heraus zog man das Streitroß,
Wie Sigurd es sollte reiten,
Geschmückt mit der Scharlachdecke,
Die herab hing an den Seiten.

Und wie man so es führte
Vor der Halle Treppenstufe,
Wallte die Scharlachdecke
Bis auf die Büschel der Hufe.

Die goldgestickten Handschuh
Zieht Sigurd an die Hand,
Und also reitet er geraden Wegs
Hinaus in das weite Land.

So ritt denn Sigurd Sigmundsohn
Geraden Wegs ins Land,
Es flirrten die goldenen Ringe,
Sein Roß kam risch gerannt.

Zwölf der goldenen Ringe
Der hehre Held wohl trug,
Den Ring der Königinne
Obenan mit Fug.

Zwölf der goldenen Ringe
Schmückten seine Hand,
So reitet der kühne Degen
Nach König Budlas Land.

Und also schreitet Grane
Hin über Berg und Thal,
Nie nahete seines Gleichen
Sich König Budlas Saal.

Und also schreitet Grane
Hin über Stein und Sand,
Nie nahete seines Gleichen
Sich König Budlas Land.

Sigurd kam durch das Niederland,
Vorüber an Jukas Schlosse,
Vorm Thore hielt Grimhilde
Mit einem großen Trosse.

Vorm Thore hielt eben Grimhilde;
Erhebend sich im Bügel,
Mit ihren beiden Händen
Fiel sie Grane in den Zügel.

Mit ihren beiden Händen
Hielt sie den Zügel dann,
Denn nie sah sie auf einem Roß
Jemals herrlichern Mann.

Und das sprach Sigurd Sigmundsohn
Und es glühten ihm die Wangen:
»Nie wähnt' ich, es würd' ein Weib mein Roß
Zu hemmen sich unterfangen!«

»Sigurd, halt' an und verweile
Und rede doch nur mit mir:
Eine schöne Tochter nenn' ich mein,
Die geb' ich zu eigen dir!«

»Ich halte nicht an auf meiner Fahrt,
Nicht hemm' ich des Rosses Rennen,
Nach jenen Höhen steht mein Sinn,
Wo die Waberlohen brennen.

Ich hemme nicht des Rosses Lauf
Durch Wälder hin und Auen,
Nach jenen Höhen steht mein Sinn,
Das schönste Weib zu schauen!« ...

Es mochten der Edeln manche
Zum Freien wohl sich nahn,
Doch Schrecken packte sie alle,
Wenn die Waberlohe sie sahn.

Der Herold rief die Worte,
Daß laut es hallte drein:
»Wer durch die Waberlohe dringt,
Des soll die Jungfrau sein!«

Und Grimur ritt auf den grünen Plan,
Das Haupt so keck er trug,
Doch warf er schnell sein Roß herum,
Als die Loh' ihm entgegen schlug.

Gunnar, der König, sprach nun so
Und nahm gar keck das Wort:
»Nun gewinn' ich sie und führe sie mit
Zu meiner Halle fort!«

So ritt er hin auf den grünen Plan,
Das Haupt so keck er trug,
Doch warf auch er das Roß herum,
Als die Loh' ihm entgegen schlug.

Ergreift das Wort da Sigurd,
Der Kühnste der Welt, der weiten:
»Ich trag' umsonst nicht meinen Schild,
Durch die Lohe will ich reiten!«

Niemand wagt's außer Sigurd,
Den Weg zu Brinhild sich zu bahnen,
Durch Rauch und Waberlohe trug
Hindurch ihn sein Streitroß Grane.

So fest trat Grane auf den Grund,
Daß die Felsen wiederhallten,
Daß seiner Hufe Schläge
Empor zur Klippe schallten.

So sprenget Grane weiter,
Ohne Scheuen und ohne Wenden,
Es züngelten die Flammen
Empor um Sigurds Lenden.

So naht sich Sigurd der Höh' Brinhilds,
Der jeder sonst ferne blieb,
Und sprengte das Thor des Schlosses
Mit seines Schwertes Hieb.

Zerschmetterte den Riegel
Durch Grams gewaltigen Schlag
Und sah nun, wie die holde Maid
In der Rüstung vor ihm lag.

Und Sigurd schritt in den Saal hinein,
Umschauend mit freiem Mute,
Und sah, wie da das schöne Weib
Allein auf dem Lager ruhte.

Und wie sie nun so vor ihm lag
In kriegerischer Zier,
Zerschnitt er mit scharfer Schneide
Der Brünne Bande ihr.

Auf wacht da Budlas Tochter
Und blicket um sich her:
»Wer löste mir die Rüstung
Mit scharfer Waffe, wer?«

Auf wacht Brinhild und blicket
Und forschet rings um sich:
»Wer ist der Kühne, welcher so
Wagt zu entwaffnen mich?«

»Sigurd sollst du mich heißen,
Sigmund mein Vater war,
Hjördis, die junge Königin,
War es, die mich gebar.

Ich komm' aus fernen Landen
Und begehre schon lange dein:
Hier steh' ich, Sigurd Sigmundsohn,
Du Herrliche, Süße mein.«

Da hebt Brinhild vom Lager sich
Und blicket lächelnd drein:
»Ersehntest du mich im fernen Land,
Willkommen sollst du mir sein.

Das höre, Sigurd Sigmundsohn:
Wer war es, der dir so
Den Pfad hierher gezeigt zu mir
Durch Rauch und Waberloh'?«

»Den sagten mir zwei Vögelein,
Die sangen hell im Hain:
›Brinhild, die Tochter Budlas,
In Sehnsucht harret sie dein.‹

So sangen die beiden Vögelchen,
Und mir gefiel es sehr:
›Brinhild die Tochter Budlas, ist schön!‹
Und darum ritt ich her –«.

»Das höre, Sigurd Sigmundsohn,
Sei nicht zu rasch zur That;
Zieh erst zu meines Vaters Schloß
Und höre seinen Rat.«

Gab Antwort Sigurd Sigmundsohn
Der schön und klug: »Berater
War ohne sonderliches Glück
Seither, Brinhild, dein Vater.

Brinhild, du hast so lange schon
Nach mir getragen Verlangen:
Zu deinem Vater fahr' ich nicht erst,
Rat von ihm zu empfangen.«

Er einte sich mit dem holden Weib
Alsbald zum Liebesbunde,
Und Asla Sigurdstochter ward
Empfangen zur selben Stunde.

Zärtlich legt er die Arme
Brinhild um den Hals und spricht:
»Ich schwöre den Eid der Treue dir
Und Falschheit kenn' ich nicht.«

Dann steckt' er goldener Ringe
Zwölf ihr an die Hand:
»Die Spende magst du empfangen
Als erstes Liebespfand.«

Und unter den zwölf Ringen,
Die er ihr reichte hin,
Vor allen strahlte herrlich
Der Ring der Königin.

Und um die Arme legt' er ihr
Zwölf goldene Spangen dann:
»Als unsrer Liebe zweites Pfand
Die Kleinode hier nimm an!«

Und das war Sigurd Sigmundsohn,
Damit nichts ohne Zier,
Flocht er dann in die Haare
Drei goldene Ringlein ihr.

Und so ist Sigurd Sigmundsohn
Voll Freuden da geblieben,
Und weilte in dem Frauensaal
Der Monde ganzer sieben ...

»Brinhild, nun schaff mir Sattel und Zaum,
Und Brünn' und Ring: in die Weiten
Muß ich nun eine Weile,
Eine kleine von hinnen reiten.«

»Bleibe hier in Freuden lieber
Bei mir am Würfelspiele,
Denn König Jukas Tochter kennt
Der Zauberkünste viele.

Du stirbst in frühem Alter,
Verlassend die Männererde,
Vermählst dich einst noch mit Gudrun,
Wirst nimmer der meine werden.«

»Das dünkt mich seltsam, wunderlich,
Das wird niemalen geschehn,
Und nie sollst du meine Liebe
Von dir sich wenden sehn!«

Brinhild sprach, Budlas Tochter,
Und Frösteln durchzog ihr Herz:
»Dich wird die Tochter Jukas
Umstricken mit Liebesscherz.

Und das nun höre, Sigurd:
Den Ring hier geb' ich dir!
O reite nicht zu Grimhilden,
Sie bethört dich, glaub' es mir!«

Sie gab ihm weit dann das Geleit
Und sprach zu ihm beim Scheiden:
»So fahre denn wohl, wohin du ziehst,
Fern sei dir jedes Leiden!«

Brinhild, die Tochter Budlas,
Sie sprach, als nun sie schieden:
»Fahr wohl, fahr wohl! dir alles Heil,
Allwege Glück und Frieden!

Nichts scheide je uns, Freude nicht,
Nicht Leid uns unterdessen –
Gedenke dieser Worte wohl,
Nie magst du sie vergessen!«

Das gab zur Antwort Sigurd,
Der hohe, der hehre Held:
»Dich herrliche, dich Süße
Vergeß ich nimmer auf der Welt!«

Und das war Sigurd Sigmundsohn,
Er neigte vom Sattel sich jetzund
Und küßte Frau Brinhilde
Auf ihren roten Mund.

