Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 2
Robert Kraft

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10.

Die geheimnisvolle Werkstatt.

An der Südwestküste von Afrika erstreckt sich meilenweit eine öde, sandige Landzunge ins Meer hinein, eine Bucht bildend, die Walfischbai. Früher hatten einmal die Holländer versucht, auf dieser Landzunge Faktoreien zu errichten, in denen die in jenen Gegenden überaus zahlreichen, aber mageren Rinder geschlachtet, das Fleisch eingesalzen oder zu Extrakt verarbeitet werden sollte. Aber das Unternehmen ist eingegangen, weil es sich nicht rentierte oder vielmehr, weil die mit der Aufsicht betrauten Beamten einen zu großen Aufwand getrieben, und erst vor einigen Jahren haben Großindustrielle die Sache wieder ins Leben gerufen, die Faktoreien aber mehr ins Innere des Landes verlegt, nach dem Städtchen Windhoek zu. Noch jetzt kann man auf der Landzunge die tief im Sande vergrabenen Ueberreste von Maschinenteilen erkennen, die natürlich vollkommen unbrauchbar geworden sind.

Nordwestlich von der Walfischbai, etwa 1400 Seemeilen entfernt, liegt St. Helena, das Inselchen, auf welchem einst Napoleon I. die letzten Jahre seines Lebens verbrachte, aber wohl niemals passiert es, daß ein Schiff dort vorüberkommt.

Sollte aber dennoch einmal ein Kapitän diese Strecke direkt steuern, so würde er gerade auf der Hälfte des Weges zwischen der Walfischbai und St. Helena auf ein Felseneiland stoßen, bei dessen Anblick er sofort weiß, daß es seinen Ursprung entweder einer vulkanischen Bewegung des Meeresbodens verdankt oder das Ueberbleibsel eines von Eruptionen zerstörten, einst mächtigen Gebirges ist.

Gigantisch strecken die Felszacken ihre Häupter zum Himmel empor, wildzerrissene Klüfte, Höhlen, Schluchten zeigen sich dem Auge des Vorbeisegelnden, keine Anfahrt, keinen Eingang bietet das Eiland, alles rings umher himmelanstrebende Felsen, welche wie drohende Riesen das Innere der Insel zu bewachen scheinen.

Fortwährend wütet die Brandung des gewaltigen Ozeans gegen die Steinmauern und hat im Laufe von Jahrtausenden ungeheure Höhlen hineingewühlt, in denen es, wie in einem kochenden Kessel, zischt und dampft; der weiße Schaum wird emporgeschleudert, zerstiebt an der Decke der Höhle, fällt wieder zurück, und schaut gerade die Sonne diesem Spiele zu, so schillert alles in Regenbogenfarben.

Trotzdem ist das Innere der Insel, ein mit dem Spiegel des Meeres fast gleichliegendes Felsplateau, nicht immer unbewohnt gewesen.

Tausende und Abertausende von Möven und anderen Seevögeln fristeten im sicheren Schutze des Steinwalles ein beschauliches Dasein, führten von hier aus ihre Raubzüge gegen die Fische aus und sorgten für zahlreiche Nachkommenschaft.

Da eines Tages wurde ihr Frieden vernichtet.

Ein kleiner Dampfer näherte sich der Insel und fuhr rings um sie herum.

Auf der Kommandobrücke stand ein hoher Mann mit langem, blonden Vollbart und musterte fortgesetzt die Felsen, als suche er einen Platz, an welchem er sein Schiff verankern könnte. Aber die Möven stießen ein heiseres Lachen aus – sie wußten es besser, daß ein solcher nicht existierte. Der Kapitän hätte geradezu wagen müssen, in eine Höhle zu steuern, von denen einige allerdings groß genug gewesen wären, um selbst das stattlichste Segelschiff aufzunehmen.

»Wir sind am Ziel, Herr Anders,« sagte der Mann mit dem Vollbart zu einem neben ihm auf der Kommandobrücke stehenden Herrn, »nur diese Insel kann es sein, von welcher mir erzählt worden ist. Die nächste Messung wird beweisen, ob die Angabe des Negers wahr gewesen ist oder nicht.«

Der große Mann visierte mit der Peilung des Kompasses, das heißt mit dem Einschnitt der sich in dem Kompaßgehäuse befindet, nach den Gipfeln der Felsen, ließ dann das Schiff langsam drehen, während der andere Herr die Nadel aufmerksam betrachtete.

