Louis Weinert-Wilton
Die weiße Spinne
Louis Weinert-Wilton

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22

Zum drittenmal innerhalb einer halben Stunde mußte der diensthabende Konstabler Captain Conway berichten, daß Sergeant Meals noch immer nicht eingetroffen sei, und der Kommissar begann offenbar bereits ungeduldig zu werden.

»Sagen Sie dem Sergeanten, sowie er kommt, daß er sich sofort bei mir zu melden hat«, herrschte er den Polizisten aus seinem dunklen Winkel an, und der Mann trachtete, nach einem hastigen »Sehr wohl, Sir«, so rasch wie möglich aus dem gefürchteten Zimmer Nummer 7 zu kommen.

Er stellte sich sofort an den Haupteingang und hätte an diesem Abend um nichts in der Welt an der Stelle von Meals sein mögen.

Er wartete noch keine fünf Minuten, als Sergeant Gibbs, »der Zauberlehrling von Dover«, wie ihn die bösen Zungen von Scotland Yard nannten, mit einem flüchtigen Gruß an ihm vorüberschritt. Er ging direkt auf das Zimmer Nummer 7 los, aber als er den Fuß auf die Schwelle setzte und anklopfen wollte, sprang die Tür plötzlich von selbst auf. Er trat ein und schloß sorgfältig hinter sich zu. Kaum hatte er jedoch einige Schritte in dem Lichtkegel getan, als die Tür von neuem aufflog. Gibbs kehrte nochmals um und machte sich eine Weile an dem Schloß zu schaffen.

»Der Riegelhalter ist etwas verbogen«, sagte er sachkundig und befremdet. »Wenn Sie einen Hammer hier haben, Captain, kann ich den Schaden gleich in Ordnung bringen.«

»Rühren Sie nicht daran«, klang es aus dem Dunkel hinter dem Schreibtisch hervor. »Ich weiß davon. – Also legen Sie los. Rücken Sie näher heran, und sprechen Sie möglichst leise. Was ist mit Strongbridge?«

»Nicht aufzufinden, Captain«, erwiderte Gibbs halblaut, indem er verzweifelt mit den Achseln zuckte. »Gemeldet ist er in Brompton, aber der Hausverwalter gibt an, daß er bereits seit einem Jahr auf dem Kontinent weilt. Zumeist in Paris und Nizza. Und daß er nur von Zeit zu Zeit auf einige Tage nach London kommt. Zuletzt soll er vor etwa acht Wochen hiergewesen sein. Mittelgroß, dunkles meliertes Haar, ebensolchen Schnurrbart, gesundes rotes Gesicht – Sie wissen ja, was man mit solchen Personenbeschreibungen anfangen kann.«

»Also keine Ähnlichkeit mit dem Mann, der Sie so hübsch auf den Rücken gelegt hat?«

Der Sergeant bekam einen sehr roten Kopf und kaute wütend an seinem Schnurrbart.

»Sie haben ja recht, Captain, daß Sie mir diese verdammte Sache immer wieder unter die Nase reiben«, knurrte er mißmutig, »denn wenn ich damals meine fünf Sinne beisammen gehabt hätte, wären wir mit der Geschichte wahrscheinlich schon zu Ende. Und wenn Sie mich wegen der Ähnlichkeit zwischen diesem Schurken und Strongbridge befragen, so weiß ich darauf auch keine Antwort.«

»Macht nichts, Gibbs«, tröstete ihn die Stimme des Kommissars. »Wir werden schon weiterkommen. – Was haben Sie über Lucy Rowe erfahren?«

»So wenig wie über Strongbridge«, gestand der Sergeant kleinlaut. »Seitdem sie eines Abends den ›Grünen Hecht‹ plötzlich verlassen hat, ist sie wie vom Erdboden verschwunden. Niemand hat sie wiedergesehen, und sie hat auch nichts von sich hören lassen. In der letzten Zeit vor ihrem Verschwinden soll in der Bar ein Mann aufgetaucht sein, der sehr hinter ihr her war und ihr das Blaue vom Himmel versprach. Vielleicht ist sie mit ihm irgendwohin ins Ausland gegangen, aber ihre Bekannten meinen, daß sie in diesem Falle wenigstens ein Lebenszeichen von sich gegeben hätte. Natürlich wurde allerlei geredet, aber vor einigen Tagen ist plötzlich die ›tätowierte Mag‹ in dem Lokal erschienen und hat ganz aufgeregt berichtet, daß sie Lucy Rowe in einer Loge des Central-Theaters gesehen habe. Sie soll ausgesehen haben wie das Auslagefenster eines Juwelierladens. Aber man glaubt, daß das eine Aufschneiderei von Mag war, um sich wichtig zu machen.«