Und das war Sigurd Sigmundsohn,
Zum Schlosse kommt er gesprengt,
Wo vor dem Thor König Budla selbst
Ihn ehrenvoll empfängt.

»Sei mir willkommen, Sigurd,
Kehrest du bei mir ein!
Trink, was dir am besten mundet,
Sei's Met nun oder Wein!«

»Ich achte nicht des Metes,
Begehre nicht deinen Wein:
Gieb mir Brinhild, die junge,
Deine Tochter, sie sei mein!«

»Du bist mir willkommen, Sigurd,
Brauchst Boten nicht zu senden;
Ich weiß schon jetzt dein Schicksal,
Ich weiß, wie du wirst enden.

Du wirst in jungen Jahren schon
Den Heldenlauf beschließen,
Wirst dir Gudrun vermählen und
Brinhilde nicht genießen.

Du hast Brinhilden die Treue gelobt
Und willst dich nicht lassen verleiten,
Doch mischt Gudrun den Zaubertrank,
Der Kummer dir wird bereiten.«

»Gar seltsam klingt dein Wort mir;
Nie soll sich das vollenden:
Nie soll meine Liebe jemalen
Sich von Brinhilden wenden!«

Da sprach der König Budla
Und sprach's mit düstern Blicken,
Wie Jukas Tochter ihm das Herz
Mit Liebe werd' umstricken.

»Dein Wort erklingt mir seltsam,
Und nie soll es geschehn,
Meine Liebe zu Brinhilden
Soll nimmer untergehn.«

»So höre denn dieses Sigurd:
Nicht mache dir die Schande
An Jukas Schlosse vorüber zu ziehn
Dort unten im Niederlande.

O reite nicht durch das Niederland
An Jukas Schlosse hin,
Dein harret mit ihren Mannen dort
Grimhilde, die Königin.

Grimhilde hält, die Königin,
Alldort mit ihren Mannen,
Sie wüßte gar zu gerne,
Wohin du reitest von dannen.

Sie wüßte gar zu gerne,
Wohin dein Weg mag gehn,
Denn herrlicheren Degen
Hat sie noch nie zu Roß gesehn.«

Er gab ihm das Geleit dann weit
Und sprach, als sie drauf schieden:
»Heil dir und Segen alleweg!
Nun ziehe hin in Frieden!« ...

Im Walde ritt Sigurd lange hin
Ohn' all und jede Fährde,
Da traf er auf ein Ungetüm,
Das schlug mit den Pranken die Erde.

Und er sah es, wie das Ungetüm
Schlug um sich mit wildem Gebahren,
Gift spie und Feuer sprühte –
Seinem Leben drohten Gefahren.

Und Sigurd, hoch auf Grane,
Wußt' plötzlich den Weg nicht zu finden,
Denn Grane biß und schlug um sich
Und sprang nach allen Winden.

Sigurd verlor den Pfad: Grimhilde,
Sie hatte verzaubert sein Roß,
Da mußte der Degen wenden,
Einkehren auf Jukas Schloß.

Verschwunden war da das Ungetüm,
War plötzlich aus Sigurds Augen fort,
Statt dessen sah er Grimhilde
Geschmückt mit Bändern sitzen dort.

So reitend durch das Niederland,
Zog er nach Jukas Schlosse hin,
Wo vor dem Thor mit den Mannen
Grimhilde hielt, die Königin.

Grimhild vorm Thore eben hält
Und bei ihr mancher Gesell
Und fällt mit beiden Händen
In die Zügel Sigurd schnell.

»Sigurd halt' an, verweile
Und rede nun mit mir;
Ich hab' ein schönes Töchterlein,
Das in Minne sich neiget zu dir.

Schön ist Gudrun, mein Töchterlein:
Wo sie nur kommt gegangen,
Wie Rosen da und Lilien
Leuchtet's von ihren Wangen.

Gar hold ist meine Tochter,
Vor der muß jede weichen,
Sie gleichet so Brinhilden,
Wie Sommer und Winter sich gleichen.

Tritt ein nur in die Halle
Und labe dich an Getränken,
Setz an den schönsten Becher,
Indes will ich Granes denken.«

Ein trat Gudrun, die Jungfrau,
Sie trug ein blau Gewand,
Ihr Haar floß um die Schultern,
Durchflochten von seidenem Band.

Grimhilde, Jukas Königin,
Sie flüstert zum Töchterlein:
»Geh eilends in den Keller
Und mische Met und Wein.

Geh eilends in den Keller
Und mische Met und Wein,
Und von dem Kraut ›Vergessenheit‹
Auch thue dazu hinein!«

Sprach Jukas Tochter da, Gudrun,
Und schnell die Worte gingen:
»Es bringt uns wenig Ehre,
Nach dem, was andrer, zu ringen.

Es giebt der Jarle ja genug,
Der Königssöhne hier –
Nach dem, was andrer, zu trachten,
Scheint wenig rühmlich mir.«

Da hob Grimhilde die rechte Hand
Und gab Gudrun einen Streich,
Daß Blut ihr von der Lippe
Floß auf den Busen sogleich.

»Schweig! Viel entbehrt, wer allzu sehr
Der Schüchternheit beflissen;
Weit besser ist es, selbst zu frei'n,
Als Freiersmann zu missen!«

Gudrun ging in den Keller
Und mischte Met und Wein
Und that auch von dem Kräutlein
›Vergessenheit‹ hinein.

Sie that vom Kraut ›Vergessenheit‹
Hinzu, wie man sie's hieß,
Und bracht' es Sigurd und hieß ihn
Ihr zuzutrinken dies.

Er trank aus ihrem Horne
Den schweren, berauschenden Trunk,
Und – niemand konnt' es hindern –
Ihm schwand die Erinnerung.

Also that er einen langen Zug
Aus dem Horn, das so goldig licht,
Da schwand ihm die Erinnerung,
Der Braut gedacht er nicht.

Und als er so getrunken,
Das Horn zurück gab er –
Und gedachte nicht Frau Brinhildens,
Noch wo er sei dann mehr.

Gudrun kredenzt' ihm wieder,
Verwirrend ihm die Sinne,
Und Sigurd dacht' an andres nicht,
Als wie er sie gewinne.

Grimhilde, die böse Fraue,
Sie spricht zum Töchterlein:
»Geh' in die Kemenate,
Bereite dem Gast das Lager fein!«

Und das war Sigurd Sigmundsohn,
Er freite um Gudrun,
Und schnelle Hochzeit wollt' er,
Wollt' nichts von Aufschub wissen nun.

Da gab's einen festlichen Reigen,
Samt lustigem Zeitvertreib;
Ein Lager dann bestiegen
Held Sigurd und sein Weib.

Wachskerzen fünfzig wurden
Vor ihnen einhergetragen,
Als ins Brautgemach sie geleitete
Der König mit seinen Magen.

Und so fand zu der Kammer Gudruns
Sigurd, der junge, hin,
Brinhild erfuhr's auf dem Hildarfels
Mit grimmerfülltem Sinn.

Sie stieg herab von dem Hildarfels,
Das Weib, von Schönheit umgeben –
Den Kampf gilt mit Gudrun es nun,
Den Sigurd büßt mit dem Leben.

Brinhilde spricht, indessen
Die bittern Thränen fließen:
»Gudrun, die Tochter Jukas, soll
Des Helden nicht genießen!«

Sie spricht mit finstern Mienen:
»Das bringt euch traurige Zeiten –
Den haben, der einer andern gehört,
Kann Unheil nur bereiten!« ...

Es war am frühen Tage,
Das Morgenrot lag auf den Au'n,
Da fuhren sie zum Bade,
Die beiden schönen Frau'n.

Es war am frühen Morgen,
Das Rot glomm auf den Fluren,
Als beide Frau'n zum Bade
Hinunter ans Wasser fuhren.

Und auf des Weges Mitten
Begegneten sich beide:
Gudrun voll ihres Glückes,
Brinhild in tiefem Leide.

Auf Weges Mitten fanden
Brinhild und Gudrun sich so,
Die eine in Gram versunken,
Die andre unmaßen froh.

Brinhilde schwieg, Gudrun begann
(Jede zum Streit bereit):
»Weshalb wohl Gunnar, mein Bruder,
Solch schönes Weib nicht freit?«

Gudrun, die Tochter Jukas,
Gar hitzig von Gebahren,
Nicht wollt' im Wasser sie baden,
Das da rann von Brinhildens Haaren.

Drum ging sie weiter in den Strom,
Wo rasch die Wellen streichen,
Denn Sigurd war ja ihr Gemahl,
Dem alle andern weichen.

Gudrun ging weiter in den Strom,
Wo wilder die Wellen toben –
Wer trug wie Sigurd, ihr Gemahl,
Das Haupt so stolz erhoben?

