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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

In welchem unser Held seinen Dienst antritt.


Joey wurde am nächsten Morgen um fünf Uhr von Mrs. Chopper geweckt; der Fährmann wartete bereits und brachte mit Joeys Beihilfe die verschiedenen Handelsgegenstände ins Boot. Sobald dies geschehen war, setzten sich Mrs. Chopper und Joey zum Frühstück nieder, das aus Thee, Butterbrot und Bücklingen bestand, worauf sie an Bord gingen und das Boot vom Lande abstieß.

»Recht so, Mrs. Chopper«, sagte der Fährmann; »wie ich bemerke, habt Ihr wieder einen neuen Gehilfen eingethan.«

»Ja«, versetzte Mrs. Chopper; »meint Ihr nicht, er sei das täuschende Ebenbild des armen Peter?«

»Weiß nicht; aber 's liegt etwas in dem Schnitt seines Klüvers, was mich daran erinnert, nun Ihr der Sache erwähnt habt. Peter war ein guter Knabe.«

»Ja das war er, und dabei so scharf wie eine Nadel.«

»Du siehst«, fügte Mrs. Chopper, zu Joey gewandt, bei, »›scharf‹ heißt die Losung in einem Bumboot, denn da gilt's aufpassen. Es giebt viele, welche zahlen, und viele, welche nicht zahlen; einigen gebe ich Kredit, andern nicht – das heißt, solchen, welche mir ihre alten Schulden nicht bezahlen. Wir verlieren bisweilen ein Stückchen Geld, aber am Ende kommt's doch wieder herein. Am meisten verliere ich freilich dadurch, daß ich das Gekaufte hin und wieder aufzuschreiben vergesse, denn die Matrosen zahlen, sobald sie Geld haben – das heißt, wenn die armen Teufel je wieder zurückkommen. Nun, Peter –«

»Wie? Er heißt also auch Peter?«

»Ja, ich muß ihn Peter nennen, William, weil er dem armen Peter so gar ähnlich sieht.«

»Nun, das lasse ich mir wohlgefallen; ich mag nicht gern neue Namen lernen.«

»Wohlan, Peter«, fuhr Mrs. Chopper fort; »Du mußt sehr acht geben; denn siehst Du, ich werde oft weggerufen wegen schwarzer Wäsche und ähnlicher Dinge, und dann mußt Du wachsam sein und es namentlich gleich aufschreiben, wenn man etwas holt. Du wirst dann nachgerade auch erfahren, wem Du borgen darfst und wem nicht, denn ich kenne die meisten meiner Kunden. Insbesondere borge mir keinem Weibe – ich meine keinem Matrosenweibe – wenn ich Dir's nicht erlaube; mit diesen muß man haarscharf umgehen, denn sie spielen einem alle Arten von Tücken – 's wäre not, daß man in zwei Richtungen zumal schaute. Nun, da ist ein Mädel an Bord der Brigg, auf welche wir jetzt zurudern – heißt Nancy, ei, die wußte den armen Peter zu umsegeln, so scharf er auch war. Sie that, als hätte sie ihn schrecklich gern, und wenn sie ihn mit dem einen Arm umschlang, um ihn durch ihre Liebkosungen zu blenden, so stahl sie mit dem anderen die Törtchen aus dem Korbe. Daher laß Dich in keine Vertraulichkeiten mit ihr ein, denn wenn Du's thust, werde ich's bezahlen müssen.«

»Wem darf ich aber borgen?«

»Herr Jemine, das wirst Du bald ausfindig machen, Kind; aber merke Dir nur eins – borge nie einem langen, schmächtigen Matrosen, wenn sein Name nicht schon in den Büchern steht; diese Kunden zahlen nie. Hier ist das Buch, das der arme Peter führte; Du siehst oben über jeder Rechnung die Namen, wenigstens glaube ich es, denn ich bin selbst nicht geschult worden, habe aber dagegen ein gutes Gedächtnis. Ich kann weder lesen noch schreiben, und das ist der Grund, warum mir Peter so nützlich war.«

Es läßt sich voraussetzen, daß Peter seine eigene Handschrift lesen konnte; aber so viel ist gewiß, daß Joey erst nach vieltägigem Studium daraus klug werden konnte, bis er nämlich herausgefunden, wie gewisse hieroglyphische Zeichen bestimmte Artikel vorstellten. Nach dieser Zeit ging es schon leichter.

