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V.

Während dieser Vorgänge begab sich Wladislaw trotz der frühen Stunde zu Frau Otocka. Beim Eintritt küßte er ihre beiden Hände so intensiv, daß Frau Otocka nicht im Zweifel über den Grund seines Kommens sein konnte.

»Ich wußte, daß es so sein würde – ich wußte es!« sprach sie freudig ergriffen.

Er aber erwiderte mit zitternder, sanfter Summe:

»Ich habe keine Woche nötig, um zu einem Entschluß zu gelangen – es wäre mir unmöglich, ohne sie zu leben.« »Ich wußte es!« wiederholte Frau Otocka noch einmal. »Hast du schon mit der Mutter darüber gesprochen?«

»Nein! Gestern lief ich wie besinnungslos in der Stadt umher, dann rannte ich zu Gronski, kehrte sehr spät ins Hotel zurück, und heute früh sagte man mir, daß die Mutter in der Kirche sei.«

Frau Otocka schaute bekümmert drein.

»Gestern«, sagte sie, »war deine Mutter sehr zornig, und Gott gebe, daß sie sich versöhnen läßt, denn davon hängt vieles ab.«

»Nicht alles«, erwiderte Wladislaw. »Zwar verehre ich meine Mutter ungemein, und Gott ist mein Zeuge, daß ich mich immer nach ihrem Willen zu richten wünsche. Doch auch dies hat seine Grenzen. Sobald es sich nicht nur um mein eigenes Glück, sondern auch um das Glück des mir teuersten Wesens auf der Welt handelt, muß ich alle anderen Rücksichten außer acht lassen. Ich dachte die ganze Nacht darüber nach. Ich hoffe, daß die Mutter einwilligen wird, weil ich ihrem Charakter und ihrer Liebe, die sie mir immer bewies, vertraue. Sollte es jedoch meinen Hoffnungen zuwider anders sein, so werde ich ihr sagen: dies ist mein Entschluß, den ich weder ändern kann noch will.«

»Möge nur dies nicht notwendig werden!« – sagte Frau Otocka, »weil es sich hierbei ja auch um Aninka handelt. Gestern haben wir, nachdem sie den Brief an dich geschrieben hatte und Gronski weggegangen war, bis spät in die Nacht hinein miteinander gesprochen. Sie war sehr aufgeregt und weinte, sagte aber: ›Wenn er zu mir zurückkehrt, aber nicht gutwillig und freudvoll, sondern nur, um sein Wort zu halten, dann gebe ich nie meine Einwilligung. Ich bin nicht stolz, ich beachtete auch nicht meine Eigenliebe, sondern schrieb ihm aufrichtig, wie es in meinem Herzen ausschaut – aber wenn es auch brechen müßte, würde ich nie die Seine werden, wenn er glaubt, er lasse sich zu mir herab ….‹«

»Teures, liebes Wesen«, unterbrach Krzycki.

Und Frau Otocka sprach weiter:

»Dann brach sie in Tränen aus und fügte noch hinzu, sie würde auch nie zugeben, die Ursache der Entzweiung zwischen Mutter und Sohn zu sein.«

»Nein, ich wiederhole nochmals, mein Entschluß kann nicht und wird nicht geändert werden. Hier steht mein ganzes Lebensglück auf dem Spiel, und wenn auch meine Mutter jetzt nicht genug guten Willen fände, wird sie ihn später sicher finden. Inzwischen werde ich alles aufbieten, daß meine künftige Frau in ihr ebenfalls eine liebende und für das Glück ihres Sohnes dankbare Mutter haben wird.«

»Kann ich das der Aninka wiederholen?«

»Eben deshalb bin ich hierher gekommen. Aber ich habe noch eine Bitte. Sie nahm mir das Wort ab, daß ich eine Woche lang nicht zu ihr zurückkehren sollte, und nur sie selbst kann mich von diesem Versprechen befreien. Das Einhalten dieser Frist wäre nur nutzlose Pein. Weder eine Woche noch ein Jahr würden an meinem Entschlüsse etwas ändern. Absolut gar nichts! Möchtest du ihr dies nicht sagen und sie zugleich auch in meinem Namen bitten, und zwar sehr herzlich bitten, sie möge mich von meinem Worte befreien?«