»Halt!« rief letzterer plötzlich.

»Stimmt,« antwortete gleichzeitig der hohe Mann, »diese Felszacke liegt gerade über einer Höhle und im Winkel von 36 Grad darüber die zweite Zacke. Also sie soll den einzigen Zugang zur Insel bilden. Nun wir werden sehen.«

Es wurden zwei Boote ausgesetzt, in welche verschiedene seltsame Geräte gepackt wurden, aber wunderbarerweise keine Ruder.

Der Mann mit dem Vollbart war unterdes in das Zwischendeck gegangen, und zehn Minuten später trat aus derselben Luke, durch welche er verschwunden war, eine merkwürdige Erscheinung heraus. Es war unbedingt ein Mensch, aber statt des Kopfes war auf den Schultern, ein großer Glasballon, der ganze Körper war in einen engen, wahrscheinlich gummiartigen Anzug gekleidet, welcher sogar die Hände bedeckte, und an den Fußsohlen waren schwere Bleiplatten befestigt – kurz, ein Mann im Taucherkostüm, nur bemerkte man nicht jenen Schlauch, durch welchem dem Arbeiter auf dem Meeresboden die zum Atmen nötige Luft zugeführt wird. Ebenso war kein Seil zu bemerken, durch welches der Taucher mit den an der Oberfläche Bleibenden sich verständigen kann.

Dagegen trug dieser Taucher auf seinem Rücken eine Art von Ranzen, von dem aus zwei Schläuche nach der Hinterseite des Kopfes und zwei mit Seide umsponnene Drähte nach einer Lampe führten, welche am Gürtel befestigt war. Derselbe war noch mit einigen Apparaten und Instrumenten von bekannter Konstruktion ausgerüstet.

Durch den Glasballon konnte man das Gesicht des Mannes erkennen, es war das des Vollbärtigen.

Trotz der Bleisohlen, deren jede wohl ein Gewicht von einem halben Zentner hatte, bewegte er sich doch mit einer Leichtigkeit über Deck, als beträte er mit Ballschuhen den Parkettfußboden, stieg ebenso sicher über die Bordwand und an dem Fallreep hinunter in das Boot, welches schon den mit Anders angeredeten Herrn trug.

Der Taucher winkte mit der Hand, und sofort setzten sich beide Boote in Bewegung, nach einer sehr kleinen Höhle zu, in welcher die Brandung fortwährend schäumte und spritzte, aber sonderbar, die Boote waren weder mit einer Maschine, noch mit Riemen versehen, und doch fuhren sie wie Pfeile durchs Wasser.

Eine einfache Bewegung mit einem am Heck befindlichen Hebel – und sie schossen davon, wieder die entgegengesetzte – und sie standen still, ohne auch nur in der erstgefahrenen Richtung weiterzuschießen.

Dicht vor der Höhlung befestigte Anders das Ende eines Kupferdrahtes, welches um eine drehbare Rolle gewickelt war, an dem Ranzen des Tauchers, das andere an eine Art von Telegraphendraht, dann gab der Taucher noch ein Zeichen, drückte einigemale auf einen Knopf am Gürtel, der Apparat klapperte, funktionierte also, und dann war der Mann mit einem Sprunge über Bord, im Wasser, den Augen der Zurückbleibenden entschwunden. Nur kleine, aufsteigende Bläschen, von der verbrauchten Luft herrührend, bezeichneten den Weg, welchen der Taucher in die Höhle nahm.

Unausgesetzt betrachtete Anders den Telegraphenapparat, und als nach einer Viertelstunde noch kein Zeichen auf demselben kam, nahm das intelligente Gesicht des jungen, seemännisch gekleideten Mannes einen besorgten Ausdruck an.

Er berührte die Taste und telegraphierte einige Worte, welche durch den Draht laufen und so dem Taucher zukommen mußten, der einen ähnlichen Apparat trug, an dem er die gegebenen Zeichen ablesen konnte, und in der nächsten Sekunde konnte Anders auf dem Papierstreifen die in Morsezeichen, der Schrift der Telegraphisten, gegebenen Worte lesen:

»Es führen mehrere Gänge ab, zweimal keinen Ausweg gefunden!«

Wieder verging wohl eine Viertelstunde, als plötzlich die auf dem Dampfer zurückgelassenen Matrosen nach den Booten riefen und dann nach den Felsspitzen zeigten.

