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II.
König Pausol, nicht zufrieden einen Entschluß gefaßt zu haben, geht so weit, ihn auszuführen.

Nixis und Giglio mit einander allein lassend, begab sich König Pausol in seine Privatgemächer, wo ihn die Königin Denyse erwartete, dieselbe, die ihm gerathen hatte, einen Brief an den heiligen Antonius zu schreiben, um die weiße Aline wieder zu finden.

Die arme Königin konnte trotz aller Sorgfalt, die sie verwendete, unter der Crême und dem Reispulver nur unvollkommen vier parallele Kratzwunden verbergen, welche ihre linke Brust zerrissen.

Sie erzählte dem König ihr Mißgeschick.

Diana mit der Puderquaste, nach ihrem einsamen Erwachen in den Harem zurückgeführt, war auf einem Divan von einem Anfall von Verzweiflung und Schluchzen ergriffen worden. Von schlechten Freundinnen umgeben, erbittert durch ihre höhnischen Späße über ihr seltsames Physikum und über ihre lächerliche Leidenschaft, hatte sie sich in Thränen gebadet aufgerichtet, Bitterkeit im Munde und die Hände zu Krallen eingebogen. Und anstatt über Jene herzufallen, die einen Tanz um die Weinende aufführten, halte sie in dem ganzen großen Saal die sanfte Denyse gesucht, um ihr die Brust zu zerfleischen und sich so dafür zu rächen, das; sie ihr den Platz überlassen mußte.

König Pausol hörte diese Erzählung mit ziemlich zerstreuter Aufmerksamkeit. Er hatte diese Königin Denyse mit einem Dutzend anderer Mädchen erhalten, welche eine loyale Stadt ihm zum Geschenke gemacht hatte. Und wenn er sie nicht zu ihrer Mutter zurückgeschickt hatte, so geschah es nur, weil ein Gefühl des Mitleides ihn zurückhielt, einem jungen Mädchen vor ihren Gefährtinnen eine solche Schmach anzuthun, aber er liebte sie nicht, er fand sie unbedeutend und prüde, einigermaßen linkisch. Um an ihrer Person die Regeln des Harems und die Grundsätze der Wohlanständigkeit zu vereinigen, hatte Denyse die Gewohnheit angenommen, eine kleine Schürze zu tragen, welche ihr eine Ähnlichkeit mit einer Wilden verlieh und welche übrigens, zu kurz und ungenügend befestigt, ein Resultat hervorbrachte, welches ihrer Bestimmung gerade entgegengesetzt war. König Pausol, der ebenfalls seine Grundsätze hatte, begünstigte das Nackte, tadelte jedoch das Halbnackte. Das Kostüm der Königin Denyse schien ihm anstößig und albern.

Er dinirte sehr spät und ging dann auf die Terrasse, um über die ernste Sache nachzudenken, zu welcher er sich entschlossen hatte; dann, als die Mitternachtstunde gekommen war, bemerkte er seiner frommen Gefährtin, daß der Pfingstsamstag da sei und daß er nicht an einem so heiligen Tage sie in den Pfuhl der Wollust mit sich reißen wolle.

Nach diesen Worten sandte er sie in den Harem zurück, damit Diana mit der Puderquaste getröstet sei.

Am nächsten Morgen ging die Sonne über einen dreifach feierlichen Tag auf. Pausol betrachtete die Wände seines Zimmers, die Teppiche, die Nippsachen, die so traulichen Bilder, und er dachte fröstelnd daran, daß er am Abend dieses Tages alldies nicht sehen werde … Unter der Erregung des ersten Erwachens, welches fast wie ein schlimmer Traum ist, hatte er ein Vorgefühl von allen den Ärgernissen, welche an den Straßenecken die Abenteuersucher erwarten.

Sein Haus war ein Haus des Friedens, der Ruhe, des stillen Glückes und der gleichmäßigen Stunden. Welche Verirrung drängte ihn, alle die lieblichen Schätze zu verlassen? In einer frommen Erinnerung tauchten die Verse einer traurigen Idylle Lafontaine's in seinem träumerischen Gedächtnisse auf und König Pausol sah sich in der symbolischen Form eines kleinen entfiederten Täubchens jämmerlich zu Grunde gehen.

Doch dieser Eindruck währte nicht lange.

Ein strahlender Morgen erfüllte das Gemach. Die neue Kammerfrau, die seither muthiger geworden, sprach mit frischer, eifriger Stimme, brachte Nachrichten, die man von ihr nicht verlangte und wagte es sogar, Fragen zu stellen. Se. Majestät würde heute schönes Wetter haben, meinte sie. Der Wind käme von Norden her; es habe ein wenig geregnet. Die andere Kammerfrau sei leidend. Die Ärzte sprächen von einer Metritis. Es habe gestern Abends einen lauten Disput zwischen dem Groß-Eunuchen und dem jungen Pagen Giglio gegeben. Und ob Se. Majestät davon wisse?

Pausol, der die Geduld verlor, war nahe daran, ihr zu drohen, daß er ihr durch das ganze Pagencorps dasselbe Schicksal werde zu Theil werden lassen, wie ihrer Freundin; aber da er nicht wußte, ob er ihr damit Schrecken oder Begierde einflößen würde, bat er sie einfach, den Herrn Groß-Eunuchen zu holen und dabei die hierarchische Stufenleiter zu beobachten.

