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II.

Die Damen langten am nächsten Tage gegen Mittag in Jastrzemb an und kurz nach ihnen auch Herr Dolhonski. Obwohl diese drei mit demselben Zuge angekommen waren, hatten sie sich nicht gesehen, denn Dolhonski hatte ein anderes Wagenabteil benutzt und auf dem Bahnhofe war er mit dem Gepäck so in Anspruch genommen, daß er kaum Zeit hatte, sich umzusehen, deshalb kam er auch in einem besonderen Wagen vorgefahren. Krzycki war bei der Ankunft der Gäste nicht zu Hause. Er allein hatte die gesamten Bestattungsangelegenheiten zu regeln, deshalb war er schon früh am Morgen nach Rzenslewo gefahren. Die Bestattung selbst war für die dritte Nachmittagsstunde angesetzt. Die Mutter des Herrn Wladislaw kam in die Kirche von Rzenslewo und mit ihr zugleich Frau Otocka, Fräulein Marie Zbyltowska und deren Freundin Fräulein Anney. Im zweiten Wagen saßen die Herren Gronski und Dolhonski und schließlich brachte der dritte Wagen die jüngsten Sprossen der Familie Krzycki, das elfjährige Ännchen und den um ein Jahr jüngeren Stanislaw, genannt Stas, zugleich die französische Bonne und den Hauslehrer Laskowicz. Frau Krzycka stellte den Damen ihren Sohn vor, doch dieser hatte kaum Zeit, die Angekommenen zu begrüßen, denn sogleich rief man ihn wieder fort; es waren noch die letzten Anordnungen für die Bestattung zu treffen.

Das Gedränge in der Kirche, auf dem Chore und um die Kirche war so groß, daß die angekommenen Damen kaum sich hindurchwinden konnten, obwohl man ihnen nach Möglichkeit Platz machte. Die Besitzer aus der Umgegend waren nur schwach vertreten, denn Zarnowski hatte keinen Verkehr unterhalten, zudem war in der nächsten Umgegend von Jastrzemb, Gorek und Wiatrakow kein Privatbesitz, dagegen hatte sich die gesamte Einwohnerschaft von Rzenslewo, Männer, Frauen und Kinder, eingefunden. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, der Verstorbene habe den Einwohnern seinen ganzen Besitz vermacht. Außerhalb des Kirchplatzes hatten sich Gruppen von Leuten gebildet, die sich laut unterhielten, und ihre Gesichter verrieten die Freude über die Nachricht von dem Vermächtnis.

Nach der Trauerandacht, die ziemlich lange andauerte, zeigten sich in der Haupttür das Kreuz und die Priester in ihren Chorröcken, hinter ihnen brachten die Leichenträger den Sarg zum Wagen. Doch die Männer des Ortes, in dem Glauben an die Erbschaft, nahmen den Sarg auf ihre Schultern und trugen ihn nach dem fast zwei Kilometer entfernten Kirchhof, wo sich die Gruft der Zarnowskis befand. Herr Gronski reichte Frau Krzycka den Arm, Herr Dolhonski führte Frau Otocka, während Herrn Wladislaw, der erst jetzt von allen Besorgungen frei war, das blondhaarige Fräulein Anney zufiel. Langsam bewegte sich der Trauerzug, der nun aus dem Schatten der mächtigen Kirchenlinden auf den Feldweg hinaustrat, von der Sonne voll beschienen. An der Spitze des Zuges war das Kreuz, dahinter die Geistlichkeit, hinter dieser der sehr hohe Sarg und dann die Verwandten, Gäste und schließlich die Dorfbevölkerung; die Männer in grauen Mänteln und die Frauen in gelben und roten Tüchern, deren grelle Farben sich stark von dem frischen Grün des Getreides abhoben. Hoch wehten die mitgeführten Kirchenfahnen, auf denen Totenköpfe und Heiligenbilder zu sehen waren. So näherte sich der Zug den hohen Pappeln, die den Friedhof beschatteten. Die Priester beteten und die Begleitung sang eine Litanei. Die Frühlingslüfte führten den polnischen Gesang und die lateinischen Gebete zugleich mit dem Geruch der fortwährend verlöschenden Kerzen und dem Weihrauch in höhere Luftschichten in der Richtung der Wälder fort.

