Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Sie hatten sich das erstemal drüben auf Fünen getroffen, wo Warberg Hauslehrer gewesen war. Er hatte einmal während der Sommerferien zu Besuch drüben geweilt, und sie war damals in phantastischen, aber besonders kleidsamen Toiletten im Schlosse herumgegangen als eine Art Gesellschaftsdame der Gräfin. Sie hatte das Baby und das unschuldsreine Weib gespielt, das eine Kuh nicht von einem Stier unterscheiden kann.

Anfangs hatte sie auf Gunnar gewirkt wie ein Vomitiv. Alles an ihr war Unnatur. Ausgenommen der Körper. Aber ihn wußte sie auch aufs kundigste zur Schau zu stellen.

Wenn sie dramatisch an einen Fensterrahmen gelehnt stand, in ihrem hyazinthenblauen weichen Wollenkleide, das in zärtlichen Falten an ihren runden Hüften hinabfiel, den Arm um den Nacken gelegt, während die feine Rundung des Busens sich von den Fensterscheiben abzeichnete – dann war sie schön wie ein altes Gemälde, wie eine heilige Cäcilie, deren lockiges Haar gleich einem Glorienschein das Haupt umrahmt.

Und Gunnars Sinne wurden entfacht von dieser Cäcilie! Berauscht! Wenn sie durch das Zimmer ging und er ihre Glieder sich unter dem Kleide bewegen sah, dann verspürte er Lust, sie in seine Arme zu nehmen, aufzuheben und fortzutragen, um diesen Körper zu genießen – zu genießen – und mit den Füßen fortzustoßen!

Er verhöhnte sich selbst, weil er sich von diesem Fleisch beherrschen ließ. Denn sie konnte kein Wort sprechen, keine Bemerkung machen, ohne daß es in ihm flüsterte: Wie sie sich ziert!

Und doch suchte er ihre Gesellschaft. Sie machten lange Spaziergänge in den Wäldern umher und am Fjord entlang und führten tiefsinnige Gespräche über die Existenz Gottes und die Preßfreiheit, über französisches Schuhzeug und die Theaterzensur. Schon damals schrieb sie »Proverbes«, die sie ihm in einsamen Grotten und auf umgestürzten Elsenstümpfen vorlas, und er sagte, daß sie ein eminentes Talent und der Zensor ein Idiot sei.

Aber niemals wurde ihm erlaubt, auch nur ihre großen weißen Hände zu küssen.

Als die Ferien dann vorüber waren, reiste er nach Kopenhagen zurück.

Und nun folgte eine Korrespondenz, in der sie beide so geistreich und begabt zu sein suchten wie nur möglich. Man konnte geradezu die Maschinerie knacken hören, so strengten sie sich an. Aber sie gefielen sich selbst und einander dabei. Das heißt, Warberg lächelte wohl zuweilen über ihre Briefe; aber er war doch düpiert und entzückt.

Und er schrieb ihr und taufte sie Binse, Binse mit dem Rabengefieder, und nannte sie das schönste Weib auf Erden.

 


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