»Sehr gern, und ich denke, das soll mir nicht zu schwer fallen.«

»Ich danke von ganzem Herzen! Und jetzt laufe ich zur Mutter.«

Bevor er jedoch ging, kam Marie ins Zimmer hereingerannt und schaute durchdringend bald die Schwester, bald Wladislaw an. Selbstverständlich hatte sie niemand in das frühere Verhältnis zwischen Wladislaw und Hanka eingeweiht, aber sie wußte bereits, daß Fräulein Anney die ehemalige Hanka sei, sie wußte alles, was dann gefolgt war, und weil sie Fräulein Anney sehr lieb hatte, verging sie vor Unruhe und Neugier, wie die ganze Angelegenheit sich wohl gestalten werde. Sie war so lieblich mit diesem fragenden Blick und dem unruhigen Gesicht und nahm daher eine solch komische Miene an, daß Krzycki bei ihrem Anblicke trotz seiner Rührung in eine frohe Stimmung geriet.

Frau Otocka schwieg, da sie nicht wußte, ob er von seinen Herzensangelegenheiten in Maries Gegenwart zu sprechen wünsche. Auch Wladislaw unterbrach eine Zeitlang das Schweigen nicht, doch endlich nahte er sich der kleinen Cousine, drückte ihr die Hand und sprach mit Grabesstimme:

»Zu spät!«

»Wieso zu spät?« fragte sie erschrocken.

»Sie heiratet einen anderen.«

»Wer?«

»Fräulein … Kajetana.«

Und er platzte mit einem herzlichen Lachen heraus. Marie merkte sogleich, daß die Dinge nicht so schlimm stehen könnten wenn Krzycki scherzte; da sie aber Genaueres zu erfahren wünschte, fing sie mit dem Fuße zu stampfen an und gebärdete sich ganz wie ein Kind, das eigensinnig auf seinem Willen besteht.

»Aber wirklich! Wie steht es? Ich konnte heute nicht schlafen … Wie ist es denn nun eigentlich, wie?«

»In Wirklichkeit ist Freude und Hoffnung und Glück dort!« – erwiderte Krzycki, indem er mit der Hand nach der Richtung von Fräulein Anneys Wohnung zeigte.

Hierauf verabschiedete er sich mit einem Handkuß von seinen Cousinen und eilte davon.

Unterwegs wurde er bei dem Gedanken, daß der Augenblick der entscheidenden Unterredung mit der Mutter nun herannahe, ernster und sogar düster. Er fand sie im Hotel, wo sie ihn auf seinem eigenen Zimmer erwartete. Der Anblick des ruhigen und ungewöhnlich sanftmütigen mütterlichen Antlitzes flößte ihm momentane Zuversicht ein, allein gleichzeitig dachte er, daß sanftes Zureden, Bitten und vielleicht auch tränen schwerer zu ertragen sein würden als Zorn, und er fragte mit unsicherer Stimme:

»Haben Sie, liebe Mutter, ihren Brief gelesen?«

»Ich habe ihn gelesen«, entgegnete Frau Krzycka, »aber noch vorher erfuhr ich fast alles von Sophie, die Aninkas Bitten nachgab und mir nichts verheimlichte.«

»Gronski erzählte mir, daß Sie sehr böse auf Sophie seien?«

»So war es wirklich, aber das wird sich wieder ausgleichen, jetzt wünsche ich vor allem mit dir aufrichtig zu sprechen.«

Krzycki begann also zu erzählen, wie ihn die Nachricht im ersten Augenblicke blitzartig getroffen habe und wie er sich mit dem Gedanken, Hanka und Fräulein Anney seien ein und dieselbe Person, durchaus nicht vertraut machen konnte; er gestand sein Zaudern, seinen Zweifel und seinen Verdacht ein und was er für Schmerzen und Seelenkämpfe dabei empfunden habe. Und erst, als er aus ihrem Briefe die Überzeugung gewonnen habe, sein Schmerz sei nur aus Liebe zu ihr entstanden, und sein Kampf sei nur eine Auflehnung gegen sein eigenes Herz und gegen sein Glück, da wäre es mit seinem Schwanken zu Ende gewesen; ein wirkliches Glück könne er sich nicht anders vorstellen, als in der innigen Vereinigung mit diesem ihm teuersten Wesen, andernfalls müsse er überhaupt verzichten.