»Sieh an doch hier den roten Ring
An meinem Arm, sieh ihn doch an,
Den gab mir Sigurd Sigmundsohn:
Im Kampf mit dir ich ihn gewann.«

Die Antwort gab Brinhilde,
Sie sprach mit Zornesbeben:
»Sigurd soll sterben um dieses Wort,
Wenn ich nur bleib' am Leben!

Daß dein der Held geworden,
Ist nicht mit meinem Willen geschehn,
Denn mein war seine Liebe,
Bevor er dich gesehn.«

»Du hast dein Magdtum eingebüßt
Und Budlas Ehre ist dahin;
Dem kühnen Mann ergabst du dich,
Des Eh'gemahl ich worden bin.«

»Den Vorwurf hab' ich nicht verdient
Von dir, dem falschen Weibe!
Sigurd soll sterben um dieses Wort,
Wenn ich nur am Leben bleibe!«

»Ich achte deiner Worte nicht,
wie stolz sie mögen klingen,
In Jukas Reich ist keiner doch,
Der Sigurd mag bezwingen.«

In Gram und bittern Thränen
Zog heim Brinhild aufs Schloß,
Dahin kam König Gunnar
Geritten hoch zu Roß.

Sie wand auf ihrem Lager
In Qual und Schmerzen sich
Und um Sigurds willen weinte
Die Stolze bitterlich.

Erfuhr dies Sigurd Sigmundsohn,
Da fühlt' er, wie es ihn treibe
Hin zu Brinhilden, hin zu ziehn
Zum wunderschönen Weibe.

»Kein Ritter ist unter den Hunnen,
Der so gehandelt wie du,
Du brachst dem Weibe die Treue,
Dem zuerst du sie sagtest zu!«

»Du Herrliche, du Süße,
Nicht zürne darob so sehr;
Mir schwand ja die Erinnerung,
Von deiner Lieb' wußt' ich nichts mehr.«

Sobald vor Brinhildens Augen
Sigurd erschienen war,
Geschah es, daß das schöne Weib
Ein Töchterlein gebar.

Das erste Wort Brinhildens
Zu denen, die sie umstehn,
Es heischt: »Bringt hin zum Fluß mein Kind!
Ich will es nimmer sehn!«

Und Asla Sigurdstochter
Trug man hinab zum Strande,
Und Strom und streitende Wellen
Entführten sie dem Lande.

Um schönen Weibes willen
Kam mancher schon in Not;
Nun naht die letzte Stunde,
Die Sigurd bringt den Tod.

Sigurd war ein gewaltiger Held,
Der in Blut gern tauchte sein Schwert;
Doch brachten Weiber ihm den Tod,
Vernehmt's nun, so ihr's begehrt.

Brinhild in ihrem Saale sitzt,
Das Herz von Gram zernagt;
An keinem Orte hat sie Ruh',
Wenn sie ihr Leid auch keinem klagt.

Gunnar tritt in die Halle
Und führet scharf sein Wort:
»Erleiden soll, wer dich gekränkt,
Den schwersten Tod sofort!«

»Das that Gudrun, die Schwester dein,
Die brachte mir das Leid,
Weil sie mir Sigurd abgewann,
Der all' überraget weit.«

Brinhild lag auf dem Ruhebett
Und Gunnar vor sie trat –
Schnell wandelt sich der Weiber Huld:
Sie halten bösen Rat.

»Nicht freust du meiner Liebe dich,
Brauchst nicht darum zu werben,
Bevor nicht Sigurd aus dem Land
Und nicht gebracht ins Verderben.«

»Du Herrliche, du Süße,
Ich mag's nicht glauben, daß du sinnst,
Wie du zu Sigurds Untergang
Am besten Netze spinnst.«

Und so sprach Gunnar ferner:
»Ich denke nie an solche That –
Mein Waffenbruder ist Sigurd,
Nie üb' ich an ihm Verrat.«

»Kein Liebeszeichen erhoffe dann,
Und flehtest du ohn' Unterlaß;
So lange vor Augen Sigurd mir,
Kenn' ich nur Zorn und Haß.«

»Du Herrliche, du Süße,
Du schaffst mir trübe Stunden;
Wie vermag ich Sigurd zu töten?
Kein Schwert kann den verwunden.«

Herbei geholt, sprach Högni,
Und bleich ward er ums Kinn:
»Es sind ja fünfzehn Winter,
Seit ich fremd dem Spiel der Waffen bin ...«

Brinhild auf goldenem Sessel,
Stumm blickt sie in die Weiten;
Die Jukakämpen wollen
Hinaus zu Walde reiten.

Brinhild auf ihrem Sessel
Spielt mit dem goldenen Messerlein:
»So lange Sigurd am Leben,
Wird euch mein Saal verschlossen sein.«

»Brinhild, du Budlatochter,
Gieb selber uns den Rat geschwind,
Was, Sigurd zu erlegen,
Am besten man beginnt.«

»Gebt Sigurd salzige Speise
Und haltet sein Horn verborgen
Und reitet fort mit ihm in den Wald,
Dann seid nur ohne Sorgen.

Bitt' ihn, daß er dir Sattel
Und Pferd zu tauschen ist bereit,
Ersinne List im Herzen dann,
Und dann ersieh die rechte Zeit.«

Sigurd tritt in die Halle,
So schön, so wohlgemut,
Wo Brinhilde, die Budlatochter,
In ihrem Sessel ruht.

Sigurd steht auf dem Estrich,
Den goldenen Schild in seiner Hand;
Brinhilde, die Budlatochter,
Hält die Augen abgewandt.

Sigurd, zum Abschied grüßend,
Das Wort nahm und begann:
»Kehr' ich zurück vom Jagen,
Heimführen will ich dich dann.«

Darauf entgegnete Brinhild,
Schnell war der Worte Wahl:
»Ich liebe nicht zwei Könige,
Zumal in einem Saal.«

Brinhild, die Tochter Budlas,
Bewegt alsdann sprach sie:
»Das höre, Sigurd Sigmundsohn,
Heim führest du mich nie!«

Lärm giebt's in Budlas Schlosse:
Die Jäger ziehn zum grünen Buch;
Brinhild daheim, mit Thränen
Netzt sie ihr Busentuch.

Das Wort nimmt Budla, der König,
Trüb läßt das Haupt er sinken:
»Sigurd empfing doch Helm und Schild
Und dazu das Horn zum Trinken?«

»Dem andern gönnet keiner so viel,
Um des seinen sich zu begeben,
Und nicht soll Sigurd Sigmundsohn
Sich länger freuen am Leben.«

Das redet König Budla,
In Händen das Ringlein rot:
»Sprich doch, Brinhild, meine Tochter,
Weshalb sinnst du auf Sigurds Tod?

Steht dir denn, meine Tochter,
vor Augen nicht des Tages Bild,
Als du aus dem Nordland Sigurd
Herzogest durchs grüne Gefild?

Gedenkst du denn nicht, Brinhilde,
Du Hehre, du Tochter mein,
Wie Sigurd aus dem Nordland
Auf dem Hildarfels zog ein?«

Der König schreitet aus dem Saal;
Noch schaut der Morgen ins Land,
Zurück bleibt allein Brinhilde,
Das Haupt gestützt in die Hand ...

So ritten sie in den Wald hinein
Mit Sigurd als Genossen;
Nichts ahnt er vom Verrate,
Der wider ihn beschlossen.

Brinhild, nachblickend ihnen,
Sie steht in ihrer Halle:
Sigurd, der Herrliche, reitet voran,
Er überraget sie alle.

Brinhilde setzt in den Sessel sich,
Gefoltert von bitterm Harme,
Es fließen ihre Thränen
Herab auf die weißen Arme.

Das holde Weib, es weinet,
Es grämet sich so sehr:
»Leb wohl nun, Sigurd Sigmundsohn,
Ich seh dich im Leben nicht mehr.«

Die Herren reiten in Freuden
Durch Wald und Berg und Thal;
Sie bieten Sigurd keinen Trunk,
Wie sehr sie auch versalzt sein Mahl.

Sie leeren ihre Hörner
Und thun es manches Mal,
Jedoch das Trinkhorn Sigurds
Blieb daheim in Jukas Saal.

Und ihre Hörner wieder
Und wieder vergnügt sie leeren,
Sigurd auf Granes Rücken trägt auch
Nach einem Trunke Begehren.

Sie leeren ihre Hörner,
Sind guter Dinge, sind munter,
Da löset Sigurd sein Helmband
Und steigt vom Sattel herunter.

Sigurd ahnte kein Bubenstück,
Er stieg vom Sattel ab,
Und ungesäumt zur Quelle
Er dann sich hinbegab.

Er bückte sich zu trinken,
Wo des Bornes Wasser floß –
Aus schlechtem Stamm gar selten
Ein guter Zweig entsproß.

Er bückte sich zu trinken,
Wo hell die Wasser gingen –
Gunnars Schwert war scharf genug,
Ihm in den Nacken zu dringen.

