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XII.

– Nichts entweihte die Liebe mehr als das, was in unserem Wirbel der Liebe glich, und doch blieben wir aneinander durch eine wie aus hartem Stahl geschmiedete Kette gefesselt. Sie sprach niemals von andern Männern zu mir; wir blieben einander, obgleich die Liebe für uns nur eine dürre, versengte Wüste, ein tödlicher Garten mit giftigen Früchten war, den die rührend umschlungenen elysischen Schatten mit Grauen mieden, treu und standhaft wie die zärtlichst Liebenden. Nur einmal verschwand Aude auf einige Zeit; niemand im Hause kannte den Grund ihrer Abwesenheit; wir hatten eine Nacht gehabt, die toller als ihre Schwestern gewesen war. Ich verzehrte mich in diesem Zustande, wie jemand, dem man sein gewohntes Gift entzogen hat. Ich glaubte, von ihr betrogen zu sein, das brennende Pech der Eifersucht regnete auf mich herab, und in seiner Glut leuchtete von neuem das Sodom und Gomorrha der vergessenen Bilder auf. Die gräulichste Unzucht überfiel meinen Schlummer. Ich konnte an nichts als an unsere gemeinsame Schande denken, die nun zum Hunger und Durst – und zur Befriedigung – eines fremden Bettes wurde. Mein Geist blieb bis in meine Tränen befleckt; sie waren das einzige, das mein Schmerz mit dem anderer von der Geliebten Getrennter, Gemeinsames hatte.

Und eines Tages stieß sie wieder ganz ruhig meine Türe auf, küßte mich, und keines rührte je an das Geheimnis dieser Tage. Ich vergoß feige, unmännliche Tränen; ich lag ihr untertan wie ein Löwe mit ausgefeilten Zähnen zu Füßen. Dann tropften ihre Küsse wie glühendes Wachs auf mich. Ich sprach kein Wort des Tadels oder des Zornes. Ich versank in der roten Todesnacht ihrer Umarmungen.

So ward mir nochmals das Schicksal kund, das uns in diesem Verlies des Fleisches aneinander gefesselt hielt. Ich dachte: »Heimtückischer und nichtswürdiger Kopf des Weibes. So lange dich das diamantene Schwert des Erzengels nicht den Boden küssen läßt, wird jene, die dich auf den Schultern trägt, das kleine Wesen unserer Lust und Versuchung bleiben, das sich mit Blumen bekränzt, mit Armspangen gürtet und das tanzend den Duft seines Gewandes verstreut! Geschlechtlich und ursprünglich greift sie nach dem Hort der jungfräulichen Tierheit. Im Gegensatz zum grüblerischen, mit Gott ringendem Manne, ist sie durch unzählige Seiten der Empfindung, durch die Schwingungskräfte ihres feinen Magnetismus mit dem Weltall, der Urkraft, dem Ursprung verbunden.

»Seit unberechenbaren Jahrtausenden ist ihre Entwicklung, mit der kühnen Kurve ihres heldenhaften Gatten verglichen, kaum über die Grenzen des Kreises gediehen, der die Braut und die Gebärerin und ihre freie Schwester, die Dirne, begreift. Sie bleibt ewig das kleine kindische Gehirn der Umarmenden, das sich mit Liebe betäubt, sich an Schmuck, selbst an den Ketten, an ihren kleinen Listen erfreut. Sie ist unbewußt, hinterlistig und grausam. Durch ungezählte Geschlechter hindurch bewahrt sie den Apfel Edens in ihrer Hand; sie ist immer die junge Eva mit dem ewigen und wie der Mond wechselnden Leib. Sie ist das kläffende Weibchen aus dem Fabellande mit dem Vlies; sie beißt und ihr Zähne lachen. Wenn sie ihre natürliche Sinnlichkeit aufgibt und nicht mehr wie jene Elise das wilde Naturkind ist, so geht sie entweder in das Frauenhaus oder in das Kloster, wie jene gelehrige Liebessklavin »Eva« oder die entflammte Nonne, die mich ihren ›lieben, guten Herrgott‹ nannte.

»Oder sie läuft, trunken von ihrer und der Männer Verderbnis, zum Sabbat und rächt! Die schwärende, blinde Handlangerin eines Werkes, das sie selbst nicht kennt, die seit Menschengedenken mißachtete Liebe, wer ist diese tragische, tödliche Ausgeburt des Aufstandes der Welt, die dem Genossen den Hohn eines Glücks bietet, das es für ihn nicht mehr gibt? Ich erkenne dich, Empuse, von unserer Gärung vergiftete, von unserer Hefe befleckte Schwester der Verdammnis. Du erschienst mir mit der Maske des Hundes in dem schlummernden Sturme des Antlitzes meiner Geliebten. Doch, o Herrlichkeit des Opfers! O sühnender Selbstbetrug! Selbst in dieser Unterwelt bringt sie das Brandopfer ihrer Liebe dem Manne dar. Sie trinkt vor ihm den vergifteten Becher.« –

Der ich vier Frauen gekannt hatte, konnte ich die Frau anders verstehen? Alle küßten mich mit derselben tierischen Umarmung ihres Mundes. Alle riefen in mir das Bild des geringen, zügellosen und berechnenden Weibes wach, das von der Erschaffung der Welt her das gleiche tat. Sie waren anfangs drei: drei Frauen und drei Sünden gewesen. Doch dann kam Aude, die alle ihre Sünden umfaßte und die die Bestimmung des Weibes war. Sie schritt nackt im nächtlichen Walde, sie tanzte vor mir den Tanz der Salome, sie war die Nonne meiner Unzucht.


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