Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Nachtigalsprache.

              Lieb Mütterchen, rief sie zum Fenster hinein,
Gib nun mir meinen Bräutigam wieder;
Der Abend ist schön und ich mag nicht allein
Mich ergehn unter'm blühenden Flieder.
Du hörtest für heute genug sein Geprahl
Mit gekauften Schränken und Laden;
Nun wollen wir zwei in des Mondes Strahl
Spazieren auf lauschigen Pfaden.

Dort unten im Thal, mein trautester Schatz,
Wo die Bächlein murmeln und rauschen
Ist im Erlengebüsch ein heimlicher Platz,
Da laß uns nun hingehn und lauschen. –
Nun sind wir der Sängerin nahe genug.
Was du sagen willst sage mir leise.
Doch sie fürchtet uns nicht – sie kommt schon in Zug,
Sie merkt's, mir gefällt ihre Weise.

Ach ich wüßte so gern was die Nachtigal meint
Wann ihr Lied sie so mannigfach modelt,
Ob sie jauchzt, ob sie klagt, ob sie lacht, ob sie weint
Wann sie flötet und trillert und jodelt.
Wenn wirklich Natur, wie du häufig gerühmt,
Dir jedes Geheimniß vertraute,
So sage mir faßlich und unverblümt
Den Inhalt der wechselnden Laute.

»Sehr gern, wenn du willst; so laß uns geschwind
Deinen Wunsch zum Wollen erst reifen;
Denn die Nachtigalsprache, mein herziges Kind,
Läßt sich einzig erlebend begreifen.
Giolirr rrä rrä tiolirr arrarr
Tiotinx tiotinx errirura
Wihtwiht yolühl wihtwiht yolühl
Lioli Liolu liolela.«

Fritz, rappelt's bei dir?
                                  »Rärä arrarr.«
Ja, was meint, wann sie schnarrt, Philomela?
»Wihtwiht yolühl«
                                  So sei doch kein Narr.
Wo denn hin?
                                  »Liolu liolela.«

Wo bist du denn, Fritz?
                                  »Hier links, hier links!
Komm, fange mich eh' ich enthusche.«
Ach ich fürchte mich, Fritz.
                                  »Tiotinx, tiotinx.«
Nun, was willst du?
                                  »Dich küssen im Busche.«

Ach, sei nicht so wild – hier draußen – bei Nacht –
»Wer sieht's? Tiotinx errirura.«
Laß die Posse nun sein!
                                  »Sieh den Mond, wie er lacht
Zu dieser Lection in Natura.«
Du verängstigst mich, Fritz – auch wird es schon kühl –
Komm nach Hause – die Mutter wird warten.
»Komm zu meiner Mama – sie schläft – yulühl
Es ist schöner in unserem Garten.

»Da sieht uns kein Mensch – lioli liolu
Drum fürchte dich nicht im Geringsten. –
Was stopfst du dein Ohr? Nur der Mond hört zu
Und wir machen ja Hochzeit schon Pfingsten.
So darfst du besehn – denn ich mache dir Licht
Wenn du willst – wie warm ich das Nestchen
Gefüttert für uns und – halte mir nicht
Den Mund zu! – für künftige Gästchen.«

Sie schaute nicht rechts noch schaute sie links
Als er spät erst nach Hause sie brachte.
Aus dem Weidig rief's: tiotinx tiotinx
Und der Mond der allwissende lachte.
Nun verstand sie genau was die Nachtigal sang
Lioli liolu lioleya
Denn es weckte indem es zum Herzen drang
Drin das Echo eiapopeia.


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