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Vierzehntes Kapitel

Sie hatten sich eines Abends auf das linke Ufer gewagt, um das Café Novgorod, das Lieblingslokal der mehr künstlerischen Amerikaner aufzusuchen. Das Café schien Sam weniger zu Paris zu gehören als er selbst … Die französische Straße: Bourgeoisväter, die mit ihren Kindern spazierengehen; dunkeläugige Männer, die mit Mädchen in roten Tüchern scherzen; eine alte Frau, die im Gehen vor sich hinbrummt. Aber hier, im Café Novgorod, unter der Markise, ein Gewirr amerikanischer Stimmen:

»– nehmen Sie einen kleinen Citroën und machen Sie eine Fahrt durch die Normandie –«

»– ein komplettes Menu für sechs Francs, mit ausgezeichnetem Roastbeaf, allerdings ist es wahrscheinlich Pferdefleisch –«

»– daß Elliot Paul der einzige wirklich hervorragende Essayist in –«

Die jungen Amerikaner hier konnten so gut erledigen. Sam hörte, wie sie an den verschiedenen Tischen die kalifornische Landschaft erledigten, die Institution der Ehe, Whistler, den Präsidenten Wilson, zementierte Straßen und den Gebrauch von Ketchup. Er wurde verdrossener als bei der schlimmsten Dinnergesellschaft in London und dachte schon an sein Bett, als eine Stimme ihn unterbrach, die klang, als ob sie von einem Frauenimitator käme.

Lycurgus Watts (er hörte sich aber gern »Jerry« nennen) stand an ihrem Tisch und strahlte sie in zärtlichster Zuneigung an.

Lycurgus (oder Jerry) Watts war der professionelle Amateur Zeniths. Er hatte ein großes Gesicht und war breit wie ein Rollwagenkutscher, hatte dazu aber ein weinerliches, hohes Organ und mußte immer über seine eigenen Witze lachen, die endlos und sehr schlecht waren. Er war angeblich fünfzig Jahre alt, und seinem Aussehen nach konnte er alles zwischen fünfundzwanzig und hundert sein. Er stammte aus einer sogenannten »guten Familie« – auf jeden Fall war es eine wohlhabende Familie. Als er zehn Jahre alt war, war sein Vater gestorben. Bis zu seinem dreiundvierzigsten Lebensjahr hatte er mit seiner verwitweten Mutter zusammen gelebt und Reisen gemacht, und er erzählte aller Welt, sie sei der vornehmste Mensch gewesen, den er je kennengelernt habe. Mit ihr verglichen wären alle jungen Frauen so minderwertig, daß er nie heiraten würde. Dafür aber hatte er eine Anzahl höchst inniger Freundschaften mit Männern, deren Stimmen und Matriolatrie der seinen glichen.

Er reiste viel in Europa und Asien, aber immer wieder kam er zurück zu der Wohnung, die er sich in Zenith hielt. Diese war so überfüllt mit seinen Spitzensammlungen, geschmiedeten Schlüsseln und Oscar-Wilde-Ausgaben, daß kaum noch Platz blieb für seinen echt russischen Samowar und das Bett mit der schwarzgoldenen Decke. Einen großen Teil seiner Zeit in Zenith verbrachte er damit, die Handelsleute zu schmähen, die Seife und Automobile fabrizieren, statt Spitzen zu sammeln, und damit, seine beträchtlichen Einkünfte aus Seifen- und Automobilaktien zu erhöhen. Er arrangierte die erste Ausstellung slawischer Stickerei im Staate, er las Gedichte vor und redete ziemlich viel von der Gründung einer neuen Zeitschrift für die neue Poesie und die neue Prosa.

Jedesmal, wenn Sam Jerry Watts in Zenith traf, hatte er Fran auf dem Heimweg zugebrummt: »Warum haben die Leute nur diese weiße Raupe eingeladen? Mir wird schon schlecht, wenn ich ihn bloß sehe!«

Aber da Jerry Fran immer wieder in drei Sprachen erzählt hatte, daß sie die entzückendste Dame der ganzen Stadt sei, antwortete sie Sam scharf: »Ja, natürlich! Weil Jerry wirklich gebildet ist, weil er Verstand genug hat, eine schöne Muße dem Schuften in einem schmutzigen Bureau vorzuziehen, verachtet ihr noblen Industriekapitäne ihn, so wie vielleicht ein Zuggaul ein schönes Rennpferd verachtet!«

Jerry war von ihr sogar zum Dinner eingeladen worden. Sam hatte es wirklich so weit gebracht, ihn mit einiger Herzlichkeit zu hassen.

