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IV.
Ein Kapitel, wo die Gegensätze zwischen dem König Pausol und seinen Berathern hervortreten.

Pausol, sein Page und sein Hugenott ritten dicht beisammen zwischen der Escorte und dem Gepäck; sie ritten drei Thiere, welche deutlich genug die Charakter-Gegensätze ihrer Reiter bezeichneten.

Der König, der unter seine leichte Krone einen Schleier von weißem Battist zum Schutze seines Nackens gelegt hatte, saß in einem Sattel, welcher einem Lehnsessel glich; der Sattel hatte eine Lehne, kühlende Kissen, weiche Armlehnen und war von einem Schirm überdacht. Zwei fadendünne metallene Stengel, aus der Ferne unsichtbar, trugen in der Höhe seiner Hände das Scepter und die Weltkugel. Doch die Weltkugel umschloß eine mit Portwein gefüllte Flasche und das Scepter einen Fächer.

Das Maulthier Macario trug dieses leichte Gebäude mit zerstreuter und resignirter Miene, mit derselben Miene, welche König Pausol unter der Bürde der Staatsgeschäfte trug. Macario hatte eine weiße Haut mit mausgrauen Flecken am Kopfe und am Ende des Schweifes. Sein Gang war edel aber langsam. Niemals schlief es weniger als sechzehn Stunden des Tages.

Nixis ritt den schwarzen Kosmon, ein ungarisches Pferd ohne Laster, ohne Tugenden und so dumm, wie nur ein Pferd sein kann. Kosmon hatte weder Race, noch Form. Sein Besitzer schätzte das Pferd dennoch, denn es ging immer den nämlichen Schritt, mißachtete den schmählichen Geruch, welchen der Schweif der jungen Stuten verbreitet und kannte so genau seine Pflicht, daß es geraden Weges in einen Abgrund gegangen wäre, wenn man nicht rechtzeitig die Zügel gewendet hätte.

Giglio hatte in den Ställen des Königs ein junges, feuerrothes Zebra mit weißen Zeichen an den vier Füßen gewählt, welches am Rücken schwarz getigert war und am Vorderkopf einen weißen Stern zeigte. Das Thier hieß Himeros, war sehr lebhaft und launisch. Sein Fell paßte zu dem Kostüm des Pagen und so schienen sie zusammen einen Centaur zu bilden.

– Sehen Sie, Sire, sagte Nixis, indem er auf die Lanzenträger zeigte, sehen Sie, wie exact und wohlgeordnet diese Garde ist. Pferde und Reiter sind alle vom nämlichen Zuschnitt, Lanzen und Helme alle genau nach demselben Maße. Ich kenne das Leben dieser vierzig Leute. Das sind keine Trunkenbolde und auch keine Schürzenjäger. Jeder von ihnen hat eine aus dem Gesichtspunkte der Sittlichkeit geprüfte Bibel im Tornister. Ich habe sie in einer Weise gedrillt, daß, wenn ich jetzt von ihnen verlange, mir einen Bibelvers zu citiren, welcher sie inmitten ihrer gegenwärtigen Aufgabe stärkt und welcher auf die Umstände angewendet werden kann, alle gleichmäßig mir denselben Vers citiren würden: »Laß' mich meine Feinde besiegen, aber bewahre mich vor dem zornigen Menschen!«, wie es geschrieben steht im 18. Psalm.

Giglio richtete sich in den Steigbügeln auf:

– Diese Escorte mit ihren Lanzen ist so dumm wie eine auf der Straße umgestürzte Egge; sie ist weder stark, noch kriegerisch. Diese Leute wissen sich nicht im Sattel zu halten, sie sitzen gerade, aber nach der Art eines Kammerdieners auf einem Sessel, oder einer Laden-Mamsell im Saale eines Restaurants. Sie halten ihre Lanzen wie Kerzen und ihre Zügel wie Servietten. Es genügt, sie von rückwärts zu sehen, um zu begreifen, daß sie unnütz sind und daß sie beim ersten Flintenschuß ausreißen würden, wie mein Zebra, vielleicht weniger leicht als dieses.

– Die armen Leute! sagte König Pausol, wie heiß muß der Helm ihnen machen, und wie schwer muß die Pike zu tragen sein! Warum legen sie bei der Hitze, die wir heute haben, die Wämmser nicht ab? Haben sie wenigstens eine Flasche Rhum und saftige Früchte in ihrem Mantelsack? Nixis, wenn Sie daran vergessen haben, so ist es Ihnen nicht zu verzeihen.

Nixis streckte seine dürre Hand aus:

– Ich gewähre ihnen das Vergnügen der Entbehrung. Das ist eine höhere Freude. Sie wissen, daß es in den Wiesen Bäche gibt, wo man trinken kann und an den Heerstraßen Schänken mit wohlgefüllten Fässern, während sie ausgetrocknete Kehlen und hohle Bäuche haben. Sie genießen die bittere Freude des Durstes. Ich, der ich soeben getrunken habe, beneide sie um ihr Glück, welches ich in doppelter Kasteiung mir versage.

