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Zweiundvierzigstes Kapitel.

Eine angenehme Korrespondenz.


Sobald Joey in der Hauptstadt anlangte, begab er sich zu dem Korrespondenten seines Hauses in Portsmouth, um Nachfragen anzustellen, ob nicht Briefe eingelaufen seien. Er fand ein Schreiben von größter Wichtigkeit vor, in welchem Mr. Small nach einigen Präliminarien über Geschäftssachen und etlichen Aufträgen, welche Joey in der Stadt besorgen sollte, folgendermaßen fortfuhr:

 

»Ihre leidende Gesundheit hat uns allen viele Sorgen gemacht, nicht nur im Kontor, sondern auch im Hause selbst. Man schrieb Ihr Unwohlsein der allzugroßen Anstrengung zu, und es muß zugegeben werden, daß wir seitdem kaum zu Atem kommen können; indessen haben wir doch Grund zu der Vermutung, daß andere Ursachen vorhanden gewesen sind, welche Ihre sonstige Thätigkeit und Heiterkeit so schnell in eine völlige körperliche und geistige Abspannung umwandelten. Sie werden an unseren Besorgnissen teilnehmen, wenn ich Ihnen sage, daß Emma seit Ihrer Abreise sehr leidend ist und nichts, was ihr unser Hausarzt, Mr. Taylor, reicht, anschlagen will. Sie hat jedoch ihrer Mutter so viel vertraut, daß wir daraus entnehmen können, Sie seien die Hauptveranlassung zu ihrem leidenden Zustande. Sie gestand ein, daß sie sich nicht gut gegen Sie benommen und Ihnen keine Gerechtigkeit habe widerfahren lassen, und ich glaube in der That, diese Überzeugung ist der Hauptgrund ihres veränderten Gesundheitszustandes. Ich habe freilich zu viel im Kontor zu thun, um mich darum zu kümmern, was in dem Wohnzimmer vorgeht, aber ich denke, Sie sollten uns besser kennen, als daß Sie der Vermutung Raum geben, wir seien nicht in jeder Hinsicht um Ihr Glück und um die Fortdauer unserer geschäftlichen Verbindung besorgt. Jedenfalls ist gewiß, daß Emma sich Vorwürfe macht, und daß sie sehr liebenswürdig ist, kann gleichfalls nicht in Abrede gezogen werden; Ihre Rückkehr würde uns daher sehr zur Beruhigung gereichen. Ich brauche Ihnen kaum zu sagen, daß ich meine Nichte liebe und für ihr Glück ängstlich bekümmert bin; aber auch Sie liebe ich, mein wackerer Freund, und Ihr Wohl ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich hoffe daher, daß eine unbedeutende Entzweiung (denn Ihr müßt wohl auf sehr vertrautem Fuße stehen, wenn Sie zu zürnen anfangen und das Mädchen es so empfindlich nimmt) bald ausgeglichen sein wird. Wie ich von ihrer Mutter höre, sind ihre Neigungen ernstlich gefesselt (ich behandle Sie mit dem Vertrauen, das Sie, wie ich überzeugt bin, verdienen), und wahrhaftig, es giebt niemanden, dem ich die Hand meiner Nichte lieber gönnen möchte; auch habe ich durch Fragen herausgebracht, daß meine Schwester ganz der gleichen Ansicht ist. Wenn daher meine Vermutung richtig ist, so werden Sie von uns allen mit offenen Armen aufgenommen werden – selbst Emma nicht ausgenommen, denn Koketterie liegt nicht in ihrem Charakter. Sie hat freilich, wie wir alle, ihre Fehler, ist aber doch nicht zu stolz, sie anzuerkennen, was Sie zugeben werden, wenn Sie den Einschluß lesen; sie hat mich aufgefordert, ihn an Sie zu übermachen, und mich zugleich ersucht, vorher Einsicht davon zu nehmen. Ich hoffe, diese Mitteilung wird Ihre Wiederherstellung beschleunigen und Sie bald wieder zu uns zurückführen. Jedenfalls bitte ich um Antwort auf mein Schreiben, und wenn ich im Irrtum bin, so lassen Sie mich's wissen, damit ich andere enttäuschen kann.«

 

Unser Held öffnete sofort Emmas Beischluß, der folgende wenige Zeilen enthielt:

 

»Mein lieber Freund!

Ich habe Erwägungen angestellt und gefunden, daß ich Sie ungerecht behandelt habe; ich gedachte schon, Ihnen dies bei nächster Gelegenheit zu sagen, noch ehe Sie uns so hastig verließen. Meine Schuld drückte seitdem schwer auf mir, und ich kann es nicht unterlassen, diesen ersten Anlaß zu benützen, um mir Ihre Vergebung zu erbitten. Ich hoffe, wenn wir uns wiedersehen, wird dasselbe freundliche Verhältnis stattfinden, das vor meiner unseligen Aufwallung zwischen uns geherrscht hat. Ihre treue Freundin

Emma

 

Daß dieser Brief unsern Helden über die Maßen entzückte, wird sich der Leser leicht denken können. Sagte ihm ja der Onkel gerade heraus (und gewiß gab ihm Emma keinen Anlaß, das Gegenteil zu glauben) er dürfe hoffen, ihre Hand zu erhalten. Joey war außer stande, das Schreiben mit umgehender Post zu beantworten. Wenn Kummer Anlaß zu seiner Krankheit gegeben hatte, so warf ihn jetzt die Freude noch mehr darnieder, und er sah sich genötigt, das Bette zu suchen; aber er war glücklich, fast zu glücklich, und schlief endlich ein, von Traumgesichten umgaukelt, wie sie nur die süße Vorahnung heraufzubeschwören vermag, daß alle Wünsche erfüllt sind, die das Herz im verborgenen hegte. Am nächsten Tage schrieb er an Mr. Small, bekannte unverholen seine Zuneigung zu Emma und erklärte, daß das Bewußtsein seiner Unwürdigkeit und seiner geringen Herkunft ihn veranlaßt habe, seine Gefühle in sein Inneres zu verschließen; zugleich bat er ihn, seinen ganzen Einfluß zu seinen (Joeys) Gunsten aufzubieten, da er sich nicht getraue, für sich selbst zu sprechen, bis er seines unverdienten Glückes hinreichend versichert sei, um den Mut dazu finden zu können. Seine Antwort an Emma war kurz gefaßt: er dankte ihr für die gute Meinung, die sie fortwährend von ihm hege; der Gedanke, sie verscherzt zu haben, sei ihm zur Quelle des bittersten Schmerzes geworden, und er könne ihr die Versicherung geben, daß er sich wegen des an den Tag gelegten Ungestüms längst Vorwürfe gemacht habe; an ihm sei es, um Verzeihung zu bitten, nicht aber an ihr, die sich stets so freundlich gegen ihn erwiesen, und deren Fürsprache er seine angenehme Stellung zu danken habe; er fühle sich bereits viel besser und hoffe im stande zu sein, die Zeit seines Urlaubes, den ihm seine wohlwollenden Freunde zuvorkommend erteilt hätten, um ein bedeutendes abkürzen zu können. Nachdem Joey diese Briefe gesiegelt und abgeschickt hatte, beschloß er, sich die Hauptstadt zu betrachten.


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