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Zweites Kapitel

Der Michael Hely kümmerte sich übrigens wenig um das Urteil seiner Landsleute. Es war ihm einerlei, wie sie sich sein Leben in der Vergangenheit ausmalten und in welchen der bekannten Weltteile sie es verlegten. Es gab nur einen Menschen, dem er von seinen Erlebnissen spärliche Mitteilungen machte, und das war die Ihleins Lisbeth. Ihr erzählte er, daß er lange auf der Wanderschaft gewesen sei, daß er viel Herbes erduldet habe und dann als Soldat in die französische Fremdenlegion eingetreten sei. Hier wurde er etwas mitteilsamer und schilderte das bewegte Leben unter der französischen Fahne in Afrika und die Kämpfe gegen die algerischen Stämme. Dann setzte er mit einem gewaltigen Sprung über Raum und Zeit nach Amerika über und jetzt war er wieder in der Heimat und überbrachte der Ihleins Lisbeth Grüße vom Alters Lorenz, den er noch immer pfeiferauchend auf seiner Farm im Tale des Missouri gefunden hatte.

Voraussichtlich wäre im Dorfe das Interesse, das man an dem weitgereisten Manne anfänglich nahm, bald wieder erkaltet und man hätte in ihm nichts weiter gesehen, als was er vordem war, den Dorfteufel, wenn er nicht in eine Stellung vorgerückt wäre, die ihn zum Rufer im Streite machte, an dem alle mehr oder minder teilnahmen.

Er war nämlich seinem Ansuchen entsprechend Glöckner geworden und hatte eine Dienstwohnung in dem alten Torturm bezogen, dessen zum Halsbrechen äußerst komfortable Einrichtungen unsere Leser bereits kennen.

Die Glocken waren gemeinsames Eigentum der beiden Konfessionen. Ihre Stimmen riefen Katholiken und Protestanten zum Hause des Herrn, sobald nur jemand unten stand und an den Seilen zog. Für die erstern besorgte dies der Michael Hely, dem wir Schuljungen helfend zur Seite standen, für die letztern der Preuße-Wilhelm, ein Zimmermann, der am Fuße des Turmes seine Arbeitsstätte hatte.

Diese beiden Männer, obwohl Kollegen im Dienst, waren doch die erbittertsten Gegner. Der eine, geboren auf dem märkischen Sand, war hochfahrenden Sinnes, zugeknöpft, großsprecherisch und voller Verachtung süddeutscher Art und Lebensweise; der andere, eine bescheidene und empfindsame Natur, war zurückhaltend, milde in seinem Urteil, mitteilsam wie ein Kind und geneigt, die Gewohnheiten anderer anzunehmen, sobald sie ihm besser erschienen als die eigenen. Von seinem Verkehr mit fremden Völkern war manches an ihm hängen geblieben, was seinen Landsleuten lächerlich, dem aber auf seine preußische Abstammung pochenden Zimmermann als Charakterlosigkeit oder Verrat der nationalen Sache erschien. War der eine mehr Weltmann, so war der andere der Typus eines rabiaten Nationalisten, der nichts kannte als die Geschichte der Markgrafen von Brandenburg und nichts gelten ließ, als die Pickelhaube und das Kommißbrot.

Die Kluft, die zwischen den beiden Charakteren gähnte, wurde noch vertieft durch die Verschiedenheit ihrer religiösen Anschauungen. War der Norddeutsche von puritanischen. Abscheu erfüllt gegen äußeres Formelwesen und prunkvolle Zeremonien, so gefiel sich der Süddeutsche, wenn er auch nichts glaubte, darin, unter den wallenden Fahnen glänzender Prozessionen einherzuschreiten, umflutet von Weihrauchwolken und umrauscht von dem knisternden Brokat goldstrotzender Priestergewänder.

Die gegenseitige Bekanntschaft der beiden Männer rechnete erst nach Wochen, denn der Preuße-Wilhelm war während der Abwesenheit des Michael Hely im Dorfe zugereist und hatte sich seßhaft gemacht, aber vom ersten Augenblick an, wo sie sich sahen, witterte einer im andern den Gegner und Rivalen.

Beseelt von fanatischem Glaubenseifer besaß der Zimmermann den Mut, seine Ansichten rücksichtslos mit Faustschlägen und Fußtritten zu vertreten. Dadurch entflammte er die Überzeugten unter seinen Glaubensgenossen und riß die Lauen mit sich fort. Er war der Führer der Protestanten in den ewigen Streitigkeiten, die dazumal jede religiös gemischte Gemeinde durchwühlten. Der Einfluß der Katholiken war zurückgedrängt worden, denn sie besaßen niemanden, der es mit der brutalen Energie des Preußen aufzunehmen vermochte.