»Nein, stimmt«, sagte der Kommissar gelassen. – »Nun wäre also noch der italienische Wagen. Haben Sie die Nummer nachgesehen?«

Gibbs nickte. »Die Nummer, die Sie mir angegeben haben, ist natürlich nicht darunter. Die gibt es überhaupt nicht. Dafür aber laufen in London vierunddreißig solcher neuer italienischer Wagen. Bevor ich da durchkomme, wird es eine Weile dauern. Bisher weiß ich nur, daß an dem Abend, um den es sich handelt, und um die gewisse Stunde sieben davon zufällig gesehen wurden. Einer von ihnen hat bei der Holloway-Station fast eine Frau überfahren. Der Wagen bremste zwar im letzten Augenblick, und es ist nichts geschehen, aber der diensthabende Schutzmann hat doch Meldung erstattet. Nur die Nummer konnte er nicht angeben, da sie angeblich umgeklappt war. Er hat jedoch den Wagen sehr genau beschrieben.«

»Holloway – das ist bereits die äußerste Peripherie?«

»Jawohl, Captain. Es geht dort weiter zur Strecke der Nordbahn.«

Kommissar Conway erwiderte nichts, und Gibbs starrte mißvergnügt vor sich hin. Er hatte von der Londoner Mission nachgerade genug, denn sie brachte ihm Aufträge, bei denen seine Findigkeit völlig versagte. Und seinem Chef schien es nicht viel besser zu gehen.

Der Unsichtbare selbst war allerdings weit zufriedener und zuversichtlicher. Er beschäftigte sich in seinem dunklen Winkel mit den spärlichen Nachrichten, die ihm sein Gehilfe eben gebracht hatte, denn sie sagten ihm weit mehr, als der Sergeant ahnen konnte. Es hätte alle seine Kombinationen umgestoßen, wenn jener mit einem positiven Bericht über Strongbridge gekommen wäre und wenn er ihm eine weniger romantische Geschichte von Lucy Rowe aufgetischt hätte. Der Kommissar gab etwas auf seinen Instinkt und war überzeugt, daß er ihn auch diesmal nicht irreführte. Zwar der Zusammenhang fehlte ihm noch, aber den würde er schon auch noch finden, wie er in den letzten Tagen durch seine Beobachtungen und durch glückliche Zufälle Faden um Faden des Netzes aufgespürt hatte, in dem die gefährliche weiße Spinne saß.

Noch war er zwar seiner Sache nicht sicher genug, um den entscheidenden Schlag führen zu können, aber er besaß außer Kaltblütigkeit und Tatkraft auch die unschätzbare Tugend unerschütterlicher Geduld. Sie wurde ihm allerdings von Scotland Yard recht schwergemacht. Mit jedem Tag, den der Eindringling aus Dover unsichtbar, geheimnisvoll und scheinbar untätig im Zimmer Nummer 7 verbrachte, wurde der neidvolle Hohn immer lauter, und er hatte sich sogar bereits bis an den Chef herangewagt. Aber Sir James kannte seinen Mann und hatte eine höchst unangenehme Art, böse Zungen verstummen zu machen.

Conway lächelte, als er an die schadenfrohe Ungeduld seiner Kollegen dachte. Es war möglich, daß die Ereignisse nun einander Schlag auf Schlag folgten, aber es konnten auch noch Wochen vergehen, bis es soweit war. Das hing ganz davon ab, wie die weiße Spinne darauf reagierte, daß er sie immer mehr in die Enge trieb.

Eben war wieder die Tür lautlos und ganz von selbst aufgegangen und hatte sich in ihren Angeln bis an die Zimmerwand geschwungen.

Gibbs erhob sich hastig, aber ein kurzer gedämpfter Laut vom Schreibtisch her ließ ihn befremdet innehalten.

Es verstrichen einige Sekunden, dann wurden im Gang hastige Schritte hörbar, und in der offenen Tür erschien Meals mit rotem Gesicht und strahlenden Augen, die lebhaft in das grelle Licht blinzelten. Er blieb etwas betroffen stehen, als er das Zimmer offen fand.

