Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 2
Robert Kraft

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1.

Die schwarze Maske

I
n einer Schenke zu Townville stand an der Bar ein Mann und betrachtete aufmerksam das Treiben der Gäste. Dieses Zimmer unterschied sich durch nichts von anderen Bierstuben, wo Matrosen verkehren. Tabaksrauch füllte die Luft und wehte dem Eintretenden erstickend entgegen, braune Gesichter mit der kurzen Tonpfeife im Mund und die Bar mit den darauf aufgebauten Gläsern und Liqueurflaschen.

Jetzt löste sich von einer Gruppe ein Matrose ab, trat an den Schenktisch und verlangte ein Glas Brandy mit Wasser. Er trank das vorgesetzte Glas aus und warf die kleine Silbermünze wie aus Versehen in dasselbe hinein, drehte sich um und ging zur Tür hinaus, gefolgt von dem ersten Manne, der seinen Bewegungen scharf gefolgt war.

»Das war sicher ein Zeichen,« brummte der Wirt vor sich hin, nachdem die beiden die Stube verlassen hatten, »der Weißkopf mit dem einen Auge hat schon den ganzen Abend hier gestanden und darauf gewartet, daß er dieses Signal bekam. Spitzbubengesindel!«

Die beiden Männer wanderten unterdes durch die dunklen Straßen der Hafenstadt.

»Wer seid Ihr?« fragte nach längerem Stillschweigen derjenige, welcher dem Matrosen gefolgt war.

»Laßt Euch genügen, daß ich Euch kenne, Seewolf,« flüsterte der Matrose, »Ihr kennt mich doch nicht.«

»Ihr seid an Bord des Passagierdampfers, der heute in Townville angekommen ist?«

»Ja, doch laßt jetzt das Fragen! Ihr seht, ich bin eingeweiht und erfülle einen Auftrag, wenn ich Euch führe.«

Aber der Seewolf schien ein böses Gewissen zu haben. Wenn er auch keinen Verrat fürchtete, so hatte doch die Vorschrift, die er vor einigen Tagen bekommen, diesem Matrosen dahin zu folgen, wohin er ihn führte, etwas Beunruhigendes für ihn. Deshalb konnte er sich nicht enthalten, weiterzufragen:

»Kennt Ihr den Ort, wohin Ihr mich führt?«

»Nein,« war die Antwort, »ich führe Euch nur an einen Wagen, der unserer wartet, und dieser wird Euch dahin bringen, wo man Eurer bedarf.«

»Das ist ja furchtbar geheimnisvoll,« lachte der Seewolf, aber sein Lachen klang sehr unsicher. »Seit wann werde ich so zimperlich behandelt?«

Der andere warf ihm einen spöttischen Blick zu.

»Kapitän,« sagte er dann, »Ihr dauert mich; Ihr habt solches Unglück gehabt, daß Ihr es bald nicht mehr aushalten könnt. Entweder – oder, so wird es auch nächstens bei Euch heißen.«

»Was wißt Ihr davon?« brummte der Bedauerte mürrisch. »Ihr seid doch bloß Matrose.«

»Das bleibt sich gleich. Ich möchte um alles Geld der Welt nicht mehr ein eigenes Schiff kommandieren, die Verantwortung ist zu groß. Habt Ihr schon gehört, daß Kapitän Blutfinger und Kapitän Demetri samt ihren Mannschaften spurlos verschwunden sind?«

Der Seewolf knirschte mit den Zähnen.

»Ich weiß es, und Ihr scheint gut Bescheid in unseren Sachen zu wissen, seid wahrscheinlich mehr als ein Matrose. Ich habe die Geschichte bald herzlich satt, mich von diesen Frauenzimmern an der Nase herumführen zu lassen.«

»Gebt acht, daß der Meister nicht auch bald die Sache satt bekommt!« klang es ernst aus dem Munde des Matrosen. »Darum will er Euch wahrscheinlich sprechen – aber nur unter uns gesagt.«

Erschrocken blieb der Pirat stehen.

»Sprecht Ihr im Ernst?«

»Nun, nun,« beschwichtigte der andere, »so schlimm wird es nicht gleich werden! Jedenfalls bekommt Ihr neue Instruktionen oder jemanden an Bord, dem Ihr Euch zu fügen habt.«

Unwillig murmelnd ging der Seewolf neben dem Matrosen her, bis dieser auf einen Wagen deutete, der aus dem Dunkel der Nacht vor ihnen auftauchte.

