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VIII.

Dolhonski beherrschte sowohl seine Braut als auch seine zukünftige Schwiegermutter ganz und gar; er hatte es durchgesetzt, daß sie persönlich bei Hanka erschienen und sie zur Trauung einluden. Er bewog sie dazu mit der Bemerkung, daß – sei es wie es wolle – man wenigstens den Schein des guten Einvernehmens mit den zukünftigen Nachbarn aus Jastrzemb wahren müsse, und er überzeugte sie besonders durch die Nachricht, die er aus hohen Kreisen mitbrachte, daß das Highlife mit Hankas Aufnahme einverstanden sei; einstweilen aber wollte man sie in der Kirche näher betrachten. – Nach ihrem Besuche, bei dem Mutter und Tochter sich unter Dolhonskis wachsamem Auge nicht nur korrekt, sondern auch außerordentlich freundlich benahmen, sagte auch Frau Krzycka zu, bei der Trauungsfeierlichkeit zu erscheinen.

Die Zeremonie fand in den ersten Tagen der Woche in der Liebfrauen-Kirche statt unter zahlreicher Beteiligung der Damen aus der Gesellschaft, in Gegenwart mehrerer hochbetitelter Klubkollegen Dolhonskis. Die Neugier, die Bäuerin-Millionärin und auch Dolhonski aus der Nähe zu betrachten, spielte wirklich eine große Rolle. Jene von Dolhonskis Bekannten, welche die Damen aus Gorek kannten, erzählten vorher, daß er ein zwar reiches, aber altes und komisches Mädchen heirate, deshalb wollten die guten Freunde einmal sehen, was für eine Miene er aufstecken würde, um ihn nachher hänseln zu können.

Aber in dieser Hinsicht harrte ihrer eine vollständige Enttäuschung. Dolhonski, zur rechten Seite von Graf Gil, zur linken von Gronski geleitet, schritt durch die Kirche so kühl und mit solch überlegenem Lächeln, als ob er eben Lust und auch ein Recht dazu hätte, die Kameraden zu verspotten. Die hohe, wenn auch magere Braut sah übrigens im langen Hochzeitsgewande gar nicht so übel aus. Zwar hatte sie viel Schminke und Puder im Gesicht, auch einen etwas zu langen Schleier, und ihr Zittern machte den Eindruck, als ob es absichtlich geschähe. Irgend etwas Komisches war jedoch an ihr nicht zu bemerken, und als sie vor dem Altar kniete, mußten die Damen und Herren sich gestehen, daß in ihrer weißen, schlanken Gestalt immerhin ein wenig Anmut erhalten sei.

Doch die Augen der Anwesenden wendeten sich hauptsächlich Hanka zu, die durch das Kirchenschiff Arm in Arm mit Krzycki wie eine helle Frühlingswolke vorüberschwebte. Den Klubfreunden schien es, als ob mit ihrem Eintritt die Kirche in hellerem Lichte strahle. Graf Gil, der in der Nähe sich befand, äußerte später in einem Salon, sie habe eine rosige Wärme verbreitet. Andere zollten diesem Ausspruch Beifall, und dem Witze einer Dame, daß man, um zu gefallen, nicht nur ein Weib, sondern auch ein Brutapparat sein müsse, wurde allgemein zugestimmt.

Inzwischen wurde Wladislaw um die zu erwartenden Millionen beneidet, und die allgemeine Aufmerksamkeit in der Kirche lenkte sich so sehr auf ihn und Hanka, daß darüber Frau Otocka und Marie fast übersehen wurden. In ersterer regte sich wegen Dolhonskis Heirat eine Art Mißbehagen, das sich ziemlich deutlich auf ihrem Gesicht ausprägte. Marie aber öffnete aus reiner Neugier zu sehr die Lippen, und ihre entblößten Ärmchen waren so mager und, wie es bei Backfischchen zu sein pflegt, so rot, daß sie allgemein bemitleidet wurde. Beide wurden von den anwesenden Damen auch kaum beachtet, zumal sich aller Blicke jetzt auf Krzycki richteten, dessen hohe Gestalt an einen Ulanen aus der Zeit des Warschauer Fürstentums erinnerte.