»Kommen Sie herein, und drücken Sie die verdammte Tür ordentlich hinter sich zu. – Wo stecken Sie denn den ganzen Abend, zum Teufel? Wenn man Sie braucht, sind Sie nicht da, und dann jammern Sie einem vor, daß Sie Ihre Nachrichten nicht anbringen können.«

Das war ein schlimmer Anfang, und der Sergeant, der schon durch den diensthabenden Konstabler auf einen üblen Empfang vorbereitet worden war, bot ein jämmerliches Bild hilfloser Verlegenheit. Er ließ seine verängstigten Kinderaugen von Gibbs zu dem weißen Fleck hinter dem Schreibtisch schweifen und rieb seine Hände an dem abgetragenen Jackett, das genau wie die Hose etwas zu eng und zu kurz war.

»Ich habe recherchiert, Sir«, stotterte er entschuldigend. »Im Falle Irvine, und dann habe ich von Inspektor Green eine neue Sache bekommen.«

»Die Sache von Inspektor Green geht mich nichts an«, bekam er gereizt zur Antwort, »und Ihre Nachforschungen im Falle Irvine können mir gestohlen bleiben. Wenn man Ihnen glauben darf, sind Sie Tag und Nacht unterwegs, aber es kommt dabei nichts heraus.«

»O doch«, gab Meals etwas gekränkt und mit wichtiger Miene zurück. »Nur dauert es manchmal etwas länger. Aber heute weiß ich verschiedenes, was Sie vielleicht interessieren wird, Captain.«

»Schön, wir werden sehen. – Gibbs, Sie können gehen. Rufen Sie mich um die gewöhnliche Stunde unter der zweiten Nummer an.«

»Also, jetzt können Sie mich mit Ihren interessanten Dingen überraschen«, forderte der unsichtbare Kommissar Meals auf.

»Mrs. Irvine tritt jeden Abend im Central-Theater auf«, platzte der Sergeant wichtig heraus und heftete seine Augen wie hypnotisiert auf die weiße Hemdbrust, die aus dem Dunkel leuchtete. »Sie ist Sängerin. Und sie hat eine zweite Wohnung in der Berkeley Street. Hat sie Ihnen das bei ihrer heutigen Vernehmung gesagt?«

»Nein. Ich habe sie auch nicht danach gefragt«, kam es nach einer Weile gelassen zurück. »Und sie hätte mir wahrscheinlich auch keine Antwort darauf gegeben, denn Mrs. Irvine ist eine Frau, aus der schwer etwas herauszubekommen ist.«

Meals nickte lebhaft.

»Das habe ich mir gedacht. Sie ist sehr schlau, wie ich bei meinen Beobachtungen erfahren habe. Es hat mich viel Mühe gekostet, bevor ich herausbekommen habe, wo sie die Zeit zwischen fünf Uhr und Mitternacht zubringt.«

»Und was, glauben Sie, haben wir nun erreicht, da wir das wissen?« klang es nüchtern hinter dem Schreibtisch hervor.

Der Sergeant blickte etwas bestürzt und ratlos in das blendende Licht und wußte keine Antwort zu geben.

Der Kommissar schien auch keine zu erwarten, denn er sprach bereits weiter, und Meals atmete erleichtert auf, denn es klang weit freundlicher als bisher.

»Hören Sie einmal, Sie sind doch ein Mann, der seine Erfahrungen hat und der sich wahrscheinlich die Sache schon manchmal durch den Kopf gehen ließ: Welche Vermutungen haben Sie über die weiße Spinne und wie, glauben Sie, hängen die einzelnen Fälle von der Auffindung der Leiche Irvines bis zu dem Mord an Lewis und Dawson zusammen? – Es würde mich interessieren, Ihre Meinung darüber kennenzulernen, denn wenn Sie auch so tun, als ob Sie nicht bis drei zählen könnten, glaube ich doch, daß Sie ein heller Kopf sind. – Setzen Sie sich also, und kramen Sie aus. Vielleicht bringen Sie mich auf eine Idee, die mir etwas weiterhilft. Und es soll dann Ihr Schaden nicht sein. Sie haben ja Ehrgeiz, wie ich weiß, und wollen weiterkommen. Nun? Genieren Sie sich nicht. Ich werde Ihnen aufmerksam zuhören und Sie nicht unterbrechen.«

Meals erglühte über das ganze Gesicht, und man merkte ihm die Genugtuung an, die ihm dieser große Augenblick bereitete. Er hatte diese Gelegenheit lange ersehnt und sich öfter als einmal darauf vorbereitet, aber nun, da sie gekommen war, fühlte er sich so verwirrt und verlegen, daß er nicht wußte, wie er beginnen sollte.

