Jules Michelet
Die Liebe
Jules Michelet

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X. Von der moralischen Zeitigung.

Ich hörte einmal folgende Unterredung zwischen zwei jungen Eheleuten. Sie wohnten auf dem Lande. Er kam aus der Stadt zurück, wohin ihn ein Geschäft geführt hatte: »O, wie lange du geblieben bist; ich habe so auf dich gewartet!« – »Ich habe dir dies mitgebracht.« – »Danke, erzähle mir von dir ...« – »Unsere Angelegenheiten stehen so und so.« – »Gut, erzähle mir von dir.« – »Man hat mir dieses, jenes gesagt; ich habe den und den getroffen.« – »Gut, aber erzähle mir von dir ...«

Das ist in seiner ganzen Naivetät das Herz der jungen Frau, wenigstens im Anfang. Die Neuigkeiten kümmern sie nicht sehr. Der Lauf der Welt, die Fülle winziger Ereignisse, die uns ungeheuer scheinen und morgen vergessen sein werden, bleiben ihr gleichgültig. Und wenn du ihr davon erzählst, so kann sie nicht einmal zuhören. Aus Schicklichkeit nimmt sie für einen Augenblick den Schein an. Aber sie hält es nicht lange dabei aus. Der Geist ist anderswo und das Auge träumt. Sie lebt wie außerhalb der Zeit in der Ewigkeit ihrer Liebe.

*

Ohne Zweifel will sie eine Wissenschaft, eine einzige; sie will Eines kennen lernen; und dieses Eine ist das Herz ihres Gatten.

Aber das kann unendlich sein. Ein Mannesherz könnte zur Not eine ganze Welt enthalten. Und weil sie denn keine andere Nahrung will, so ist es an dir, dies Herz zu erweitern, daß alles Gute, Schöne, Edle darin Platz hat. Sie wird dann alles freudig entgegennehmen.

... Die Dame von Fayel aß davon und sprach: »Ich habe es so gut gefunden, daß ich etwas anderes nicht mehr essen werde.«

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Die vollständige Verantwortlichkeit für die Entwickelung der Frau ruht heute auf dem, welcher sie liebt. Eine öffentliche Bildung giebt es nicht mehr. Wo sind die großen nationalen Feste des Altertums, welche das ganze Jahr hindurch die Unterhaltung am häuslichen Herde ausmachten? Und was die religiösen Feste anbetrifft, die wir aus dem Mittelalter mit herübergeschleppt haben, so gestehen selbst die Gläubigen die Lauheit, welche man zu ihnen mitbringt, ein, und geben ihre Ohnmacht zu. Ist die Kultur der Bücher ein Ersatz dafür? Keineswegs. Die Menge und die Zerstückelung der Journalartikel u. s. w., die den Geist zersplittern, das alles hat die Frauen angeekelt und viele wollen nicht mehr lesen.

So bleibt denn nur das lebendige Buch, die Persönlichkeit des Mannes, das Wort des Geliebten. Die Liebe ist mehr als je aufgefordert, ihren großen Titel eines Heilands der Welt zu verdienen.

*

Es handelt sich einzig darum, durch die Liebe alles, was in dem jungen Wesen an Liebe, Anmut, Gedanken ruht, zu erwecken. Es schlummert in ihr ein Ocean, der in Bewegung gesetzt werden muß. Die Einfachste wird auf diesen Ruf mit einem unerwarteten Reichtum der Natur antworten. Der, welcher ohne Egoismus nur darauf bedacht war, alles, was er für groß und schön hält, ihr mitzuteilen, wird sich beglückt finden, daß sie alles ihm allein zurückerstattet, und ihn mit den wachsenden Kräften ihrer erhöhten Liebe liebt.

Man muß sie da ergreifen, wo sie wirklich ist, bei ihrer natürlichen Neigung: immer mehr und mehr zu lieben.

Man muß ihr großherzig in der schwachen, passiven, so beschränkten Liebe, welche sie für dich hat, den sympathetischen Aufschwung der großen allgemeinen Liebe des Lebens und der Natur geben, und nach und nach zuletzt die Kraft der thätigen Liebe, der Nächstenliebe, der socialen Verbrüderung.

