Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Nachwort zu den Nibelungen.

(1871.)

                            Hinunter im Zeitstrom floß ein Jahrzehent
Seitdem ich's gewagt, als wandernder Barde
Zu lautem Leben das Lied zu wecken.

Kaum durchdämmerte damals das nächtliche Dunkel
Ein matter Meldstreif Morgenröthe.
Was die Seherin Sage mich singen lehrte
Nach Zeichen der Zukunft am Horizonte:
Daß unserm Gesichtskreis die Sonne des Sieges
Schon glanzvoll nahe – das glaubte mir Niemand.

Nun ist alles geschehn was ich ahnungsvoll schaute.
Ja »bevor ich mein Lied noch völlig vollendet
»Wurden geworfen die eisernen Würfel.«
Ja »des deutschen Stammes unsterblich Gedächtniß
»Entsann sich der Siege der Ahnen und sorgte
»Daß endlich entfesselt das erste der Völker
»Vereinigt aufstand, auch gegen den Erdkreis
»Zu ertrotzen den Thron, um den man's betrogen.«
Ja »sie nahte stärkend, die Noth eines Sturmes«
Wie gleich gewaltig noch keiner geweht hat.
Als »Heil und Hülfe nur Helden verhießen«
Da »ward uns erweckt der Weltüberwinder.«
Ja »wir fanden den Führer zur vollen Genesung«
Wir »schlugen sie glücklich, die glorreichen Schlachten«
Wir haben »die Krieger geschmückt mit Kränzen«
Und »geschmiedet die Krone der einigen Kraft.«

Wirst du »Dauer verleih'n und gedeihliches Leben«
Auch »dem Heldengesang, o Sonne des Sieges?«

Du bist es ihm schuldig; denn daß du erschienen
So glanzvoll, wem dankst du's? Dem deutschen Glauben.

Gestürzt und gestorben sind seine Gestalten;
Sie können im Liede, doch niemals im Leben
Der Gruft entsteigen – er selbst ist unsterblich.

Aus entlegenem Lande kam neue Lehre.
Der Menschensohn, der Meister der Milde,
Hatte siegreich gesagt, was längst schon ersehnt war,
Um vom Räthselfluche der Rachepflichten
Und vom gräulichen Makel der Menschenmärkte
Gelind zu erlösen die leidenden Völker.
Doch die freudige Botschaft und Offenbarung,
Sie war unterwegs im Wandel der Zeiten
Leidig verdreht von dreisten Lügnern
Zur Geisselsucht um die Gottheit zu sühnen,
Zum Tod der Natur und der tüchtigen Mannheit.
Sie war ruchlos gefälscht von römischen Ränken
Zu verderblichem Wahn, zu verdummendem Dünkel
Um Herrschsucht und Habsucht heilig zu sprechen.

Auch dies scharfe Gift in göttlichster Schaale
Versagte den Dienst an der Seele der Deutschen,
Bis zuletzt die Verderber der Demuthslehre
Eines mächtigen Mannes beschwertes Gewissen
Mit schwärzester Arglist beschworen, verführten,
Sich den Schatten des Bruders durch Schergendienste
Vom Bette zu bannen und mit dem Beile
Sein eigenes Volk zu treiben in's Fanggarn
Der üppigen Buhlerin jenseits der Berge.
So gewannen sie sich zum willigen Werkzeug
Den blutigen Karl, den verblendeten König,
Den die Leiter des Gräuels dann groß gelogen
Weil er Tausende todtschlug als tausender Henker.

So gingen die Götter und wurden vergessen.
Doch heilig fort im Herzen des Volkes
Glimmte dennoch der deutsche Glaube.
Ob auch grimmig verfolgt vom grausamen Feinde,
Ob verbannt und verboten bei härtester Buße
Als blinder Wahn, – er blieb uns im Blute
Und formte unfehlbar zu seinen Gefäßen
Mit eingeborner gewaltiger Bildkraft
Nach schmerzlicher Frist auch die Götter der Fremde.
Die Gewalt, mit der Wahrheit die Welt zu erlösen
Erlangte die Lehre des leidenden Heilands
Und Menschensohnes erst als sie vermählt war
Dem deutschen Glauben.
                                        Du, deutscher Glaube,
Du wurdest zu Thaten. Und tödtlich getroffen,
Mit vernichtet vom Schlag der nur auf den Nachbarn,
Den Neidhart, gezielt war, liegt zuckend und zeternd
Am Boden die Buhlerin jenseits der Berge;
Denn gestürzt ist der Stuhl, den im Sterben die Stolze
Noch betrüblich getrachtet zum Throne Gottes
In lästerndem Hochmuth erhöhen zu lassen.

Doch voll deinem Glanzlicht, o deutscher Glaube,
Hat mein Lied nur gelallt. Von anderen Lippen
Erklingst du nun bald in klaren Geboten
Aus deutschen Landen mit Donnerlauten
Ueber den Erdball. Ja, wisset, von Aufgang
Bis Niedergang nächstens die Nacht zerreißend
Und Alles entzündend zuckt ein Blitzwort;
Denn der heilige Geist will zu göttlichen Höhen
Uns Pfade zeigen mit Pfingstfestzungen.
Schon erlauschet mein Ohr sein leises Athmen;
Doch genügt es noch nicht, genau zu vernehmen
Den Wortlaut des Spruchs, der den Weg uns sprenget
Und bahnt durch das letzte verbietende Bollwerk
Der Zwingburg des Wahns. Doch zweifellos weiß ich:
Wenn die Sterblichen steigen zu höheren Stufen
Als sie je sich getraut; wenn trennend doch treffend
Die also Erneuten ein anderer Name
Von den Unerlösten Lässigen scheidet: –
Dann schuldet die Welt dies Schaffen und Wachsen
Den alten Geboten, die unverbannbar
Uns blieben im Blut und Blüthen treibend
Die Fruchte gezeitigt der Freiheit und Zucht;
Wenn die Erde dann endlich als ächtes Eden
Durch Gottes Macht im Geiste des Menschen
Hoch übertrifft die Himmelsträume,
Dann dankt sie dies Glück dem deutschen Glauben.


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