Aber in der bedrückenden Fremdheit von Paris wäre jedes bekannte Gesicht eine Freude gewesen, und fünf Minuten lang glaubte Sam froh zu sein, daß er Jerry Watts wiedersehe.

Jerry setzte sich und legte los: »Ich habe Ihnen ja immer gesagt, daß Sie aus diesem fürchterlichen Mittelwesten fort müssen, Fran, und in ein zivilisiertes Land kommen! Finden Sie das Novgorod nicht einfach himmlisch? So entzückende Lümmel! So köstliche Posen! Ach, ich habe gestern abend hier eine ganz entzückende Geschichte gehört! Tommy Troizka – ein ganz entzückender finnischer Junge, ein wunderbarer Aquarellist, er spricht Englisch perfekt, ach, einfach göttlich, also Tommy sagte: ›Das Schlimme an euern amerikanischen Intellektuellen ist, daß die meisten von euch nicht wissen, woran man einen Gentleman erkennt!‹ Ist das nicht köstlich! Ach, Sie werden es himmlisch finden hier in Paris! Meinen Sie nicht, Dodsworth?«

»Ja, schöne Stadt«, brummte Sam.

»Waren Sie schon in Lion d'Or?«

»O ja«, antwortete Fran.

»Haben Sie die Rognons de la maison bei Emil versucht?«

»Ja.

»Und im L'Ane Rouge und im Rendezvous des Mariniers waren Sie natürlich auch schon?«

»Ja.«

»Und im Chemise Sale?«

»Nein, ich glaube nicht –«

»Sie sind nicht im Chemise Sale gewesen? Aber Fran! Du guter Gott! Wissen Sie denn nicht, daß das Chemise Sale das herzigste kleine Restaurant von Paris ist?«

Fran ärgerte sich.

Sie hatte zwar nicht allzuviel übrig für herzige kleine Restaurants oder andere Erscheinungen des heiteren Bohemelebens, aber daß irgendein Bürger Zeniths in Paris mehr kennen sollte als sie, war einfach unerträglich. Sie blinzelte ein wenig, als Jerry seinen Vorteil wahrnahm und rigoros erklärte, es sei gewöhnlich, nach Versailles zu gehen, aber sie müßten die Ausstellung der prismatischen Internisten sehen. Sam hoffte geduldig, daß sie Jerry bald fortschicken würde. Aber sie machte eine freundliche Miene, als Jerry flötete:

»Kennen Sie Endicott Everett Atkins? Er kommt am nächsten Sonnabend nachmittag zu mir – ich habe ein ganz himmlisches kleines Atelier in der Rue des Petits Champs. Sie müssen beide kommen.«

»Aber mit Vergnügen«, sagte Fran zu Sams großer Enttäuschung.

 

In der Autodroschke knurrte Sam: »Wozu willst du dort hingehen? Wer ist Endicott Everett Atkins? Der Name klingt wie der Ruf einer Handelsakademie. Ist das auch so eine Lilie wie Watts?«

»Nein, er ist wirklich jemand. Der Doyen der amerikanischen literarischen Kolonie hier – er schreibt über französische Romanciers und österreichische Bauernmöbel und Correggio und englische Jagden und weiß der Himmel über was noch alles.«

»Aber ich muß doch nicht auch Bauernmöbel studieren?« fragte Sam hoffnungsvoll.

 

Mr. Endicott Everett Atkins stand im Rufe, Ähnlichkeit mit Henry James zu haben. Er besaß den gleichen massiven und ziemlich kahlen Schädel und die gleiche stattliche Würde. Er sprach – und zwar nicht wenig – mit abgemessener Stimme und hatte eine lustige kleine Frau, die ihn angeblich anbetete. Er war auch, zum Segen seiner kritischen Bemühungen, ohne jeden Sinn für Humor, aber er wußte so viele glitzernde Anekdoten, daß man von diesem Fehler viele Stunden lang nichts merkte. Er stammte aus South Biddlesford in Connecticut, und sein Vater, von dem er oft als »einem so reizenden Menschen und so klassischen Bibliophilen« sprach, war ein überaus tüchtiger Hutfabrikant gewesen. Er besaß ein richtiges Haus in Paris mit oben und unten und allem, was dazu gehörte, und sprach im selbstverständlichsten Ton der Welt vom Ambassador.

