Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Man glaube nun ja nicht, daß Gunnars »Abrechnung« irgendeinen augenblicklichen Einfluß auf sein Verhältnis zu Binse gehabt hätte! Ach nein. Am Vorabend des Tages, an dem sie ihn besuchen wollte, schickte er ihr folgendes Gedicht:

Es gibt nur einen Gott – – und das bist du!

Wenn deiner weißen Arme Marmorfessel
in holden Linien meinen Hals umwindet,
da krümmt die Seele sich in tiefstem Weh
und jubelt wie ein Märtyrer im Sterben,
der seines Gottes köstlich Bild erblickt
durch eine blutrote Nebelwolke
von ihrem Glück,
von freuderfülltem Leid,
von stiller Wehmut tränenvollem Glücke!
Im Schreckensdämon auch erkenn' ich dich!

Dein Blick gleicht des Jasmines Blütenduft
in feuchter Julinacht, wenn leis gespenstisch
des Mondes gelbes Licht um Gärten schleicht ...
Der Kaiserkrone Tränen gleicht dein Blick:
Ein Born von Schmerzen unter Purpurfalten!

Ich könnt' erheben in die Wolken dich
und wälzen mich im Staube dir zu Füßen!
Ich könnte teuflisch dich zu Tode quälen,
in deinem Blut mit Wollust dann mich baden.
Ich könnte streichen mit bleischwerer Hand
herab an deinem stolzen Götterleibe,
daß Spuren meine Finger hinterließen.

Dein Traubenblut hat trunken mich gemacht,
ich rief nach dir mit unbekannten Namen:
Du kommst, du Engel, Dämon, Kind und Fraue,
Du kommst, und tausend Harfen werden laut!
Ich trag' dich schnell zum schroffen Klippenrand,
wo tief im Schlund Vergessenswogen rinnen,
dort stürz' ich dich hinab. Ein Lied ich singe,
ein wild-wahnsinnig-jubelndes,
betörendes, schluchzendes Liebeslied,
das stillet alle Sehnsucht, alle Sorgen!

ch stürze jauchzend mich hinab zu dir.
Vergessenswogen bald den Ort bedecken,
wo Grauen lauert hinter Glück verborgen!

Gott oder Dämon, ich gehöre dir!

Natürlich mußte so etwas eine Fernanda Möller in Ekstase versetzen. Und sie kam denn auch siegesberauscht in die Villa hinausgehüpft, jung, schön und lächelnd wie nie zuvor.

»Du bist der beste Mensch von der Welt, Gunnar!« sagte sie. »Ach, mir war so bange, als wir neulich schieden!«

»Mein schönes Jungchen! wie ich dich liebe!«

Und sie schlang ihre prachtvollen Arme um seinen Hals und preßte ihre roten Lippen fest auf seinen Mund, seine Wangen, seine Augen ...

 


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