Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Dies geschah am Vormittag. Am Nachmittag kam Ämenäi-Petersen wieder. Er brachte diesmal zwei Briefe. Das Format war nicht besonders groß, aber der Inhalt ermangelte keineswegs des Interesses:

Amager, 16. Dezember 18 ...

Herrn cand. phil. G. Warberg.

Es tut mir leid, Sie hiermit davon benachrichtigen zu müssen, daß ich Sie in meiner Schule nicht mehr gebrauchen kann. Ich habe wohl nicht erst nötig, Ihnen den Grund zu erklären, da Ihnen die heutigen Tageszeitungen genügend Aufklärung geben werden. Das Renommee einer Schule duldet keinen solchen »Mitarbeiter«.

Da die Weihnachtsferien so nahe bevorstehen, bemühen Sie sich, bitte, nicht mehr hierheraus. Ihr Guthaben für den ganzen Monat Dezember werde ich Ihnen morgen per Postanweisung zugehen lassen.

Achtungsvoll
ergebenst

Niels Peter Bigum,
Schulvorsteher.

Warberg stand wie zur Bildsäule erstarrt mit dem Briefe in der Hand. »So«, sagte er, »so! Ja, dazu läßt sich ja nichts sagen! Dazu – läßt – sich – ja – nichts – sagen! Isch!« knurrte er und schleuderte das Schreiben auf den Fußboden. »Gesindel!«

Dann öffnete er den zweiten Brief:

Lieber Warberg!

Ich konnte es nicht verhindern. Sie wissen, in welchem Verhältnis ich zu Bigum stehe. Komme morgen nachmittag zu Ihnen, um mit Ihnen zu sprechen. Freundlichen Gruß von meiner Frau und

Ihrem ergebenen
Harald Möller.

Zwei documents humains, dachte Gunnar ruhig und bückte sich und hob Herrn Bigums Schreiben vom Boden auf. »Man muß sich an eine rein zoologische Auffassung der Verhältnisse gewöhnen: die großen Hechte fressen die kleinen, das ist das Ganze ... Aber wo zum Teufel soll ich nun was zu essen hernehmen? Diese dreißig – vierzig Kronen monatlich ... Na, die ersten paar Monate helf' ich mir schon durch. Und dann komme ich wohl eine Zeitlang ins Zuchthaus ... und dann ... Na, bleiben wir, vorläufig beim Zuchthaus stehen! Nach dem Zuchthaus le deluge! ... Armer Möller«, murmelte er dann halblaut, »nun hat er gar keinen, der ihm dem Leichenräuber gegenüber ein wenig das Rückgrat stärkt! ... Heilige Mutter Gottes, wie schlecht wird die Welt administriert!«

 


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