»Sie werden mich wahrscheinlich auslachen, Captain«, begann er endlich schüchtern, »aber ich habe allerdings meine eigenen Ansichten über die Geschichte. – Ich denke mir nämlich, es könnte möglich sein« – er wurde noch leiser, und seine Augen richteten sich unsicher auf den weißen Fleck im Dunkeln – »daß Mr. Irvine überhaupt noch lebt . . .« Er brach ab und schien zu erwarten, daß irgendein Laut der Überraschung oder des Widerspruchs erfolgen werde, aber es blieb vollkommen still, und der Sergeant wurde dadurch noch verwirrter. »Natürlich habe ich keine Beweise dafür«, meinte er hastig, »aber manchmal kommen einem eben solche Einfälle, und man beschäftigt sich mit ihnen. Ich könnte mir dann auch manches erklären.«

»Nun, wie?« fragte die Stimme des Kommissars ungeduldig. »Lassen Sie doch nicht alles aus sich herauspumpen. Ihre Annahme ist nicht so ohne, und ich bin begierig, was Sie mir noch weiter zu sagen haben.«

Dieser Zuspruch ließ Meals wieder etwas sicherer und lebhafter werden.

»Also, es könnte so angefangen haben, daß Irvine dem Mann, der in Hampstead aufgefunden wurde, seine Kleider und sonstigen Habseligkeiten und vor allem auch die Spinne nur zu dem Zweck zugesteckt hat, damit er selbst aus dem Leben verschwinden konnte, ohne sich wirklich umbringen zu müssen. Er hatte allen Grund dazu, denn er war in jeder Beziehung vollständig fertig. Wie der Mann dann unter die Räder der Untergrundbahn gekommen ist, müßte erst aufgeklärt werden. Vielleicht war dies das erste Verbrechen von Richard Irvine. – Dann hat er, um sich wieder aufzuhelfen, zuerst den Raub in der London Joint Stock Bank und dann den Mord an Rubin verübt und auch hier die Spinnen hinterlassen. Vielleicht aus Aberglauben oder aus einem anderen verrückten Grund, wie man das ja bei solchen Leuten öfter erlebt. Ebenso steckte er die Spinne Lewis in die Hand, den er umbrachte, weil er einer von jenen war, die ihn am Spieltisch vollständig ausgeplündert hatten, und schließlich Dawson, der wahrscheinlich im Begriff war, ihn zu fassen. – Ich habe nämlich dem Inspektor meine Ansicht auch einmal auseinandersetzen dürfen«, gestand der Sergeant, »und er hat sie nicht so unmöglich gefunden.«

»Ich auch nicht«, sagte Captain Conway bedächtig. »Sie sind wirklich ein kluger Kopf, Meals, und ich bin Ihnen für den Fingerzeig, den Sie mir gegeben haben, sehr dankbar. Aber nun möchte ich von Ihnen noch eines wissen: Haben Sie schon einmal den Namen Strongbridge gehört?«

Der Sergeant hob lebhaft den Kopf und dachte eine Weile angestrengt nach.

»Strongbridge . . .? Ich erinnere mich nicht, aber es ist möglich. – Glauben Sie, daß er mit der Sache etwas zu tun hat?«

Der Kommissar bedurfte zu seiner Antwort ebenso langer Zeit wie sein Untergebener zu seiner Überlegung.

»Das kann ich Ihnen heute wirklich noch nicht sagen, mein Lieber«, meinte er dann freundlich. »Was ich weiß, ist nur, daß dieser ehrenwerte Gentleman an einem Morgen der nächsten drei Monate aufgeknüpft werden wird und daß ich mir unbedingt das Vergnügen machen werde, dabeizusein.«

Meals verstand zwar den sonderbaren Gedankengang seines Vorgesetzten nicht, aber er lächelte höflich, weil er sich sagte, daß das auf keinen Fall schaden könne.

»Soll ich nach dem Mann Nachforschungen anstellen?« fragte er dienstbeflissen.

»Vorläufig nicht«, lehnte der Unsichtbare ab. »Der Bursche läuft uns kaum davon, und ich werde Ihnen schon sagen, wenn es an der Zeit ist. Sie können mir dabei sicher bessere Dienste leisten als Gibbs, der ja den Londoner Boden nicht so genau kennt.«

Der Sergeant hätte sichtlich gerne noch etwas mehr erfahren, aber Captain Conway war nicht der Mann, dem man mit Fragen kommen durfte. Schließlich genügte es ihm, daß der Name Strongbridge gefallen war und daß er wußte, welch freundschaftliche Gefühle der Kommissar für diese geheimnisvolle Persönlichkeit hegte.

*

Noch lange, nachdem Meals das Zimmer verlassen hatte, schimmerte die tadellose Hemdbrust des Captains aus dem Dunkel hinter dem Schreibtisch hervor, und ihr Träger verhielt sich so regungslos, daß der weiße Fleck sich auch nicht um Haaresbreite verrückte.