»Wir sind am Ziel,« sagte er und öffnete den Schlag. »Behaltet nur den Kopf oben, es wird Euch nicht an den Kragen gehen.«

Als der alte Pirat allein war, orientierte er sich erst über das Innere des Wagens und fand, daß dieser gar keine Fenster hatte, ebensowenig Handgriffe, um die Türen zu öffnen, daß er also in einer Mausefalle saß. Aber auf ähnliche Weise war er schon oft transportiert worden, wenn ihn eine Persönlichkeit sprechen wollte, die Ursache hatte, ihre Anwesenheit in einer Stadt zu verheimlichen, und so machte er sich weiter keine Sorgen darüber.

Der Wagen machte eine lange Fahrt. Unzählige Male bog er um Ecken, fuhr lange Zeit gerade aus und bog dann wieder um oder fuhr einen Kreis, sodaß selbst ein besserer Kenner von Townville, als der Seewolf, vollständig irregeführt worden wäre.

Endlich, als er eben über ein holpriges Pflaster gerasselt war, hielt der Wagen; sofort wurde der Schlag geöffnet, und der Seemann sah sich in einem Hofe, welcher rings von Gebäuden eingeschlossen war.

Ehe er sich weiter umblicken konnte, wurde er schon von dem Manne, der den Wagen geöffnet hatte, genötigt, in das nächste Haus einzutreten und eine Treppe hinaufzusteigen.

»Es ist fast ebenso ein Haus wie das damals in New-York,« dachte der Seewolf, und erschrocken prallte er zurück, als er in ein Zimmer trat und ebendenselben Schwarzmantel mit der Maske vor sich stehen sah, von dem er den ersten Auftrag bekommen hatte.

Gerade wie damals lehnte der Unbekannte mit gekreuzten Armen an einem Tisch und ließ die grauen Augen unter der Maske hervor dem Eintretenden entgegenfunkeln.

»Ihr habt meinen Auftrag bis jetzt schlecht besorgt, Seewolf,« hörte der Pirat dieselbe tiefe, rauhe Stimme sagen, die er schon einmal gehört.

»Ich habe getan, was ich konnte. Die Mädchen sind schlau, und die Engländer, die sie begleiten, wachen über sie, wie Katzen über ihre Jungen. Sie sagten mir zwar, ich sollte nur die Kapitänin aus dem Wege schaffen, aber – –«

Der Seewolf schwieg verlegen, weil er nicht wußte, ob er diesem Manne alles sagen durfte. Vielleicht hatte derselbe nur einmal die Hilfe des Meisters in Anspruch genommen.

»Ich weiß alles,« sagte aber der Unbekannte, »Ihr habt den Gegenbefehl erhalten, und zwar Miß Petersen sowohl, als auch möglichst viele der anderen Damen gefangen zu nehmen. Aber ich sehe, daß Ihr diesen Aufgaben nicht gewachsen seid.«

»Oho,« entgegnete trotzig der Pirat, »kommt Zeit, kommt Rat! Es ist keine Kleinigkeit, eine ganze Schiffsbesatzung auszuliefern. Wenn Sie mir sagten, ich sollte das ganze Schiff verschwinden lassen, so suchen Sie einmal einen anderen, der schneller arbeitet als ich. Mein Leben und das meiner Mannschaft kommt dann nicht mehr in Betracht, ich greife an und ruhe nicht eher, als bis die letzte Planke des Schiffes unter Wasser sinkt. Aber zu dem, was Sie oder andere jetzt verlangen, muß mir Zeit gelassen werden.«

»Der ›Friedensengel‹ ist erkannt worden,« unterbrach ihn die Maske.

»Macht nichts weiter,« lachte der Seewolf, »dieser Schaden wird bereits ausgebessert.«

»Wo liegt Ihr jetzt?«

»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das zu sagen brauche!«

»Gehorcht mir und beantwortet, was ich Euch frage!«

Der Einäugige hatte bis jetzt unverwandt die linke Hand des Maskierten, welche behandschuht war, angestarrt. Bei seiner ersten Begegnung mit dem Schwarzmantel hatte er bemerkt, daß der kleine Finger des linken Handschuhes ohne allen Zweifel nur ausgestopft war, daß dem Manne dieser Finger also fehle, und dann, dachte der Seewolf, könntest du den Mann vielleicht kennen, und das wäre sehr viel wert.

»Ich weiß noch gar nicht, wen ich vor mir habe,« antwortete er auf den mit herrischer Stimme gegebenen Befehl.

»Sehet her! Kennt Ihr das Siegel?«

Der Schwarzmantel zog ein Kuvert aus der Tasche und hielt es dem Piraten vor die Augen – es trug das Siegel des Meisters.

