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Er entdeckte eine neue Edith Cortright, die überraschend kraftvoll und rüstig war, sobald sie einmal die kleinen Korrektheiten Venedigs hinter sich hatte. Sie vertauschte ihre schwarzen Kleider mit einer leinenen Matrosenbluse und einem kurzen Rock; sie zeigte ihre Begabungen zum Schwimmen, Segeln, Tennisspielen und Haushalten. Das Grundstück der Ercoles mit seinem halben Dutzend Villen glich einem kleinen Privatdorf, und Sam war in ein sehr lebhaftes Dorftreiben geraten. Die stets lächelnden italienischen Dienstmädchen kamen jederzeit, ohne Anmeldung, in alle Zimmer – sie brachten ihn in Verlegenheit, indem sie in sein Schlafzimmer kamen, wenn er sich rasierte, sie führten vergnügt den Fischhändler zur Teezeit in den Salon, und zu allen Stunden, unter allen Fenstern, schwatzten und lachten und tratschten und liebelten und sangen sie. Und es waren sehr viele, sie gehörten zu den verschiedenen Villen. Sam entdeckte immer wieder neue Häuschen – halb in die Felsen eingegraben, oder auf dem Dach eines Wagenschuppens, oder rätselhafterweise darunter, mit einer Tür, die wieder zu einem anderen Stockwerk führte – darin wohnten Gärtner, Pförtner und Dienstboten mit ihren Kindern, ihren Ziegen, ihren kleinen Hunden, ihren Kaninchen und den langgesichtigen italienischen Katzen.
Der Baron und die Baronin Ercole mit ihren Freunden – Offizieren, die aus der Kaserne kamen, Marineoffizieren, jungen Universitätsprofessoren – waren nicht weniger munter und zuvorkommend als jede amerikanische Landklubgesellschaft, die stolz auf ihre Gastfreundlichkeit ist. Sie spielten Tennis, sie organisierten kleine Bälle, sie fuhren in Automobilen (mit Entsetzen erregender Geschwindigkeit) zu Festen in fernen Bergdörfern, und an allem mußten Edith und Sam teilnehmen. Zur Hälfte sprachen sie nicht Englisch, aber ihr freundliches Lächeln begrüßte ihn wie einen alten Freund.
Allein machten Edith und Sam Entdeckungsreisen nach Capri und Sorrent und Pompeji, fuhren zum rauchenden Krater des Vesuvs hinauf und gingen durch die Hintergäßchen des alten Neapels, wo eine Straße ganz den Fischen gehört, eine den Gemüsen, eine höchst vergnügt traurigen Grabkränzen aus künstlichen Blumen und Votivbildern, die die Errettung Frommer durch die Vermittlung der Heiligen aus Schiffbruch, von durchgehenden Pferden und herabfallenden Ziegeln abschilderten.
Fran, die behauptet hatte, »das Besichtigen zu verachten«, hatte so viel geredet, so sehr darauf gedrungen, daß er begreife, was gerade im Augenblick den größten Eindruck auf sie machte, daß er während des Reisens schwer zu arbeiten gehabt hatte und nicht zu mehr gekommen war als zu einem Sammeln unzusammenhängender Eindrücke. Edith zeigte eine träge Gleichgültigkeit dagegen, ob ihm etwas gefiel. In ihrer Gesellschaft ließ er seinen Geist nicht arbeiten, und allmählich bekam er einen Begriff von dem wirklichen Italien, lernte er, daß er nicht eine pittoreske Ausstellung, sondern ein normales, eifriges Leben vor sich hatte.
Sie kamen, staubig von Neapel, heim, um in dem riesigen, halbdunklen Zimmer mit der Aussicht auf den Golf Tee zu trinken. Die Nachmittagsglut über Neapel verblaßte zu einem zarten Blau. Das letzte Leuchten in der Landschaft war der Rauch des Vesuvs, ein märchenhaftes Flamingorosa in dem schwindenden Sonnenlicht. Wenn der Golf zu einem dunkelblauen Gewebe mit Silberfäden wurde, leuchteten die Kohlenpfannen in den kleinen Fischerbooten vergnüglich auf. Und im Frieden der Dämmerung war Ediths Stimme still, plagte ihn nicht mit der Forderung, er solle ihre Klugheit und ihre hervorragenden Reize bewundern, sondern versicherte ihm (obwohl sie in Wirklichkeit vielleicht nur von den Ercoles, von Politik oder von Vorspeisen redete), daß es sie glücklich machte, mit ihm zusammen zu sein, daß es ihr Kraft schenkte, ihm Kraft zu geben.