Sie hatten nun die Schiffswand erreicht, und die Matrosen kamen ins Boot herunter, um verschiedene Gegenstände auf Kredit aufzunehmen. Joey zeichnete sie sehr regelmäßig ins Buch ein.

»Ist Bill schon drunten gewesen?« fragte eine sanfte Stimme von der Laufplanke aus.

»Nein, Nancy, noch nicht.«

»Nun, er braucht zwei Bücklinge, ein Sechspencebrot und etwas Tabak.«

Joey sah in die Höhe und erblickte ein sehr hübsches, blondes, blauäugiges Mädchen mit schelmischen Augen, das über die Seite niederschaute.

»Dann muß er selbst kommen, Nancy«, versetzte Mrs. Chopper; »denn Ihr wißt, als Ihr das letzte Mal Waren für ihn hinaufnahmt, sagte er mir, er habe es Euch nicht geheißen und wolle also auch nicht dafür bezahlen.«

»Das kommt daher, weil der Narr eifersüchtig war; ich verlor den Tabak, Mrs. Chopper, und er sagte, ich habe ihn Dick Snapper gegeben.«

»Da kann ich nicht helfen, er muß selbst kommen.«

»Aber er ist in dem Boote fort und sagte mir, ich solle für seine Bedürfnisse sorgen. Wen habt Ihr da? doch nicht Peter? Nein, es ist nicht Peter; aber welch ein lieber, kleiner Knabe!«

»Ich sagte Dir's ja«, bemerkte Mrs. Chopper gegen unsern Helden. »Wenn ich jetzt nicht in dem Boote wäre, käme sie in einem Nu herunter und überredete Dich, ihr die Sachen zu geben – aber sie zahlt nie.«

Joey blickte wieder in die Höhe, und wie er Nancy so anschaute, däuchte es ihn, als sei es doch sehr unfreundlich, ihr etwas abzuschlagen.

»Was Ihr doch für eine hartherzige alte Person seid, Mrs. Chopper! Bill wird wieder an Bord kommen und, so wahr ich hier stehe, mir Schläge geben. Nehmt mein Wort darauf, er zahlt Euch.«

»Euer Wort, Nancy?« versetzte Mrs. Chopper, ihren Kopf schüttelnd.

»Haltet einen Augenblick!« rief Nancy, die Schiffsseite heruntersteigend, ohne sich viel an den Umstand zu kehren, daß man ziemlich viel von ihren hübsch geformten Beinen sehen konnte. »Haltet, Mrs. Chopper, und ich will's Euch auseinandersetzen.«

»Ich sage Euch, Euer Herunterkommen hilft nichts, Nancy«, erwiderte Mrs. Chopper.

»Nun, wir wollen sehen«, sagte Nancy, sich im Boot niedersetzend und schalkhaft in Mrs. Choppers Gesicht blickend; »die Sache ist, Ihr wißt gar nicht, was Ihr für eine gutmütige Frau seid.«

»Dagegen weiß ich, was Ihr seid, Nancy«, versetzte Mrs. Chopper.

»So geht's Euch, wie aller Welt; man sagt mir nach, ich sei niemands Feind, als mein eigener.«

»Ach, das ist nur allzu wahr. Jammerschade!«

»Nun, ich bin nicht herunter gekommen, um Euch etwas abzuschwatzen, Mrs. Chopper, sondern nur, um mit Euch zu plaudern und mir diesen hübschen Knaben zu betrachten.«

»Das kann ich Euch nicht wehren, Nancy, ist er nicht ganz wie Peter?«

»Wahrhaftig, Ihr habt recht – ganz wie Peter; er hat Peters Augen, Peters Nase, und auch sein Mund ist ganz und gar wie Peters Mund – wie sonderbar!«

»Ich habe noch nie eine solche Ähnlichkeit gesehen«, rief Mrs. Chopper.

»Ich in der That auch nicht«, versetzte Nancy, welche nun Mrs. Chopper in allem, was sie sagte, Beifall zollte, Joey lobte, dessen Ähnlichkeit mit Peter herausstrich und am Ende die alte Bumbootfrau so breit zu schlagen wußte, daß sie mit den zwei Heringen, dem Brotlaibe und der Tabakdüte abziehen durfte.

»Soll ich's aufschreiben, Mrs. Chopper?« fragte Joey.