Sie ist jung, aber von diesem Tage an mußt du sie machen und schaffen für die guten Dinge Gottes, sie vorbereiten, zu werden, was die Frau wahrhaft ist, eine Kraft, die Harmonie, Trost, Hilfe und Heil spendet. Sie kann mit achtzehn Jahren noch nicht alle diese Werke thun, aber sie kann das Gefühl, den Begriff davon erlangen. Vieles Positive, das sie heute schon lernen kann, wird ihr später von Nutzen sein.

Dies alles muß mit Maß, ohne Übereilung vorbereitet werden. Es handelt sich weniger um eigentliche Wissenschaft, konsequent betriebene Studien, als darum, ihr gelegentlich lebendige Keime zuzuführen, die, von deinem Herzen in ihr Herz übertragen, dort sprossen und sich mit ihr identifizieren werden.

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Es ist ohne Zweifel nicht leicht, diese stille, brütende und zeitigende Kraft, die in der Frau liegt, zu beobachten.

Die Kraft des Mannes besteht im Abstrahieren, im Teilen; aber die Kraft der Frau ist gerade, daß sie nicht abstrahieren kann, daß sie jede Sache, jede Idee ungeteilt und lebendig in sich hegt und trägt, und sie nur eben dadurch desto lebendiger, fruchtbarer macht.

Die Natur versagt ihr das Teilen und Trennen. Die Frau ist die Einheit selbst. Sie soll ein lebendiges Wesen hervorbringen, das heißt ein einiges, ganzes. Sie kann nicht sagen: Zwei. »Ich und mein Geliebter, das ist dasselbe,« so sagt sie. – Und wenn sie ihm ein Kind schenkt, so macht das immer noch nicht Drei. In ihr ist keine Teilung, keine Mehrheit. Die Drei machen nur wieder Eins.

Euer Gehirn, die Rüstkammer der feinsten Stahlklingen, hat Messer, um alles zu teilen. Anatomie, Krieg, Kritik, das ist der Kopf des Mannes. Aber die Frau ist anders organisiert. Der Frieden des Himmels, der Gottesfrieden, die Vereinigung, die völlige Einigkeit, das sind ihre Liebesträume, der Schatz ihres Busens.

Woher wollt ihr denn, daß sie eure Einteilungen nehme, sich der zweischneidigen Waffe der Analyse bemächtige? Wenn einer eurer subtilen Gedanken zu ihr dringt, so ist es dadurch, daß sie ihn um euretwillen in sich aufnimmt, ihn hegt, ihn konzipiert, und aus der Idee ihr Kind macht.

*

Was der Träumerei der Frau einen ganz besonders fruchtbaren Charakter giebt, ist die Weise, wie sich für sie, nicht nach der künstlichen Einteilung des Kalenders, sondern nach natürlichen Perioden, der Monat teilt. Ihr Monat von ungefähr achtundzwanzig Tagen wiederholt sich in ihr identisch mit denselben Erscheinungen, denselben Phasen der Ascension, der Krisis und der Zwischenzeit. Diese wenig veränderten Phasen bringen für den folgenden Monat einen moralischen Zustand, der mit dem in den korrespondierenden Phasen des vorhergehenden analog ist, und oft dieselben Gedanken. Diese mehr als einmal wiederholten, von Monat zu Monat bestärkten Gedanken nehmen endlich bei ihr eine Form an, beherrschen ihr ganzes Wesen, erfüllen ihre ganze Fähigkeit der Liebe und Leidenschaft.

Dies kann man an der Frau beobachten, die der Strudel der Gesellschaft nicht fortwährend aus ihrer Einsamkeit und aus sich selbst treibt. Diese Wiederkehr derselben Gedanken macht sie zu dem treuen Wesen, in welchem die Bildung des Herzens durch die Natur unterstützt wird; und, wenn man nur ein wenig nachhilft, selbst zu einem entwicklungsfähigen Wesen, welches, wenn es den Keim einmal in sich aufgenommen hat, ihm in jeder neuen Epoche einen neuen Grad von Leben und Wärme verleiht.