»Das genügt mir nicht,« sagte er kurz. »Sie können das Ding ja gefunden haben.«

»Torheiten,« murrte der Schwarzmantel, »ich bin mehr, als Ihr denkt.«

Er streifte den Handschuh von der linken Hand und streckte diese vor. Am Zeigefinger funkelte ein großer Siegelring, und der Pirat erkannte sofort auf dem Steine das Zeichen des Meisters, aber zugleich auch, daß an dieser weißen, schlanken, aber nervigen Hand kein Finger fehlte.

Der Seewolf war vollständig verblüfft; er konnte darauf schwören, daß dem Schwarzmantel in New-York der kleine Finger gefehlt hatte, und doch sah dieser Mann in Größe und Gestalt jenem vollkommen ähnlich, so weit man dies unter dem Mantel beurteilen konnte; es waren dieselben Augen, dieselbe Stimme. Aber nein, dieser hier war ein anderer.

Der Bandit hatte das Erkennungszeichen, welches nur ein Vorgesetzter der Bande tragen konnte, gesehen, und war bereit, zu antworten.

»Der ›Friedensengel‹ liegt nicht weit von hier im Hafen einer kleinen Insel und wird umgetakelt. Welchen Namen er und ich jetzt bekommen sollen, weiß ich noch nicht, ich habe noch keine Instruktion darüber empfangen.«

»Wißt Ihr, wo die Damen jetzt sind?«

»Ja, die ›Vesta‹ liegt hier im Hafen.«

»Ist die Besatzung vollzählig?«

»Nein, vier von den Damen sind nach Hughenden gefahren, darunter Miß Petersen, um von dort aus nach einer Farm zu reisen.«

»Könnt Ihr der Kapitänin nicht während dieser Reise beikommen?«

Der Pirat zuckte zweifelnd die Achseln.

»Ich bin Seemann,« sagte er dann, »und weiß mich am Lande nicht zu benehmen und gleich gar nicht in solchen Wildnissen, wie in Australien.«

»Eine bessere Gelegenheit bekommt Ihr aber nie wieder. Im Busch kann leicht jemand verschwinden, man schreibt dann einfach die Schuld den Schwarzen zu.«

»Das ist richtig,« stimmte der Seewolf bei, »aber wie soll ich das anfangen? Ich kann mit meinen Teerjacken nicht im Walde herumkriechen, das bringen die ebensowenig fertig, wie ich.«

»Wohin sind die fünf Leute gekommen, die in Sydney verhaftet wurden?«

»Nach Hughenden in den Steinbruch, eine verdammt harte Arbeit dort.«

»Wißt Ihr aber auch, daß die Sträflinge vor zwei Tagen ausgebrochen sind?«

»Was?« rief der Seewolf freudig, »Hurra, das haben gewiß meine Kerle angestiftet! Keine Ahnung habe ich davon gehabt. Dann bekomme ich sie jedenfalls an Bord zurück.«

»Glaubt das ja nicht,« sagte der Schwarzmantel in höhnischem Tone. »Diese Burschen haben Euer Kommando, das nichts einbringt, satt, und wollen jetzt auf eigene Faust operieren. Sie sind bereits im Begriff, eine wohlorganisierte Bande zu bilden und allen Farmern im Norden Australiens den Krieg zu erklären.«

Völlig erstarrt hatte der Seewolf dieser Mitteilung gelauscht.

»Der Donner soll sie rühren,« schrie er dann heftig, »wenn sie nicht wieder an Bord kommen! Mit meinen eigenen Händen hänge ich sie auf, geraten sie mir einmal in die Quere.«

»So dumm werden sie wohl nicht sein,« lachte der Schwarzmantel.

»Und Sie?« fragte dann der Seewolf erstaunt. »Lassen Sie sich das ruhig gefallen?«

»Ich?« sagte der Gefragte kurz. »Das ist nicht meine Sache, sondern die des Meisters.«

»Das meine ich eben. Wird der Meister ruhig zusehen?«

»Es wird ihm sogar lieb sein, daß sich hier oben eine solche Bande gebildet hat. Eben diese Leute sind auserlesen, bei der Geschichte eine wichtige Rolle zu spielen.«

Der Seewolf kratzte sich hinter den Ohren. Die Mädchen schienen ihm entgehen zu sollen und somit auch die versprochene Belohnung, und mehr als das, die Freiheit.