Da war unvermuteterweise der Michael Hely zurückgekehrt. Er kam wettergebräunt von den blutgetränkten Schlachtfeldern Algeriens. Die athletischen Formen seines Körpers und jede seiner Bewegungen hatten etwas Herausforderndes. Die Sicherheit seines Urteils bestach, und der Nimbus, der alles umschwebt, was weit von uns entfernt geschehen ist, gab ihm unter seinen Landsleuten Ansehen und brachte ihnen den Glauben bei, daß er vielleicht der David sei, der mit dem Riesen Goliath den Kampf auszunehmen vermöchte.

Die beiden Heerführer verkehrten in einem Wirtshaus, ihre Arbeitsstätten lagen nahe beieinander, und ihr Glöcknerdienst zwang sogar die so heterogenen Naturen, an dem gleichen Strang zu ziehen. Es war vorauszusehen, daß sie sich über kurz oder lang in den Haaren liegen würden, denn bereits plänkelten die Avantgarden der beiderseitigen Heere miteinander.

In den Schulen hatten sich die Knaben zu Armeekorps organisiert. Wer irgendwie durch Talent oder Körperkraft sich auszeichnete, war General, die übrigen waren Offiziere; an Gemeinen fehlte es fast ganz und gar. Diese auserlesenen Heere glühten vor Begeisterung und Kampfesmut, und wenn irgendwie die langen Reihen katholischer und protestantischer Kinder auf ihrem Heimwege von der Schule sich berührten, so begann das Kampfgewühl. Die Mädchen nahmen die Bücher der Krieger in Verwahrung und umstanden im Kreise das Schlachtfeld, auf welchem sich Brust an Brust die Kämpfenden im Staube wälzten, bis irgendeinem ein halbes Ohr herunterhing, oder bis eine Respektsperson erschien und mit Stockhieben das Schlachtfeld säuberte. Man trennte sich notgedrungen, aber man wußte, wo man sich wiederfinden würde.

Die beste Gelegenheit, den Streit auszutragen, bot sich beim Sonntagsläuten in der Glockenstube. Hier, wo des öftern die Vertreter der einen Konfession warten mußten, bis die der andern die Seile aus der Hand gaben, entwickelten sich oft die tollsten Katzbalgereien, und es ereignete sich nicht selten, daß einer der Kämpfenden hart bedrängt aus der Tür fiel, über die Steine der morschen Umfassungsmauer kugelte und unter den Füßen der Andächtigen liegen blieb, die nach dem Gotteshause wallten.

Für die katholische Partei war es von Vorteil, daß der Michael Hely im Turme wohnte. War sie am Sonntag unterlegen, so hatte sie doch die ganze Woche über freien Zutritt zur Glockenstube, während solcher den Protestanten versagt war. Diese günstige strategische Lage wurde benutzt, um das Schlachtfeld vorzubereiten und den Preuße-Wilhelm zu ärgern, der am Fuße des Turmes mit seinen Gesellen Holz sägte.

Plötzlich, wenn er eben noch so friedlich arbeitete, erscholl es unter den Dachsparren und aus den Schallöchern des Turmes heraus:

Zimmermann im Heckerhut,
Eine Pfeife in der Schnut,
Drei Zoll Schnaps im Magen,
Faßt sein Weib am Kragen,
Drischt sie mit dem Winkelmaß,
Grobian, ei, schickt sich das?
Warte nur, der Büttel
Packt Dich noch am Kittel.

Die Wirkung dieser Strophe auf den Preuße-Wilhelm war eine geradezu phänomenale. Er sprang vom Stamm herunter, nahm die Axt und stürmte damit gegen den Turm. Aber er kam doch nie ganz bis zur Tür. Der Respekt vor dem Michael Hely, mit dem er sich noch nicht gemessen hatte, brachte ihn zum Umkehren, aber schneller als ein Hund bellt, entlud sich nun ein wahres Hagelwetter von Schimpfworten und Drohungen, die sich nur zur Hälfte zu verwirklichen brauchten, um alles zu vernichten, was da kreucht und fleucht. Wer übrigens den Donner hört, ist oft dem Einschlagen näher als er denkt.

