Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Gunnar ließ die Hand, die das Manuskript hielt, auf die Chaiselongue sinken. Dann stand er auf, stopfte sich eine frische Pfeife und trank den Rest seines Kaffees.

Sehen wir uns die Sache mal ruhig an, dachte er und setzte sich zurecht, mit dem Rücken gegen das Klavier. Er lehnte den Nacken gegen die Holzverkleidung des Instrumentes und hatte das Gefühl, daß sein Kopf kalt und klar würde. Und dann dachte er:

Wirst du nun zunächst einmal Binse vor die Tür setzen, wenn sie Freitag kommt? ... Nein. Und warum nicht? Weil du sie nicht liebst, weil deine sogenannte Seele, das vorläufig Mystische im Menschen, sich durchaus nicht von ihr behext fühlt. Du kannst sehr deutlich erkennen, was dich an sie fesselt. Es ist ihr Körper. Und da du infolge deiner etwas verpfuschten Natur ein Weib haben mußt, um deine Begierde zu stillen, so tust du am klügsten, dein Verhältnis zu Binse bestehen zu lassen, bis du eine andere findest, die dich sowohl körperlich wie seelisch behexen kann. Und du betrügst sie ja nicht. Bei eurer letzten »Abrechnung« ist ihr die Situation völlig klar gemacht worden. Sie ist zufrieden mit dir, wie du bist ... Punktum!

Das wäre das!

Sehen wir uns nun einmal ihre »Ähnlichkeit« an ...

Wahrlich, eine vortreffliche Novelle! ... Bloß Schwindel von Anfang bis Ende, was ihre Motive anbelangt! ... Wenn ein Weibsbild den Mund auftut, mag es ihr oft schwer genug fallen, sich an die Wahrheit zu halten. Aber wenn sie anfängt zu schreiben, besonders »Literatur«, welcher Himalaja von Lügen!

... Und der winzig kleine Henrik Aage Nielsen ist wohl nicht ganz so kindlich, wie sie anzunehmen schien. Na, aber das geht mich nichts an. Sie schwärmt nun einmal, infolge ihres vorgeschrittenen Alters, für das Kindliche! ... Betrachten wir einmal diese famose »Ähnlichkeit«, die sie so grausam verführt hat, etwas genauer! Er ist groß, ich bin klein. Er ist blond, ich bin dunkel. Er ist bartlos, ich bin ein Staubwedel. Sie setzt sich in einen weichen, gepolsterten Lehrstuhl und spricht stets von »diesem Stuhl« und »diesem Stuhl« – ich habe nie einen weichen, gepolsterten Lehnstuhl besessen. Und dann dieser Wein, den sie stets bei mir zu trinken pflegt – – ich habe keine Ahnung, was Meneser für eine Flüssigkeit ist. Und dann sind es »die kindliche, treuherzige Stimme«, und die »Kinderaugen«, und dieses »Schluchzen wie ein krankes, hilfloses Kind« – ha, das können wir wirklich alle miteinander leisten, wenn das den Ausschlag geben soll!

Warberg erhob sich von der Chaiselongue und stellte seine Pfeife in eine Ecke.

»Uff«, sagte er – »wie so ein Frauenzimmer einen armen Kerl von Mann demoralisieren kann!«

Aber dann lächelte er überlegen und schwenkte die Hand, als ob er Audienz erteile:

»Na aber, es soll mir eine Freude sein, diesem Auge zu begegnen. Keine Spur von Groll oder Eifersucht! Im Gegenteil: Guten Tag, alter Freund, wollen wir einen Becher zusammen leeren, wir zwei, was? – Wir zwei – wir zwei – Ajaxe!«

 


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