»Beruhigt Euch, Mann,« fuhr der Schwarze fort, »auch Ihr sollt eine wichtige Rolle dabei spielen, und die Euch versprochene Prämie soll Euch nicht entgehen. Wir haben eingesehen, daß Ihr zu feinen Sachen nicht die geeignete Persönlichkeit seid, dafür aber paßt Ihr desto besser zum Dreinschlagen.«

»Donner und Hagel,« schrie der Pirat erfreut, »da habt Ihr mich richtig erkannt. Wo ist das Schiff, welches ich nehmen soll?«

»Es ist kein Schiff, Ihr habt erst eine diplomatische Arbeit auszuführen,« klang es lächelnd unter der Maske hervor, »aber dann sollt Ihr einmal Eure Hände nach Herzenslust in Blut waschen können.«

»Ich als Diplomat?« lachte der Pirat laut auf. »Sie spaßen Wohl, Herr. In Stehkragen und Glacéhandschuhen würde ich mich ebenso lächerlich machen, wie ein Kaffer, der den Gentleman spielen will. Nein, zu so etwas bin ich nicht zu brauchen!«

»Ihr seid aber doch die geeignetste Person dazu; allerdings führt Euch dies Geschäft für einige Zeit an Land.«

Der Pirat zog ein bestürztes Gesicht.

»Ihr sollt nämlich diese Bande der ausgebrochenen Sträflinge für uns gewinnen,« fuhr der Schwarzmantel fort, »wenigstens zu dem Unternehmen, das wir vorhaben, dann mögen sie ihr Unwesen so lange treiben, bis sie am Galgen hängen – lange wird es nicht dauern. Ihr kennt fünf der Entsprungenen persönlich, der eine von ihnen, Manzo heißt er, hat sich unter ihnen bereits zu einer Art von Hauptmann aufgeschwungen, und den müßt Ihr hauptsächlich bearbeiten. Schwer wird Euch dies alles nicht werden.«

»Aber wie und wo soll ich die Bande treffen? Australien ist groß, und ich bin im Aufspüren unbewandert.«

»Laßt es gut sein, Ihr werdet einen Ort bezeichnet bekommen, wo Ihr sicher zu ihnen stoßen werdet,« entgegnete die Maske.

»Und dann sollen wir die Mädchen fangen, welche jetzt wahrscheinlich wieder in Begleitung von einigen jener verdammten Engländer auf der Farm sind?«

»Nein, Eure Aufgabe ist eine andere. Es gilt jetzt, die Damen für immer von den Engländern zu trennen, erst dann wird es Euch leicht sein, Euch der Mädchen zu bemächtigen.«

»Well, Sir, ich habe verstanden. Gebt mir meine Instruktionen.«

Sie besprachen sich lange, und endlich händigte der Schwarzmantel dem Piraten das Kuvert ein, welches er ihm schon vorher gezeigt hatte.

Dann räusperte sich der Maskierte vernehmlich, wahrscheinlich ein Zeichen für einen draußenstehenden Bedienten und sagte:

»Kennt Ihr den ›Blitz‹?«

»Allerdings,« entgegnete der Pirat, »mehr als mir lieb ist.«

»Was haltet Ihr von ihm?«

»Er ist ein fixer Segler, die Besatzung ist tüchtig und noch tüchtiger der Kapitän, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Fällt Euch nicht auf, daß die Bemannung ungewöhnlich stark ist?«

»Der ›Blitz‹ ist ein Lustschiff, das heißt, der Kapitän fährt es zum Vergnügen; und es fällt nicht auf, wenn auf solchen viele Matrosen gehalten werden.«

»Kennt Ihr den Kapitän?«

»Dem Namen nach, sonst nicht weiter.«

»Wißt Ihr nichts von seiner Vergangenheit? Unter Euren Leuten sind viele, die sich in der Welt umhergetrieben haben. Vielleicht, daß diese über ihn gesprochen haben?«

»Gar nichts weiß ich von ihm; ich habe das Schiff, welches früher öfter mit der ›Vesta‹ zusammensegelte, überhaupt seit längerer Zeit nicht mehr gesehen.«

»Es ist gut. Geht jetzt! Der Wagen wartet bereits unten auf Euch.«

Der Seewolf machte eine linkische Verbeugung und entfernte sich durch die Tür, während der Zurückgebliebene die Lampe höher schraubte und mit langen Schritten im Zimmer auf- und abging.

Es dauerte nicht lange, so klopfte es wieder an die Thür, der Schwarzmantel nahm seine alte Stellung am Tisch ein, und auf sein ›Herein‹ trat ein anderer Mann ins Zimmer, elegant gekleidet, mit einem großen, schwarzen Vollbart.

