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XIII.

Ich überraschte mich, wie ich mich, ohne irgendwelche Wollustgedanken, in ihre glanzvollen, nur ihr selbst dunkeln Bewegungen vertiefte. Jede derselben hatte ihren ewigen Schicksalssinn. Sie ließen mich auf seltsame Vermutungen vergangener Zeiten kommen. Ihre Ahninnen mußten den gedrückten, triebhaften Schädel der Bajaderen und der ungebildeten Mägde, diese gebogene Stirne beschränkter, zur Begattung dienender Arten gehabt haben. Dennoch bezeichnete eine stolze, königliche Bewegung, mit der sie ihre schweren Haarflechten gleich einem Vliese nach rückwärts schob, die Herrschaft und die Erobernde. Sie kreuzte oft oder erhob wie Ketten oder Wasserfäden die Hände mit einer hinterlistigen Plastik, deren demütige oder müde Bewegung den rauhen Gebieter anflehte und unterjochte. Ihr ernster, langsamer und vorbedachter Gang unterschied sich von dem Hüpfen, dem tänzelnden Erschleichen der gezierten Fräulein; er erinnerte vielmehr an auf der Bühne listig herankommende Schauspieler oder an müde Bäuerinnen nach der Ernte, an Nonnen, die ins Refektorium ziehen. Sie liebte Pelzwerk und Metall, träges sich auf Teppichen Räkeln, sowie, die Füße in den Händen, zu hocken. Sie kam mit schweren, goldenen Spangen an den Armen, unbewußten Erinnerungszeichen an die ehemalige Knechtschaft, zu mir. Und ihr Leib duftete nach Nelken und Safran. Sie vergnügte sich damit, Rosen- und Nelkenblätter in einem roten Blutbad zu zerfetzen, mit denen sie dann ihre Brust oder das Bettuch, darauf sie sich legte, bestreute. Und zum Schluß raffte sie die Blätter mit beiden Händen auf und vergrub sie mit wilder Sinnlichkeit hinter ihren bebenden Nasenflügeln.

Ich bewunderte diese Schöne auch, wenn sie mit einer katzenhaften Geschmeidigkeit ihres Rückens den Leib wandte, immer als hätte sie etwas auf dem Wege verloren, oder als spähte sie nach einer Gefahr oder nach dem Liebsten aus. Ein jedes Weib kennt, mag sie es nun über eine Quelle gebeugt oder vor einem Spiegel gelernt haben, diese aufregende Beweglichkeit seiner Lenden, die bald Glück verheißt, bald uns hinhält. Und selbst das Weibchen der Tiere weiß, geschmeidig und von hurtigen Flanken, von der Macht jener einzigen Wölbung, die den Sinn des Lebens in sich einschließt und verkörpert. Doch Aude hätte, wenn sie sich in den Hüften wiegte, Hengste wütend gemacht. Sie glich den jagenden Stuten, einer rasenden und biegsamen Tigerin, dem schwarzen Ungestüm des Wildes im Busch. Dann konnte diese Frau wieder Schlaf und Lockung um sich verbreiten. Und manchmal, wenn sie etwa mit kindischer Geberde ihr Armband hinaufstreifte, war sie in ihrer ursprünglichen Schamlosigkeit, mit dem leeren, läppischen Gehirn und der grellen Stimme unter dem dichten Haar, nur das geringe, kindliche Weib, die Eva des Weltbeginnes.

Ich glaubte lange Zeit, daß sie mich liebte. Doch jedesmal, wenn ich von dieser Liebe begann, schien sie wie in dunklen Schleiern beim Ton des Armesünderglöckchens zum Richtplatz geführt zu werden. Sie sagte schmerzlich mit finsterer Miene: »Wovon sprechen Sie da? Wir haben mit dieser Sache nichts gemein. Ich bitte Sie, lassen Sie davon zwischen uns nicht die Rede sein!« – Die Seelen, die im Fegefeuer schmachten, leiden wohl in gleicher Weise, Gott nicht anschauen zu dürfen.


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