Nach diesem Befehl stieg er vom Bette und schlüpfte in seinen Schlafrock. Nun denn: Giglio hatte Recht. König Pausol zweifelte nicht mehr daran. Der Friede war der Nachbar der Langweile, die Ruhe grenzte an Gedrücktheit, die Gleichmäßigkeit der Stunden war der Melancholie verwandt. Das Zimmer, wenn man es genau betrachtete, war ganz einfach abscheulich. Dieser Horizont, dessen Metamorphosen mit ihrem Farbenwechsel er mit Interesse zu betrachten glaubte, hatte für ihn längst die beschränkte Skala seiner Lichter erschöpft. Nur ein kleinlicher Geist konnte seine Wißbegierde auf die fünfzehn Feigen beschränken, welche auf der Terrasse zu sehen waren und auf die dreißig Aloen der Hecke des Parkes. Es gab noch andere Feigenbäume, noch andere junge Stämme im Königreiche Tryphema. Der Ausflug wird sicherlich reich an unerwarteten Vergnügungen sein.

Der dramatische Eintritt Nixis' unterbrach den König in seinem Nachdenken. Der Hugenott blieb bei der Thüre stehen, als wäre er bereit, wieder hinauszugehen in dem Falle, wenn seine kleine Untersuchung scheitern sollte, und er legte die Spitzen des Zeigefingers und des Daumens zusammen, nicht mit der Bedeutung, welche die atheniensischen Courtisanen dieser kleinen Geste beilegten, sondern um anzuzeigen, daß er sich in Ausdrücken eines Ultimatums erklären wolle.

– Sire, sagte er, eine einzige Frage: Bin ich noch Palast-Marschall?

– Ich verstehe die Frage nicht, erwiderte der König.

– Ich will ganz genau fragen: Bin ich der Chef, der Kollege oder der Untergebene des Pagen Giglio?

König Pausol zuckte mit den Achseln.

– Was für eine Mücke hat Sie wieder gestochen, Nixis? Die Frage ist überhaupt überflüssig. Wir werden in einigen Augenblicken aufbrechen. Ich nehme blos ihn und Sie mit. Ich sehe nicht ein, zu welchem Zwecke ich einem meiner Berather eine höhere Stellung anweisen sollte, als dem anderen, da alle Beide an meiner Seite sind und von meinen Befehlen abhängen.

– Sire, wir werden aufbrechen, aber wir sind noch nicht aufgebrochen. Wie groß auch die Abneigung Ew. Majestät gegen Pomp und Zeremoniel sein mag, so erfordert Ihre Abreise doch gewisse Vorberathungen und Ihre Abwesenheit gewisse Vorsichtsmaßregeln. Der junge Page, um den es sich handelt, behauptet – von einem unnützen Eifer beseelt – daß er sich in Übereinstimmung mit den geheimen Wünschen Ew. Majestät befinde, wenn er alle meine Maßnahmen tadelt und dafür andere in Vorschlag bringt. Ich frage, ob er ermächtigt sei, eine solche Haltung einzunehmen, welche alle meine Handlungen lahmlegt und meine Würde beleidigt?

– Schon wieder ein Konflikt! rief König Pausol. Ich menge mich da nicht ein. Dieser junge Mann hat vor mir gesprochen. Er ist voll Vernunft, er besitzt einen richtigen, aufgeweckten Geist, ich werde mich seiner Rathschläge bedienen. Sie, Nixis, haben ebenfalls Eigenschaften, die man nicht gering achtet. Sie sind unangenehm, aber unentbehrlich und ich will nicht, daß man Ihre Handlungen lahmlege. Trachtet Euren Streit friedlich beizulegen und Euch zu vertragen, ohne daß ich mich einzumengen hätte!

– Das ist unmöglich.

– Und warum?

– Zwischen den Grundsätzen dieses Jünglings und den meinigen, welche Ew. Majestät nach gleichem Maßstabe zu schätzen scheint, gibt es eine absolute Unverträglichkeit. Einer von uns Beiden muß weichen. Ich erwarte von Ew. Majestät den Namen des Geopferten.

Der König rieb ein Zündhölzchen, welches aufflammte, wie der Ausdruck seiner üblen Laune. Er rauchte einige Minuten still und sagte dann:

– Die Sache ist sehr einfach. Ihr werdet abwechselnd den Befehl führen.

– Ach! sagte Nixis trocken.

– Ihr werdet Euch in den Tag theilen. Von Mitternacht bis Mittag werden Sie den Befehl haben, mein Freund. Das sind gerade die Stunden, wo ich Sie nicht sehen werde, Nixis. Sie werden über meinen Schlaf wachen und, wenn nöthig, über meine Vergnügungen. Später, von Mittag bis Mitternacht, wird Ihr Nachfolger im Amte meinen Weg bestimmen und meine Entschließungen inspiriren. So glaube ich eine Lösung gefunden zu haben, welche Niemanden verletzen kann.

Nixis blickte wüthend drein und murmelte:

– Es steht geschrieben: »Mir wird dasselbe Schicksal zu Theil werden, wie dem Thoren. Weshalb war ich ein Weiser?«

Er verneigte sich tief und verließ das Gemach.

Drei Stunden später machte der König seinen ersten Ritt auf der nach seiner Hauptstadt führenden Straße, zwischen seinem Pagen und seinem Hugenotten; voraus ritten vierzig mit Lanzen bewaffnete Reiter, dem königlichen Zuge folgte sehr zahlreiches Gepäck.

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