Dann erzählte er weiter, daß von dem Augenblicke an, als er sie zum erstenmal in Jastrzemb sah, er durch eine unerklärliche Gewalt sich zu ihr hingezogen fühlte, die sein ganzes Denken in Anspruch nahm. Er achte Sophie Otocka zwar ungemein und Marie betrachte er als ein lichtumflossenes Wesen, aber diese Empfindungen seien sehr verschieden von Liebe; dabei habe er weder gegen Sophie noch gegen Marie irgendwelche Verpflichtungen. Sie wären während seiner Verwundung zwar sorgsam gegen ihn gewesen, das sei aber auch alles. Fräulein Anney dagegen verdanke er wahrscheinlich sein Leben, und womit könne er sich dafür dankbar erweisen, wodurch das früher ihr zugefügte Unrecht wieder gutmachen? Wer sei mehr wert, er, der alles vergessen und leichtsinnig in den Tag hineingelebt habe, oder sie, der kein neues Gefühl die Trennung ausfüllen konnte, und die ihren Geist und ihr Herz in Leiden, Sehnsucht und Arbeit veredelt habe?

»Kaum wage ich, liebe Mutter, daran zu glauben«, sprach er weiter, »daß sie mir nicht nur das ihr zugefügte Unrecht vergeben, sondern auch mich nicht zu lieben aufgehört hat. Vielleicht deshalb, weil ich es war, der ihr zum erstenmal die Pforten der Liebeswelt geöffnet habe, aber zweifelsohne auch aus dem Grunde, weil sie eine ganz außergewöhnliche Natur ist. Jawohl, Mutter! eine von denen, die selbst im primitiven Zustande, selbst wenn sie noch nicht imstande sind, sich über etwas Rechenschaft abzulegen, doch schon jenen edlen Instinkt, jenes hohe Empfinden besitzen, daß die Liebe zwar alles veredele, aber nur dann, wenn sie groß und nur eine einzige fürs ganze Leben ist – und die eine solche Kraft, eine solche Tiefe des Liebens haben, daß sie einer weiteren Liebe ganz unfähig sind. Wenn man aber ein solches Wesen findet, muß man Gott kniefällig dafür danken, und es wird mir wirr im Kopfe bei dem Gedanken, daß mich für mein Verschulden keine Strafe, sondern ein solches Glück trifft. Wohl möglich, daß es noch mehrere solcher Frauen gibt, die einen Menschen beglücken können, allein ich will mit dieser einen glücklich werden; vielleicht gibt es Frauen, die alles um sich veredeln und zu sich emporziehen, aber ich fühle, daß ich nur durch diese eine immer besser werden kann. Schließlich ist hier nicht nur mein Glück, sondern auch meine Ehre im Spiel …«

Hier faltete er die Hände, schaute ihr flehend in die Augen und sprach dann weiter:

»Dies alles vertraue ich jetzt Ihnen, liebe Mutter, an: mein ganzes Leben, meine ganze Zukunft, meine Gewissensruhe, mein Glück und meine Ehre.«

Frau Krzycka legte ihre Hände um seine Schläfe und küßte seine Stirn.

»Mein Wladek«, sagte sie, »ich bin eine alte Frau und hatte verschiedene Vorurteile, also kannst du dir denken, daß es mir vom ersten Augenblick an nicht leicht wurde, deinem Vorhaben zuzustimmen. Du weißt, daß ich gestern auf Sophie Otocka sehr böse war, und bis heute früh hatte ich die Absicht, mich, so viel es nur in meinen Kräften stände, deiner Verbindung mit Fräulein Anney zu widersetzen. Wundere dich nicht darüber, denn wenn du selbst zugibst, es habe auch dich wie ein Donnerfallag getroffen, so denke daran, wie es erst mir zumute sein mußte. Ich, wie gewöhnlich die Mütter, war im Herzensgrunde überzeugt, für dich wäre auch eine Königstochter eben gut genug. Aber nicht nur die alte Denkungsart, nicht nur die mütterliche Eitelkeit, nicht nur meine Vorurteile verstärkten meinen Widerstand; ich fürchtete auch für dein Glück. Ich hätte gegen Aninka, wären nicht alle diese Umstände zusammengetroffen, gar nichts einzuwenden, ich habe sie in Jastrzemb kennen gelernt und herzlich liebgewonnen; oftmals sagte ich: Gott gebe, alle unsere Mädchen wären ihr gleich. Als ich jedoch erfuhr, wer sie sei und was zwischen euch vorgefallen, erschrak ich zuerst und befürchtete, du habest dir in Jastrzemb weitere derartige Vergehen zuschulden kommen lassen! …«