Nur einmal verschwand er für wenige Sekunden, um aber sofort wieder an seinem Platz aufzutauchen.

Es ging bereits auf Mitternacht zu, und in dem Gang vor dem Zimmer Nummer 7, der zu einer Nebenpforte von Scotland Yard führte, herrschte lautlose Stille. Nur zuweilen waren von fernher eilige Schritte zu vernehmen, die sich jedoch immer bald wieder in der Ferne verloren.

Plötzlich sprang die Tür des Zimmers neuerlich aus dem Schloß, und während sie sich rasch und geräuschlos in den Angeln drehte, schwirrte vom Gang her pfeilschnell ein blinkender Gegenstand gegen den weißen Fleck im Hintergrund, und gleich darauf erfolgte ein dumpfer Aufschlag.

Inmitten der blendendweißen Hemdbrust steckte ein dunkler Schatten . . .

»Der könnte auch schon Ruhe geben«, knurrte der diensthabende Konstabler unwirsch, als plötzlich die Klingel von Zimmer Nummer 7 wieder einmal zu schrillen begann, aber er setzte sich doch eiligst in Trab, um den ungemütlichen Kommissar nicht warten zu lassen.

»Sehen Sie nach, ob Meals noch im Hause ist«, scholl es ihm an der offenen Tür kurz entgegen. »Ich möchte ihn noch einmal sprechen.«

Meals war noch im Hause und saß in seinem Dienstzimmer inmitten eines Berges von Büchern, die er herbeigeschleppt hatte, um seine Nachforschungen nach Strongbridge zu beginnen. Er sprang hastig auf und stürzte geschäftig ins Erdgeschoß. Die Tür von Nummer 7 stand noch immer offen, aber der Sergeant wunderte sich nun nicht mehr, sondern war nur neugierig, was wohl der Kommissar von ihm noch so Wichtiges haben wollte. Vielleicht hatte er sich die Sache mit Strongbridge anders überlegt und kam nun ausführlicher darauf zu sprechen.

»Es ist mir lieb, daß ich Sie noch erreicht habe«, empfing ihn Captain Conway sehr freundlich. »Ich wollte Sie nämlich etwas fragen.«

Der Sergeant harrte etwa zehn Schritte vom Schreibtisch entfernt mit Spannung dieser Frage, aber der Unsichtbare ließ sich damit wie immer Zeit.

Plötzlich fuhr Meals mit einem entsetzten Sprung zurück.

Der schwere Gegenstand, der in spitzem Winkel durch die Luft gekommen war, hatte sich bereits fingerbreit vor seinem Fuß in den Boden gebohrt, als er zu fluchtartiger Bewegung ansetzte.

Nun zitterte der Griff des breiten Messers in dem hellen Lichtkegel, und von dem blanken Stahl ging ein silbriges Flimmern aus.

»Können Sie mir vielleicht sagen, Meals, was das ist?« fragte die Stimme des Kommissars gemächlich, als ob es sich um eine ganz bedeutungslose Sache handelte.

Der Sergeant warf erst einen etwas verwunderten und ängstlichen Blick nach der leuchtenden Hemdbrust, hierauf sah er ratlos nach dem Messer, und dann bückte er sich langsam, um die Klinge aus dem Fußboden zu ziehen. Er mußte aber weit mehr Kraft aufwenden, als er geglaubt hatte, denn das Messer war gut einen Zoll tief in die Bretter gedrungen.

»Ein Wurfmesser«, sagte er etwas überrascht, nachdem er die Waffe von allen Seiten betrachtet hatte.

»Ein famoses Ding, wenn man damit umzugehen weiß. – Ich hätte wohl fast Ihren Fuß an den Boden genagelt. Nach meiner Schätzung dürfte ungefähr ein Fingerbreit gefehlt haben. – Das wäre ein Spaß gewesen, was?«

Meals schien das nicht zu finden, denn er lächelte zwar pflichtschuldigst, aber seine Miene verriet, daß ihm dabei nicht so recht wohl war.

»Hat das Messer etwas zu bedeuten?« forschte er mit schüchterner Neugier.

»Gewiß, mein Lieber. Ich glaube, es ist eine kleine Aufmerksamkeit unseres Strongbridge, für den Strick, den ich ihm zugedacht habe. – Aber so wahr ich Captain Conway bin, es wird dabei bleiben. – Und nun sehen Sie zu, Meals, daß Sie endlich nach Hause kommen. Sie haben sich heute etwas Ruhe redlich verdient, und ich glaube, Sie werden sie auch brauchen.«


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