Das Vertrauen seiner Mitbürger hatte nämlich den Dorfteufel nebst andern ehrenwerten Männern zu einem Viehmarkt in den Taubergrund delegiert, um dort einen Gemeindebullen zu kaufen. Ob man unserm Helden dabei etwas mehr als eine treibende Rolle zugemutet hatte, kann dahingestellt bleiben. Kurzum, er suchte zur Vollendung seiner Ausrüstung auf dem Holzstoße seines Nachbarn nach einem gediegenen Schälprügel und verließ in der Morgenfrühe mit den andern Erwählten das Dorf. Uns Knaben setzte er, wie weiland der König Pharao den Joseph, zu Herren über sein ganzes Haus und verlangte als Gegenleistung nur, daß wir für die Fütterung seiner Vögel sorgen möchten. Das taten wir mit Lust und Liebe zur Sache, und wenn jedes Mitglied der Kanarienvogelbrut sich nicht zur Größe einer jungen Gans auswuchs, so war das sicher nicht unsere Schuld. Allein uns blieb noch immer viel Zeit übrig, die wir dazu benützten, in der Stube unseres Gönners Kisten und Kasten zu durchstöbern.

Bei einer derartigen Untersuchung fand sich ein Farbendruck, der eine Prozession im Dome zu St. Peter in Rom darstellte. Noch heute sehe ich dieses Fragment aus einem Familienblatt in seinem scheckigen Glänze vor meiner Seele stehn. Der Papst in weißer Soutane saß auf der Sedia gestotoria und wurde von Hartschieren in prunkenden Uniformen durch ein Gewühl von Menschen getragen, die unter seinem Segen teils die Köpfe neigten, teils in die Kniee niedersanken. Hinter ihm folgten, in wallenden roten Mänteln, die Kardinäle. Es bewegte sich der ehrwürdige Zug durch eine Gasse von Menschen, die von der spalierbildenden Schweizergarde wie von Randsteinen abgeteilt war.

In jedem Kinde liegt der Trieb, die Handlungen der Erwachsenen nachzuahmen, wobei freilich oft nur Parodien herauskommen. Alles Glänzende und Pompöse reizt die kindliche Phantasie, und so wagt der Knabe je nach den Vorbildern, die ihm gegeben sind, sich mit Selbstgefälligkeit bald an die Rolle eines Harlekins oder auch an die eines hohen Kirchenfürsten. Nichts erscheint zu gewagt, und den Mangel an Ausstattung ersetzt der Überfluß an Phantasie.

Nachdem wir einmal entschlossen waren, den Umzug seiner Heiligkeit aus dem Gemalten in die Wirklichkeit zu übertragen, bemächtigten wir uns zu diesem Ende zunächst der Leimpfanne des Michael Hely. Es entstanden zu unserer Freude mit Hilfe von bunten Papierschnitzeln und alten Zeitungen die prachtvollsten geistlichen Gewänder. Mit dem Handwerkszeug des Meisters verfertigten wir blinkende Schwerter und Beile für die Nobili, und die roten Gewänder für das heilige Kollegium holten wir einfach aus dem Meßdienerschrank im Kirchenchor. Bald hatte ein jeder das, was er brauchte, um in seiner Rolle mit Anstand und Würde auftreten zu können. Nur für den heiligen Vater hatten wir noch nichts Passendes gefunden. Ein erneutes Wühlen in der Kommode förderte endlich das Weiße Sonntagshemd des Meisters ans Tageslicht, einen Gegenstand, der im Helyschen Familienschatz nur im Singularis vorkam und deshalb wegen seiner phänomenalen Seltenheit doppelt unserer Schonung würdig gewesen wäre. Allein »es wächst der Mensch mit seinen höhern Zwecken«, und da wir nun doch einmal gesonnen waren, die höchsten Personen der Christenheit vorzustellen, so konnte es kein Ding mehr geben, das für uns zu gut gewesen wäre. Ohne Erbarmen begann die Leimerei auf dem Schirting, dem wir eine Stola aufklebten, die ihresgleichen in der Christenheit nicht hatte.

Einiges Nachdenken erforderte die Beschaffung der Tiara. Doch als der Sohn eines Krämers auf den Einfall kam, aus dem Magazin seines Vaters den Kopf einer Zuckerhutpackung herbeizuholen, so klebten wir die drei Kronen aus Goldpapier darüber, stülpten das Ganze über den Kopf des Christoph Haag, der jetzt wohlbestallter Postdirektor ist, bekleideten ihn mit dem Hemd, und der heilige Vater war fertig. Der Zufall oder die allweise Vorsehung hatte ohne unser Zutun für die Sedia gestatoria gesorgt. Eine Tragbahre, auf der zu weniger heiligen Zeiten Särge und fertige Möbel in die Häuser geschafft wurden, lehnte draußen im Gange an der Mauer. Wir legten Bretter darüber und stellten einen Stuhl darauf.