Und Högni stach und Gunnar hieb,
Kein Stich, kein Hieb fiel daneben,
So führten sie aus ihr Bubenstück
Und brachten Sigurd ums Leben.

Und Högni stach und Gunnar hieb
Ganz nach Brinhildens Bescheide;
Wenn Sigurd den Verrat geahnt,
Bestanden hätt' er sie beide.

Im Zorne seine Zunge
So lallte, die sterbend schwere:
»Wenn ich nur den Verrat geahnt,
Bestanden hätt' ich noch mehre!«

Seine Zunge lallte, als sterbend
Er lag auf grünem Walle:
»Wenn ich nur euren Verrat geahnt,
Besiegt hätt' ich euch alle!«

Die beiden Strophen 223 und 224 sind ganz offenbar irrtümlich hier eingefügt und deshalb von mir fortgelassen. D. Ü.

Sie trugen heim den toten Herrn
Auf seinem Schild alsbald;
Das Leben büßte mancher schon
Durch Weiberlist und -Gewalt.

Sie legten den Erschlagenen
Vors Lager der Gudrun alsdann.
Ihr ahnte nichts; als sie erwacht,
Da sah sie, wie ein Blutstrom rann.

Es ahnte nichts der jungen Frau,
Bevor das rote Blut sie sah;
Kaum war es wohl ein Wunder,
Ergriff ein wilder Schmerz sie da.

Gudrun, die Tochter Jukas, war's,
Dies Wort ließ sie nun fallen:
»Ich traute, Gunnar, den Verrat
Zuletzt dir zu von allen!«

Von ihrem Lager sprang sie auf,
Wusch ab dem Toten das Blut
Und küßte dann den bleichen Mund
In heißer Liebesglut.

Gudrun, die Tochter Jukas,
Ergreift also das Wort:
»Wenn ich am Leben bleibe,
Dann räch' ich Sigurds Mord.

Gudrun ging in den Frauensaal,
Ablegend die Kleider rot,
Und trauerte ihr Leben lang
Um Sigurds jähen Tod.

»Das höre, liebe Tochter,
Nicht traure um Sigurds Tod,
Artala, dem Herrn von Hunnenland,
Fehlt's nicht an Golde rot.«

Gudrun, die Tochter Jukas,
Sie sprach mit Zornesbeben:
»Ich räche Sigurds jähen Tod,
Wofern ich bleib' am Leben!«

Es hatte Brinhild so manche Nacht
Geruht in Sigurds Arme,
Nun hat sie ihm den Tod gebracht,
Ihr Herz brach drob vor Harme.

Sie siechte hin in Trauern –
Den Geliebten ließ sie töten,
Doch Liebesgram und Thränen
Ihre Schönheit nur erhöhten.

Brinhild verging vor Schmerzen
Nach Sigurds jähem Tod;
Gudrun empfing der Spenden viel
An Gut und Golde rot.

Das ist gewiß ein wahres Wort:
Des Weibes Los ist Leiden –
Gudrunens Hand lenkt Granes Zaum,
So zieht sie in die Weiten.

Ich will mein Lied nun enden
Und heute nicht weiter singen,
Mag später einst ein dritter Sang
Euch künden von weiteren Dingen.
– Grane trug Gold von der Heide!
Mit Sprüngen, gewaltigen, jachen,
Trug Grane Gold von der Heide,
Das Sigurd erbeutet vom Drachen!
Grane trug Gold von der Heide!

Dritter Gesang.
Högni

Im Jukaschlosse weilt Gudrun,
Von Sorgen schwer umrungen,
Kein Edeling gewann ihre Hand
Nach dem Tode Sigurds, des jungen.
– Grane trug Gold von der Heide!
Mit Sprüngen, gewaltigen, jachen,
Trug Grane Gold von der Heide,
Das Sigurd erbeutet vom Drachen!
Grane trug Gold von der Heide!

Im Jukaschlosse weilt Gudrun
In Gram und düsterm Sinnen,
Kein Edeling vermocht' ihr Herz
Nach Sigurd zu gewinnen.

Artala tritt in die Halle,
Gebietend zu satteln sein Roß:
»Um Frau Gudrun zu freien,
Will ich hin zum Jukaschloß!«

Es war am frühen Morgen,
Die Sonne rudert empor,
Da naht sich ein mächtiger Kämpe
Des Jukaschlosses Thor.

Gudrun sitzt an dem breiten Tisch,
Gedanken ihr Herz bewegen;
Ihre Mannen eilen hin und her
Zu schauen den fremden Degen.

Gudrun also das Wort ergreift,
Die schönste aller Frauen:
»Aus der Halle will ich treten,
Den Hünen auch zu schauen.«

Gudrun spricht, als aus der Halle
Hervor sie nun thät schreiten:
»In Golde glänzt ja der Degen,
Wie Sigurd einst vorzeiten!«

Artala tritt nun in den Saal,
Schön ist der kriegerische,
Wie Gudrun, die Jukatochter,
Die da sitzt an dem breiten Tische.

Gudrun ergreift also das Wort,
Dem Gaste frei zu erklären:
»Laß hören mich, was her dich führt,
Deinen Wunsch und dein Begehren.«

Und so spricht dann Artala,
So redet er, der Hehre:
»Ich komme zu werben um deine Hand,
Und diese nur ich begehre.«

Gudrun sitzt an dem breiten Tisch,
Sie schaut das Gold, das so rot:
»Ich gebe mich keinem Edeling
Nach Sigurds frühem Tod.«

Artala steht auf dem Estrich,
Da hört sie den Recken sagen:
»Gieb offen dein Ja mir oder dein Nein,
Ich werde nicht länger fragen!«

Gudrun, die Jukatochter, sann,
Da dachte sie an ihr Wort,
Wenn sie am Leben bleibe,
Zu rächen Sigurds Mord.

Und schnell beginnt sie zu reden,
Als wenn sie sich nicht besänne:
»Wie heißt du, männlicher Recke?
Sage mir, wie ich dich nenne!«

Dies gab zur Antwort der Degen,
Gold spendete seine Hand:
»Heiße mich König Artala,
Ich herrsch' im Hunnenland.«

Auf sprang Gudrun da hastig
Und reicht' ihm die weiße Hand:
»Gern folg' ich dir, König Artala,
Hin in das Hunnenland.«

Gudrun erhob sich hastig
Und gab ihm die Hand sofort,
Und schön war es zu lauschen
Ihres Treugelübdes Wort.

Artala, der König von Hunnenland
(Zu großen Thaten erlesen),
Führte heim Gudrun so, die das Weib
Des ruhmvollen Sigurd gewesen.

Er rüstete früh Morgens,
Gold spendete seine Hand,
Und heim zog er mit Frau Gudrun
Ins ferne Hunnenland.

Artala rüstet früh Morgens
Und führt mit festlichem Schalle
Gudrun als ehliches Gespons
In die stolze Königshalle.

Sie lebten zusammen im Reiche
Und zierten beide den Thron,
Und Kinder erblühten ihnen,
Darunter ein junger Sohn.

Gudrun war lang' im Hunnenland
Und wieder wurden die Wangen ihr rot,
Da hält sie Rat und sinnet,
Zu rächen Sigurds Tod.

Gudrun, die Jukatochter,
Da läßt sie mischen Wein,
Und Högni und Gunnar lädt sie,
Und die anderen Brüder ein.

Artala, der König in Hunnenland,
Er läßt nun mischen den Met
Und lädt die Jukabrüder all' –
In Gefahr ihr Leben steht.

Gunnar tritt zu Grimhilde
In den Saal und spricht zu ihr:
»Nun ziehen wir hin ins Hunnenland,
Der Jukamannen vier!«

Da spricht Grimhild, die Mutter sein:
»Das dünkt mich geringes Glück,
Denn reitet ihr hin ins Hunnenland,
Kehrt keiner von euch zurück.«

Antwortet König Gunnar:
»Ich muß darauf bestehn;
Wir ziehen hin ins Hunnenland,
Mag's, wie es wolle, gehn!«

»Wenn du auch ziehst in das Hunnenland,
Zu trinken Met und Wein,
Laß mindestens Gislar und Hjarnar
Bei ihrem Mütterlein!«

Gislar aber und Hjarnar,
Die Jukahelden beide,
Sie wollen mit ins Hunnenland,
Der Mutter zu großem Leide.

Gislar aber und Hjarnar
Ziehn fort zu dieser Frist,
Denn dem Tod kann keiner entrinnen,
Der ihm verfallen ist.

Auf stand Grimhild, die Königin,
Und sprach: »Willst du denn reiten
Ins Hunnenland, o laß dann
Mich dich dahin begleiten!«

»Wie deine Augen weinen,
Ich kann's nicht sehn, mein Mütterlein,
Nicht sehn, wie die Ströme fließen
Ueber die Rosenwangen dein.«

Sprach da Grimhild, die Königin,
Und sprach es mit Bedacht:
»Mein Sohn, nimm diesen Runenstab.
Und wohl hab' seiner acht.