Ueber denselben schwebten mit einem Male eine ungeheure Menge von Möven, ängstlich flatterten sie hin und her und wagten nicht mehr, sich niederzulassen.

Sie mußten durch etwas aufgescheucht worden sein.

»Gott sei Dank,« rief Anders mit freudigem Tone, »das waghalsige Stückchen ist ihm gelungen, er hat den Durchgang gefunden!«

Da hob und senkte sich auch schon der Hebel des Apparates, der junge Mann las auf dem Streifen die Worte:

»Bin am Land, es ist ein Plateau.«

Unterdessen hatten sich in dem zweiten Boote einige Leute gleichfalls Taucherkostüme angelegt, auch sie verschwanden unter der Oberfläche des Wassers, und verschiedene Gegenstände, Fässer, Kisten, alle mit Bleistücken beschwert, folgten ihnen nach.

Kaum war dies geschehen, so konnte man ein seltsames Geräusch wahrnehmen, fast war es, als fände unter Wasser eine lebhafte Arbeit statt, die Felswände ertönten, ab und zu quoll eine große Blase nach der Oberfläche empor, es hämmerte, pochte und bohrte.

Erst nach einigen Stunden kamen die Taucher wieder nach den Booten zurück, völlig erschöpft von ihrer Arbeit, und wurden sofort von anderen abgelöst. Die Nacht machte dieser Tätigkeit ein Ende. Die Boote fuhren wieder nach dem Schiff, dieses selbst aber blieb in der Nähe der Insel verankert.

Auf diese Weise verging ein Tag nach dem anderen, fortwährend verschwanden Taucher, mit Werkzeugen ausgerüstet, unter Wasser, andere kamen wie große Fische wieder nach oben, ununterbrochen fand eine Verständigung zwischen dem Apparat, den der junge Mann bediente, und zwischen jemandem im Wasser statt, dann wieder entfernten sich einmal die Boote eiligst, alle Taucher mitnehmend, und kaum hatten sie einen einigermaßen sicheren Abstand zwischen sich und der Insel, so geschah ein furchtbarer Knall, es war, als ob ein unterseeisches Erdbeben stattfände, himmelhoch spritzte das Wasser empor, die Felsspitzen erbebten, die steinernen Wände zitterten – dann trat wieder eine vollkommene Stille ein, keiner der Zuschauer wagte ein Wort zu sprechen, bis der vollbärtige Mann, tief aufatmend, sagte:

»Es ist geglückt, die Felswand hat die Explosion ausgehalten – die Einfahrt ist offen.«

––

Kehren wir ein halbes Jahr später nach derselben Insel zurück!

Noch ragte sie ebenso einsam aus dem Ozean empor, noch verriet nichts, daß irgendwo ein Eingang zu ihr war, aber da, wo früher nur Seevögel gehaust hatten, war jetzt ein reges Leben von Menschen zu finden.

Fast glaubte man sich in einen Steinbruch versetzt, überall wurden die Spitzhacke und der Meißel geschwungen, aber diese leisteten nur die Vorarbeiten, denn alle Stunden rief die Pfeife des zurückgebliebenen, jungen Mannes – der erste Taucher hatte die Insel mit dem Dampfer bald wieder verlassen – die Leute nach einem sicheren Ort zusammen; – und dann ertönte stets ein heftiger Knall, und jedesmal ward in der Felswand eine neue Oeffnung sichtbar, die entweder zu einer Art von Kammer erweitert wurde. und offen blieb oder aber auch bald wieder zugemauert wurde.

Aber nicht nur in den Wänden, selbst in dem steinernen Boden wurde gehackt und gewühlt, Minen entstanden, keiner, als vielleicht der diesen Bau Leitende, wußte, wohin sie führten, und keine Unterbrechung fand in der Arbeit statt.

Wenn sich die eine Hälfte der Leute des Abends bei Sonnenuntergang todmüde in der Felsenkammer auf ihren Lagern zur Ruhe legte, so traten schon andere an ihre Stelle, und plötzlich wurde, wie durch Zauberei, die ganze Insel von hellem Licht übergossen. Keiner der Arbeiter konnte sich über Dunkelheit beklagen, in jedem Winkel flammte ein Lämpchen auf, jede Höhle war wie vom Tageslicht erleuchtet, und auf den Felsenspitzen warfen riesige Laternen ein intensives Licht über das Ganze.