»Ach Herr Je!« versetzte Mrs. Chopper, sich jetzt wieder fassend, »ich fürchte, es ist zu nichts nütze; aber schreib's dessenungeachtet auf – vielleicht ist's dafür gut, daß sie sobald nicht wiederkommt. Stoß ab, William, wir müssen jetzt nach dem großen Schiff. Ich wollte, diese Nancy wäre an einem anderen Hafen«, rief Mrs. Chopper, als sie von dem Schiffe abfuhr; »man verliert so viel Geld an ihr.«

»Ei, Ihr seid nicht die einzige«, sagte der Fährmann lachend. »Sie kann Mannspersonen und Weibsleute oder, wie die Sage geht, den Teufel obendrein beschwatzen, wenn sie es probieren will.«

Während des Tages fuhr das Bumboot von einem Schiffe zum andern, um die Mannschaft mit ihren Bedürfnissen zu versehen. Oft wurde bar bezahlt, in anderen Fällen aber Joeys Geschicklichkeit in Anspruch genommen, der die auf Borg kaufenden Kunden ins Buch einschreiben mußte. Als endlich gegen Abend um fünf Uhr das Bierfaß leer, der Inhalt der Körbe meistens verkauft und die Fähre mit schwarzer Wäsche, Zwieback, leeren Flaschen und unterschiedlichen anderen Tauschartikeln gefüllt war, befahl Mrs. Chopper ihrem Führer William, dem Ufer wieder zuzurudern.

Sobald die Körbe samt den übrigen Gegenständen ins Haus geschafft waren, schickte Mrs. Chopper nach dem Essen fort, das sie regelmäßig aus einer Garküche holen ließ. Nach dem Mahle sagte sie zu Joey, wenn er Lust habe, könne er sich jetzt ein wenig verlaufen und die Beine strecken, während sie die für die Wäsche bestimmte Leinwand aussondere. Joey nahm keinen Anstand, von dieser rücksichtsvollen Erlaubnis Gebrauch zu machen, denn von dem langen Sitzen zwischen den Eier-, Bücklings- und anderen Warenkörben, zwischen welchen er eingeengt gewesen, waren ihm die Füße ganz krumm geworden.

Wir müssen nun Mrs. Chopper unserem Leser etwas umständlicher vorführen. Sie war die Witwe eines Hochbootsmannes und hatte schon zu seinen Lebzeiten einen Viktualienhandel angefangen, den sie nach seinem Tode noch fortführte. Die Leute sagten, sie sei reich, aber dieses Prädikat ist sehr relativ, und wenn eine Person von ihrer Stellung in einer Hafenstadt zwei- oder dreihundert Pfund aufweisen konnte, so galt dies schon für ein großes Vermögen. Wenn aber auch nicht in anderen Stücken, so war sie doch reich an schlechten und zweifelhaften Schuldnern, denn sie hatte sieben oder acht Bücher, wie das, in welches Joey während des Tages seine Einzeichnungen machte, in denen gar viele Rechnungen von langer Hand standen, die wahrscheinlich nie bezahlt wurden. Aber wenn es auch viele schlimme Schuldner gab, so stand wenigstens der Gewinn im Verhältnis, und da doch auch mancher Rückstand wieder einging, viel gegen bar gekauft wurde und die Frau einen einträglichen Tauschhandel betrieb, so war das Geschäft augenscheinlich nicht übel, obgleich wohl die Hälfte ihrer Waren in einer Weise dahinging, wie wir's am Morgen bei Nancy gesehen haben.

Es ist eine Frage, ob die oben erwähnten Ausstandsbücher nicht eine Quelle der Freude für sie waren, denn jede Nacht langte sie eins davon herunter, und obgleich sie nicht lesen konnte, hatte sie doch von dem vielen Vorlesen den Inhalt jeder Seite sich so genau gemerkt, daß sie die Rechnungen fast Zeile für Zeile auswendig hersagen konnte. Bei jeder wußte sie auch ein Geschichtlein zu erzählen – eine Thatsache, an die sie durch ihren Schuldner erinnert wurde. Sobald Joey heimisch geworden war, ließ sie ihn oft eines ihrer Bücher herunterlangen und pflegte stundenweise darüber zu sprechen. Es waren die Hausbücher ihrer Erinnerungen, denn die Ereignisse eines beträchtlichen Teils ihres Lebens knüpften sich an die eingetragenen Pfeifen, Bücklinge, Tabak und Porter. Eine Rechnung für diese Artikel galt ihr als Bestimmung von Zeit, Ort und Umständen, und so verbrachte sie unter Beihilfe eines guten Gedächtnisses und der bösen Schulden viele Stunden, die angenehm genug verstrichen, da Mrs. Chopper gern über die letzteren plauderte und unser kleiner Held gern zuhörte. Wir dürfen jedoch unserer Geschichte nicht vorgreifen.