Krzycki, der Fräulein Anney führte, merkte, daß die Hand des Fräuleins, die in seinem Arme lag, zitterte. Diesem Umstande maß er jedoch wenig Bedeutung bei, da er annahm, der Arm des Fräuleins wäre durch das Halten des Sonnenschirmes auf der Fahrt von Jastrzemb nach Rzenslewo ermüdet. Da er ferner erwog, daß ein Trauerbegängnis von den Pflichten der gesellschaftlichen Unterhaltung entbinde, ging er schweigend dahin, er war auch ermüdet und hungrig. Der Gedanke, daß er um den verstorbenen Onkel Zarnowski kein Leid empfinde, war ihm unlieb, er dachte an die Bestattung, die eben eingetroffenen Verwandten und an die gestrige Unterhaltung mit Gronski. Dann und wann blickte er auf die zu beiden Seiten des Weges liegenden Felder, wobei er als kundiger Landmann wahrnahm, daß die Feldfrüchte auf dem ertragreichen Grund und Boden von Rzenslewo vorzüglich gediehen. Nachdem er auch einige verstohlene Blicke auf seine Gesellschafterin geworfen hatte, kam ihm der Gedanke, daß er sich auch mit ihr etwas mehr befassen müsse. Die Nähe eines jungen und schönen Weibes begann auf ihn Eindruck zu machen. Nur eigentümlich schien es ihm, daß er trotz der kurzen Bekanntschaft auf dem Boden von Rzenslewo eine Engländerin führe, die Gott weiß woher ankam; jetzt wieder fühlte er die Wärme ihres Armes und ihrer Hand, auf der man die Eindrücke eines Handschuhes noch deutlich wahrnehmen konnte. Wohlgeformt war die Hand, aber nicht sehr klein, was er der englischen Sportelei zuschrieb, wie Tennis, Rudersport, Bogenschießen und ähnlichem. Unsere Polinnen, sagte er sich, schauen anders aus.

Bei den Betrachtungen über den englischen Sport schien es ihm, daß von dieser gewählt gekleideten Gestalt eine besondere Kraft ausströme, eine gewisse Nüchternheit und Gespanntheit. Seine Gesellschafterin interessierte ihn jetzt mehr. Weil er sie am Arme führte, konnte er nur ihr Profil sehen, das er immer mehr und mit wachsender Neugier betrachtete. Während sie ihm anfangs wie jedes andere vornehme Weib erschienen war, fing er jetzt folgendes Selbstgespräch an: »Sie ist besser gebaut und, offen gestanden, auch schöner als Frau Otocka, und der ›Dreikäsehoch‹, dessen Röcke nur bis an die Knöchel reichten und dessen Seele, wie Gronski sagte, in der Geige Wohnung genommen hat.« Doch war er nicht ganz im Rechten. Frau Otocka war eine schlanke Brünette mit dem Ausdruck einer Blondine; es lag Rasse in ihr, und der ›Dreikäsehoch‹ hatte ein wahres Engelsgesicht. Wäre nun zwischen beiden zu entscheiden gewesen, hätte Krzycki, sicherlich schon aus Opposition gegen die Pläne seiner Mutter, sich für Fräulein Anney entschieden.

Bald schien es ihm, daß auch Fräulein Anney verstohlen auf ihn blicke, weshalb er jetzt mehr auf sie achtete. Doch was er jetzt sah, versetzte ihn in großes Staunen: über die Wangen der jungen Engländerin rann eine Träne nach der anderen herab. Die Lippen waren eng geschlossen, als wollte sie auf diese Art und Weise ihre Erregung niederdrücken; die Hand in Krzyckis Arm zitterte immer noch.

Entweder ist das übertriebenes Empfinden oder Erregung, die nur bei englischen Nerven vorkommt. Warum, zum Kuckuck, sollte sie einem Menschen nachweinen, den sie im Leben nicht gekannt? Außer daß ihr die Beerdigung ihres Vaters oder eines nahen Verwandten in die Erinnerung kam.

Fräulein Anney sah durchaus nicht aus, als hätte sie überreizte Nerven. Doch ihre traurige Empfindung legte sich wieder, sie betrachtete das Trauergeleit, sie blickte auf die umliegenden Getreidefelder, als wollte sie alles dies ihrem Gedächtnis einprägen.

Man hätte ihr ein Wägelchen mitnehmen sollen, dachte Krzycki.