Alles ist Poesie bei der Frau, aber vorzüglich dieses rhythmische, in regelmäßigen Perioden harmonische, durch die Natur gleichsam skandierte Leben.

Für den Mann ist im Gegenteil die Zeit ohne wahre Einteilung; sie erscheint ihm stets als eine andere. Seine Monate sind keine Monate. In seinem Leben ist kein Rhythmus. Es fließt dahin, wie die Prosa, ungebunden, aber unendlich beweglich, ohne Aufhören Keime schaffend, meistens freilich, ohne sie zur Reife zu bringen.

Wenige Männer, die zwei Geschlechter haben, und in denen sich dennoch die männliche Kraft am herrlichsten offenbart, haben die Gabe der Empfängnis.

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Was wir soeben über das rhythmische Leben gesagt haben, beherrscht ihre ganze Erziehung und macht dieselbe zu einer von der des Mannes wesentlich verschiedenen.

Man muß sich bei ihr in acht nehmen, nichts zur Unzeit thun, sondern gelehrig der Natur folgen. Nehmt ihr Rücksicht auf sie, so nimmt sie Rücksicht auf euch. Welchen Vorteil gewährt es zum Beispiel, jeden Versuch moralischer Einweihung in der Ascensionsphase ihres Blutlebens, beim Steigen der Flut zu beginnen, wenn ihre Sensibilität von einer reicheren Kraft, einem höheren Geiste belebt ist! In der Krisis selbst und in der Mattigkeit, die sie zurückläßt, darf man im Gegenteil die Frau nicht mit neuen Dingen ermüden, sondern muß sie die einmal empfangenen Gedanken wieder durchdenken, durchträumen lassen.

Darauf sollte die Aufmerksamkeit der klugen Mutter, der besonnenen Lehrerin, welche das Mädchen zu unterweisen beginnt; darauf die Sorge des Liebenden, des Gatten, der den Unterricht der jungen Frau fortsetzt, gerichtet sein. Die Befruchtung des Geistes, wie die des Körpers, will, daß man nichts, außer zur rechten Zeit, in den günstigen Augenblicken, thue. Es bedarf hier einer fortgesetzten Aufmerksamkeit. Keine Übereilung, keine Ungeduld, sondern Beobachtung der Zeit, der Stunde, des Augenblicks!

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Sie kommt dem allen auf eine überraschende Weise entgegen. Die junge Frau, welche die Welt nicht schon am ersten Tage in ihren Strudel zieht, sondern der die Einsamkeit die völlige Sammlung dieser ersten Epoche läßt, verlangt nichts, als zu glauben, und will alles, was ihr Gatte will. Sie ist in diesem Zustande unendlich rührend. Die neue Lage, die von Anfang an die Wonne des Mannes ausmacht, birgt für sie beinahe immer peinliche Seiten. Er ist glücklich; sie wird es sein. Aber sie ist deshalb nicht weniger erfüllt von einer uneigennützigen Zärtlichkeit. Man kann von der ersten Zeit an mit ihr über die großen Verhältnisse des Lebens sprechen, und ernstlich ihre moralische Eroberung beginnen.

Ihr werdet kleinlich finden, was ich jetzt sagen will; aber hier ist nichts kleinlich.

Nicht bloß die Epoche des Monats muß beobachtet und die aufsteigende Phase allen vorgezogen werden, auch der Zustand der Atmosphäre ist eine wichtige Sache. Ich möchte nicht, daß du für diesen Herzenserguß, diese Gefühlsmitteilung, diesen Ideenaustausch ungeschickterweise den Augenblick wähltest, wo ein heraufziehendes Gewitter sie beängstigt. Die Elektricität des in ihr aufsteigenden Lebensstromes, verbunden mit der der Luft, mit dem unheimlichen Pfeifen des nahenden Sturmes ist genug und mehr als genug, um sie anderweitig in Anspruch zu nehmen.

