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Zwölftes Kapitel.

Ein Ausflug wie vor alters – führt übers Wasser nach einer Frau.


Zuvörderst verschaffte sich O'Donahue einen Paß für sich und sein Gefolge; dabei gab es jedoch sogleich Einreden, denn M'Shane hatte sich's in den Kopf gesetzt, den Offizier fahren zu lassen und als O'Donahues Bedienter zu reisen, weil er, wie er sagte, in dieser Eigenschaft sich nicht nur nützlicher machen, sondern auch die Würde seines Freundes erhöhen konnte. Nach einem langen Kampfe ließ sich's O'Donahue endlich gefallen und der Paß wurde demgemäß ausgefertigt.

»Aber, beim heiligen Patrik!« sagte O'Donahue, »wie greife ich's an, um mir einige Empfehlungsschreiben zu verschaffen? Jedenfalls muß ich eines an den englischen Gesandten haben. Laß einmal sehen – ich will nach Horse-Guards gehen.«

Gesagt, gethan. O'Donahue wurde, wie es dort gewöhnlich der Fall ist, von dem Obergeneral ohne Zögerung zur Audienz vorgelassen. Er machte sein Vorhaben namhaft, indem er angab, daß er in einer geheimen Sendung nach Rußland zu reisen gedenke, und bat Seine Königliche Hoheit, ihn mit einigen Empfehlungsbriefen zu versehen. Der Obergeneral bemerkte hierauf sehr passend, wenn sich's um eine geheime Mission handle, so werde er natürlich alle erforderlichen Einführungsschreiben von der geeigneten Seite her erhalten, und fragte dann O'Donahue nach seinem Range, wo er gedient habe u. s. w. Die Antworten lauteten sehr befriedigend, und der Herzog überzeugte sich, daß der Bittsteller ein Offizier von Verdienst war. Die Frage kam dann auf die geheime Sendung, von welcher Seine Königliche Hoheit noch nichts gehört hatte.

»Königliche Hoheit halten zu Gnaden, in betreff derselben waltet ein kleines Mißverständnis ob, denn ich reise nicht im Auftrag der Regierung, sondern wegen eines eigenen geheimen Anliegens.« Er gestand sodann freimütig, daß sich's um eine Dame von hohem Range handle, und wenn er keine Empfehlungsbriefe erhalte, so werde er wahrscheinlich nicht die Mittel finden, in ihre Zirkel Zutritt zu erhalten; auch hoffe er, daß man einem Offizier, der treu gedient habe, eine solche Gunst nicht versagen werde.

Seine Königliche Hoheit lachte über diese Enthüllung, und da kein Grund vorhanden war, O'Donahue solche Empfehlungsbriefe zu versagen, so ließ der Herzog mit seiner gewohnten Gutmütigkeit die Einführungsschreiben für ihn ausfertigen, händigte sie ihm ein und wünschte ihm guten Erfolg. O'Donahue verbeugte sich fast bis auf den Boden und verließ Horse-Guards, ganz entzückt über das Ergebnis seines dreisten Versuches.

So versorgt, schiffte sich die kleine Partie ein und langte ohne irgend einen Zufall, die Seekrankheit ausgenommen, zu Hamburg an. Von hier aus begaben sie sich nach Lübeck und gingen zu Travemünde an Bord einer nach Riga bestimmten Brigg. Der Wind war günstig und die Fahrt kurz. Nach ihrer Ankunft stiegen sie in einem Hotel ab, und da sie sich in einem Lande befanden, wo kein Englisch verstanden wurde, so verfügte sich O'Donahue nach der Wohnung des englischen Konsuls, welchem er mitteilte, daß er in einer geheimen Sendung nach Petersburg reise, und als Belege seiner Achtbarkeit und der Wahrheit seiner Angabe die ihm von Seiner Königlichen Hoheit mitgegebenen Schreiben vorlegte. Dies war hinreichend für den Konsul, ihm sogleich seine Dienste anzubieten. Da in Riga kein Bedienter aufzutreiben war, der französisch oder englisch sprechen konnte, so gab sich der Konsul alle Mühe, ihnen in betreff ihrer langen Reise nach Petersburg mit Rat und That an die Hand zu gehen. Er fertigte eine Stationenliste aus, gab die entsprechenden Entfernungen in Wersten an und fügte bei, was man für die Fahrt zu bezahlen habe; auch wechselte er teilweise O'Donahues Gold in russisches Papiergeld um und erteilte ihm alle nötigen Weisungen. Große Schwierigkeit machte das Auffinden eines Wagens, der sie nach der Hauptstadt führen sollte. Endlich fanden sie ein altes vierräderiges Kabriolett, das ihrem Zweck entsprach, sagten dem Konsul Lebewohl, schafften sich Pferde an und brachen auf.

