Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Um halb neun Uhr läutete Warberg an der Flurglocke des kleinen Häuschens, in dem Binse mit Mutter und Schwester wohnte. Sie kam selbst hinunter und öffnete.

»Wir gehen gleich zu mir oben«, sagte sie in flüsterndem Tone. »Die drinnen sind muffig« (sie deutete auf die Tür zur Wohnung der Mutter). »Warum kommst du so spät?«

»Ach, da war ein Mädel ...«

Sie gingen die Treppe zur Mansarde hinauf, wo Binse ihr Zimmer hatte.

»Herr Gunnar Warberg – Frau Kröyer – Herr Magnus ...« Warberg nahm die beiden Gäste in Augenschein. Am meisten interessierte ihn Herr Magnus, »mein Nachfolger«. Es war ein großer, kräftiger, junger, etwa fünfundzwanzigjähriger Mann, von herrlichem Wuchs. Aber sein Gesicht war nicht ansprechend: ein breiter brutaler Mund und hellblaue hervorquellende Augen. Es fiel Gunnar auf, daß eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und Binse bestand. Ob das nur an dem Mund oder an dem blauschwarzen krausen Haar lag, konnte er im Augenblick nicht sagen, vielleicht lag es hauptsächlich an diesem etwas gierigen Ausdruck in den Augen.

Frau Kröyer war eine mittelgroße wohlgenährte Dame mit blondem Kraushaar und einem netten Puppengesicht. Aber ihre Wangen waren zu groß, Warberg konnte sich nicht entsinnen, jemals solche Areale von Fleisch in einem Gesicht gesehen zu haben.

Na, weshalb dieses Kapitel noch länger ausdehnen!

Diese vier Menschen verbrachten also den Abend miteinander und fühlten sich äußerst mollig beim Plaudern und Trinken, bei Gesang und Musik, Knackmandeln und kandisierten Birnen. Die Beine des Jockeis sowie seine übrigen Qualifikationen schienen im Verlaufe des Abends immer mehr Eindruck auf Binse zu machen, so daß sie schließlich Gunnar gegenüber viel Würde entwickelte – – ungefähr wie wenn man im Whist mit dem Trumpfaß in der Hinterhand sitzt.

Und Warberg seinerseits bot Frau Kröyer den Arm und begleitete sie nach Hause. Und als sie in dem dunklen Torwege des Hauses in der Spaldergade, in dem sie wohnte, voneinander Abschied nahmen, küßte er sie zärtlich auf beide Areale ...

Hurila, hurila, hei!

 


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