Das Wunderbarste aber war das Betragen der Arbeiter.

Wohl war ihre Arbeit eine äußerst anstrengende, wohl schien es oft, als wollten sie unter deren Last kraftlos zusammenbrechen, und dennoch entschlüpfte kein Laut des Unwillens ihren Lippen.

Ein kärgliches Frühstück, ein einfaches Mittagessen, ein noch sparsameres Abendbrot, das war alles, was sie am Tage erhielten, dann sanken sie ermattet auf ihr hartes Lager hin, welches eher für einen Sträfling, als für einen um Lohn angeworbenen Arbeiter gepaßt hätte.

Waren diese Leute etwa Sträflinge?

Fast hätte man es glauben können, denn ihre Lebensweise war eine solche.

Aber nichts dergleichen! Ruhig verrichteten sie ihre Arbeit, immer willig, ohne Seufzen, und außerdem gab es hier gar keine Aufseher. Anders war der einzige, welcher die Leute anstellte; unermüdlich war er auf seinem Posten, stand bei einer Sprengung selbst auf dem gefährlichsten Platze, in der Nacht genügte ein leiser Ruf, um ihn aus dem Schlafe zu wecken, und wiederum genügte nur ein kleiner Wink von ihm, um die Leute in ihrer Arbeit anzustellen und anzuspornen.

Waren denn diese Arbeiter alle bezaubert, daß sie so willenlos folgten, wie gezähmte Tiere den Blicken ihres Bändigers?

Eines Tages näherte sich rasch ein großes Vollschiff der Insel.

Mit vollen Segeln kam es darauf zu, strich dann mit einem Male die Leinwand und fuhr, als benutze es nur noch den Schwung, in eine mächtige Höhle, in welcher es spurlos verschwand.

Wütete auch am Eingang der Höhle die Brandung, im Innern derselben mußte das Wasser doch ruhig sein, und der das Schiff leitende Kapitän mußte in der Führung sehr bewandert sein, sonst hätte er nicht gewagt, sein Fahrzeug so ohne weiteres in ein dunkles Loch zu steuern.

Die Höhle hatte aber noch einen anderen Ausgang, der nach der Insel führte, eine nur schmale Spalte, aber doch groß genug, um erkennen zu lassen, daß an dieser das eben eingelaufene Schiff lag.

Sofort sprang ein Mann an Land, derselbe, welcher vor einem halben Jahre die Taucherarbeiten selbst geleitet hatte, und wurde von dem jungen Manne mit herzlichem Händedruck, aber doch respektvoll, empfangen.

»Alles in Ordnung, Anders?« fragte der vollbärtige Mann nach dem ersten Grußwechsel.

»Alles, Kapitän Hoffmann,« entgegnete der Gefragte, »die Arbeiten sind schon bedeutend weiter vorgeschritten, als Sie Ihrer Berechnung nach erwarten werden.«

»Und wie verhalten sich die Leute, sind keine Unruhen vorgekommen?« war die nächste Frage.

»Nicht die geringste, ihr Betragen war ein tadelloses. Offen gestanden, ich ging nicht ohne Besorgnis an dieses gefährliche Beginnen, aber Ihre Behauptung hat sich auch diesmal als richtig erwiesen. Es grenzt fast ans Uebernatürliche, ich kann mir trotz Ihrer Aussagen nicht alles erklären.«

Kapitän Hoffmann lächelte leicht.

»Ich bringe Ihnen noch mehr mit, alles Leute, denen etwas schwere Arbeit nicht schaden wird,« sagte er dann. »Sie haben früher ihre Freiheit sehr schlecht benutzt, und nun sollen sie einmal von ihren Kräften besseren Gebrauch machen. Ich werde Ihnen dann diejenigen bezeichnen, deren Sie sich ganz besonders annehmen können. Je mehr Schweiß sie vergießen müssen, desto besser für sie und für uns. Doch vorher zeigen Sie mir das bis jetzt ausgeführte Werk!«

Beide wanderten umher, Anders erklärte, und der Ingenieur war mit dem Gesehenen sehr zufrieden. Er sah schon auf den ersten Blick, ob alles richtig ausgeführt worden; waren doch die Zeichnungen, nach denen Anders, der junge Ingenieur, die Arbeiten leitete, seinem eigenen Kopfe entsprungen.