»Bind' ihn um deine Lenden,
Daß er sei da geborgen,
Er schließet alle Riegel
Und bannet alle Sorgen.

Die Heide lag im Sonnenglanz;
Voraus vor allen reiten
Sah man den stolzen Högni,
Sein Schild glänzt' in die Weiten.

Und das war Högni Jukasohn,
So ritt er hin am Strande,
Begegnet ihm ein Meerweib
Allda auf weißem Sande.

»Heil dir und Glück, Meerweibchen,
Die Wahrheit will ich hören:
Ich reite nun hin ins Hunnenland,
Werd' ich heil einst wiederkehren?«

»Vernimm es, Högni Jukasohn,
Willst du die Wahrheit hören:
Ziehest du hin in das Hunnenland,
Heil wirst du heim dann nicht kehren.

Das höre, Högni Jukasohn,
Ich künde dir dein Geschick:
Ziehst du hinab ins Hunnenland,
Dann kehrst du nicht zurück!«

Und das war Högni Jukasohn,
Sein Schwert thät er da zücken
Und hieb auf das kleine Meerweib ein
Und thät's in zwei Teile zerstücken.

Er nimmt ihr Haupt, das blut'ge,
Und wirft es in den Sund
Und hinterdrein den Körper,
Beides sank auf den Grund.

»Magst du nun, böses Wesen,
Du übles Weib, da liegen!
Ich fahre doch hin ins Hunnenland,
Dort Helden zu besiegen.«

Und das war Högni Jukasohn,
Er ritt dahin am Meeresstrand
Und begegnete einem Meermann
Alldort auf weißem Sand.

»Heil dir und Glück, mein Meermann,
Die Wahrheit will ich hören:
Ich reite nun ins Hunnenland,
Werd' ich heil einst wiederkehren?«

»Das höre, Högni Jukasohn,
Vernimm die frohe Kunde:
Du kehrst dereinst aus Hunnenland
Zurück zur guten Stunde.«

So läßt nun Högni Jukasohn
Rüsten die Schiffe sein,
Und läßt sie wohl beladen
Mit Bier und auch mit Wein.

Man schob sein Schiff hinunter
Aus seinem Bretterhaus,
Tief in den Sand bohrt' sich der Kiel,
Dann schoß es ins Flutgebraus.

Verzieret waren die Planken,
Gehobelt jeder Stock,
Steven und Steuer von rotem Gold,
Und Segel standen im Topp.

Neu waren alle Planken,
Die Schanzen vom besten Holz,
Es flattern spielend die Wimpel
Hoch in den Wolken stolz.

Und Högni setzte Segel bei,
Das Schiff von hinnen schoß,
Und Grimhilde kehrte weinend
Heim in das Jukaschloß.

Es weint Grimhild, die Königin,
Das Herz von Kummer schwer:
»Högni, mein Sohn, fahr' wohl, fahr' wohl!
Ich sehe dich nimmermehr.«

Grimhilde klagt in ihrem Gram:
»Er zieht den Pfad, den herben;
Ich kenne Gudrun, die Tochter mein,
Sie sinnet auf sein Verderben.«

Sie segelten vom Lande
hinaus auf die salzige Flut,
Zwei eiserne Riemen nahm Högni
Und ruderte selber gut.

Erschien ein Bote vor Gudrun,
Verkündend der hohen Frau:
»Ein Schiff naht auf dem Meere
Mit Segeln gelb und blau.

Da hat Gudrun also das Wort
In freudiger Hast genommen:
»Gunnar und Högni sind es,
Die zum Besuche kommen.«

Und in den Garten ging sie,
Trug rotes Gold an den Händen,
Und übte Zauberkünste,
Die zum Meer sich mußten wenden.

Es wuchsen da wild die Wetter,
Und brausten her vom Land,
Und es barsten die eisernen Riemen
Beide in Högnis Hand.

So wuchsen wild die Wetter,
Daß sich die Wogen bäumten
Und Sturzsee'n über jeden Bord
Gewaltiglich hinschäumten. –

Da sprach ein kleiner Knabe
(Wie's schien, im Fieberwahn):
»Was sah' ich dorten über'm Meer
Für Zauberrosse nah'n?«

Doch Högni nahm das Wort
Und sprach also für sich:
»Das sind die Zauberkünste Gudruns,
Und mich bedräu'n sie, mich!

Es sind mit nichten Pferde,
Kein Roß kommt so gesprengt:
Verderben ist es, das Gudrun
Jetzt über mich verhängt.«

Gudrun geht in den Garten,
Trägt rotes Gold an Händen,
Und löset dort zwei Adler,
Hinaus aufs Meer sie zu senden.

Die Adler kommen vom Lande
Und setzen sich auf das salzige Meer,
Da wächst in den Wolken das Wetter,
Die Wogen rasen einher.

So wühlt der Sturm in den Wogen,
Sie schleudernd vom Grund empor,
Es war die Zauberkunst Gudruns,
Die das heraufbeschwor.

Das Wetter tobte gar so wild,
Daß bleich ward jeder Held,
Da ging in den Schiffsraum Gunnar,
Ans Steuer hat sich Högni gestellt.

So hart das Wetter, so wild die See,
Wie toll der Wellen Kreisen,
Doch steuert Högni Jukasohn
Durch Schäume gleich Schnee, dem weißen.

Da faßt er seinen Runenstab
Und schleudert ihn über Bord,
Da konnte der Zauber nicht wachsen,
Gebändigt war er sofort.

Högni nahm seinen Runenstab,
Den in die Flut er warf,
Nun ward die wilde Brandung
Am Gestade minder scharf.

Und wenn es auch noch pfiff und stob,
Im Tauwerk der Wind, der Sand vom Land:
Die Jukasöhne steuerten
Ihr Schiff doch an den Strand.

Wie wild auf See das Wetter,
Doch kamen, wie ich will melden,
In Hunnenlandes Hafen an
Die wohlerprobten Helden.

Und als sie nun erreichten
Das wunderschöne Land,
Da warfen sie den Anker
Wohl in den weißen Sand.

Und als sie den Anker warfen
Wohl in den weißen Sand,
Da setzte Gunnar Jukasohn
Als erster den Fuß aufs Land.

Zuerst setzt' Gunnar Jukasohn
Den Fuß da auf das Land,
Und Högni und Hjarnar folgten
Mit andern auf den weißen Sand.

Vom Strande dann sie schritten
Ohne lange da zu warten,
Und die Jukasöhne kamen darauf
In einen gar schönen Garten.

In diesem aber schmückten sie sich
Mit Prachtgewanden alle,
Um würdig hineinzutreten
In die hohe Königshalle.

Sie legten an im Garten
Der Rüstung und der Waffen Zier
Und zogen so zur Hochburg,
Der Jukahelden vier.

Gunnar und Högni schritten so
Voran den Weg entlang,
Gudrun, die Tochter Jukas,
Nahm sie am Thor in Empfang.

Artala, der Herr im Hunnenland,
Mischt Met indes und Wein,
Gudrun derweilen führet
Die Brüder zum Saal hinein.

Und sie ergreift also das Wort,
Doch ohne freundlich Winken:
»In meine Halle tretet ein,
Den braunen Met zu trinken.«

Und Högni war's, der Jukasohn,
Hinein trat er wohl dann,
Doch deutlich sah er, daß Gudrun
Heimlich auf Böses sann.

Gudrun ergreift nun so das Wort,
Wie ihr es mögt erfahren:
»Legt ab nun Schwert und Rüstung,
Die will ich aufbewahren.«

So sprach mit raschem Worte
Gudrun, die Königin:
»Legt ab nun Schwert und Rüstung
Und setzt an den Tisch euch hin.«

Entgegnet Högni Jukasohn,
In Händen das mächtige Schwert:
»Ich lass' meine Waffen keinem,
So lange mein Leben währt.«

Und Gunnar spricht, der König,
In Händen fest die Waffen:
»Ich berge selber meine Wehr,
Die keinem Leid wird schaffen.«

Das Wort ergriff Gudrun also,
Der Grimm das Herz zerfraß:
»Ein kühnerer Held war Sigurd,
Der in goldenem Sattel saß.«

Das Wort ergriff alsdann Gudrun,
Rachgierig grenzenlos:
»Gedenkst du, wie du Sigurd einst
Gelegt mir auf den Schoß?«

Sprach Högni da bei sich und sah
Auf seinen Ring, den roten:
»Mild sind nicht ihre Blicke,
Sie denkt des Gatten, des toten.«

Gudrun läßt aber noch so das Wort
Der Zunge jetzt entfallen:
»Gedenkst du noch jung Sigurds,
Den du führtest in meine Hallen?«

Bei sich sprach Högni Jukasohn
Und sah auf seinen Ring:
»Sie zürnt, sie denkt des Tages,
Da sie Sigurds Leiche empfing.«

Ein trat Gudrun früh morgens,
Im Herzen Rachbegier;
Mit Seide war der Tisch gedeckt,
Für die Helden trug er Bier.