Er hielt wirklich wider alles Erwarten sein Versprechen und kam zum Tee in Mr. Jerry Watts Atelier – ein Zimmer mit einem wahren Feuerbrand aus spanischen Altardecken, gestickten Chorröcken und Mandarinengewändern. Der einzige ersichtliche Grund, es Atelier zu nennen, war, daß es ein Fenster nach Norden hatte und daß man von Mr. Jerry Watts natürlich keine andere Bezeichnung dafür erwarten konnte. »Wenn ich kein Nordfenster habe, kann ich nicht lieben!« wieherte er Fran zu.

Auf einem großen Refektoriumstisch stand eine große Teekanne, eine kleine Schüssel mit sehr mattem Gebäck und eine ungeheuere Bowle Punsch. Als alles drei Gläser Punsch getrunken hatte, wurde die Unterhaltung sehr lebhaft. Um den Tisch versammelt, schrieen etwa dreißig Menschen durcheinander. Außer Endicott Everett Atkins konnte Sam keinen einzigen im Gedächtnis behalten. Sie alle unterschieden sich für ihn ebenso wenig voneinander wie die einzelnen Moskitos eines Schwarmes, nur machten sie mehr Lärm. Mr. Endicott Everett Atkins hatte nichts Lärmendes. Er hatte eine so markante Ausgeglichenheit, eine entsetzliche, peinliche Christian Science-artige Ausgeglichenheit, daß Sam sich vorkam wie seinerzeit bei dem Professor für griechische Dramatik in Yale.

Mr. Atkins konnte beim Gedanken an besonders erfreuliche und schöne Dinge schnurren – eine griechische Münze, eine javanische Tänzerin, ein Scheck von seinem Verleger – aber unter Menschen stand er still und groß da, wie ein Fesselballon in unbewegter Luft. In der stillsten Ecke des Zimmers sprach er über die italienische Renaissance, die Vorzüge des Parlamentes vor dem Kongreß, über die Zukunft des Anglo-Katholizismus, die Briefe Horace Walpoles und die Vollkommenheit des Anarchismus als Theorie – er hatte tatsächlich im Jahre 1890 als begeisterter junger Reisender einer Anarchistenzusammenkunft in Mailand beigewohnt. Man konnte sich nie merken, was er gesagt hatte, aber man hatte das Gefühl, es wäre etwas unerhört Kluges gewesen, man fuhr sich unbehaglich mit dem Zeigefinger zwischen Kragen und Hals und seufzte: »Er hat einen solchen Schatz von Wissen –«

Mr. Atkins stürzte sich auf Fran, und wenn er sich auf Sam auch nicht gerade stürzte, so tolerierte er ihn wenigstens. Er besah sich Frans leuchtendes Haar, ihre Frische, ihre schlanke Grazie. Er brachte ihr einen Becher Punsch, mit einer Verbeugung, wie Louis XIV. Er gewann Sam, indem er ihm erzählte, er hätte, seinerzeit im Jahre 1885, Doktor Karl Benz, den Vater des Automobils, in Mannheim kennengelernt und auch den ersten pferdelosen Wagen gesehen – es war, sagte Atkins, ein Dreirad mit Drahtspeichen und Kettenantrieb wie ein Fahrrad, einer einfachen Steuerstange und einem Durcheinander von Maschinen unter dem Sitz, das aussah wie eine zerlegte Weckeruhr.

»Das hätte ich gern gesehen!« murmelte Sam. »Wissen Sie vielleicht, wieviel Pferdekräfte er hatte?«

Mr. Endicott Everett Atkins, dessen Glatze im Licht der roten Lampenschirme rosig schimmerte, blickte ihn wohlwollend an und sagte: »Dreieinviertel.«

(Erst sechzig Stunden später, als er in der Morgendämmerung wach lag, merkte Sam, daß Atkins nicht die geringste Ahnung von den Pferdekräften des Benz gehabt hatte.)