Er war der Meinung, er sei stark und elementar wie der Westwind, und sie klug und gebrechlich, ganz und gar ein Zimmergeschöpf, und so geriet er eines Tages, als sie auf der Steinmauer am Orangenhain saßen, ganz aus der Fassung. Es war eine alte, bröcklige Steinmauer, Eidechsen schossen aus den Spalten hervor, und oben wuchs ein Kissen aus Moos und kleinen Kräutern. Unter ihnen lag ein Häuschen, drei unregelmäßige Stockwerke mit flachen Dächern und Terrassen, die scheinbar nicht zusammengehörten und nur über einzelne verrückte Treppen betreten werden konnten; das Ganze hatte eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einem neumexikanischen Pueblo. Das Wäldchen kletterte von unten bis zur Chaussee hinauf. Orangen- und Zitronenbäume, ein oder zwei kleine Palmen, Maulbeerbäume mit weit ausgestreckten Zweigen. An einer Stelle, wo große Steine zutage traten, war die Erde zwischen den Felsen mühevoll in winzige Weingärtchen verwandelt, ein oder zwei Quadratmeter groß, geschützt von kleinen Steinmauern. Das Wäldchen sprach von Jahrhunderten sorgfältiger und geduldiger Arbeit, und doch war alles unordentlich, der Boden rauh und ungepflegt, die Bäume durcheinander, nirgends gerade Linien.
»Sie haben daran gezweifelt«, sagte Edith, auf der Mauer hockend, »ob ich eine Kanufahrt machen, auf der Erde schlafen könnte. Was halten Sie von diesem Obstgarten?«
»Ich verstehe nicht ganz den Zusammenhang.«
»Was halten Sie davon? Was für einen Eindruck macht er ihnen?«
»Ja, das Obst sieht sehr schön aus, aber es ist alles wie Kraut und Rüben durcheinander, und es ist verflixt heiß hier auf dieser Mauer!«
»Richtig! Nun, der italienische Bauer liebt die Hitze, und er liebt eben den kahlen, gefurchten Boden – die Erde, erdige Erde! Er liebt Erde und Sonne und Wind und Regen. Er ist Mystiker in dem schönsten Sinn dieses übel mißbrauchten Wortes. In dieser Hinsicht ist der Europäer überall der gleiche. Die Tiroler lieben die scharfe Luft der Gletscher, die zackigen Berghänge, die mich fast erschrecken, so über alle Maßen, daß sie in der Fremde vor Heimweh sterben. Der Preuße liebt seine Sandwüste und die traurigen kleinen Kiefern. Der französische Dorfbewohner macht sich nichts aus der Wirklichkeit der Misthaufen und Schmutzpfützen vor seinem Haus. Der englische Landmann liebt seine kahlen Hügel mit den scharfen kleinen Stechginsterbüschen. Sie lieben Erde und Wind und Regen und Sonne. Und das habe ich von ihnen gelernt. Sie zweifeln daran, ob ich auf der Erde schlafen kann! Es würde mir viel mehr Freude machen als Ihnen! Ich bin viel primitiver. Hier haben wir vielleicht Ruinen und Bilder, aber im Grunde sind wir den ewigen Elementen viel näher als ihr Amerikaner. Ihr liebt nicht die Erde, ihr liebt nicht den Wind –«
»Ach, na na! Was ist mit unsern Millionen von Morgen gepflügter Felder? So etwas gibt es nirgends noch einmal. Höchstens vielleicht in Rußland! Was ist mit unsern größten Männern, die die frische Luft aufsuchen und Automobil fahren und Golf spielen –«
»Nein. Eure Farmer wollen von ihren großen Feldern fort in die Stadt, eure Geschäftsleute fahren in geschlossenen Wagen zum Golfklub hinaus und wollen nichts von der nackten Erde wissen, sie wollen die Erde des Golfplatzes, die sauber mit Rasen zugedeckt ist. Und ich – in Ihrer Vorstellung sitze ich immer in einem Salon, aber hier haben Sie mich im Meerwasser planschen und am Strand laufen sehen. Und oft und oft, wenn Sie gemeint haben, daß ich in meinem Zimmer schlafe, bin ich hier in dieses winzige Gärtchen über dem Haus gegangen und habe in