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X.

Pünktlich um vier Uhr erschien Wladislaw bei Fräulein Anney. Sie empfing ihn voll Rührung und reichte ihm zum Gruß beide Hände, die er abwechselnd an die Lippen und an die Stirn preßte.

Hierauf setzten sie sich zueinander und eine Zeitlang hörten sie nur den eigenen doppelten Herzschlag und das Ticken der auf dem Schreibtisch stehenden Uhr.

Sie schauten sich gegenseitig an, ohne ein Wort hervorzubringen. Ihr Leben sollte jetzt in den Strahlen eines neuen Morgenrotes erglühen, in Freude und Glückseligkeit erglänzen, aber vorläufig war beiden die Situation recht unbequem und um so ungemütlicher, je länger das Schweigen dauerte.

Krzycki fühlte das Peinliche eines längeren Schweigens, er ermannte sich also endlich und fing in abgerissenen Sätzen zu reden an, deren Laute ihm selbst fremd vorkamen:

»Seit dem heutigen Morgen hege ich ein wenig Hoffnung … und dennoch schlägt mein Herz, so daß ich kein Wort hervorbringen kann, bevor ich Atem schöpfte … Sie haben ja schon längst erraten, wie tief … wie aus ganzer Seele ich Sie liebe … Das wissen Sie schon längst – nicht wahr?«

Hier schnappte er von neuem nach Luft, atmete tief und fuhr fort:

»Heute in der Kirche habe ich mir folgendes gesagt: Wenn sie mich erhört, wenn sie mein fürs ganze Leben, meine Frau werden will … so gelobe ich zu Gott vor diesem Altare, daß ich sie lieben und ehren, ihr nie ein Leid zufügen und ihr so viel Glück geben will, als es nur immer in meiner Macht steht. – Ich schwöre, daß es wahr ist … nur von Ihnen hängt es jetzt ab, daß es so sei … von Ihrer Einwilligung, von Ihrem Glauben an mich …«

Nachdem er dies gesagt hatte, preßte er seine Lippen wieder auf Fräulein Armeys Hände in einem lang andauernden flehenden Kusse, und sie beugte sich über ihn, daß ihre Haare seine Stirn berührten, und erwiderte leise:

»Ich willige ein und glaube aus ganzer Seele! … aber das hängt nicht von mir allein ab.«

»Nur von Ihnen!« rief Krzycki.

Und in dem Glauben, Fräulein Anney hege seiner Mutter wegen Bedenken, sagte er mit leuchtenden Blicken und tiefbewegter Stimme:

»Meine Mutter wünscht vor allem mein Glück, und ich versichere, sie wird sich in meinem Dank für Sie mit mir vereinigen, für diese große, diese unverdiente Güte, für welche ich jetzt auf meinen Knien danke …«

Er wollte vor ihr niederfallen und ihre Füße umfassen, aber sie hielt ihn zurück und sprach mit fieberhafter Eile:

»Nein, nein! Knien Sie nicht … Sie müssen mich vorher anhören. Ich willige ein, aber ich muß etwas gestehen, von dem alles abhängt … Beruhigen Sie sich.«

Krzycki erhob sich, setzte sich neben sie und sagte mit unruhiger Verwunderung:

»Ich höre Sie, meine Teuerste …«

»Auch ich muß mich ein wenig beruhigen«, erwiderte Fräulein Anney.

Dann stand sie auf, trat ans Fenster und lehnte die Stirn an die Scheibe …. Eine Weile herrschte wieder Schweigen.

»Was kann es denn sein, – meine Gebieterin?« begann Krzycki wieder.

Fräulein Anney trat vom Fenster zurück. Ihr Gesicht hatte sich beruhigt, aber die Augen waren voll Tränen. Sie näherte sich dem Tische und setzte sich Wladislaw gegenüber.

»Bevor ich das sage, was jetzt gesagt werden muß – habe ich an Sie eine große Bitte … und wenn Sie mich wirklich … lieben … werden Sie mir dieselbe nicht abschlagen …«

»Wenn Sie sogar das Leben von mir verlangten, würde ich es Ihnen nicht weigern – ich gebe Ihnen mein Wort darauf!« rief Krzycki.

»Gut, geben Sie mir Ihr Wort … dann bin ich beruhigt.«

»Ich gebe es im voraus und schwöre bei unserem künftigen Glück, daß ich jeden Ihrer Wünsche erfüllen werde.«

»Gut«, wiederholte Fräulein Anney, »aber vorher bitte ich Sie dringend, sich durch das, was Sie mir vor einer Weile gesagt haben, nicht gebunden zu fühlen …«

»Daß ich mich nicht verpflichtet fühlte? Wieso? Das kann ja höchstens Sie nicht verpflichten …«

»Deshalb entbinde ich Sie eben von allen Verpflichtungen und tue so, als ob nichts gesagt wäre. Sie versprechen mir, nichts abzuschlagen, aber es ist noch nicht alles …«

»Noch nicht alles?«

»Nein. Es handelt sich auch darum, daß Sie auf das, was ich Ihnen mitteilen werde, mir keine Antwort erteilen – und daß Sie eine Woche lang nicht zu mir kommen und mich auch nicht zu sehen verlangen …«

»Aber, um Gottes willen, was ist denn das?« rief Krzycki. »Warum soll ich eine ganze martervolle Woche warten? Was heißt das?«

»Für mich wird es auch eine Marter sein«, erwiderte sie mit sanfter Stimme, »aber es muß – es muß sein! Sie müssen sich alles reiflich überlegen, alles zu entwirren suchen, und dann entscheiden und einen Entschluß fassen … und dazu ist eine Woche kaum ausreichend.«

Weil sie eine Erregung auf seinem Gesicht bemerkte, fügte sie schnell, wie erschrocken hinzu:

»Sie haben mir versprochen – haben mir das Wort gegeben! …«

Wladislaw strich mit der Hand übers Haar und begann mit der Handfläche die Stirn zu reiben:

»Ich gab mein Wort«, sagte er endlich, »wie Sie es verlangt haben – aber wozu?«

Und Fräulein Anney erblaßte plötzlich, ihre Lippen bebten, als wenn sie ein Wort aus der Brust herauszupressen suchte; erst nach einer Weile erwiderte sie:

»Weil ich früher nicht Anney hieß …«

»Sie hießen nicht Anney?«

»Ich … bin … Hanka Skibianka …«

Krzycki erhob sich, taumelte wie ein Trunkener und schaute sie mit irrem Blicke an.

Und sie fügte beinahe flüsternd hinzu:

»Junger Herr – das bin ich … diese aus der Mühle …«

Und Tränen rollten über ihr blasses Antlitz.

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