»Du mußt nun das Geld in Deine Verwahrung nehmen, M'Shane, und den Kutscher bezahlen«, sagte O'Donahue, mehrere Stücke dicken Papiers herausziehend, von denen einige rot, andere blau und wieder andere schmutzig weiß gefärbt waren.

»Ist das Geld?« fragte M'Shane erstaunt.

»Ja, das sind Rubel.«

»Rubel? möchte nur wissen, wie man es in Irland nennen würde. Die Pappendeckel sehen gerade so aus, wie Suppenbillets.«

»Gleichviel, wenn man's nur nimmt. Dann hat mir auch der Konsul zwei Worte namhaft gemacht, deren ich mich bedienen soll: das eine heißt › scoro‹ und bedeutet in unserer Muttersprache › schnell‹. Dabei muß man ein bischen Geld in die Höhe halten.«

»› Scoro!‹ nun das ist ein Wort, das ich nicht vergessen werde.«

»Dann giebt's auch noch ein anderes, das heißt › scorae‹.«

»Was will das besagen?«

»Es heißt › schneller‹, und dabei mußt Du ein etwas größeres Geldstück in die Höhe halten.«

»Nun, dann brauchen wir das scoro gar nicht zu merken, denn scorae wird viel bessere Dienste leisten; weshalb sich also mit dem ersten bemühen? Ich denke, wir wollen die Wirkung des scorae an unserem bärenhäutigen Freund Kutscher versuchen.«

M'Shane hielt einen Rubel in die Höhe und rief dem Kutscher zu: › scorae‹. Der Kerl wandte den Kopf um, lächelte, peitschte auf seine Pferde los, bis sie in vollem Galopp waren, und blickte dann zurück, ob er's auch zu Gefallen gemacht habe.

»Bei der Allmacht, das ist kein dummes Wort! Es wird uns so schnell nach Petersburg bringen, als wir nur wünschen können.«

»Wir brauchen unterwegs kein Quartier, sondern reisen Tag und Nacht«, sagte O'Donahue. »Wir treffen auf keinen Ort, der des Übernachtbleibens wert wäre.«

»Wie ist's denn aber mit dem Essen, O'Donahue? wir haben da keinen andern Ausweg, als daß wir uns durch Zeichen helfen.«

In betreff dieses Punktes fanden sich, wie sie bald entdeckten, keine Schwierigkeiten, und so reisten sie, ohne ein Wort, außer dem gedachten, russisch zu sprechen, Tag und Nacht fort, bis sie in der Hauptstadt anlangten.

Am Thore wurden ihnen die Pässe abgefordert. Der Offizier des Wachthauses kam heraus und sagte ihnen, daß ein Kosake sie begleiten würde. Der angekündigte Krieger, mit einem Spieß so lang wie eine Föhre, nahm sie sofort unter seine Obhut und trabte vor dem Wagen her, während ihm der Kutscher im Schritte folgte.

»Wir sind doch keine Gefangenen?« fragte M'Shane.

»Ich weiß nicht, aber es sieht beinahe so aus«, versetzte O'Donahue.

Dies war jedoch nicht der Fall. Der Wagen fuhr in eine prächtige Straße, Newsky-Perspektive geheißen, und machte vor einem Gasthause Halt, wo der Kosake mit dem herauskommenden Wirte einige Worte sprach und sich dann entfernte.

Eine unausgesetzte Reise von vierhundert Meilen ist kein Spaß. Unsere Reisenden thaten in ihren geräumigen Gemächern einen gesunden Schlaf und trafen erst am andern Tage Vorkehrungen für ihre behagliche Einrichtung und Ausstaffierung. Joey war als eine Art von Page in eine reiche Livree gekleidet, und M'Shane spielte im Beisein anderer Personen den Kammerdiener, während er, sobald sie allein waren, seinem Freunde redlich die Weinflasche bearbeiten half.

Zwei Tage nach ihrer Ankunft besorgte der Wirt für O'Donahue einen Dolmetscher, der englisch, französisch, russisch und fast jede andere Zunge sprechen konnte. Im Kriegsrate der beiden Freunde wurde beschlossen, daß O'Donahue sich in prächtige Uniform stecken solle; dann mieteten sie auf vier Wochen eine Equipage, und O'Donahue fühlte sich jetzt in der Lage, an den englischen Gesandten sowohl als an die übrigen Adressaten seine Beglaubigungsbriefe abzugeben.


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