der Sonne gelegen, im Wind, habe den Duft der Erde eingesogen und das Leben gesucht! Das ist Europas Stärke – nicht seine sogenannte Kultur, Galerien und gepflegte Stimmen und Sprachenkenntnisse, sondern seine Erdnähe. Und das ist Amerikas Schwäche – nicht seine Lautheit und Grausamkeit und Kino-Vulgarität, sondern daß es Wolkenkratzer aus Stahl und Glas erbaut und wunderbare Fabrikanlagen aus Beton und Glas und gekachelte Küchen und Radioantennen und populäre Magazine herstellt, um sich von der guten Vulgarität der Erde abzuschließen.«
Er dachte darüber nach. Er mußte sich eingestehen, daß er nur das Europa der Häuser gesehen hatte. Von Hotelhallen, Restaurants, Schlafzimmern, Eisenbahncoupés, sogar von Galerien und Kathedralen und ein paar wirklichen Wohnungen wußte er genug. Aber er erkannte, daß er nur wenig von dem Duft der Erde in den verschiedenen Ländern ahnte. Er konnte sich auf die Stephanskirche in Wien besinnen, aber er konnte sich nicht auf die Farben der österreichischen Alpen besinnen, auf den Schall der Bergströme, das wechselnde Aroma der dicht aneinander gedrängten Föhren im Morgengrauen, in der Mittagssonne und in der Abenddämmerung. Er hatte mit spanischen Kellnern geredet, aber er hatte nicht mit spanischen Bauern geschwiegen.
Vielleicht war wirklich er, wie sie sagte, die dekadente und vergängliche Blüte einer gefährdeten Zivilisation, und sie die Wurzel, die nicht zu töten ist; er sah, daß sie mehr wirkliche Lebenskraft hatte, mehr Ausdauer als die lebhafte, aber in einen Glasschrein geschlossene Fran, die Kraft genug zur Freude hatte, unter Leiden aber erschlaffte und klagte. Die Ercoles, Kurt von Obersdorf, Lord Herndon, sie konnten nicht zermalmt werden. In Demut wandte er sich der ewigen Erde zu, und in der Erde fand er Frieden. Er hatte es täglich weniger nötig, »sich rasch mal alles anzusehen«, wie Fran zu sagen pflegte. Er saß viele Stunden mit Edith, oder auch allein, am Golf, betrachtete die wunderbaren Zweige einer Zypresse, entdeckte die Myriaden winziger Wolkenkratzer in einem Moosfleckchen. Und er begann sich danach zu sehnen, eine Farm – mit Edith – daheim zu haben, nicht einen imposanten Herrenbesitz, um gesellschaftliche Ehren damit einzulegen, sondern eine wirkliche Farm, nach Pferden und Vieh und Hühnern riechend, mit Maisfeldern, die in der Mittagssonne glühen. Dieser naive Ehrgeiz erregte ihn mehr, ließ ihn mehr fühlen, daß er ein schöneres Lebensziel hatte, als alle Geschäftspläne, an denen er wieder Selbstachtung gewann … Aber es mußte mit Edith sein … Er mußte ein wenig lächeln bei dem Gedanken, daß er, dieser bäurische Klotz, von ihren schmalen, unirdischen Händen zur Erde zurückgeführt wurde. Edith! Jetzt begriff er die zarten Jungfrauen mit den Sternenaugen besser, vor denen sonnenverbrannte Bauern in italienischen Kapellen sich neigten.
Dann fragte er sich: »Bin ich in Edith verliebt – was dieses Verliebtsein auch heißen mag?«
Er hatte sie niemals auch nur geküßt, nur drei- oder viermal hatte er schüchtern ihre Hand gestreichelt. Manchmal spürte er, daß hinter ihrem Schweigen sich eine ehrliche Leidenschaft verbergen mochte, unverbogen von dem Wunsch zu gefallen, aber er ließ sich in seltsam zufriedener Trägheit weitertreiben, willens, auf eine Eingebung zu warten. Er merkte, daß sie ihm fehlte, wenn sie fort war – jeden Augenblick hatte er einen Gedanken oder eine Beobachtung, die er ihr mitteilen wollte. Aber all das zeigte ihm noch nicht so sehr wie das ständige Wachsen seines Selbstvertrauens, was Edith Cortright für ihn getan hatte.