 

In Gegenwart von Männern taute Mr. Endicott Everett Atkins selten auf, aber in der Gesellschaft schöner, schlanker Frauen konnte er nahezu menschlich werden. Er gab Fran zu verstehen, daß es nicht mehr als eine Kaschemmenlaune von ihm sei, in das Atelier von Mr. Lycurgus Watts zu kommen – gewöhnlich bewege er sich nur in den höchsten Kreisen, unter den liebreizendsten Damen, den witzigsten und wackersten Männern, den seltensten Erstausgaben, und er könne es nicht erwarten, sie da überall einzuführen.

Sie war begeistert.

Er erzählte ihr die köstliche Anekdote, die er von André Sorchon gehört hatte, dem sie von E. V. Lucas überkommen war, der sie von Henry James hatte, der sie wiederum direkt von Swinburne hatte. Er erzählte ihr, daß ihr Gatte (Mr. Samuel Dodsworth) eine unglaubliche Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Duc de Malmaison habe, daß sie aber weitaus hübscher sei als die Duchesse. Er erzählte ihr, daß ihr aschblondes Haar auf erstaunliche Weise dem von Madame Zelie du Strom gleiche, der schwedischen Tragödin, die, woran Mr. Atkins nicht im mindesten zweifelte, größer war als die Bernhardt, die Duse und die Mdjeska zusammen –

Sam lehnte sich zurück, wie er es so oft bei Direktionssitzungen getan hatte, froh, die anderen reden zu lassen, wenn man ihm das Denken überließ, und versuchte Mr. Endicott Everett Atkins hinter die Schliche zu kommen.

»Der Bursche weiß eine ganze Menge. Na, mindestens hat er viel gelesen. Und wenn er nicht so viel gelesen hat, hat er sich alles gemerkt, was er gelesen hat. Jetzt macht er Fran den Hof – erzählt ihr, was für ein Wunder sie ist – und sie schleckt es auf. Wohl bekomm's! Sie soll sich nur austoben – solang es nicht gefährlicher ist als mit dem alten Atkins! Ob ich in fünfzehn Jahren auch so eine vertrocknete Blase bin wie er? Wenn ich's bin, zieh ich mich in eine Blockhütte zurück und baue Mais!«

 

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen«, ächzte Mr. Endicott Everett Atkins Fran zu, »welch überaus große Bewunderung mir Ihre Weisheit abnötigt, Europa mit so viel Muße und Bequemlichkeit zu durchreisen. Vielleicht wissen Sie nicht einmal recht, daß Sie eine patriotische Pflicht an Amerika erfüllen, indem Sie Europa zeigen, daß wir so ausgeglichene, köstliche Geschöpfe haben wie Sie – wenn Sie einem alten Bücherwurm erlauben wollen, so zu Ihnen zu sprechen – Geschöpfe wie Sie und nicht nur diese fürchterlichen Touristenweiber – ach, diese entsetzlichen, lärmenden Frauen mit ihren schrillen Stimmen und völligen Unkenntnis aller Manieren – diese scheußlichen amerikanischen Bars suchen sie auf, und in den fürchterlichsten Lokalen tanzen sie –«

 

»Warum sollen die Touristenweiber nicht auf dem Montmartre tanzen?« dachte Sam. »Meint Atkins denn, daß die hübsche Einkäuferin aus Detroit herkommt, damit er zufrieden mit ihr ist? Der amerikanische Intellektuelle im Ausland ist genau so wie der Puritaner zu Hause – der Puritaner sagt, wenn man überhaupt etwas trinkt, wird er einen verdammen, und der Expatriierte hier sagt, wenn man etwas anderes trinkt als Château Haut Was-weiß-ich, in der genau richtigen Temperatur, wird er einen verdammen, und –

Im Juni will ich hinüberfahren zu meinem Abituriententag! Der dreißigste Abituriententag! Bin ich schon so alt?

Dann werde ich Tub wiedersehen und Poodle Smith und Bill Dyers und – Na, wie hat denn der große Kerl mit dem roten Haar geheißen, der Zentrum gespielt hat? Florey – Floreau – Flaherty? Famoser Kerl!