Die erste Hälfte der Zeit vor der Krisis bei einem Zustande behaglicher Ruhe ist die geheiligte Zeit, in der ich wünsche, daß du dich ihr über die großen, entscheidenden Dinge, bei denen der erste Eindruck von der äußersten Wichtigkeit ist, mitteiltest. Wenig im Anfang, ein Wort, ein Keim, ein erstes Aufleuchten des Gedankens in einer traulichen, durchaus nicht feierlichen Stunde.

Wenn dein Herz wirklich ihr Herz gerührt hat, wenn dein Gedanke wirklich in sie gedrungen ist, so wird die nahe Krisis des Monats, selbst wenn sie peinlich sein sollte, nichts verlöschen. Im Gegenteil, durch den Schmerz vertieft sich nur der Gedanke bei der Frau. Die gezwungene Muße, die ihr zuweilen der Schmerz auferlegt, nährt auf wunderbare Weise die Keime, welche ihr Geist empfangen hat.

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Selbst wenn sie noch leidet, in der bewegten Woche, welche der Krisis folgt, und in der Woche Zwischenzeit, wo sie ganz ruhig ist, beschäftigt sie sich gern und ihre Hände arbeiten willig. Der Gedanke ebenfalls. Dieses beides geht bei der Frau Hand in Hand. Nähen, Stricken, Sticken sind ausgezeichnete Beschäftigungen, welche die Thätigkeit ihres Geistes erhöhen. Diese allerliebsten Arbeiten werden sich gegen alle Anstrengung der Maschinen halten. Kein billiger Kauf, keine Schönheit der Ausführung wiegt die Arbeit auf, welche die langen Stunden einer keuschen, fleißigen Frau ausfüllt. Sie hat ihre Sanftmut, ihre Liebe, ihre Träume mit hineingewebt; diese Dinge fühlen sich warm an: es ist die Wärme eines liebenswürdigen Herzens.

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Die Französinnen, die man mehr als andere Frauen beweglich nennt, treiben diese doppelte Arbeit gern zu gleicher Zeit. Ihr Traum ist keine verschwommene, vage Träumerei; er nähert sich schon mehr dem Gedanken. Manchmal zur Abwechselung verhüllt sie die Lieblingsidee, die sie bei sich fortspinnt, mit kleinen, halblauten Gesängen, die in keiner Beziehung dazu stehen. Dann aber beweist ein lebhafter Ausdruck, der momentan hervorbricht, zur Genüge, daß unter dein leichten Liede, dem eintönigen Refrain etwas ganz Anderes, Ernstes, Leidenschaftliches verborgen war.

Die Französin liebt die sklavische Abhängigkeit nicht, welche Frauen anderer Länder so gern zur Schau tragen. Wenn sie von Herzen eine gehorsame Gefangene ist, ganz versunken in den Gedanken ihrer Liebe, so bewahrt sie dennoch eine formelle Unabhängigkeit in ihrem Auftreten. Manchmal könnte man sich dadurch täuschen lassen. Ein Wort, das wahrhaft aus eurem Herzen kam, hat sie nicht beachtet, als ihr es ihr gestern Abend sagtet, und ihr haltet es für weggeworfen. Glaubt es nicht, sie bewahrt es; es hat sie den ganzen Tag beschäftigt. Und des Abends, nach dem Essen, beim flackernden Feuer des Kamins, rückt sie ihren Stuhl näher an den euren und sagt es euch wieder in ihrer Weise, in ihrer Frauensprache, scheinbar ein anderes und dennoch dasselbe. Wer weiß? Dies Wort mag Wurzel schlagen, und in der nächsten Periode, begünstigt durch die Flut des Lebensstromes, wird es von neuen Gefühlen und Gedanken bereichert aufblühen, wärmer, lebendiger und liebevoller als im ersten Monat.

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Um so nachzugeben, ohne nachzugeben, um ohne Verwirrung die Fülle ihrer Liebe und ihre geistige Unterwerfung auszusprechen, muß ihr sanfter Stolz eine günstige Zeit finden, gute Stunden, wo die Natur selbst nachgiebt und die Waffen niederlegt. Dazu ist die Nacht besser als der Tag, manchmal auch die Dämmerung. Manches hätte man am Mittag nicht gesagt, aber man sagt es des Abends bei einem minder hellen Lichte. Manches läßt sich nicht in der Entfernung sagen, aber man sagt es willig in der Nähe, flüstert es ohne Scheu ins Ohr.