Kurz vor dem Friedhofe setzte ein stärkerer Wind ein, der über die Getreidefelder strich, sie in wellenartige Bewegungen versetzte, am Wege eine Menge Staub aufwirbelte und die brennenden Kerzen verlöschte, soweit sie nicht schon verlöscht waren. Er wehte den langen Schleier von Fräulein Anney um Krzyckis Hals.

Sie ließ jetzt seinen Arm los und während sie ihn von den Umwindungen des Schleiers befreite, sagte sie in polnischer Sprache, in der aber ein ausländischer Akzent durchklang:

»Verzeihen Sie. Dieser Wind …«

»Das macht nichts«, entgegnete Wladislaw. »Möchten Sie nicht lieber in den Wagen steigen, der Wind wird immer stärker.«

»Nein, ich danke, wir sind ja nicht mehr weit; aber ich werde allein gehen, da ich meinen Schleier halten und mein Kleid tragen muß.«

Während dieses kurzen Gespräches standen sie einige Augenblicke sich gegenüber. Trotz der kurzen Zeit hatte Krzycki neue Entdeckungen gemacht: sie war in der Tat schön, hatte eine zarte Hautfarbe bei hellem Haar, während ihre blauen Augen etwas Mildes, ja Himmlisches hatten; ohne sich sagen zu können, worin das bestand, fühlte er es.

Jetzt war man am Friedhofe angelangt. Ein kurzes Gebet wurde am Tore verrichtet, worauf der Zug zwischen die vom Winde bewegten Pappeln, die mit Kreuzen besetzten und mit Gras bewachsenen Grabhügel trat, unter denen die Bewohner von Rzenslewo ruhten.

Die Gruft der Familie Zarnowski war in der Mitte des Friedhofes, für die Aufnahme des neuen Familienmitgliedes war alles vorbereitet. In der vorderen Wand war ein Loch geschlagen, zu beiden Seiten standen Maurer in weißen Schürzen, daneben ein Zuber mit zubereitetem Zement und ein Stoß frischer Ziegeln.

Der Sarg wurde vor der Öffnung auf den Sand gestellt, worauf die Geistlichkeit mit den Trauergesängen begann. Bald waren die Stimmen hoch, bald tief, bald ertönten sie in lebhaftem, bald in schläfrigem Rhythmus und dazu rauschten die Pappeln, flatterten die Kirchenfahnen im Winde, ertönte das mechanische Murmeln von hergesagten Gebeten des Gefolges. Der Pfarrer von Rzenslewo hielt die Grabrede, doch weil er mit dem Verstorbenen nicht im besten Einvernehmen gelebt, beschränkte er sich mehr darauf, ihn der Gnade Gottes zu empfehlen.

In nächster Nähe der Geistlichkeit standen die Verwandten Zarnowskis, mit ernsten Mienen, geneigten Häuptern, aber die Gesichtszüge zeigten weder eine besondere Trauer, noch waren in den Augen Tränen zu sehen. Der aufmerksame Beobachter hätte viel eher eine Gleichgültigkeit, ja Langeweile herauslesen können. Auch der Sarg schien nur auf die Beendigung der Zeremonien zu warten, um bald in das Grabgewölbe hinabgelassen zu werden, für deren Finsternis er bestimmt schien.

Doch nach der Rede begannen wieder die Grabgesänge, die zeitweise unterbrochen wurden, und dann hörte man das Heulen des Windes in den Pappeln. Zum Beschluß der Feier erscholl eine hohe durchdringende Stimme: requiem aeternam … die plötzlich abbrach wie eine Rauchsäule, die vom Winde zerstört wird; gleichsam eine Erlösung schien es für die Harrenden, als die Worte fielen: Und das ewige Licht leuchte ihm. Amen!

Auf den Sarg warf man Sand zum Zeichen für die Vergänglichkeit alles Irdischen, der darauf in die Gruft gelassen, die wieder von den Maurern sofort geschlossen wurde. Ziegel auf Ziegel wurde in die Öffnung gelegt, mit Zement verbunden und die Fugen mit Kalk verstrichen; das war die Scheidewand, die Herrn Zarnowski für immer von Welt und Licht abschließen sollte. Die Dorfbewohner verließen langsam die Grabstätte. Zwei Damen aus dem benachbarten Gorek traten an Frau Krzycka heran: Frau Wlocka, eine alte pathetische Dame und deren nicht mehr junge Tochter. Beide fühlten sich veranlaßt, »einige Trostworte« zu sagen, auf die niemand wartete und die auch gar nicht nötig waren. Gronski unterhielt sich mit Wladislaw:

»Sieh'«, sagte er leise, indem er den Maurern zuschaute, »nur noch einige Ziegel und dann, wie Dante sagt: aeterna silenza. Man sieht keine Trauer, keine Träne, und seinetwegen wird sich niemand hierher bemühen … Mir wird es ebenso gehen, du aber bedenke, daß alle alten Junggesellen so begraben werden. Deine Mutter hat vollkommen recht, wenn sie auf deine Verheiratung drängt.«

»Gewiß«, sagte Krzycki, »der Verstorbene war ein alter Junggeselle und menschenscheu, aber das ist ja schließlich gleichgültig.«

»Nach dem Tode ja, doch bei Lebzeiten, wenn man daran denkt, dann ist es wohl nicht gleichgültig. Es mag dies unlogisch und dumm sein, einen Toten zu betrauern, doch einerlei, es ist einmal so.«

»Und woher kommt das?«

»Das kommt von dem unklugen Gedanken, sich selbst überleben zu wollen. Siehe hier, die Arbeit ist beendet, Zarnowski ist eingeschlossen. Gehen wir.«

An der Friedhofspforte hörte man das Rasseln der vorfahrenden Wagen. Alles strömte dem Ausgange zu. Voran gingen die Damen, dann die Geistlichkeit mit den Herren, während Herr Dolhonski, der sich mit der Engländerin unterhielt, langsam folgte.

Plötzlich fiel Krzycki etwas ein. Zu Gronski gewendet fragte er:

»Wie ist denn der Vorname von Fräulein Anney?«

»So lange wir noch auf dem Friedhofe sind, solltest du andere Gedanken haben; Agnes heißt sie.«

»Schöner Name.«

»In England trifft man ihn oft.«

»Ist sie auch reich?«

»Auch mit dieser Frage konntest du noch warten, aber wenn du es eilig hast, dann frage Dolhonski, er versteht sich auf solche Angelegenheiten besser.«

»Ich frage darum, weil ich ihn neben ihr sehe, wie er sich abmüht, Englisch zu sprechen.«

»Das ist nur Spiegelfechterei, er hält zu Frau Otocka.«

»So!?«

»Das ist eine alte Sache, aber ebenso zwecklos. Was der verstorbene Direktor Otocki seiner Frau hinterlassen hat, steht fest, weniger bekannt ist es aber, was Fräulein Anney besitzt.«

»Ich hoffe, daß mir mein schönes Cousinchen einen Korb erteilen wird.«

»Der nur deine schöne Sammlung vergrößern wird. Und wie denkst du über deine Cousinen?«

»Gewiß! … Frau Otocka … Gewiß. Beide haben, wie sich die Galizianer ausdrücken, ›etwas Nobles‹, Vornehmes an sich. Aber Fräulein Marie ist ja noch ein Kindchen.«

Gronski sah auf das vor ihm gehende schlanke Mädchen und sagte:

»Das ist noch ein Kindchen, das ebensogut in der Luft herumflattern könnte, wie es auf dem Erdboden einherschreitet.«

»So ein Luftschiff, wie?«

»Ich warne dich, dafür habe ich meine größte Bewunderung.«

»Ich hörte davon, es ist allgemein bekannt.«

»Nur weiß man nicht, daß diese Bewunderung nicht von roter, sondern blauer Farbe ist.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Wirst du sie näher kennen gelernt haben, dann wirst du mich auch verstehen.«

Krzycki, der sich weit mehr für Fräulein Anney interessierte, wollte das Gespräch auf diese lenken, doch sie waren eben am Tore angelangt, vor dem die Wagen warteten. Er half den Damen einsteigen, wobei er noch einmal Gelegenheit hatte, in die blauen Augen der Engländerin zu schauen. Beim Abfahren fragte ihn noch seine Mutter, ob er mit seinen Anordnungen bezüglich der Bestattung fertig sei und sogleich mit nach Jastrzemb zurückkehren werde.