Gudrun jedoch, die Königin,
Nahm einen Krug vom Tische
Und schritt hinab in den Keller,
Auf daß sie Met dort mische.

Und als sie dann gemischt
Zum Mete nun den Wein,
That sie auch noch des Giftes
Gar viel dazu hinein.

Und als es genug des Giftes
Endlich ihr erschien,
Trat sie damit zu Högni,
Und zu trinken bat sie ihn.

Gedenkt da Högni seines Rings,
Des goldenen Ringes gut,
Und ihm dünkt, daß der errötet
So recht wie rotes Blut.

Und das war Högni Jukasohn:
Erkennend den Verrat,
Den Trunk zuerst zu kosten
Er seine Schwester bat.

Gudrun stand in der Halle,
Das Blut in die Wangen ihr schoß:
Sie stürzte schnell den Becher um,
Daß der Wein vom Tische floß.

Der König aber winkte
Und hieß die Brüder kommen,
Gunnar, Högni und alle,
Bis sie neben ihm Platz genommen.

So trinken sie nun im Hunnenland
So draußen wie auch drinnen,
Sie trinken Met und klaren Wein,
Jeder mit frohen Sinnen;

Trinken so im Hunnenland
Und guter Dinge sie sind;
Gudrun allein ergrimmet,
Daß sich kein Zank entspinnt.

Sie trinken so im Hunnenland
In Lust und Freudigkeit;
Gudrun alleine zürnet,
Daß keiner sinnt auf Streit.

Da reizt sie ihren jungen Sohn
Mit mildem und strengem Wort:
»Ich gebe dir Rotgold und Rinder,
Bereitest du Högni Tort.«

Der Knabe war jungen Alters,
Und zu thun er sich's vermaß,
Und er ging hinan zum Tische,
Wo der wilde Högni saß.

Der Knabe trat zum Tische,
Trat hin vor Högni dicht,
Erhob dann seine Rechte
Und schlug ihm ins Gesicht.

Er schlug dem Kämpen ins Gesicht
Mit der geballten Faust:
Da hatte Gudrun Unfrieden,
Wild ist er durch den Saal gebraust.

Dem Helden rann das rote Blut
Stromweis heiß vom Gesicht,
In Freuden arglos, versah er sich
Der jähen Tücke nicht.

Und das war Högni Jukasohn,
Um stürzt er den Tisch voll Wut,
Daß auf den Estrich strömend floß
Des Metes braune Flut.

Und das war Högni Jukasohn,
Auf schnellt' er von seinem Platz,
Und in die Mitte der Halle
Sprang er hin mit einem Satz.

Und wie er aufgesprungen,
Hat er sich auch gewendet schon,
Durchbohrend mit dem Schwerte
Den jungen Königssohn.

Högni, aufgesprungen,
Hat rasch das Schwert gezückt
Und mit einem einzigen Schlage
Den Sohn Gudruns zerstückt.

»Ich danke für Met des Hunnenlands,
Wenn Gefahren mein Leben bedroh'n;
Schmach meiner Mutter Tochter,
Die nicht besser erzog den Sohn.«

Gudrun eilt zu Artala,
Ihm Botschaft zuzutragen:
»Erschlagen ist unser junger Sohn,
Von Högnis Hand erschlagen!

Ich will mit dir im Hunnenland
Nicht walten mehr hinfort,
Wofern du nicht blutige Rache nimmst
Für unsers Sohnes Mord.

Ich lenke nicht mehr im Hunnenland
Mit dir des Reiches Steuer,
Wenn du nicht blutig rächest,
Den Sohn, der mir so teuer!«

»Das höre, Gudrun, geliebte,
Ich kann es nimmer glauben,
Daß mit Truge du trachtest allen
Den Brüdern das Leben zu rauben.

Als Sigurd sie erschlugen,
Dir zu so großer Pein,
War Gislar noch ein kleines Kind
Und daheim beim Mütterlein.«

Gudrun, die Tochter Jukas, sprach:
»Wenn sie ihn auch nicht fällten,
Gislar und Hjarnar sollen doch
Es beide mit entgelten.«

»So höre denn, mein gewaltig Weib,
Wie mögen wir es beginnen,
Daß wir dem starken Högni
Das Leben abgewinnen?

Es ist kein Kleines, Högni
Zu stehn in Kampfes Hitze;
Stets trägt er, wo eine Schlacht er schlägt,
Ein Haupt auf Speeres Spitze.«

»Nimm du der Elennhäute drei,
Bestrichen mit Männerblut,
Daß darüber Högni laufe,
Wenn er matt von des Kampfes Wut.

Doch wolle das nicht vergessen:
Mit Eisennägeln vor'm Hallenthor
Schlag' fest sie, daß Högni falle,
Bricht er daraus hervor.«

Das war Artala, der König,
Er hat es nicht vergessen:
Drei Elennhäute nagelte er
Vor'm Hallenthor fest unterdessen.

Und vor dem breiten Tische
Gudrun wie tief in Sinnen steht:
»Als erster mein Bruder Gislar
Nun über die Häute geht.«

Vom Sitz erhob sich Högni,
Nicht lässigen Mundes zum Reden,
Und trat vor die Jukahelden hin,
Das Wort zu führen für jeden.

Und so sprach nun der Degen,
Von Schmerz bewegt die Brust:
»Gislar und Hjarnar, zieht nun heim
Und bleibet der Mutter Lust.

Als ich und Bruder Gunnar
Vergossen Sigurds Blut,
Da habet Ihr noch beide
Auf ihrem Schoße geruht.«

Sprach da bei sich Gudrun das Wort:
»Wenn sie ihn auch nicht fällten –
Gislar und Hjarnar – die Brüder all,
Sie sollen es doch entgelten.«

Als hinaus nun Gislar und Hjarnar
Rannten im raschen Lauf,
Da stürzten sie auf den Häuten
Und standen nie wieder auf.

Vorm breiten Tische stand Gudrun,
Nur wenig ihr Thun sie gereute,
Sie sprach für sich: »Bruder Gunnar seh',
Wie er nun kommt über die Häute.«

Und das war die Jukatochter,
Verderben thät sie bereiten:
Rückwärts die Halle verlassend,
Mußt' Gunnar ums Leben streiten.

Der tapfre König Gunnar,
Er stand umringt von Gefahr;
Eiserne Thüren er sprengte,
Und sonder Furcht er war.

Und es wollte König Gunnar
Nun über die Häute gehn –
Da sahen ihn alle fallen,
Doch auf sah ihn keiner stehn.

Gudrun steht vor dem breiten Tisch
Und spricht: »Nun mag's geschehen,
Nun soll mein Bruder Högni
Ueber die Häute gehen.«

Und Högni sprach, das Schlachtschwert
Fest mit der Faust umschließend:
»Lieber säß' ich im Jukaschloß,
Gemischten Met genießend.«

Und das war Högni Jukasohn,
Rings sah er Gefahren nah'n,
Er fällte zwölfhundert Helden
Und brach also sich Bahn.

So dringt er vor im Saale
Und bahnt sich Weg mit dem Schwert,
Da denkt er der treuen Mutter,
Die ihm so lieb und wert.

Und das war Högni Jukasohn –
Aufs Schwert gestützt er sprach:
»Soll ich auf Elenhäuten gehn?
Nun, sei es, wie es mag!«

Högni sprang über die Häute
Und sprang behend und kühn,
Daß sein Fuß sie nicht berührte,
Weil es nicht geraten ihm schien.

Dem Tode so entgangen,
Anlangt' er auf dem Gefild
Und ruhte aus, sich stützend
Auf das Schwert und seinen Schild.

Högni sprang über die Häute,
Doch mit nichten frei war er,
Denn vor ihm stand gerüstet
Artalas ganzes Heer.

Behelmt steht Högni im Felde,
Kampfmutig blickt er drein:
»Wir trinken, eh' der Tag sich neigt,
Noch Blut, als wär' es Wein.«

Und so dringt er in das Feindesheer,
Das scharfe Schwert in Händen;
Ich schwör's bei meiner Treue,
Hier mußten viele enden.

So dringt er in das Feindesheer
Mit wuchtigen Schwerteshieben,
Und er erlegt mit jedem
Der Feinde sechs oder sieben.

Högni kämpfte, bis keiner
War zu besiegen mehr
Und erschlagen lag Artalas,
Des Hunnen, ganzes Heer.

Da legt' er die Wehre nieder,
Die Waffen aus seiner Hand,
Und zurück zog Högni Jukasohn
Sich an des Schlosses Wand.

Er hatte sie überwunden,
Die Feinde weit und breit;
Spät nun war es am Abend,
Als vorüber Kampf und Streit.