Herr von Sénencour, welcher den Rat giebt, nicht ein Lager zu teilen, vergißt (was bei einem so ernsten Denker überraschen muß), daß bei jeder ersten, wichtigen Mitteilung gerade das Bett der Vermittler der Seelen ist. Es ist nicht zur Ruhe allein da, nicht zur Lust allein; es ist der verschwiegene Vertraute, der freundliche Zwischenträger aller Gedanken und Worte, die sich anderswo nicht sagen ließen. Es ist der große Vereiniger, sagen wir besser: eine Vereinigung.

Die religiösen Fragen zum Beispiel, die zartesten von allen, beschwören oft, wenn sie im hellen Tageslicht, bei Tische oder sonst angeregt werden, Wolken zwischen den Gatten herauf, oft ernstliche Mißhelligkeiten, viel weniger des Nachts, viel weniger auf dem Lager. Alles erscheint dann milder. Am Tage war man betroffen über die scheinbaren Gegensätze; in der Nacht verschwinden die Ecken. Ungeachtet der äußeren Verschiedenheiten findet man sich im Grunde vereinigt durch die eheliche Liebe und durch die Liebe Gottes.

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Das sehr große Bett früherer Zeiten, das die Hälfte des Zimmers einnahm, sehr niedrig, fast mit dem Fußboden gleich war und durch dicke Teppiche ringsherum noch größer wurde, ist außerordentlich bequem. Es begünstigt die abendlichen, die morgendlichen Unterhaltungen, die Beziehungen süßer Freundschaft, ebenso wie der Liebe, die vertrautesten Worte, oft die am wenigsten vorbedachten, die unversehens hervorbrechen, und die man vielleicht niemals seinem Herzen entlockt haben würde, hätte man sie von dem einen Ende des Zimmers nach dem andern sprechen müssen.

Diese Ungebundenheit in den Augenblicken der Ruhe und des Wachens, die Leichtigkeit der Unterhaltung mit lauten Worten und in stummer Rede sind eine natürliche Aufforderung zur Mitteilung für eine junge zarte Seele, die lange noch, nachdem ihr glaubt, sie zu besitzen, im Widerspruch mit ihrer Liebe etwas Gezwungenes, Zurückhaltendes, Verschlossenes behält. Ist es Scham, ist es Stolz? Sie wüßte es selbst nicht zu sagen. Wie dem aber auch sei, der Mann ist selten fein genug, es recht zu fühlen. Und dennoch ist das Eis nicht ganz gebrochen. Manche, die seit Monaten verheiratet ist, blieb im Herzen ein Mädchen. Ihr natürlicher Adel will einen moralischen Grund, damit sie sich ganz hingeben könne. Das tritt nun ein, wenn sie ein treffliches Gefühl des Mannes, irgend einen ernsten, warmen, starken, großen Gedanken, der in ihm aufblitzte, schön gefunden und sich angeeignet hat. Und wer hätte nicht dergleichen Momente? Die Schlechtesten selbst haben solche Silberblicke.

Dann ist sie gewonnen. Die süße Wärme der Liebe, die ihr bis ins Herz gedrungen ist, giebt ihr ein wenig mehr Mut, und am Abend, wenn er sich selbst schon der Ruhe hingiebt, findet er sie zu seiner freudigsten Überraschung sehr wach. Lebhaft und zärtlich spricht diese Stumme mit einemmale. Es ist Nacht. Am Tage hätte sie nicht zu sprechen gewagt; aber es ist nicht selten, daß sie jetzt beredt wird. Sie ist glücklich; sie glaubt, daß er wirklich gut, würdig, Gott wohlgefällig sei, und in Gott liebt sie ihn ja. Ihr Herz fließt über, und sie ist sein Weib. Denn für sie hat zu dieser Stunde die Ehe begonnen. Jetzt kann sie seinen Namen tragen. Von dem jungen Mädchen von gestern hören wir nichts mehr; heute wurde die Gattin geboren.


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