Die Maske musterte einige Zeit lang schweigend den Neuen, der sehr unruhig zu sein schien, und sagte dann:

»Kapitän Burns, ist das nicht richtig?«

Erschrocken taumelte der Angeredete zurück.

»Woher kennen Sie mich?« stammelte er verwirrt.

Da der Schwarzmantel nicht antwortete, so fand er Zeit, sich wieder zu sammeln, und sagte, auf den am Tisch Lehnenden zutretend:

»Ich bin hierhergeführt worden unter der Angabe, ein Herr wolle mich sprechen, der Anteil an mir nähme. Wenn Sie der Freund sind, warum zeigen Sie nicht Ihr Gesicht?«

»Ich verhülle das meinige mit einer Maske, wie Sie das Ihrige mit einem falschen Bart,« lächelte der Schwarzmantel. »Wir sind sehr genau über Sie unterrichtet, wie Sie merken können, und wenn Ihnen die Nennung Ihres richtigen Namens noch nicht dafür bürgt, so kann ich Ihnen auch noch mehr erzählen.«

»Was wünschen Sie von mir?« fragte der Bärtige kurz, aber aus seiner Stimme konnte man die Angst heraushören, die in ihm wühlte.

»Sie waren der Kapitän, der vor vier Jahren die ›Gazelle‹ in die Luft sprengte, um die hohe Versicherungssumme zu erhalten. Hm, in der Tat nicht übel, aber Sie haben sich hinterher so töricht benommen, daß Sie sich nirgends mehr sehen lassen können, ohne befürchten zu müssen, daß man Ihnen dieses Verbrechen an den Augen abliest.«

»Woher wissen Sie dies alles?« rief der Bärtige, mehr erschrocken als erstaunt.

»Ich könnte Ihnen noch viel mehr erzählen,« fuhr der Sprecher fort, »aber es mag Ihnen genügen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie sich durchaus nicht in Sicherheit wiegen dürfen. Das in London stehende Geld ist Ihnen überhaupt verloren, weil Sie nicht wagen können, es abzuholen, und das, was Sie in Kooktown haben, ist Ihnen seit der letzten Affäre auch unzugänglich geworden.«

»Ich weiß es,« sagte der mit Kapitän Burns Angeredete.

»Trotzdem aber sollen Ihnen beide Summen zukommen, wenn Sie gewillt sind, ein Geschäft zu unternehmen.«

»Was ist es?« fragte der Bärtige freudig aufblickend.

»Eine Kleinigkeit, ohne jede Gefahr für Sie. Sie waren in Amerika?«

»Lange Zeit.«

»So sprechen Sie den amerikanischen Akzent?«

»Als wäre ich in den Vereinigten Staaten geboren, das heißt, wenn ich will.«

»All right, so hören Sie mir zu!«

Der Bärtige lauschte aufmerksam, aber bald nahmen seine Gesichtszüge einen besorgten Ausdruck an.

»Sie werden mich erkennen,« sagte er schließlich, als der Schwarzmantel geendet hatte.

»Seien Sie ohne Sorge, ohne diesen Bart werden Sie ein vollständig verändertes Aussehen haben, und außerdem habe ich noch ein Mittel, Sie zu sichern.«

»Gut, und für wen unternehme ich dies?«

»Das ist der einzige Punkt, über den ich Sie nicht aufklären kann, wenigstens jetzt noch nicht. Sie erfahren es aber, sobald Sie Ihren Auftrag erledigt haben.«

»Und ich soll ohne jede Sicherheit einen solch gefährlichen Auftrag ausführen?«

»Ich gebe Ihnen hiermit die Summe, die Sie in Kooktown stehen haben, mir wird es nicht schwer werden, sie zu erheben.«

Der Schwarze holte eine Brieftasche unter dem Mantel hervor und händigte sie dem Erstaunten ein.

»Es sind dreitausend Pfund, Sie können sich davon überzeugen. Versuchen Sie aber nicht, sich mit dieser Summe davonzuschleichen, denn ebenso sicher, wie ich Sie kenne und gefunden habe, werde ich Sie immer wieder zu treffen wissen. Morgen früh werden Sie die weiteren Anordnungen erhalten. In diesem Hause sind Sie sicher, darüber können Sie vollkommen beruhigt sein.«

Der Schwarzmantel machte eine entlassende Handbewegung, und Kapitän Burns, oder auch Elidoff, der Russe, von der Insel der Glücklichen, entfernte sich.


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