Sobald Joey Erlaubnis erhalten hatte, seine Füße zu strecken, setzte er sie in möglichster Eile nach der Landstraße in Bewegung, denn er wünschte das Freie zu erreichen, noch ehe seine kleine Freundin Emma Philipps ihre Schule verlassen hatte. Er setzte sich an derselben Stelle, wie früher, nieder und harrte ihrer Ankunft. Der Ort war dem armen Burschen eine Art von Heiligtum geworden, denn er hatte ja hier eine Seele gefunden, die ihm zu einer Zeit Teilnahme zollte, als er des Trostes am meisten bedürftig war. Er fühlte sich jetzt glücklich, denn er durfte wegen seines Lebensunterhaltes nicht länger bekümmert sein, und sein angelegentlichster Wunsch war, der kleinen Freundin die frohe Kunde mitzuteilen. Es dauerte nicht lange, bis sie in ihrem Strohhütchen mit blauen Bändern einherzog. Joey sprang auf und teilte ihr mit, daß er einen sehr guten Platz erhalten habe, worauf er ihr das weitere über die Art seiner Beschäftigung im Laufe des Tages auseinandersetzte.

»Und ich glaube, daß ich sehr oft um diese Zeit herauskommen kann«, fügte Joey bei. »Ich begleite Dich dann nach Hause und habe acht, daß Dir nichts zustößt.«

»Aber«, versetzte das kleine Mädchen, »meine Mutter sagt, sie möchte Dich gerne sehen, denn sie hat's nicht gern, daß ich mit Leuten Bekanntschaft anknüpfe, die ich nur zufällig traf. Glaubst Du nicht, daß die Mutter recht hat?«

»Freilich, sie hat ganz recht«, entgegnete Joey; »daran habe ich nicht gedacht.«

»Du willst also kommen und sie besuchen?«

»Heute nicht, weil ich nicht sehr sauber bin; aber am Sonntag soll's geschehen, wenn ich Erlaubnis kriege.«

Sie trennten sich, und Joey kehrte nach der Stadt zurück. Auf dem Heimwege dachte er, er wolle das Geld, das er noch besaß, auf einen guten Sonntagsanzug verwenden, da der Stoff dessen, den er trug, sehr grob war. Nach weiterer Erwägung beschloß er jedoch, sich deshalb an Mrs. Chopper zu wenden, da er nicht wußte, wie er seine Wünsche am zweckmäßigsten ausführen konnte, und betrogen zu werden fürchtete.

»Nun, Peter«, sagte seine neue Gebieterin, »ist Dir Dein Spaziergang gut bekommen?«

»Ja, ich danke Euch, Madam.«

»Peter«, fuhr Mrs. Chopper fort, »Du kommst mir wie ein sehr geschickter und guter Knabe vor, und ich hoffe, daß wir lange bei einander bleiben werden. Wie lange bist Du zur See gewesen?«

»Ich wollte auf die See, bin aber noch nicht dort gewesen; auch verlangt mich gar nicht mehr danach, denn ich möchte lieber bei Euch bleiben.«

»Das sollst Du auch – 's ist eine abgemachte Sache. Was hast Du für Kleider, Peter?«

»Keine als die, in welchen ich gehe und stehe, ein paar Sonntagshemden ausgenommen, die in meinem Bündel sind. Man hat mir aber, als ich die Heimat verließ, einiges Geld mitgegeben, und ich wünsche jetzt einen Sonntagsanzug zu kaufen, in welchem ich zur Kirche gehen kann.«

»Du bist ein guter Knabe – ja, Deinem Wunsche soll willfahrt werden. Aber wieviel Geld hast Du?«

»Genügend, um mich neu zu kleiden«, versetzte Joey, indem er ihr zwei Guineen und siebzehn Schillinge Silbergeld hinreichte.