Gudrun erschien früh morgens,
Ergrimmt war ihr der Sinn,
Denn heil sah sie Högni stehen –
Nicht bracht' ihr Anschlag Gewinn.

Es war vor Sonnenaufgang,
Und kaum der Tag begann,
Da hatte König Artala
Schon gerüstet zwölfhundert Mann.

Es war am frühen Morgen,
Die Firnen glühten alle,
Da zogen sie zum Streite
Her aus der Königshalle.

Auch Högni ritt aus der Halle
Und kampfesmutig war er,
Vor ihm stand wieder gerüstet
Artalas ganzes Heer.

Allein ritt ihnen entgegen
Held Högni; kam irgendwer
In den Weg ihm, dem Helden erlegen,
Schmückt bald sein Haupt den Speer.

So reitet dem Feind er entgegen
Und prüft, ob sein Schwert noch gut,
Und zehn erlegt er der Hunnen
Mit jedem Hieb, den er thut.

Erschlagen ward so der Hunnen Heer,
Von Högnis Hand der ganze Troß,
Und das war Högni Jukasohn,
Er ruhte dann aus am Schloß.

Gudrun erschien früh morgens,
Als die Sonne schon erglommen,
Und heil sah sie den Bruder
Da über das Blachfeld kommen.

Gudrun ergreift also das Wort
Und ruft ihm zu vom Weiten:
»Hör es, Högni, zum Hildarfluß,
Zum Wald dort sollst du reiten.

Zum Walde dort sollst du reiten,
Den östlich du siehst ragen,
Da wirst du jenen Helden sehn,
Welchen du einst mir erschlagen.«

Und Högni ritt zum Walde,
Den östlich er sah ragen,
Und dort hat er den Helden geschaut,
Den er vor Zeiten erschlagen.

Auf grünem Plane stand Högni,
Ließ rings die Blicke fliegen
Und sah die Leiche Sigurds
Auf goldner Bahre liegen.

Auf grünem Plane steht Högni:
Gar seltsam ist die Kunde –
Ein wunderbar gewaltig Roß
Sprengt unten tief im Grunde.

Und wie er steht auf dem grünen Plan,
Kommt viel durch den Sinn ihm gezogen –
Am Bug des Rosses hing ein Haupt
Herab vom Sattelbogen.

Die Zunge hub an zu reden:
»Fluch deiner schnöden That,
Daß, Högni, du mich einst erschlugst
Durch niedrigen Verrat.

Mir hatte Brinhilde Budlatochter
In Liebe sich ergeben,
Mich liebte Gudrun, die Jukatochter,
Das büßt' ich mit dem Leben.

Brinhild, sie liebte mich so sehr,
Mein Ende bracht' ihr den Tod;
Gudrun beschenktet Ihr reich mit Gut
Und Ringen von Golde rot.

Zur Halle reite wieder nun
Und kämpfe, wie dir es gefällt,
Ich ziehe durch den Heidenwald
Und durch die Weiten der Welt.«

Högni ritt zum Schloß zurück,
Er glaubte an Glück nicht mehr,
Da fand er wieder gerüstet
Artalas ganzes Heer.

Högni ritt auf die Feinde ein,
Sein Schwert funkt sondergleichen,
Sein Fuß berührte die Erde nicht,
Er trat nur auf Männerleichen.

Wolfsgewinsel! Hundegeheul!
Gieriger Geier Blicke!
Hundert Hunnen haut der Held
Mit jedem Hieb in Stücke!

Gudrun, die Jukatochter sieht
Mit Freuden den Kampf entbrannt,
Je mehr der Hunnen Högni fällt,
Jemehr noch kommen gerannt.

Da ward dem Högni Jukasohn
Gewißheit der Verdacht:
Die Feinde, die er tags erlegt,
Belebt sie neu bei Nacht.

Und so sprach Högni Jukasohn:
»Das will mir schlecht behagen,
Behagen schlecht, im Hunnenland
Sklaven zu erschlagen!«

Am Morgen früh erschien Gudrun,
Voll Grimms hervor sie trat,
Als heil annoch sie Högni sah
Trotz Tücke und Verrat.

Ihr Auge glüht, und glänzend zeigt
Ihr offner Mund die Zähne,
Als wolle sie verschlingen ihn,
Da umsonst ihre Zauberpläne.

Da wird zur Jukatochter
Entboten ein junger Gesell:
»Eil' hin zur langen Gewa
Und heiße sie kommen schnell!«

Und flink war der zu Fuße,
Mit dem sie die Botschaft schickte,
Sie ließ ein Gewand ihm geben,
Das mit Lilj' und Rosen sie stickte.

»Das höre nun, Gewa, du lange,
Ich habe dir zu sagen,
Es ist der junge Sohn Gudruns
Von Högnis Hand erschlagen.

Das höre, Gewa, du lange,
Du bist ein Riesenweib,
Doch das größte wär's, du trenntest
Dem Högni das Haupt vom Leib.«

Und Gewa nimmt also das Wort
Und spricht: »Ich muß bekennen:
Unmöglich ist es, dem Högni
Das Haupt vom Rumpfe zu trennen.«

Högni reitet auf Gewa zu,
Das wuchtige Schwert in Händen,
Er hebt's empor mit der Klinge scharf
Dem Weibe den Tod zu senden.

Ja, das war Högni Jukasohn,
Mit dem Schwerte unverweilt
Hat er die lange Gewa
Alsbald in zwei Stücke geteilt.

Gudrun, die Tochter Jukas,
Sie braut und mischet Wein
Und lädt den Tidrik Tatnarsohn
Zu sich in die Halle ein.

Und flink war der zu Fuße,
Der die Botschaft übernahm,
Daß bald er hin zu dem grünen Wald,
Wo Tidrik hausete, kam.

»Du kleiner Bote der Gudrun,
Sollst mir willkommen sein,
Trink' nun, was dir am meisten behagt,
Sei Met es oder Wein.«

»Nicht ist es mir zu thun um Met
Und minder noch um Wein,
Zu bringen eine Botschaft,
Tret' ich heute bei dir ein.

Zu bringen eine Botschaft,
Tret' ich heute bei dir ein:
Gudrun, der Tochter Jukas,
Wirst du willkommen sein.«

Und Tidrik zog von hinnen,
Urplötzlich er verschwand
Und kam zur Burg Artalas –
Gudrun vorm Thore stand.

»Willkommen, Tidrik Tatnarsohn,
Den ich zum Trost mir bestellt,
Fällt deine Hand den Högni,
Bist du der größte Held.«

»Gudrun, das hör', o Königin,
Das macht mir trübe Stunden,
Wie könnt' ich Högni fällen,
Den mag kein Schwert verwunden.«

»Ich gebe dir Silber, ich gebe dir Gold,
Sollst, soviel du willst, erhalten,
Wirst du mir Högni Jukasohn
Mit deinem Schwerte zerspalten!«

Tidrik verschwand von seinem Sitz
Und verschwand auch aus dem Schloß
Und erschien im Blachfeld draußen
Auf rabenschwarzem Roß.

Entgegen ritt ihm Högni,
Der Kampf begann zur Stunde,
Empfing da Tidrik Tatnarsohn
Von Högnis Schwert eine Wunde.

Denn Högni schwang gewaltig
Sein kampferprobtes Schwert
Und hieb so Tidrik Tatnarsohn
Herunter vom reisigen Pferd.

Da schwang empor sich Tidrik
Hoch über Feld und Wald
Und stieg hinauf in die Lüfte
In eines Drachen Gestalt.

Der schwarze Drache spie Eiter
Auf Högnis Brünne dann;
Kein Schwert wars, das ihn bezwungen;
Gegen dies wehrt sich ein Mann.

Es ist ein herbes Schicksal
Zu leiden bittre Schmerzen:
Das Gift trug er in der Brünne,
Es nagte an seinem Herzen.

Högni geht vom Schlachtfeld,
Er deckt es nicht mehr mit Leichen;
Zum Herzen dringt das Gift ihm
Und es macht ihn nun erbleichen.

Und das war Högni Jukasohn,
Zur Burg schritt er empor,
Wo König Artala selber
Stund draußen vor dem Thor.

»Ich trage keine Wunden,
Um Gnade nicht fleh' ich nun,
Gebt mir eine Jarlentochter,
In ihren Armen zu ruhn.«

Sprach da Gudrun, seine Schwester,
Noch höhnend ihn im Harm:
»Eines Schweinehirten Tochter
Leget ihm in den Arm!«

Entgegnete König Artala
Mit freundlichem Gewähren:
»Das höre, Högni Jukasohn,
Erfüllt sei dein Begehren!«

Entgegnete König Artala
Und nahm also das Wort:
»Bringt, in seinem Arme zu ruhen,
Eine Jarlentochter sofort!«

Mit dieser Jarlentochter
Ist ihm die Nacht vergangen,
Und wie die Sage kündet,
Hat ein Söhnlein sie empfangen.

»Hör's, Helwig Jarlentochter,
Und wohl hab' dessen acht:
Artala hat sicher auch einen Sohn
Empfangen in dieser Nacht.