In seinem Sattel sich halb umwendend, betrachtete der König seinen Minister. Er betrachtete ihn genau von den platten, matten Schuhen bis zu seinem sorgfältig gebürsteten Hute von schmierigem Filz. Er prüfte seinen engen Überrock, das Band des Knopfloches und die abgenützten acht Knöpfe. Er bemerkte die viereckigen. Nägel, die platten Nasenflügel, die langen, fettigen Haare, die herabhängenden Lippen.

Dann ließ der König sein Maulthier halten, um es pissen zu lassen und indem er sich in seinem Sattel bequem zurücklehnte, sagte er in nachlässigem Tone:

– Nixis, es ist ein Glück für Sie, daß Sie unentbehrlich sind, denn Sie sind ein abscheulicher Kerl.

Der Morgen ging in einen strahlenden Tag über. Der Schatten der alten Platanen, welche die Straßen einsäumten, ward immer kürzer. Der weiße Straßenstaub legte sich allmälig auf den Rasen der Böschungen. Jenseits der Straßengräben sah man rechts und links die königlichen Gärten mit ihren Baumdickichten, mit ihren Treibhäusern und Blumenbeeten. Man kultivirte hier tausende von seltenen Gattungen und von neuen Varietäten, welche das Genie der Hofgärtner züchtete. Jeden Morgen brachte man in den Harem ganze Garben von thaufeuchten Blumenkränzen, Palmen und Laubgewinden. Jede Königin fand bei ihrem Erwachen ihre Lieblingsblumen in einer langhalsigen Vase an ihrem Bette.

Pausol und seine zwei Berather ritten eben an dem letzten Treibhause vorüber, als die am Giebel dieses Gebäudes angebrachte Uhr die Mittagsstunde schlug.

In demselben Augenblicke trieb der Page sein Zebra an, um sich an die Seite Nixis' zu begeben.

– Herr Groß-Eunuch, sprach er, Sie kennen wohl den Wunsch Sr. Majestät. Es ist die Stunde, wo ich Ihr Amt übernehme. Übergeben Sie mir das Kommando.

– Empfangen Sie es vom König, erwiderte Nixis mürrisch.

– Ich übergebe es dem Kleinen, sprach König Pausol.

Giglio grüßte, ritt wieder vor und schrie der Escorte zu:

– Halt! Halb rechts! Massirt Euch!

Die vierzig Garden führten diese Bewegungen aus.

Der Page, leicht in seinem Sattel sitzend, sprach nun mit lauter Stimme folgendermaßen zu ihnen:

– Kameraden! Dieser Herr, der heute Vormittag kommandirte, hat Euch Instrumente in die Hand gegeben, mit welchen Ihr nichts anzufangen haben werdet. Die Straßen sind sicher, das Land genießt den Frieden, der König ist von seinem Volke geliebt, Ihr werdet niemals Gelegenheit haben. Eure Piken in den breiten Rücken eines Barbaren zu stoßen. Das ist klar. Nun muß aber Alles in der Welt seine Bestimmung haben. Was zu Nichts dient, ist blöd. Ihr werdet daher das Eisen Euerer Waffe in die Spalte dieser Mauer stoßen und so lange darauf drücken, bis der Schaft knapp am Eisen abbricht.

– Sire, aber Sire! flehte Nixis.

– Lasset ihn gewähren, sagte Pausol, es ist sehr gut erdacht.

Die vierzig Garden thaten wie ihnen geheißen.

– Behaltet die Lanzenschäfte, sagte Giglio und nun folget mir.

Sie drangen in den Blumengarten ein.

Der Page durcheilte die Alleen, besichtigte die Baumdickichte, drang in die Treibhäuser ein. Er ließ sich von den Gärtnern die langstieligen Blumen zeigen, Iris, Anthurium, Lilien verschiedener Gattung und blieb schließlich vor den Riesentulpen stehen.

– Da ist, was wir brauchen, sagte er. Jeder von Euch befestige eine solche Tulpe an der Spitze seines Lanzenschaftes und trage sie auf den Heerstraßen mit demselben Respekt, als ob es eine Fahne wäre.

Dann reichte er dem König Pausol eine Rose und Nixis eine Spinne. Für sich selbst wählte er eine weiße Orchidee, welche, wie er meinte, einem gewissen Detail eines kleinen Mädchens glich.

Und nun nahm die ganze Truppe ihren Marsch auf der weißen Straße wieder auf.

– Das ist wunderbar, sagte Pausol; aber diese Leute hatten Durst und ich glaube, daß sie nicht getrunken haben.

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