»O, vermutlich gaben sie Dir dies, um Dich auszustatten. Die armen Leute haben wohl schwer dafür arbeiten müssen; nun, ich glaube nicht, daß Dir das Geld etwas nützen kann, und so ist's wohl besser, Du kaufst einen Sonntagsanzug; für Deine übrigen Bedürfnisse will ich schon Sorge tragen. Meinst Du nicht, daß ich recht habe?«

»Ja, es ist mir lieb, wenn ich's so halten darf. Heute ist Dienstag; ich möchte den Anzug schon am nächsten Sonntag haben.«

»Das kann wohl geschehen. William kommt bald von der Wäscherin zurück; wir wollen dann ausgehen und die Bestellung machen. Doch da ist er schon auf der Treppe – nein, der Tritt ist doch zu leicht, als daß es der seinige sein könnte. Wahrhaftig, es ist Nancy«, fuhr Mrs. Chopper in abwehrendem Tone fort, »was könnt Ihr nur hier wollen?«

»Ratet einmal«, antwortete Nancy mit sehr gesetzter Miene, indem sie sich auf einen großen Korb niederließ.

»Ich fürchte, 's giebt da nichts zu erraten, Nancy; gebt Euch keine Mühe, ich borge Euch nichts mehr, keinen Schilling.«

»Ei, ich weiß, Ihr thut's doch, Mrs. Chopper. Du lieber Himmel, Ihr seid ein so gar gutmütiges Geschöpf und könnt niemand etwas abschlagen – deshalb auch gewiß mir nicht. Warum nehmt Ihr mich nicht als Gehilfin in Euer Boot? Ihr hättet dann doch etwas darin, was des Ansehens wert wäre. Ich brächte Euch eine Menge Kundschaft.«

»Ihr seid zu wild, Nancy, viel zu wild, Mädchen. Aber was wollt Ihr? besinnt Euch – Ihr habt heute schon einiges erhalten.«

»Ich weiß es; man muß es Euch lassen, Ihr seid eine gutherzige alte Frau. Nun, ich will Euch sagen – diesmal handelt sich's zwischen uns um Gold.«

»Barmherziger Himmel, Nancy, seid Ihr toll? ich habe kein Gold, nichts als böse Schulden.«

»Schaut einmal her, Mrs. Chopper; betrachtet diesen meinen schäbigen alten Hut. Brauche ich nicht einen neuen?«

»Dann müßt Ihr zu jemand anders gehen, der Euch das Geld dazu giebt«, versetzte Mrs. Chopper mit entschiedener Kälte.

»Redet nicht so vorschnell, Mrs. Chopper; nun, ich will Euch sagen, wie es steht. Als Bill an Bord kam, bat er den Kapitän um einen Vorschuß; der Kapitän hatte es ihm früher abgeschlagen, aber diesmal war er in guter Stimmung und willigte ein. Ich schmeichelte dann Bill einen Sovereign ab, um mir einen neuen Hut zu kaufen; er gab mir das Geld, und ich dachte bei mir, was Ihr für eine gutherzige Seele seid; deshalb beschloß ich, mir keinen neuen Hut zu kaufen und Euch das Geld zu bringen – da ist es, nehmt es hurtig, oder es könnte mich gereuen.«

»Schön, Nancy«, sagte Mrs. Chopper. »Ihr habt recht gehabt; 's hat sich um Gold zwischen uns gehandelt, und ich bin ganz erstaunt. Jetzt will ich Euch wieder borgen.«

»Das dürft Ihr auch, denn nicht jedes hübsche Mädchen macht's wie ich und giebt einen neuen Hut auf. Seht nur diese abgetragene Scharteke!« fügte Nancy bei, indem sie ihren Hut mit einem Fußstoß in die Luft schleuderte.

»Ich wollte, ich hätte ein Goldstück wegzugeben«, sagte Joey zu Mrs. Chopper. »Wäre ich lieber wegen der Kleider still gewesen!«

»Du kannst mit Deinem Gelde anfangen, was Du willst, mein Lieber«, versetzte die Bumbootfrau.

»Dann, Nancy, will ich Euch eine Guinee geben, daß Ihr Euch einen neuen Hut kaufen könnt«, sagte Joey, indem er in seine Tasche griff und ihr das Geld in die Hand drückte.

Nancy sah zuerst das Goldstück und dann Joey an.

»Gott behüte Dich, Knabe«, sagte sie endlich, indem sie ihn auf die Stirne küßte; »er hat ein gutes Herz; möge ihn die Welt besser behandeln, als sie bei mir gethan hat! Da nimm Dein Gold zurück; jeder Hut ist gut genug für eine, wie ich bin.«

Mit diesen Worten wandte sie sich hastig ab und eilte die Treppe hinunter.


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