Damit es auch an Volk nicht fehle, um den Papst zu akklamieren und den Segen in Empfang zu nehmen, holten wir aus der Nachbarschaft Kind und Kegel herbei und postierten sie in den Ecken, an denen der Zug vorüber mußte. Dies war in der Tat eine Gesellschaft von so ungewaschener Urwüchsigkeit, daß sie an starrendem Schmutz und Zerrissenheit den Vergleich mit den Bewohnern des Trastevere aushalten konnte. Da waren braunhäutige Eingeborene, denen die Reste ihrer Mahlzeiten von acht Tagen her im Gesicht herumlagen; andern hingen Kerzen aus den Nasenlöchern, so naturwahr, als ob sie sagen wollten: »Habt einen Augenblick Geduld, es kommen auch noch Leuchter nach.«

Wie mußte auf solche Zuschauer die Pracht der Gewänder aus Packpapier und die kunstvolle Arbeit der Rauchfässer aus Zuckerkordeln und ausgehöhlten Dickrüben wirken!

Als alles in so umsichtiger Weise geordnet war, setzten wir den Papst auf seinen erhabenen Stuhl; die Beamten des Palastes griffen zu und hoben die Arme der Tragbahre auf ihre Schultern. Der Zug setzte sich voll Feierlichkeit in Bewegung. Die Kapelle von Sankt Peter begann den Chorgesang. Schellen und die Blechmusik alter Kochgeschirre ersetzten Zymbeln und Posaunen. Das Volk schrie Eviva und Hosianna, und wenn vielleicht die Nachahmung in manchen Punkten das Vorbild nicht ganz erreicht haben sollte, so waren wir doch sicher, daß sie dasselbe in bezug auf den Spektakel bei weitem überholte.

Zu allem Unheil kam einer von uns Mitwirkenden noch auf den allerdings naheliegenden Gedanken, an dem Glockenseil zu ziehen, um urbi et orbi zu verkünden, was hinter den gebenedeiten Mauern von St. Peter vor sich ging.

Leider wurde die Sprache der Glocke nicht allenthalben richtig gedeutet. Die ehrsamen Bürger erschraken über das Gebimmel zu so ungewohnter Stunde, rannten vor die Haustüren und heulten: »Es brennt.« Andere rissen die Fenster auf und schrien: »Wo denn, wo denn?« und Schrecken und Verwirrung fegten wie ein Windstoß durchs Dorf.

Der einzige, der nicht erschrak, weil er wußte, was vorging, war der Preuße-Wilhelm. Er hatte während des ganzen Nachmittags über dem Sägeloch geschwebt und Bretter geschnitten. Er hatte unsere Gesänge gehört und die Vorbereitungen zu einem kirchlichen Feste beobachtet, und sein protestantisches Gefühl opponierte in stillem Grollen gegen die Abgötterei. Der grobe Unfug, den wir nun noch mit der Glocke getrieben, gab ihm die willkommene Veranlassung, einzugreifen.

So ließ er denn die Säge mitten im Stamme stecken und erschien zu unser aller Schrecken zorngerötet auf der Schwelle der Turmtür. Seine Gegenwart brachte Verwirrung in die treffliche Ordnung des Zuges, und der heilige Vater fiel jählings von der Tragbahre zur Erde nieder. Dies genügte aber dem Ergrimmten keineswegs. Er packte vielmehr den Vater der Christenheit mit seiner schwieligen Rechten im Genick. Mit seiner Linken griff er derweilen in das heilige Kollegium der Kardinäle und nun stieß er diejenigen, die er zwischen den zwei eisernen Klammern seiner Zimmermannsfäuste gefaßt hatte, mit den Köpfen so lange gegeneinander, bis dem ehrwürdigen Vater der Christenheit ganz gottserbärmlich die Nase blutete.

Auch das Hemd mitsamt den unschätzbaren Zutaten war unter den Händen des Zimmermanns so übel zugerichtet worden, daß es auch einem scharfsinnigen Verstande schwer geworden wäre, aus dem, was noch übrig war, seine einstmalige hohe Bestimmung zu erraten.

Während dieser Exekution hatte sich das Volk vom anderen Ufer des Tiber mitsamt der tapfern Schweizergarde auf die Flucht begeben. Aber nur wenige erreichten die ebene Erde auf ihren Füßen. Die meisten kugelten wie junge Hunde über die Trümmer der Ringmauer, und unten bildete sich am Boden ein zappelnder Haufen, der aus Talmikardinälen, nachgemachten Nobilis und waschechten Lazzaronis sich bunt genug zusammensetzte.

Als der Preuße-Wilhelm vom Turme niedersteigend in dies Gewimmel hineintrat, regnete es noch eine kleine Weile Ohrfeigen und hagelte Fußtritte, bis die erlauchte Versammlung nach allen Winden zerstoben war.

