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XXI.

Die Netze von Blei und Gold strickten sich neu. In der verlassenen Öde lag das gute Beispiel, die rauhe herzliche Kraft des Bauern, der mich der Freude nutzlos wiedergewonnen hatte, nicht ganz brach. Ich war ein Blinder und ein Pilger gewesen. Ich hatte mit meinem Stock die Erde geschlagen; süße herrliche Quellen waren entsprungen, und doch war ich jetzt wie ehedem, da ich die Lehre des schlichten Bauern in mich nicht aufgenommen hatte. Die Erde, das Symbol der großen fruchtbaren Liebe war vergessen. Meine geduldigen wachsamen Haie tauchten, von dem Geruch der Beute angezogen, aus dem Kielwasser hervor. Ich wurde um so unverbesserlicher und reuelos. Stumpfsinn, Mattigkeit, tötlicher Kummer waren aufs neue das Lager des Abgefallenen. Langsam begriff ich die Rechte, die unser Versöhnungsvertrag an Aude übertragen hatte: »Erinnere dich in der Folge …« Dieses kalte berechnende Herz sicherte sich so ein Verteidigungsmittel, das meinen Aufstand gebunden halten sollte.

Noch hielt sie meine Lüste wie eine gekoppelte Meute zusammen. Unsere Freuden wurden jetzt nur nach weisen Pausen, die den Durst nach ihnen heftiger machten, losgelassen, vielleicht bezweckte diese Taktik, die meine Kräfte sparte, zugleich den Ekel meiner Seele zu mäßigen. Sie sagte mir einst seltsam heiter: »Sollen wir uns nicht an den Gedanken gewöhnen, daß man zu zweien leben kann, auch, ohne zu Bett zu gehen? Du selbst, Viellieber, hast mir, als du zurückkamst, treue Freundschaft angekündigt.« Ihre Augen blieben undurchdringlich; sie schien gesprochen zu haben, wie sie dachte. Doch ich täuschte mich nicht. Sie verhöhnte nur die edle Liebe. Ich fühlte mich von ihrem heimlichen Hohn geplündert und darbend wie ein Armer, der einem unsinnigen Glück nachgejagt hat.

Geheuchelte Milde, gespielte Freundlichkeit machten, dank unserem Entgegenkommens, unsere Tage eine zeitlang erträglich. Es gab Stunden, wo ich leichtgläubig die Möglichkeit eines aus langmütigen Schein gebauten Lebens annahm. Niemals waren wir so nahe der Geradheit erschienen; sie lebte nur in unserm Haß. Wir betrachteten einander mit heuchlerisch nachgiebigen Mienen, deren Häßlichkeit unseren klaren Blick abgestoßen hätte, wenn wir nicht die Verstellung zum Grundsatz unseres gemeinsamen Lebens gemacht hätten. Ich vermied es, ihren Absichten nachzugehen, ich wagte gar nicht, mein eigenes Entgegenkommen zu prüfen. Ich litt nicht mehr; ich fand in meinem Doppelleben eine Beruhigung, die es zu Zeiten meiner aufrichtigen Irrungen nicht gegeben hatte. Ich war glücklich, wenn man einen vegetativen Zustand von Geist und Körper ohne Gewissensbisse so nennen darf. Mir waren wenigstens die ärgerlichen Streitigkeiten, der peinliche Kampf meines Innern erspart. Ich gehorchte ohne viel Gedanken den Antrieben des Außen; was ich geopfert hatte, zerknirschte mich nicht mehr. Ich sank so tief, daß ich alle meine guten Engel vergaß. Ich wußte in meiner elenden betäubten Ruhe kaum mehr, daß ich Aude gehaßt hatte. Ein schmerzloses Sichgewöhnen folgte auf die vergebliche Aufregung.


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