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XV. Die Töchter Ebbis.

Herr Ebbi ging auf die Heerfahrt,
Zu seinem König zu stoßen;
Daheim ließ er seine Töchter,
Sie glichen blühenden Rosen.

Jung waren die Iwarsöhne,
Sie hielten zusammen Rat:
»Laß uns, den Fräulein zum Spotte,
Zu ihnen in die Kemenat!

Laß uns in die Kemenat
Zu den Mädchen hinein nun brechen,
Einen jungen Bruder nur haben sie,
Der kann die That nicht rächen.

Es ist, die That zu rächen, nur da
Ein Bursche, wie sollt' es geschehen,
Daß er, wenn noch so tapfer auch er,
Uns beide könnte bestehen?«

Herr Peter war es, der pochte
An Fensterladen und Thür:
»Was macht Ihr stolzen Jungfern?
Schlaft oder wachet Ihr?«

»Wir haben noch nicht geschlafen,
Wir wachen beide noch;
Wer pocht da draußen? Wir kennen
Ja keine Männer doch!«

»Steht auf nur, Ingigerdur,
Laßt zurück den Riegel gehn,
Dann werdet Ihr vor eurer Thür
Die Iwarsöhne sehn.«

Auf stand da Ingigerdur,
Die nicht sich lange besann,
Und Schloß schob sie und Riegel
Schnell vor die Thür alsdann.

Sie thät mit Schloß und Riegel
Die Thür gar wohl versehn:
»Uns verlangt nicht zu schaun, wie draußen
Die Iwarsöhne stehn.«

Herr Peter stieß mit dem Fuße
So gegen Thür und Thor,
Daß Schloß und Riegel sprangen,
Als wären keine davor.

Da weinten die Ebbitöchter
In tiefstem Herzensharm,
Als die jungen Iwarsöhne
Sie nahmen in den Arm.

Fort zogen die Iwarsöhne alsdann,
Die in Lust und Freude schwammen,
Da hielten in der Kemenat
Die Fräulein Rat zusammen.

Die beiden Ebbitöchter,
So bitterlich thäten sie weinen,
Dann nahmen den goldenen Kopfschmuck sie ab
Und legten ihn in den Schrein.

Da sprach die jüngste der Maide
Und schaute verzweifelnd drein:
»Bergen wir uns in des Meeres Sand,
Eh' der Vater kehret heim!

Bergen wir uns auf des Meeres Grund,
In des Meeres tiefstem Sand,
Eh' von unsrer Schmach die Kunde
Durchzieht das weite Land!«

»Ich berge mich nicht auf dem Grunde des Meers
Und nicht in des Meeres Sand,
Weit lieber nehm' ich das Schwert zur Hand
Und gehe hinauf ins Land!«

Verflossen war nur eine Spanne Zeit,
Seitdem sie die Schmach erlitten,
Da kehrte ihr lieber Vater zurück
Und kam durch den Wald geritten.

Und also sprach Herr Ebbi
Zu Signe, der Tochter sein:
»Wo ist euer goldener Kopfschmuck?
Was hüllt Ihr das Haupt in Lein?«

»Uns entehrten die Iwarsöhne,
Drum hüllten das Haupt wir in Lein.«
»Ihr habt einen starken Bruder doch,
Der Rächer euch konnte sein!«

»Nimmer soll unser Bruder
Sich mühen in unserer Sache,
Wir Ebbitöchter beide,
Wir schaffen uns selber Rache!«

Es schwanden sieben Wochen hin,
Und es kam die Zeit der Pfingsten,
Da zogen zur Kirche von nah und fern
Die Höchsten wie die Geringsten.

Und also sprach Holmfriede
Und lächelte unter dem Schleier:
»Meine Schwiegertöchter beide,
Dort kommen auch sie zur Feier.

Wir müssen sie wohl geleiten
Zum Ehrensitz hinan
Und alle Lichter zünden
Vor den Ebbitöchtern dann.«

»Eh' hüllest du Sohnesleiche
Heut' in das Grabgewand,
Eh' zum Ehrensitz uns leitet,
Holmfriede, deine Hand.

Eh' senkst du Sohnesleiche,
Holmfried', in des Grabes Bann,
Eh' die Lichter du zündest
Vor den Ebbitöchtern an.«

Vor die Thür der Kirche stellte
Alsdann sich Signe hin:
»Wie nach den Iwarsöhnen
Voll Sehnsucht doch ich bin!«

Die Messe war zu Ende,
Das Volk, es strömte heraus,
Die Schwestern hielten Wache
Wohl vor dem Gotteshaus.

Da kam der jüngste Bruder
Und trat getrost hervor,
Wo die Ebbitöchter harrten
Draußen vorm Kirchenthor.

Signe packt' ihn am Gürtel,
Ingigerde bei den Haaren:
»So rächen wir euer Bubenstück,
Des Opfer jüngst wir waren!«

»Gnade, Ihr Ebbitöchter!
Leiht meinem Fleh'n das Ohr!
Nimmer bat ich Bauerntöchter
Je darum zuvor!«

»So woll'n wir euch Iwarsöhnen
Gnade heute gewähren,
Wie Ihr uns Ebbitöchter
Gehalten habt in Ehren!«

Sie fragten nicht nach den Rechten
Der Reichen: nimmer träg',
Hieben sie ab das Haupt ihm
Auf dem Kirchensteg.

Da kam ein kleiner Bursche
Gegangen in die Halle,
Laut rufend: »Nun weiß mehr ich,
Als Ihr hier wisset alle.

Hier sitzet Ihr, Herr Peter,
Und trinket Met und Wein,
Und die Ebbitöchter erschlagen
Draußen den Bruder dein!«

Auf stand da Herr Peter,
Es wurde das Herz ihm schwer,
Und seinen goldenen Becher,
Den ergriff dann er.

»Steh' auf, Katrin, meine Schwester,
Zu Mariä Ehren schenk' ein!
Gott Vater im Himmel weiß es,
Ob ich je hier wieder trink' Wein!«

Also kam dann Herr Peter,
Getrost trat er hervor,
Wo die Ebbitöchter harrten
Draußen vorm Kirchenthor.

Signe packt' ihn am Gürtel,
Ingigerd an den Haaren:
»So rächen wir euer Bubenstück,
Des Opfer jüngst wir waren!«

»Gnade, Ihr Ebbitöchter!
Leiht meinem Flehn das Ohr!
Nimmer bat ich Bauerntöchter
Je darum zuvor!«

»So wollen wir euch Iwarsöhnen
Gnade heute gewähren,
Wie Ihr uns Ebbitöchter
Gehalten habt in Ehren!«

Sie fragten nicht nach den Rechten
Der Reichen: nimmer träg',
Hieben sie ab das Haupt ihm
Auf dem Kirchensteg.

Heim kehrten die Ebbitöchter
Wohl mit der blutigen Wehr
Und kündeten dem Vater
Ihrer Thaten Mähr.

Herr Iwar ließ seine Söhne
Legen in das Grab,
Herr Ebbi seine Töchter
In das Kloster gab.

Herr Ebbi, der klagte,
Als dieses nun geschehn:
»Wer niemals Kinder hatte,
Selig preis' ich den!«


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