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XIII.
Wie Giglio vor dem König erschien und welche Worte für und wider seine gute Sache gesprochen wurden.

Giglio begab sich nicht unmittelbar zum König.

Aus Furcht, gesehen zu werden, wenn er durch das Hauptthor das Haus beträte, schlüpfte er durch ein Fenster in den Stall; im Vorbeikommen streichelte er die Nüstern des kleinen Zebra Himeros, welches darüber befriedigt wieherte. Und weil das arme Thier unruhig vor der leeren Raufe stampfte, nahm Giglio ganz einfach das frische Stroh, mit welchem man die Raufe Kosmons gefüllt hatte und legte es von links nach rechts.

Dieser Kosmon erbitterte ihn; die Ehre, einem Hugenotten-Reiter anzugehören, mußte er diesen Abend theuer bezahlen. Der kleine Page begnügte sich nicht damit, ihm seine Nahrung wegzunehmen, er ergriff eine große Wollschere und schnitt ihm alle Haare vom Schweife weg, so daß nichts als ein erbärmlicher Stumpf übrig blieb. Dann brannte er der alten Schindmähre die Ziffer 1572 auf das schäbige Fell, weil er hoffte, daß der Groß-Eunuch in dieser Ziffer Hohn, Schimpf und Drohung zugleich erblicken werde.

Zufrieden mit dem Brandmal, mit welchem er das lebendige Piedestal des Herrn Nixis geschmückt, folgte Giglio dem langen Korridor, welcher zur Brodkammer führte.

Wie Rosine es ihm gesagt hatte, war die unglückliche Diana mit der Puderquaste in diesem mehlreichen Gefängnisse eingeschlossen. Er kannte sie nicht, denn aus Gründen, welche nicht erst erklärt werden müssen, war den Pagen gewöhnlich nicht gestattet, ihren Thee bei den Königinnen zu nehmen. Aber kaum daß er sie bei dem schwachen Scheine der Kerze bemerkte, beklagte er, ihr nicht vorgestellt worden zu sein, ehe sie in den Harem eintrat. Diana wußte nicht, daß hinter den Fensterscheiben zwei glühende Augen sie betrachten, und so hatte sie in der Kammer eine Stellung angenommen, welche ganz ungezwungen ihre so eigenthümlichen Schönheiten entfaltete. Sie ruhte nach orientalischer Art, die Hände hinter dem Nacken, den Rücken auf Pölstern, und – ohne Zweifel, um nach dem heißen Tage frische Luft zu genießen, – hatte sie ihre Beine in der Form eines verschobenen Quadrats, mit den Sohlen gegen einander gelegt. Giglio, obwohl noch von frischen Erinnerungen erfüllt, empfand augenblicklich neue Begierden, und er zog sich zurück, weniger um dieselben augenblicklich zu beschwichtigen, als im Gegentheil, um über die Möglichkeit eines sofortigen und dauernden Erfolges nachzudenken.

Lächelnd und so ruhig, als wenn nicht alle Waffen der königlichen Macht seit einer Stunde auf ihn gerichtet wären, trat er – ohne anzuklopfen – in den Speisesaal, wo Pausol, noch zitternd vor Aufregung, ein schlechtes Diner beendigte.

– Wie, Du bist da? sagte der König. Du wagtest zurückzukommen?

Nixis, der am äußersten Ende der Tafel sein Essen knabberte, stürzte zur Thüre, um sie zu verriegeln; doch Giglio, der seine Absicht merkte, ging selbst hin, verschloß die Thüre und überreichte dem Minister den Schlüssel.

– Hier, mein Herr.

Pausol hatte sich erhoben, stützte sich mit einer Hand auf das Tafeltuch und erhob die andere mit einer anklagenden Geberde.

– Du bist da? wiederholte er. Wahrhaftig, Deine Frechheit übersteigt noch Deine Verbrechen. Du lässest mich eine unsinnige Reise unternehmen; Du lockst mich aus meinem Palaste, um mich in diesen Pachthof zu werfen und Du verlässest mich sechs Stunden, ohne Garden, ohne Stütze, ohne Rath, inmitten einer Revolution! Du stellst eine Wahnsinnige zu meinem Bette, Du ermordest eine Bäuerin, Du plünderst den Meierhof, Du treibst meine Soldaten zur Unzucht, um mich der Wuth der Menge auszuliefern, den tollen Anschlägen eines Weibes, welches vielleicht abermals durch Deine Schuld dem Harem entkommen ist, und am Schlusse dieses abscheulichen Tages voll Plünderung, Mordthaten und Majestäts-Verbrechen erscheinst Du da mit Deinem Barret in der Hand und einem bösen Lächeln auf den Lippen? Hofftest Du denn, mich nicht mehr lebend anzutreffen?