Wird uns ein Sohn, o mög' er
Nie bittres Schicksal kennen;
Höre, schön Helwig, unsern Sohn,
Högni sollst du ihn nennen.

Hast du ein Söhnlein, wird Gudrun
Ihm sicher bereiten Pein,
Drum nimm ihr Kind du und trage
Ihr in die Wiege das deine.

Denn deinem Sohn wird sonst Gudrun
Nur Leid um Leiden bringen,
Du hüte dich ja vor ihr und schlau
Sei stets in allen Dingen.

Meine Schwester ist voll arger List,
Das wirst du bald verstehn:
Dich, Helwig, wird sie bitten,
Vor ihr aus der Thür zu gehn.

Doch darauf besteh', daß voraus sie geh'
Da das Haupt sie höher trage;
Du müßtest schreiten hinterdrein,
Weil geringer du seist, so sage.

Und wenn uns denn ein junger Sohn
Dereinstmal wird gegeben,
O, nenn' ihn Högni und heiße ihn
Mich rächen, bleibt er am Leben.

Nimm diesen Runengürtel
Und bind' ihn dir um die Lenden,
Er schließet alle Riegel
Und die Sorgen kann er wenden.

Jarltochter Helwig, höre,
Laß es dir offenbaren,
Gieb einst ihn unserm jungen Sohn,
Wenn er ihn kann bewahren.

Ich hinterlasse dir reiches Gut
Und Ringe von Golde so rot:
Empfang' es, Jarlentochter,
Und räche meinen Tod!«

So sank nun Högni Jukasohn
Dahin in tödlichem Schmerz,
Sein Angesicht erblaßte,
Das Gift zerfraß sein Herz.

Und sterben sah ihn nun Helwig
Und ließ den toten Gatten
Unterm Hügel, den Helden aufhöh'ten,
Im Thale festlich bestatten.

Es war am frühen Morgen
Und im Sonnenlicht glänzte die Welt,
Auf stand die Jarlentochter,
Doch im Grabe schlief der Held.

Neun Monde flossen allgemach
Gudrun und Helwig, den beiden,
An einem Söhnlein konnte
Da jede die Blicke weiden.

Und Helwig ließ ihr Söhnchen,
Das bestimmt zu guten Tagen,
Damit man's Högni heiße,
Zu einem Priester tragen.

Der junge Sohn Gudrunens,
Der bestimmt zu bösen Tagen,
Ward, Svend genannt zu werden,
Auch zu dem Priester getragen.

Und da die Zeit gekommen,
Vom Lager sich beide erheben,
Um hinaus zu gehn ins Freie
Und der Lust sich zu ergeben.

Waren einen Monat drinnen,
Ja, waren drinnen zwee'n:
»Höre, du junge Jarlentochter
Sollst hinaus vor mir nun gehn.«

Da sprach die Jarlentochter:
»Mit nichten darf es geschehn;
Du trägst die höhere Krone –
Dir gebührt es voran zu gehn.«

Gudrun sann darauf, dem Sohne
Der Helwig ein Leides zu thun,
Da legte diese ihn heimlich
In die Wiege der Gudrun.

Doch den Sohn der Königinne
Nahm sie mit klugem Sinn
Und legt' ihn, als wär' es ihr Knäblein,
In die Wiege des ihren hin.

Und ungesehn in die Halle
Gudrun sich einst begab,
Und schnitt dem eignen Söhnlein
Allda das Köpfchen ab.

Gudrunen, die Tochter Jukas,
Machte die Rache blind,
So hat sie, wie ich es künde,
Getötet ihr liebes Kind.

Doch auf wuchs jung Högni im Reiche,
Ward früh ein Kriegsheld schon,
In ihm erzog Artala,
So wähnt' er, seinen Sohn.

Es war am frühen Morgen,
Die Sonne durchschien die Weiten,
Gelüstet's da Högni Högnisohn
In den Wald hinaus zu reiten.

Zum Walde thät er reiten,
Wie ich euch melden muß,
Trifft an allda sein Mütterchen
Oestlich vom Hildarfluß.

Helwig beginnt zu reden,
Lächelnd unter dem Lein:
»Ich schwör's bei meiner Treue,
Mein Söhnlein bist du, mein.«

Doch Högni giebt zur Antwort:
»Leicht hat mich noch keiner betrogen;
Es ward noch nie ein Weib gesehn,
Das so wie du gelogen.«

»Nimm denn dies kleine Messer
– Wie scharf es ist, schau hier! –
Sieh, wenn du den Arm mir ritzest,
Ob's nicht geht zu Herzen dir.«

Und er nahm das kleine Messer,
Es dünkte ihn ein Scherz,
Und ritzte wohl den Arm ihr –
Da fuhr es ihm durchs Herz.

Sprach da Högni Högnisohn
Und lächelte freundlich drein:
»Das fühl' ich an mir selber!
Du bist mein Mütterlein!«

»So hör's denn, Högni, du mein Sohn,
Einst mußt' ich es versprechen,
Du solltest, bliebest am Leben du,
Den Tod des Vaters rächen.

Nimm diesen Runengürtel
Und bind' ihn dir um die Lenden,
Verschließen kann er jedes Schloß,
Kann alle Sorgen wenden.«

Und sprach dann schnell, als leihe
Sie ihren Worten Flügel:
»Nimm dieses Schwert, einst grub es
Dein Vater aus dem Hügel.

Ich gebe dir reichen Gutes viel
Und Ringe von Golde rot,
Nimm's hin, mein Sohn, geliebter,
Und räche des Vaters Tod.«

Er kehrte aus dem Walde
Erst heim am späten Abend,
Artala saß und becherte,
Mit seinen Mannen sich labend.

Jung Svend Der unter dem Namen Svend von Artala als sein vermeintlicher Sprößling erzogene Högni Högnisohn. A. d. Ü. trat in die Halle.
Er hatte die Lichter zu putzen,
Da fiel ein Funk' ihm auf den Fuß,
Doch macht' es ihn nicht zucken.

Svend hatte die Lichter zu putzen,
Ein Funke da von den Fackeln fiel
Ihm auf den Fuß und brannte
Durch bis zur Hallendiel'.

Da nahm Artala so das Wort
Und sprach mit heiserer Stimme:
»Was sinnest so du, Svend, mein Gesell,
Merkst nicht des Funkens Geglimme?«

»Artala, darauf sinn' ich:
Wie reich du bist – vorm Tod
Kann's kommen noch, daß du flehest
Um Wasser und um ein Stück Brot.«

»Ich habe Gold und habe Gut –
Nicht geschieht's vor meinem Tod,
Daß ich noch betteln mußte
Um Wasser und um ein Stück Brot.«

Es war am frühen Morgen
Und hell in allen Weiten:
»König Artala, wollet Ihr nicht
Mit mir zu Walde reiten?«

Gab Antwort ihm Artala:
»In solcher Morgenstunde
Wie gern will ich dir folgen
Zum grünen Waldesgrunde.«

Es war am frühen Morgen
Und hell die Sonne schien;
Zum Goldberg wollt' er reiten,
Sein Schatz sollt' ergötzen ihn.

So reiten sie zum Walde hin,
Im Herzen freudenvoll,
Und stolz zeigt ihm Artala
Das Haus, drin all sein Gold.

Artala war es, der König,
An hub er mit diesem Worte:
»Das höre, Svend, als erster
Tritt ein zu dieser Pforte!«

Da gab ihm Svend zur Antwort:
»Das kann und darf nicht sein;
Du trägst die höhere Krone,
Nach dir erst tret' ich hinein.«

Artala trat in's Haus hinein,
Doch Högni, sein Genoß,
Warf hinter ihm mit Schalle
Die Thür sogleich in's Schloß.

Und Högni steht nun draußen
Voll Freuden vor dem Haus
Und schließt's mit dem Runengürtel,
Daß niemand kann ein noch aus.

»Wohl hast du Gold, wohl hast du Gut,
Und bist doch nun in Not;
Artala, möchtest du jetzt nicht
Um Wasser bitten und Brot?«

– »Ich habe Geld und habe Gut,
Und bin doch so in Not!
Erhöre mich, Svend, und reiche
Mir Wasser doch und Brot!«

So ließ er sie beide Artala und Gudrun. verhungern
Bei ihrem Golde rot,
Und das that Högni Högnisohn,
So rächt' er des Vaters Tod.

Und das war Högni Högnisohn,
Viel Gold hat er erworben;
Er kam zurück zum Goldberg nicht,
Eh' dort Artala gestorben.

Zu der Mutter ritt dann Högni
Noch selben Abends gleich;
Später zog er von hinnen
Zum König im Dänenreich.
– Grane trug Gold von der Heide!
Mit Sprüngen, gewaltigen, jachen,
Trug Grane Gold von der Heide,
Das Sigurd erbeutet vom Drachen!
Grane trug Gold von der Heide!


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