von Stendhal - Henry Beyle
Über die Liebe
von Stendhal - Henry Beyle

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35. Von der Eifersucht bei den Frauen

Ich komme zu der Eifersucht bei den Frauen. Sie sind mißtrauisch, sie setzen viel mehr aufs Spiel als wir Männer, sie bringen der Liebe größere Opfer, sie haben weniger Zerstreuungen und vor allem weniger Mittel, die Handlungen ihres Geliebten auf die Wahrheit hin zu prüfen. Eine Frau fühlt sich durch die Eifersucht erniedrigt; sie glaubt sich im Verdachte, als ob sie einem Manne nachliefe; sie fürchtet, daß sie ihrem Geliebten zum Gespött werde und daß er sich gar über ihre zärtlichsten Äußerungen lustig mache. Sie muß auf Grausamkeit geraten, zumal sie ihre Nebenbuhlerin nicht mit gesetzlichen Mitteln umbringen kann.

Bei den Frauen ist die Eifersucht somit ein noch viel furchtbareres Leiden als bei Männern. Sie ist das Schlimmste, was das Menschenherz, ohne zu brechen, an ohnmächtiger Wut und Selbstverachtung zu ertragen vermag.

Ich kenne kein anderes Heilmittel für ein so grausames Leiden als den Tod dessen, der es verursacht hat, oder dessen, den es heimsucht. Aus der »Geschichte der Frau de la Pommeraie« in Diderots Jacques le Fataliste kann man sich ein Bild der französischen Eifersucht machen. LarochefoucauldWie man leicht ersehen kann, ohne daß ich es jedesmal besonders bemerke, sind auch einige andere Gedanken berühmten Schriftstellern entnommen. Ich suche eine Art Geschichte zu schreiben, in der Gedanken die Tatsachen sind. sagt in seinen »Maximen«: »Man schämt sich einzugestehen, daß man Eifersucht empfindet, und doch ist man stolz darauf, sie gefühlt zu haben und dieses Gefühls fähig zu sein.« Die armen Frauen wagen es nicht einmal einzugestehen, wenn sie diese grausame Pein erleiden, so sehr macht sie die Eifersucht lächerlich. Eine so schmerzhafte Wunde kann niemals gänzlich vernarben.

Wenn sich die kalte Vernunft mit einem Schatten von Aussicht auf Erfolg dem Feuer der Einbildungskraft aussetzen könnte, so würde ich den armen, von Eifersucht gequälten Frauen sagen: »Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen der Untreue der Männer und der euren. Bei euch ist diese Tat teils wirkliche Handlung, teils Symbol. Beim Manne bedeutet sie infolge unserer militärischen Erziehung gar nichts. Bei der Frau dagegen ist sie infolge des Schamgefühls das entscheidendste Zeichen der Ergebenheit. Für die Männer hat die schlechte Sitte sie gerade zur Notwendigkeit gemacht. Während der ganzen ersten Jugend veranlaßt uns das Beispiel der tonangebenden Kameraden, daß wir alle unsere Eitelkeit und den alleinigen Beweis unseres Wertes in der Zahl derartiger Erfolge sehen. Eure Erziehung läuft gerade auf das Gegenteil hinaus.«

Der Unterschied in der Untreue der beiden Geschlechter ist so wirklich und wahr, daß eine leidenschaftlich liebende Frau eine Untreue des Geliebten zu verzeihen vermag. Der Mann kann das unmöglich.

Das ist erfahrungsgemäß der Prüfstein der Liebe aus Leidenschaft und der Liebe aus Eitelkeit. Im Herzen einer Frau stirbt diese durch die Untreue des Geliebten, während sich jene verdoppelt.

Stolze Frauen verbergen ihre Eifersucht aus Hochmut. Sie verbringen lange Abende schweigsam und kalt mit dem Manne, den sie anbeten, dessen Verlust sie fürchten und in dessen Augen sie nicht mehr liebenswert zu sein glauben. Das muß eine der größten Qualen sein, und es ist die häufigste Ursache des Unglücks in der Liebe. Um solche unserer Achtung so würdige Frauen wieder zu heilen, muß der Mann einen seltsamen, aber wirkungsvollen Weg einschlagen, und vor allem darf er sich nicht anmerken lassen, daß er weiß, wie die Dinge stehen. Zum Beispiel muß er binnen vierundzwanzig Stunden eine große Reise mit ihr antreten.


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