Er brauchte lange, um zu spüren, daß er Edith, den Ercoles und den verschiedenen gräflichen Hauptleuten und Professoren, die zu ihrem Kreise zählten, vielleicht etwas mehr war als der provinzielle, plumpe Fabrikant aus dem Mittelwesten, den Fran stets bemitleidet hatte. Baron Ercole antwortete nicht mit gelangweilter Geduld, wenn Sam primitive Fragen über den Fascismus stellte. Edith nahm es ihm nicht übel, wenn er brummte, daß ihm der Narziss im Neapeler Museum nicht gefalle.
Sie erwarteten nicht von ihm, daß er eine Autorität sei für Bildhauerei, Chianti, römische Geschichte oder die Grade des italienischen Adels. Und anscheinend erwarteten sie von ihm nicht nur, daß er das sei, was er war, sondern bewunderten ihn auch noch deshalb. Es machte ihn im Anfang verlegen, sogar etwas argwöhnisch, daß die Baronin Ercole ihn als kräftigen Ruderer, angenehmen Gefährten, offenen Erzähler, tüchtigen Finanzmann bewunderte, aber mit jedem Tag sah er mehr, daß es ihr ernst war. In diesem höchst italienischen Italien durfte er, ohne dafür um Entschuldigung bitten zu müssen, höchst amerikanischer Amerikaner bleiben. Jede Zelle in seinem Gesicht, das in den letzten Monaten schlaff und leblos und ungesund rot geworden war, schien sich mit Licht zu füllen, und seine Augen funkelten wie früher, wenn er sich mit seiner Tochter Emily unterhalten hatte.
»Du bist wirklich«, sagten sie ihm alle auf die eine oder andere Weise, und er begann zu jubeln: »Ja, ich bin wirklich!«
Er schlief ruhig und hatte in seinem Schlaf immer das stärkende Bewußtsein, daß Edith unter ihm sei und ihn gegen alle Schrecken schütze. Er erwachte nicht mehr um drei Uhr, um eine Zigarette zu rauchen und Fran nachzugrübeln.
Aber einmal spät in der Nacht glaubte er Fran rufen zu hören, laut, flehend: »Sam – ach, Sam!« und sprang auf, stand schwankend da, voll Entsetzen, als er merkte, daß sie nicht bei ihm war, wohl nie wieder bei ihm sein würde.
Und das anderemal, das er sobald wie möglich vergaß, als Edith in das Zimmer kam, während er schrieb, und er den Kopf hob und lächelte: »Meine Fran!«
Ediths einzige Bemühung, seine provinzielle Art zu korrigieren, bestand in einem freundlichen Drängen: »Gönnen Sie sich doch etwas Freude, Sam. Sie sind der typische Amerikaner, der immer von Schuldbewußtsein gedrückt wird, ganz gleich, was er tut oder nicht tut.«
Dies mochte vielleicht damit zusammenhängen, daß ihn jetzt, wenn er sich mit Edith zeigte, wenn sie mit einem der Freunde der Ercoles speisten oder in das Exzelsior zum Tee gingen, mehr Leute interessiert ansahen als in den Tagen, da er ängstlich bemüht gewesen war, um Frans willen Eindruck zu machen. Es war ihm nicht mehr unangenehm, Fremde kennen zu lernen und ihren Akzent zu hören. Er nahm sie, wie sie kamen.
Und eines Morgens, als er erwachte, lag er da, auf den Golf hinausblickend, und merkte, daß er endgültig und restlos glücklich war.
Er hatte Fran ziemlich viel über Edith geschrieben. Fran war in ihren Antworten höflich. Sie schickte Grüße für »Mrs. Cortright«; und noch höflicher, nahezu überströmend lustig war sie, als sie ihm aus Berlin schrieb, daß sie nun die Scheidung einreiche, deren Erledigung etwa drei Monate in Anspruch nehmen werde. Sie war sehr froh darüber, daß als Scheidungsgrund böswilliges Verlassen galt, womit jeder Skandal vermieden war.
Er erinnerte sich, wie glücklich sie gewesen waren, als sie miteinander nach Chicago gereist waren und er ihr ihre erste Perlenkette geschenkt hatte; wie stolz sie darauf gewesen war und wie dankbar … Dann hatte er ein sonderbares Gefühl der Freiheit.
