Jules Michelet
Die Liebe
Jules Michelet

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III. Die Frau darf nur wenig arbeiten.

Die eigentlichen Arbeiter, welche wissen, daß eine Sache in Gang bringen viel, oft beinahe alles ist, wissen auch, daß eine häufig unterbrochene Arbeit wenig lohnt. Die kränkliche und oft verhinderte Frau ist ein sehr schlechter Arbeiter. Ihre bewegliche Konstitution, die beständige Erneuerung, welche der Grund ihres Wesens ist, machen ihr eine lange andauernde Beschäftigung unmöglich. Es ist eine große Barbarei, sie den ganzen Tag auf dem Stuhle festzuhalten.

Sie eignet sich wenig zur Arbeit, nicht einmal, wenn sie vollkommen gesund ist. Um wie viel weniger in der Schwangerschaft, dieser großen, schmerzensreichen Arbeit, welche ihr der Mann oft so leichtsinnig auferlegt! In den ersten vier Monaten, wo sich das noch schwimmende Kind für sie schmerzhaft bewegt, wie ein im Sturm rollendes Schiff; in den fünf Monaten, wo es seine Mutter trinkt und von ihrem Blute lebt; in den drei Monaten endlich, die mindestens nötig sind, um die armen, gequälten Eingeweide ein wenig zu stärken, – was wollt ihr, daß sie da thue? Und dann nach dieser fürchterlichen Anstrengung, wo sie den besten Teil ihrer selbst, ihr Blut, ihr Mark, ihr Leben gegeben hat, da wollt ihr sie zur Arbeit zwingen?

Alles, was die Staatsökonomen u.a. von der Anwendung der Frau zur Arbeit gesagt haben, betrifft nur immer eine Ausnahme, einen kleinen, schwarzen Punkt Europas, unbemerkbar auf der Karten. Sie vergessen die ganze übrige Erde.

Überall und zu allen Zeiten war und ist die Frau nur mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, welche bei den wilden Völkerschaften (wo der Krieger seine Kräfte zu den großen Jagden zusammenhalten muß) ein wenig Ackerbau und Gärtnerei in sich begreifen.

Und indem so die Frau wenig oder nichts thut, schafft sie die beiden Kostbarkeiten dieser Welt. Welche? Das Kind, den Menschen, die Schönheit, die Kraft der Rassen. Welche noch? Die Blüte des Menschen, die Blüte der Kunst, Milde und Humanität, die man Civilisation nennt. Alles dies entsprang von Anfang an aus der zarten, feinen und geduldigen Kultur, welche die Frau als Gattin und Mutter uns am häuslichen Herde angedeihen ließ.

Die Frauen regen sich so viel, wie wir, nur in einer ganz anderen Weise. Ich kenne welche, die täglich zwölf Stunden arbeiten und nichts zu thun glauben. Eine der arbeitsamsten sagte bescheiden zu mir: »Ich lebe wie eine Prinzessin. Er ist es, der arbeitet; er ist es, der mich ernährt. Die Frauen sind zu nichts gut.«

Dies Nichts meint eine sanfte, langsame, unterbrochene, willkürliche Arbeit, immer mit dem Hinblick auf diejenigen, welche sie liebt – auf ihren Gatten, ihr Kind. Diese Arbeit, die ihren Geist nicht absorbiert, ist wie die Kette des Gewebes ihrer Gedanken. An diese knüpft sie, gleichsam als Einschlag, allerlei häusliche Dinge, an die der zu beschäftigte Mann nicht gedacht hätte, oft auch ernste Träume von der Zukunft ihrer Kinder, manchmal auch höhere, umfassendere Gedanken – Humanität, Nächstenliebe.

Es fragte jemand die berühmte und liebenswürdige Madame Stowe, wie sie ihren »Onkel Tom« gemacht habe. »Während ich meinen Kindern die Suppe kochte,« antwortete sie.

Die Arbeit der Frau muß wiederum Liebe für sie sein, denn sie taugt zu nichts anderem. Welches ist ihr natürlicher Zweck, ihre Sendung? Die erste ist: zu lieben, die zweite: einen zu lieben, die dritte: immer zu lieben.

Immer in gleicher Stärke, ohne es müde zu werden. Wenn die Welt nicht eingreift und die Frau verwirrt und umwandelt, so ist sie treu, treuer als der Mann. Sie liebt sehr gleichmäßig, in einem fortgesetzten, unaufhaltsamen Laufe, wie ein Fluß, ein Strom, wie eine schöne, einsame Quelle des Schwarzwaldes, die ich fragte, wie sie sich nenne, als ich im Juli 1841 daran vorbeikam. Sie antwortete: »Ich heiße Immer


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