»So können wir denn hoffen,« sagte Hoffmann nach Schluß der Besichtigung, »nach einem Vierteljahre die Insel als Ausrüstungsmagazin des ›Blitz verwenden zu können. Schon jetzt wollen wir alle unnötigen Gegenstände ausladen und unterbringen lassen – meine mitgebrachten Leute warten schon auf die Arbeit.«

»So sind sie auch schon willfährig gemacht worden?« fragte Anders.

»Gewiß, von dem Augenblick an, da sie, von Durst gequält, um einen Trunk Wasser baten. Aber es sind gefährliche Raubtiere, mit deren Zähmung ich mich befaßt habe.«

Sie gingen nach dem Schiff zurück, und auf einen Wink des Kapitäns begannen Leute, welche sich an Bord des ›Blitz‹ befunden hatten, mit dem Ausladen.

Der erste, welcher über eine schmale Planke, von Bord aus an das Land schritt, eine Kiste auf den breiten Schultern schleppend, war eine untersetzte Gestalt mit einem widrigen Gesicht, dem das Verbrecherleben manchen Stempel aufgedrückt hatte – Kapitän Blutfinger.

Ohne zu murren, trug er seine schwere Last, nur, als er an Hoffmann vorbeikam, warf er diesem einen scheuen Blick zu, gleich einem Tiger, der seinen Bändiger wohl anfallen möchte, es aber aus Furcht nicht zu tun wagt.

»Sehen Sie sich diesem gegenüber vor,« sagte Hoffmann zu Anders, dem Verbrecher einen Blick nachsendend. »Unterlassen Sie bei diesem keine Vorsicht, der Mensch scheint eine starke Natur zu haben. Seien Sie bei Verabreichung des Trankes immer selbst anwesend.«

Mann auf Mann überschritten die Laufbrücke, alle Kisten und Ballen auf Rücken oder Schulter tragend, die ganze Besatzung der ›Evangeline‹. Die Seeräuber, welche erst nur Lust an Mord und Vernichtung gefunden hatten, benahmen sich wie die Lämmer. Und Kapitän Hoffmann sorgte dafür, daß der Tod seiner fünf Matrosen gerächt wurde – wie damals deren Blut geflossen war, so rann jetzt der Schweiß in Tropfen über die Stirnen ihrer Mörder.

Der Ingenieur war im Besitz eines Mittels, welches ihm die unbändigsten Naturen zu Willen machte – kein Geheimmittel, sondern dasselbe, mit welchem sich einst die osmanischen Eroberer ihre fanatischen Anhänger erwarben, dasselbe, welches noch jetzt von den Zauberern einiger afrikanischen Stämme verwendet wird, wollen sie dienstbare Werkzeuge haben, worauf schon einige Afrikareisende hinwiesen, doch davon später mehr.

Kapitän Hoffmann blieb selbst einige Tage auf der Insel, wo es jetzt wie in einem Ameisenhaufen wimmelte, und leitete einige Arbeiten persönlich.

Als er am vierten Tage von seinem Freunde Abschied nahm, fragte dieser:

»Wann gedenken Sie zurückzukehren, um die letzte Hand ans Werk zu legen?«

»Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen,« war die Antwort, »meine Reise führt mich jetzt erst nach Australien, wohin dann, weiß ich noch nicht. Ein Versprechen hindert mich noch, den ›Blitz‹ nach eigener Willkür zu lenken. Habe ich dies erst gelöst, dann wollen wir uns die Könige des Meeres nennen, nichts soll uns hemmen; frei wollen wir die Wogen durchstreifen, der ›Blitz‹ soll seinem Namen Ehre machen.« – –

Es war in der Nacht, als aus derselben Höhle, in welcher das Vollschiff eingelaufen war, gleich einem feurigen Ungeheuer ein mächtiger Gegenstand herausfuhr. An allen Seiten hatte das Ungetüm glühende Augen, vorn spie es ein Flammenmeer aus, und auch das Kielwasser leuchtete in unzähligen Lichtern auf.

Wie ein Blitzstrahl schoß es davon, den Blicken des von einer Felswand aus Nachschauenden bald in der Ferne entschwindend.


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