»Nein«, sagte er. »Ich habe mit dem Herrn Pfarrer verabredet, die Geistlichen nach der Pfarrei zu bitten, ich muß sie dort empfangen. Ich werde sie dort begrüßen, etwas essen, dann aber meine anderen Gäste vorschützen und sobald wie möglich zurückkehren.«

Er machte den Damen seine Verbeugung, ließ seine Hand vom Wagenrand, an den er sich gelehnt hatte, herabfallen, sah nach den Pferden, ob das Geschirr in Ordnung sei und rief:

»Vorwärts!«

Die Wagen kehrten auf demselben Wege zurück, auf dem der Leichenzug gekommen war. Auch Herr Dolhonski war zurückgeblieben, da er als Verwandter des Verstorbenen sich ebenfalls verpflichtet fühlte, die Geistlichen nach der Bestattung zu einem Imbiß zu empfangen. Aber auch noch andere Beweggründe waren es, die ihn veranlaßt hatten, sich Krzycki anzuschließen.

Kaum waren sie in den Wagen gestiegen, so sah er sich unter den Männern um, die da und dort in Gruppen beieinander standen.

»Wo ist denn Herr Dzwonkowski?« fragte er.

»Mit den Geistlichen ist er schon voraus, doch abends ist er in Jastrzemb, er hat sich selbst zu Gaste bei mir geladen«, entgegnete Krzycki lächelnd.

»So? Dann wäre ich lieber mit den Damen zurückgefahren. Ich wollte von Dzwonkowski etwas über das Testament herausbekommen, ich glaubte, später würde es nicht möglich sein.«

»Nur Geduld. Dzwonkowski verriet mir, das Testament werde übermorgen eröffnet. Wir müssen zu diesem Zweck in seiner Kanzlei erscheinen.«

»Das war es, was ich wissen wollte, morgen oder übermorgen. Hat uns der Onkel leer ausgehen lassen, dann hatte Frau Otocka recht mit ihren Trostworten. Ich werde sie eine Zeitlang in Anspruch nehmen müssen.«

»Wie kannst du so etwas sagen!«

»Ich erzähle laut das, was ihr alle im stillen euch denkt. Ich habe es eilig mit dem Testament, und Dzwonkowski interessiert mich jetzt mehr als alle fünf Erdteile; ich habe wohl gesehen, daß er Papiere bei sich hatte.«

»Dann kannst du beruhigt sein. Dzwonkowski ist ein ausgesprochener Meloman, wie ich ihn größer nicht kenne; er verehrt Fräulein Marie Zbyltowska, die er in Bad Krynica kennen gelernt hat. Gronski erzählte mir, daß Dzwonkowski zu der Mondsonate, nach der Komposition von Benois, zur Geige eine Begleitung für Flöte gemacht und dem Fräulein nach Warschau geschickt hat. Er will heute sehen, wie dies gehen wird, deshalb hat er sich selbst nach Jastrzemb eingeladen und ganze Bündel von Noten mitgebracht. Ich versichere, daß er sich über nichts anderes wird sprechen lassen.«

»Dann soll der Teufel Dzwonkowskis Flöte, Fräulein Zbyltowskas Geige, euer Jastrzember Pianino und die Musik überhaupt holen!«

»Nur Vorsicht mit unserem Jastrzember Pianino, denn sollten wir heute abend ein Terzett hören, dann wird sicherlich Frau Otocka darauf begleiten.«

»Ich hoffe, daß das Instrument in derselben Stimmung sein wird wie ich, und dann werde ich weder auf sie noch auf die Zuhörer neidisch sein. Doch ich sehe, Gronski hat dir schon einige Märchen erzählt. Gut! Ich habe nicht so wie er Gefühle eines alten Junggesellen. Möge er hinter seiner Marie schauen, möge er sie anbeten, doch mich soll er in Frieden lassen. Sie sind dort alle verrückt geworden mit ihrer Musik und sind jederzeit bereit, euch in Jastrzemb anzustecken. Nur Fräulein Anney spielt kein Instrument, da sie noch etwas Verstand hat.«

»So! Fräulein Anney spielt kein Instrument?«

»Sicher. Doch dem steht nichts im Wege, daß sie im Notfalle mich oder dich als Instrument benützen könnte, viel leichter aber noch dich als mich.«

»Warum gerade mich?«

»Darum, weil ich ein Instrument bin, das von vornherein wissen will, was ein Konzert einbringt.«

Krzycki kannte von früher den Zynismus des Dolhonski, deshalb zuckte er mit den Achseln, doch hatte er keine Zeit mehr, etwas zu entgegnen, denn eben waren sie am Pfarrhause angelangt.


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