Niemand wird es auffallend finden, daß wir armen, in des Wortes realstem Sinne Geprellten, nur mit Wehmut an das gestörte Fest dachten und daß wir uns nach einem Rächer sehnten. Bald kam der Tag, der den Erlöser von der Schmach, den Michael Hely, wiederbringen mußte. Weit ins Tal hinab gingen wir unserm Beschützer entgegen. Als wir ihn nun so kraftvoll ausschreiten sahen in der Mitte der ehrenwerten Männer und als wir den neuen Gemahl der Dorfkühe sahen mit dem Georginenkranz um die Hörner, da waren wir vor Entzücken außer uns und wir schlugen Räder um das Vieh, wie weiland Israel ums goldene Kalb.

Die sonst so strengen Züge unseres Helden, der unsere frohen Gesichter schaute und ahnen mochte, daß sie seinem Wiederkommen galten, glätteten sich und ein freundliches Wohlwollen strahlte aus den Augen des ausgedienten Legionärs.

Ja, er war ein Kinderfreund. Er liebte alle Kinder, auch die der rechtschaffenen Leute, aber er hatte eine besondere Vorliebe für Bastarde. War es die größere Hilflosigkeit dieser armen Wesen, die ihn anzog, war es der Gedanke an einen, der ihm näher stand als alles auf der Welt; seine Neigung ging soweit, daß er sich ordentlich behaglich fühlte in der Gegenwart eines mit diesem Schimpfworte gebrandmarkten Wesens. Um immer ein solches um sich zu haben, paarte er hochfeudale Weibchen aus dem uralten Geschlecht der Kanarienvögel mit Spatzenproletariern und er freute sich, wenn das Produkt einer solchen Mesalliance im schmutzigen Schwarzgrün seines Kleides patzig auf dem Stängelchen des Vogelbauers saß und im Disput mit den andern frech und ungeniert seine Meinung geltend machte.

Diese Vorliebe unseres Freundes war uns wohl bekannt, und obgleich wir in der Unschuld unserer Kinderherzen den tieferen Grund nicht ahnten, wußten wir dennoch aus derselben Vorteil zu ziehen.

Da war der Besepeters Lisbeth ihr Johann. Sein Großvater war der Peter, ein Besenbinder. Seine Mutter dessen Tochter Lisbeth und er deren Sohn. Soweit war alles in Ordnung. Wer aber sein Vater war, das wußte bedauerlicherweise niemand und auch die Kirchenbücher schwiegen sich geheimnisvoll darüber aus. Deshalb belegte ihn die öffentliche Meinung mit dem despektierlichen Beinamen Bastard und gerade dieses Namens wegen war er der Liebling des Michael Hely. So sehr wir nun auch diesen Unehelichen um die Gunst dieses Mannes, der in unsern Augen ein sagenumwobener Held war, beneideten, wir konnten es nicht ändern, daß bei unserer Menschwerdung alles vorschriftsmäßig zugegangen war. Deshalb war es das Klügste, daß wir seinen Vorzug anerkannten und seinen größeren Einfluß unsern Zwecken dienstbar machten.

So nahmen wir ihn denn auch heute zu unserm Wortführer an und überließen ihm die Vertretung unserer gerechten Sache.

Sobald der Ochs sein neues Domizil erreicht hatte, an der Krippe angebunden war und zur großen Freude aller, die ihm zusahen, fraß, als ob es sich um eine Wette handelte, machte sich der Johann an den Michael Hely heran, schlug seinen linken Arm um dessen Hüfte und schlenderte mit ihm die Dorfstraße entlang dem Turme entgegen. Auf diesem Gange erzählte er ihm nun so nach und nach, was sich in seiner Abwesenheit ereignet hatte, und bereitete ihn langsam vor auf den trostlosen Zustand, in welchem er sein Hemd, das Produkt einer südfranzösischen Schirtingfabrik, wiedersehen sollte.

Wir waren den beiden gefolgt und aus dem Feuer, das aus dem Auge des Michael Hely schlug, wie Funken aus der Esse eines Schmiedes, schlossen wir, daß unserer Niederlage die Revanche nicht fehlen werde. Nun gab es keinen Aufschub mehr. Bald mußte der Tag kommen, wo die beiden sich in offenem Kampfe maßen.

Am gleichen Abend noch flog der vierschrötige Zimmermann, der Anführer und Stolz einer fanatischen Partei, aus der Wirtschaft »Zum vergnügten Sägebock« auf die Straße, wie ein fauler Hering, den man vor die Hunde wirft.

 


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