In dem Augenblick, als der Priester erschien, trat tiefe Stille ein, und die Zeremonie nahm ihren Anfang. Die Aufmerksamkeit aller richtete sich jetzt auf den Altar. Von weitem sah man den aus den Orangenblüten hervorfließenden Schleier der Braut und Dolhonskis schon ein wenig kahlen Scheitel, über den der Schimmer der in der Dämmerung flimmernden Kerzen huschte. Krzycki neigte sich zu Hanka und flüsterte: »Auch wir werden bald ….«, sie aber senkte die Augenlider zum Zeichen der Bejahung, und als sich hierauf ihre Augen begegneten, errötete sie sehr und hob ihr Spitzentüchlein an die Lippen. Dann ließ sie ihre Blicke über den Altar schweifen, wobei sie sich erinnerte, daß auch sie beide unlängst in der Heiligen Kreuz-Kapelle bei flimmerndem Kerzenlicht um das Glück ihres Lebens gebetet hatten. – Jawohl, bald werden auch sie dort niederknien, um einen Bund zu schließen, der nur durch den Tod wieder gelöst werden kann. – Bei diesem Gedanken wurde ihr Herz von einer wonnigen aber zugleich auch wehmutsvollen Unruhe erfüllt.

Unterdessen ertönte in der Stille die Stimme des Priesters: »Eduard, willst du die hier anwesende Kajetana zu deiner Gattin nehmen?« – und als Dolhonski dies entschieden bejahte, und nachher auch Kajetana lispelte, daß sie den hier gegenwärtigen Eduard wolle, verband man ihre Hände mit der Stola, und die Zeremonie ging rasch ihrem Ende entgegen, worauf der Hochzeitszug die Kirche verließ.

Das junge Paar wollte in zwei Stunden abreisen, doch vorher wartete ihrer im Hotel ein Mittagsmahl, zu dem von den Verwandten des jungen Eheherrn nur Frau Krzycka mit Wladislaw und Hanka, sowie die beiden Schwestern, – von seinen Freunden nur Gronski und Graf Gil als Brautführer geladen waren.

Das Mahl mit den unvermeidlichen Toasten dauerte nicht lange, worauf die Jungvermählten, nachdem sie sich umgekleidet hatten, sich zur Abfahrt rüsteten. Es entstand nun das übliche Hin- und Herlaufen, wie vor jeder Abreise, das Hinaustragen der Koffer, der Hutschachteln und der prächtigen Reiseutensilien Dolhonskis; letzterer hatte sowohl während des Essens als auch in diesen letzten Augenblicken so viel kaltes Blut bewahrt, daß alle englischen Lords ihn darum hätten beneiden können. Ohne die geringste Eile zu zeigen, unterhielt er sich mit den Damen, bedauerte, daß er bei Maries Konzert nicht zugegen sein könnte, der Frau Otocka erklärte er, daß er ihr zum großen Teil sein heutiges Glück verdanke, und hierauf empfahl er Gorek Krzyckis nachbarlicher Obhut, scherzte auch mit Gronski, dem er zuredete, bald in seine Fußtapfen zu treten.

Diese seine herrliche Ruhe stach merkwürdig ab von der Unruhe und Zerstreutheit der Braut: Eine halbe Stunde vor der Abreise und unmittelbar nach Anlegen des Reisekleides begann Frau Dolhonska ihre Mutter mit fragendem Blick anzuschauen, als ob sie von ihr etwas erwarte, das unterlassen oder vergessen worden, das aber keineswegs übersehen werden dürfte. Dies dauerte so lange, bis es die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, und als Frau Wlocka diese fragenden Blicke noch immer nicht zu verstehen schien, forderte schließlich Frau Kajetana ihre Mutter auf, sich mit ihr zu einem Gespräch unter vier Augen in ein benachbartes Zimmer zu begeben.

Zu den Ohren der Gäste kamen nun während der folgenden Viertelstunde furchtsame, wenn auch gedämpfte Aufschreie: »Ach!« und »Och!« herüber, und darauf betrat die Braut den Saal, indem sie die Augen mit den Händen verhüllte. Nach einiger Zeit ließ sie jedoch die Hände längs des Kleides hinabgleiten, und während sie Dolhonski mit einem Blicke ansah, mit dem die Antilope einen Löwen betrachtet, fragte sie mit kaum vernehmbarer, schüchterner Stimme:

»Ach, Eduard, ist es vielleicht schon Zeit?«

Gronski, Krzycki und Graf Gil bissen sich auf die Lippen, Dolhonski aber sah mit unerschütterlichem Gleichmut auf die Uhr und antwortete:

»Wir haben noch fünf Minuten Zeit.«


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