– Sire, erwiderte Giglio, ich will zunächst mich nicht beeilen, meine Unschuld zu beweisen, denn es handelt sich nicht um mich, sondern um Euch und um Euer Wohlergehen, welches mir hundertmal theurer ist als mein eigenes Heil.

Pausol fiel in seinen Sessel zurück.

Mit einer respektvollen, ruhigen Stimme fuhr der Page folgendermaßen fort:

– Das lebhafteste Verlangen Eurer Majestät in diesem Augenblicke ist die Nachtruhe. Jener Herr scheint sich mit dieser höchst wichtigen Frage nicht beschäftigt zu haben. Ich hingegen habe heute die Ehre gehabt, im benachbarten Schlosse geräumige Gemächer vorbereiten zu lassen, welche mit dichten Vorhängen und breiten Betten versehen sind, in allen Stücken würdig, den König zu empfangen.

Von der Stirne Pausol's verschwand zuerst eine Runzel, dann eine zweite.

– Ferner kann Ew. Majestät unmöglich vergessen, daß Sie diesen Spaziergang zu dem Zwecke unternommen haben, die Prinzessin Aline aufzufinden und in das Schloß zurückzuführen. In dieser hochbedeutsamen Angelegenheit besaßen wir nur zwei höchst unbestimmte Andeutungen. Ihre Hoheit ist – von einem Olivengehölz kommend – im Gasthofe »zum Hahn« erkannt worden. Ich habe die vierzig Garden nach dem Olivengehölz gesendet, um dort, wenn möglich, noch andere Anzeichen zu finden. Ich selbst habe – das Geheimniß völlig wahrend – im Inneren des Gasthofes die Untersuchung geführt. Die Prinzessin hat den Gasthof schon verlassen, aber ich bringe von dort die werthvollsten Nachweisungen, sogar einen eigenhändig geschriebenen Brief. Hier ist er.

Er öffnete seine Tasche und holte daraus einen Brief hervor, welchen er vor den König hinlegte, dessen Haltung sich immer mehr änderte.

– Ich glaubte die Garden entfernen zu dürfen, fuhr er fort, denn Ew. Majestät verlangt niemals nach ihnen und bedarf ihrer niemals, so sehr sind Sie vom Volke geliebt. Wenn es heute Ärgerniß und Lärm gegeben, so war es, weil der Herr Groß-Eunuch, dessen einzige Aufgabe die war, die Ordnung im Harem zu sichern, ohne Zweifel schlecht seine Verfügungen getroffen hat, da es einer der Königinnen gelungen ist, in einer ganz und gar nicht geheimen Weise zu entfliehen, um hier nicht nur einen Aufruhr, sondern auch allerlei Gerede zu verursachen.

– Herr! schrie Nixis, ich fordere Sie auf zu beweisen …

– Ruhig, ruhig, lassen Sie ihn reden, sprach Pausol. Der kleine Page vertheidigt sich gegen eine schwere Anklage. Er erklärt sich gar nicht übel. Ich will ihn anhören. Sie werden dann antworten. Das ist das Recht der öffentlichen Anklage; Ihre Pflicht aber ist, die Argumente der Vertheidigung zu hören, besonders, wenn die Vertheidigung sich mit Mäßigung und Offenheit ausspricht.

– Ich habe nichts mehr zu sagen, schloß Giglio, es wäre denn, daß Ew. Majestät mich über die Einzelheiten meiner Untersuchung befragen wollten.

– Nein, sagte Pausol: wir werden morgen sehen.

– Und der Mord? beharrte Nixis heftig. Er hütet sich, davon zu reden. Eine Milchmagd Namens Thierrette ist in ihrer Kammer bei Sonnenuntergang von der Hand dieses Pagen erwürgt worden.

– Das ist wenig wahrscheinlich – sprach Giglio, denn um neun Uhr Abends befand sie sich noch sehr wohl. In diesem Augenblick ist sie im Olivengehölz und die Garden (Ihre Garden, Nixis!) lassen von ihr während der Pausen der Nachforschungen ihre Begierden stillen.

– Meine Garden? Welche Verdächtigung!

– Gehen Sie hin, Sie werden erbaut werden.

– Das kann nicht sein!

– Meine Garden sind verheirathet.

– Heute Abend sind sie es doppelt.

– Sie bezwingen das Fleisch.

– Ich sage nichts Anderes.

– Das ist ein niedriger Scherz.

– So wie Ihr Verhalten.

– Aber das Blut? das vergossene Blut? Das Blut, welches noch das Lager des Opfers besudelt?

– Der König hat Ihnen heute Morgens gesagt, Nixis, daß in Tryphema kein anderes Blut vergossen wird, als das wollüstige Blut der Jungfrauen oder dasjenige der Hühnchen.

Und da der König mit einem plötzlichen und lauten Gelächter die Waffen streckte, schloß Giglio, die Blicke senkend, mit den Worten:

– Sind wir nicht auf einem Pachthofe? Es muß ein Hühnchen gewesen sein.

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