..Nein, Mutter«, entgegnete Krzycki, »ich gebe mein Wort darauf!«

»Denn siehst du, ich war überzeugt, daß du vollständig keusch seiest; bedenke also, welcher Schlag es für mich war …« Wladislaw neigte sich zu ihren Händen, um sein Gesicht zu verbergen, denn trotz des Ernstes des Augenblickes, trotz seiner aufrichtigen Ergriffenheit und Unruhe erschien ihm der gute Glaube der Mutter als so etwas Sonderbares, daß er fürchtete, durch den Ausdruck seiner Verwunderung oder – was noch ärger wäre – durch sein Lächeln sich zu verraten. »Ach«, dachte er, »ein Glück, daß ich nur für Jastrzemb den Eid ablegen soll, denn der Mutter könnte ich doch nicht sagen, was ich neulich Gronski sagte, daß nämlich ein kluger Wolf nie in dem Dorfe stiehlt, in dem er sein Nest hat.« Gleichzeitig jedoch kam es ihm in den Sinn, man müsse wenigstens ein engelgleiches Wesen sein, um sich solchen Illusionen hingeben zu können – und seine Verehrung für die Mutter wuchs nur noch mehr.

Und sie sprach weiter:

»Zweitens habe ich auch die Welt und die Menschen, unter denen ihr leben müßt, in Erwägung gezogen. Ich weiß, daß so mancher wohl mit Worten dein Vorgehen loben wird, aber in Wirklichkeit wirst du tausend kleine Unannehmlichkeiten und Nadelstiche erdulden müssen, die dich so lange plagen und quälen werden, bis sie mit Leid und Bitterkeit auch dein Gefühl für die Frau vergällen; es war mir ja nur um dein Glück zu tun, das ich in meiner Verblendung vor allem für dich wünschte. Und heute früh erst ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen … Man sollte es zwar wissen, aber dennoch habe ich es mit wahrer Verwunderung und als etwas ganz Neues vernommen, daß das Glück durchaus nicht das wichtigste im Leben sei und dies nicht die größte Sorge einer Mutter für ihren Sohn sein dürfe … Vorher aber reinigte man mich von meinem Hochmut und empfahl mir, der Stimme des Gewissens zu folgen – deshalb kann ich dir, mein Wladek, von dieser Heirat nicht abraten.«

Als Wladek dies vernahm, neigte er seinen Kopf wieder zu den Händen der Mutter und bedeckte sie mit Küssen.

»Ach, Mutter? ach, teure Mutter!« wiederholte er, »wie bin ich glücklich!«

»Und auch ich«, erwiderte Frau Krzycka. »Noch vor kurzem befürchtete ich, deine Gefühle könnten nur oberflächlich sein und nur auf Phantasie und Illusionen beruhen, aber nach diesem unserem Gespräch sehe ich, daß du Aninka wirklich liebst.«

»Ja! – diese Liebe wurzelt sehr tief und kann nur mit meinem Leben endigen.«

»Ich glaube es, ich glaube es.«

Und bei diesen gegenseitigen Versicherungen sprachen beide zwar ganz aufrichtig aber gleichzeitig täuschten sie sich beide, denn Wladislaw hatte ein leicht zu entflammendes Temperament, lüsterne Sinne und ein weiches Herz, aber er lebte ausschließlich äußerlichen Einflüssen, und keines seiner Gefühle konnte aus großer Tiefe emporwachsen, weil er überhaupt keine tiefe Natur war.

Frau Krzycka jedoch, die an jedes seiner Worte wie an ein Evangelium glaubte, äußerte mit großer Zuversicht:

»So segne dich Gott, mein liebes Kind. Sprechen wir jetzt nur davon, was kommen wird. Ich weiß ja, daß, nachdem ich einmal eingewilligt habe, ich nicht halb, sondern von ganzem Herzen zustimmen muß; und so werde ich denn Aninka mit offenen Armen aufnehmen und ihr andeuten, daß sie diejenige ist, der wir zu Dank verpflichtet sind.«

»Ja! das ist sie auch!« erwiderte Krzycki mit Begeisterung.