Als er Edith widerwillig diesen entscheidenden Brief brachte, las sie ihn langsam durch und fragte dann: »Ist es sehr schlimm für Sie?«
»Ja, ein bißchen.«
»Aber es macht doch alles klar, nicht! Und – Hoffentlich nimmt es Ihnen nicht Ihre schöne neue Ruhe!«
»Die werde ich mir nicht nehmen lassen!«
»Aber ich habe gesehen, wie ihre Briefe Ihnen zusetzen!«
»Ja, aber – Hören Sie! Könnten Sie jemals daran denken, in einer Stadt wie Zenith zu leben?«
»Natürlich. Ist der Unterschied zwischen einer Stadt und der anderen so groß?«
»Könnte es Ihnen Freude machen, an einem Plan wie diesen Gartenvorstädten zu arbeiten?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
Eine Stunde später, als sie so getan hatten, als wären sie friedlich damit beschäftigt, zu lesen und Briefe zu schreiben, rief Edith:
»Sam! Wegen Ihrer Vorstädte. Man könnte etwas tun – nicht bloß italienische Villen und schweizer Schlößchen – für eine Stadt mit einer Tradition von Vermonter Yankees und Virginiern in Buckskin. Warum soll man nicht bei der Schaffung einer echten und einheitlich amerikanischen Architektur mithelfen? Unsere Wolkenkratzer sind das erste wirklich Neue in der Architektur seit den gotischen Domen, und vielleicht ebenso schön! Etwas Bodenständiges schaffen – und sich nicht davor scheuen, alle Installationen und Staubsauger und elektrischen Geschirrwaschmaschinen dazuzunehmen! Fort mit den nachgemachten Schlössern. Es ist das Unglück des reichen Amerikaners, daß er sich ungeschliffen und traditionslos vorkommt, und deshalb trottet er nach Europa, um Sonnenuhren und Kamine aus dem fünfzehnten Jahrhundert und Refektoriumstische zu kaufen, um sich Adel zu kaufen, indem er die abgelegten Kleider der Adeligen kauft. Mir gefällt mein Europa in Europa; zu Hause möchte ich die Leute etwas Neues machen sehen. Zum Beispiel Ihre Automobile.«
»Dann würde es Ihnen also in einem Ort wie Zenith, der wächst, gefallen?«
»Wie kann ich das wissen? Auf jeden Fall würde mir das Erlebnis des Versuchs Freude machen.«
Er fühlte, daß ihr Zaudern mehr versprach als Frans Begeisterungsausbrüche. Plötzlich kam eine Schar Ercoles hereingelaufen, um sie zum Schwimmen abzuholen, und weder an diesem Tag noch später wurde von Fran, von Zenith, von ihnen selbst gesprochen. Aber als sie einander gute Nacht wünschten, küßte er ihre Hände, und ihre Blicke ruhten auf ihm.
Sie dinierten bei Bertolini, hoch über Neapel, mit dem Blick bis nach Capri, und er redete von möglichen Plänen: von einem zweistöckigen Reisewagen mit zusammenlegbarem Oberteil, die Seitenwände aus Segelleinwand, damit der Wagen unter Brückenbogen durchkönnte; von einem Reisewagen, der in ein Hausboot verwandelt werden konnte und seinen Schiffskörper zusammengeklappt mit sich führte; von einer Sommerfrische ausschließlich für Kinder, deren Eltern ins Ausland reisten, von einem Dutzend phantastischer, wahrscheinlich ausführbarer Pläne. Es amüsierte sie, ihm zuzuhören, sie machte Verbesserungsvorschläge, und Sam war glücklich und zufrieden.
Aber nach seinem zweiten Kognak spielte das Orchester Stücke aus den Wiener Operetten, die Fran liebte, und er erinnerte sich, wie glücklich er mit Fran anfangs in Berlin gewesen war. Es fiel ihm ein, daß sie eine entsetzte, einsame Verbannte sein würde, wenn Kurt sie im Stich ließe und nicht heiratete; und er sah sie durch die Musik, durch das Dunkel hinter der Musik als trostlose Verirrte fliehen; und während Edith freundlich plauderte, war Sams Herz schwer von Mitleid für das erschrockene und verwirrte Kind Fran, das einst so munter mit ihm gelacht hatte.
Doch als er wieder in der Villa Ercole war, stand er mit Edith auf der Terrasse und sah jenseits der flüsternden Dunkelheit des Golfs den Kegel des Vesuvs mit seiner dünnen Feuerlinie.
»Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen!« sagte Edith mit einem mal, und er wußte ihr Dank dafür, daß sie seine dunklen Gedanken verstand, ohne zu verlangen, daß er sie in noch dunklere Worte hüllte.