Und Atkins redet weiter. Ich sollte lieber zuhören und so viel Weisheit aufschnappen, wie ich kann, denn ich glaube, unsere ›Europareise mit Muße und Bequemlichkeit‹ geht ihrem Ende zu!«

 

»– obwohl ich fürchte, Mrs. Dodsworth, daß Sie unser Haus zu langweilig und gelehrt finden werden. Schöne Menschen wie Sie stehen über Gelehrsamkeit und Büchern. Sie sollten nie etwas lesen – Sie sollten nichts tun, als leben. Sie sollten so unzerstörbar da sein, wie eine griechische Insel, in Sonnenschein gebadet, inmitten des weinfarbenen Meeres. Aber es wird uns ein großes Vergnügen sein, wenn Sie mit Ihrem Herrn Gemahl am nächsten Sonntag zum Lunch kommen, wenigstens werde ich Ihnen ein oder zwei Intaglios zeigen können –«

 

Bei Atkins' Lunch am Sonntag lernte Sam Madame Maravigliarsi kennen, seine erste Fürstin. Zunächst allerdings wußte er nicht, daß es eine Fürstin war; er hielt sie sogar für irgendeine nette, kleine arme Verwandte. Aber Atkins verriet in einem dramatischen Flüstern ihre Fürstlichkeit, die Sam genau so imponierte wie jedem anderen braven demokratischen Amerikaner.

Und sie war, wie Fran behutsam ermittelte, eine gute, wirklich vornehme Fürstin, nur zu einem Viertel amerikanisch.

Beim Lunch in dem hohen kalten Zimmer mit den venetianischen Gläsern und der schönen Platobüste saß Sam neben ihr, und während er eifrig demonstrierte, daß er von keiner falschen Demut besessen sei, strahlte der Junge, der »Ivanhoe« und Shakespeare und Tennyson gelesen hatte: »Ich sitze neben einer Fürstin!«

Die Fürstin erzählte, was sie zu Mussolini, und was seine Eminenz der Sekretär des Papstes zu ihr gesagt habe, und zehn Minuten lang sehnte Sam sich danach, die Berühmtheiten dieser Welt zu kennen. Es fiel ihm etwas ein – was war es denn nur? – das Fran ihm gesagt hatte – jedenfalls kam es darauf hinaus, daß er mit seinem würdevollen Auftreten und seinen Erfahrungen vielleicht Botschafter werden und die intime Bekanntschaft dieser Leute machen könnte, die etwas zu Mussolini gesagt und mit Eminenzen gesprochen hatten –

Aber er hatte bald genug vom Geplauder der Fürstin Maravigliarsi. Es sei so wichtig für ihn, Trouville und Biarritz zu sehen; so wichtig, die Bolschewisten wirklich zu hassen; so wichtig, zum Tee zu Lady Ingraham zu gehen.

Er hatte Angst vor diesen neuen Verpflichtungen.

»Soviel ich sehen kann«, dachte er bekümmert, »besteht das Reisen darin, daß man immer wieder etwas Neues findet, das man tun muß, wenn man eine angenehme Persönlichkeit werden will.«

Fran war sehr höflich zu Madame Maravigliarsi, mit einer gewissen Kälte, die Sam verriet, daß es einen tiefen Eindruck auf sie machte, mit einer lebendigen Fürstin zusammen zu sein. Aber die meiste Aufmerksamkeit widmete sie einer gewissen Madame de Pénable. Das war eine etwas rundliche Frau mit rotem Haar und weißem Teint, deren Spezialität es zu sein schien, daß sie in allen Ländern alle Menschen kannte, die Einfluß hatten. Die Dodsworths kamen nie dahinter, ob sie in Polen, Nebraska, Afrika, der Dordogne oder Ungarn geboren war. Sie kamen nie dahinter, wer Monsieur Pénable war, wenn es jemals einen solchen gegeben haben sollte. Sie kamen nie dahinter, ob sie der Handelswelt angehörte, von Alimenten lebte oder eine Familienrente besaß. Sam hatte den Argwohn, sie sei eine internationale Spionin. Sie war eine hübsche Frau und sehr klug. Sie sprach ununterbrochen über sich und erzählte nie etwas von sich. Sie sprach Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch perfekt, und in Restaurants redete sie mit Kellnern, die ebenso rätselhaft waren wie sie selbst, Sprachen, die Russisch, Lancashire oder Neugriechisch sein mochten.

Anscheinend wünschte sie die Dodsworths zur Vergrößerung ihres Kreises. Sam hörte, wie sie Fran und ihn aufforderte, mit ihr in der Ermitage zu lunchen.

»Fran ist gestartet«, seufzte er. »Endlich werden wir heiter und kosmopolitisch werden! Ob ich Tub im Pokern mehr abgewinnen kann, jetzt wo ich den Stil meines Spiels durch europäische Kultur vervollkommnet habe?«


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