»Gut, gut« entgegnete Frau Krzycka lächelnd. »Jetzt geziemt es sich, daß ich zu ihr gehe und ihr von mir aus danke. Ich glaube auch, sie wird dann ihre Bedingung, daß du dich eine Woche lang nicht zeigen solltest, zurücknehmen.«

»Auch Sophie will sich darum bemühen, aber selbstverständlich wird Ihr Wort wirksamer sein.«

»Wann möchtest du, daß ich gehe?«

Und Krzycki faltete wieder die Hände:

»Gleich, Mütterchen, gleich!«

»Willst du mich hier oder bei Sophie erwarten?«

»Hier, weil Sophie mit der Schwester möglicherweise bei der Probe ist. Zuweilen begleitet sie selbst Marie.«

Frau Krzycka erhob sich schwer vor ihrem Sessel, denn sie hatte wieder einen qualvollen Tag, und der Rheumatismus quälte sie immer mehr. Nachdem sie sich aber erhoben und die Füße gestreckt hatte, gab ihr der Gedanke, sie bemühe sich ja für ihren lieben Sohn, neue Kraft, und die Anstrengung wurde ihr dadurch erleichtert.

Während des Weges dachte sie an so manches, wovon bis jetzt zwischen ihr und dem Sohne nie die Rede gewesen war. Sie gehörte jener unter den Landedelfrauen nicht seltenen Art an, die bei der Sorge um das Wohl und das Vermögen ihrer Kinder es ganz gut verstehen, dem idealen Mantel, mit dem sie sich bekleiden, ein reelles Unterfutter zu geben. Seinerzeit lag die ganze Jastrzember Gutswirtschaft auf ihren Schultern, woraus eine Menge Sorgen entstanden die einen immerwährenden Kampf verursachten; darum beschäftigten sich auch jetzt ihre Gedanken mit der materiellen Seite dieser Angelegenheit.

Ich würde in diese Heirat willigen (dachte sie, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen), sogar wenn Aninka kein Vermögen hätte, aber ich bin doch begierig zu erfahren, wieviel sie eigentlich besitzen mag!

Dann begann sie mit der Hoffnung zu liebäugeln, daß Aninka vielleicht keine Millionen habe und für eine Engländerin nicht sehr reich sei, allein was in England als bescheidenes Vermögen gelte, sei in Polen schon ein großer Reichtum.

Unter solchen Betrachtungen langte sie bei Fräulein Anney an.

Der Besuch nahm den erwarteten Verlauf. Frau Krzycka war leutselig, dankbar und mütterlich, und in dem Augenblick, in dem sie ihres Sohnes Leben und Glück Fräulein Anneys, ihrer »teuren Tochter«, Händen übergab, war sie gerade so viel wie es sich eben schicht, pathetisch und auch herzlich, während Fräulein Anney, einfach und schlicht, sich in einer gewissen Behutsamkeit zeigte, trotzdem von der Vergangenheit gar nicht die Rede war. Frau Krzycka hatte sogar die Empfindung diese »Reserve« sei um eines Haares Breite zu weit geführt; sie begriff natürlich, daß es taktlos von Fräulein Anneys Seite gewesen wäre, zu viel Enthusiasmus zu zeigen, und daß sie vollkommen recht hatte, so zu handeln – aber dennoch war sie im Grunde des Herzens ein wenig enttäuscht, denn sie hegte die stille Überzeugung, eine Frau, die ihren Wladek bekomme und seinen Namen tragen werde, sei durchaus gerechtfertigt, auch wenn sie vor Freude fast toll würde.

Nachdem sie ins Hotel zurückgekehrt war gestand sie jedoch dem Sohne diese ihre Eindrücke nicht, sie überhäufte vielmehr »Aninka« mit Lobeserhebungen und sprach von ihr so warm und liebevoll, daß beiden, Mutter und Sohn, Tränen in die Augen traten. Wladislaw fragte vor allem, ob das »Tabu« aufgehoben und das Verbot widerrufen sei; als das bejaht war lag er, kaum eine Viertelstunde später, zu Hankas Füßen.

»Meine Geliebte, meine engelgleiche Gebieterin, mein Weib!« rief er, ihre Knie umfassend.


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